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IV.

Unter welchen Bedingungen ist eine Versöhnung der religiösen und wissenschaftlichen Weltanschauung möglich?

Der erste Einwurf, den man wahrscheinlich der vorangegangenen Erörterung gegenüber erheben wird, dürfte auf die Behauptung hinauslaufen: ein so unvereinbarer Widerspruch, wie er im lezten der schließlich aufgestellten Säße vorausgesetzt werde, bestehe in der Wirklichkeit zwischen den kirchlichen Dogmen und den unanzweifelbaren Wahrheiten der Wissenschaft gar nicht. Man könne sehr wohl die ersteren für Wahrheiten halten, ohne darum die letteren für Unwahrheiten erklären zu müssen. In Betreff mancher Glaubenssätze und zwar gerade derjenigen, die nach unserer eigenen Ueberzeugung die wichtigsten und wesentlichsten sind, ist dies allerdings so, und wir werden später zeigen, daß eben diese es sind, welche ein friedliches Nebeneinanderbestehen von Glauben und Wissen möglich machen. Jedoch mit den meisten Dogmen und gerade denjenigen, auf welche die römische Kirche das Hauptgewicht legt, verhält es sich anders. Sie können schlechterdings nur dann Wahrheiten sein, wenn die ihnen widersprechenden Resultate der Wissenschaft Unwahrheiten sind. Nehmen wir z. B. das Dogma von Christi Himmelfahrt! Läßt sich dieses in dem von der Kirche vorgeschriebenen, d. h. nicht in symbolischem, sondern buchstäblichem Sinne für wahr erklären, ohne daß damit das Gravitationsgesetz für unwahr erklärt wird? Nein, das Erstere setzt nothwendig

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das Lettere voraus! Das Gravitationsgesetz für unwahr erklären. heißt aber zugleich das Fundament des gesammten Weltzusammenhangs zertrümmern, es heißt das Grundgesetz der räumlichen Ausdehnung umstoßen, es heißt leugnen, daß Einmaleins — Eins, Zweimalzwei Vier, Dreimaldrei Neun ist, es heißt also auch die bisher noch von Niemand angezweifelte Basis vernichten, ohne welche überhaupt in der geistigen, wie in der natürlichen Welt keine Ordnung, kein Verkehr, keine Verständigung möglich, es heißt das Gesetz von Zahl, Maaß und Gewicht umstürzen, nach welchem, wie die Bibel selbst lehrt, Gott Alles weislich geordnet hat, es heißt Wahrheiten für null und nichtig erklären, welche man bisher nicht bestreiten konnte, ohne in das Tollhaus geschickt zu werden. Ist also von Jemandem, der nur eine Ahnung von diesem unzerreißbaren Zusammenhange der wissenschaftlich erkannten Wahrheiten hat, zu erwarten oder zu verlangen, daß er dem Glauben an das genannte Dogma die Ueberzeugung von der Unumstößlichkeit aller dieser Wahrheiten zum Opfer bringe? Oder soll es einem Solchen möglich sein, gar das Dogma von der Unfehlbarkeit anzunehmen, welches ihm zumuthet, dieselbe Gewalt, welche jene die ganze vernünftige und natürliche Weltordnung zertrümmernde Forderung stellt, für die alleinige Inhaberin aller Wahrheit zu halten? Nein, dies ist undenkbar. Darum ist mit einer Kirche, die solches beansprucht, keine Verständigung, keine Versöhnung von Seiten der wissenschaftlichen und gebildeten Welt möglich. Der Kampf mit ihr, zu dem sie selbst in unsäglicher Verblendung und Selbstüberhebung den Fehdehandschuh hingeworfen hat, muß aufgenommen und so lange unaufhörlich fortgesetzt werden, bis allgemein anerkannt ist, daß es in der That nur eine Wahrheit giebt und daß nur dasjenige als untrügliche Wahrheit gelten kann, was vor der menschlichen Vernunft und streng wissenschaftlichen Prüfung als solche zu bestehen vermag.

Aber werden ängstliche Gemüther von mehr religiöser, als wissenschaftlicher Richtung dem entgegen fragen wenn wirklich der Kampf zu solchem Ausgange führte, würde dies nicht eine gänzliche Vernichtung des Christenthums, eine Ausrottung aller Religion, aller Treu und alles Glaubens, aller Zucht und Sitte, aller Grundbedingungen der diesseitigen und jenseitigen Seligkeit

bedeuten, also etwas weit Gräßlicheres und Verabscheuungswürdigeres sein, als die Unterjochung oder Beseitigung der Wissenschaft? Ist der Mensch in seiner Schwäche und Hülfsbedürftigkeit nicht in weit höherem Grade des Trestes der Religion, als der menschlichen Klugheit und Weisheit bedürftig, die ihn in Tagen des Glückes nur aufbläst und übermüthig macht, in Tagen des Unglücks aber ihn um so treuloser im Stich läßt und um so erbarmungsloser der Verzweiflung preisgiebt?

Die in diesen und ähnlichen Einwürfen sich ausdrückenden Besorgnisse sind völlig unbegründet. Allerdings suchen es die Wortführer der Hierarchie dem Volke so darzustellen, als ob sie allein die Hüter und Pfleger der Religion und Sitte wären und sie allein über Heil und Seligkeit der Menschheit zu verfügen hätten, die Vertreter der Wissenschaft und Bildung dagegen nur die Vertilgung aller Religion, die Verhöhnung alles Hohen und Heiligen im Schilde führten und mit allen ihren blendenden Leistungen nichts bezweckten und nichts zu erreichen vermöchten, als die Förderung der Hoffahrt und Eitelkeit, der Weltlust und Fleischeslust, des Lasters und des Schwindels, kurz die Pflege aller der Fähigkeiten und Triebe, durch welche der Menschheit der Weg zur Hölle gepflastert werde. Alles dies sind aber entweder nur grundlose Vorurtheile çiner engherzigen, beschränkten Lebensanschauung oder geradezu absichtliche Lügen und Verleumdungen, zu denen sie im Kampfe gegen die Wahrheit nothgedrungen ihre Zuflucht nehmen müssen.

In der That verhält es sich gerade umgekehrt. Weit entfernt, die Pfleger und Hüter der Religion zu sein, sind gerade die eifrigsten Verfechter des kirchlichen und päpstlichen Absolutismus zugleich die allerschlimmsten und verderblichsten Feinde der ächten und wahren Religiosität. Wie es ihnen gar nicht einfällt, selbst an das zu glauben, was sie lehren und als unanzweifelbare Glaubensfäße hinstellen, so ist es ihnen im Grunde ihres Herzens auch völlig gleichgültig, ob die Mitglieder der Kirche aufrichtig und wirklich das von ihnen Gelehrte glauben; es genügt ihnen vollständig, wenn dieselben nur in Wort und Handlung stets und überall so thun, als ob sie es glaubten; ja unter sich und im Kreise gleichgesinnter Gebildeten haben sie dessen auch gar kein Hehl und lachen über die blödsinnigen

Thoren, welche sich zum Bekenntniß ihrer Lehren bloß darum nicht verstehen wollen, weil sie dieselben nicht für wahr zu halten vermögen. Nicht um die Erhaltung und Verbreitung eines wirklichen, in sich haltbaren Glaubens ist es ihnen also zu thun, sondern um Verewigung und Förderung einer für Glauben sich ausgebenden Lüge und Heuchelei; nicht auf die Pflege wahrer Gottesfurcht und einer aufrichtigen Unterordnung unter die allwaltende göttliche Weltordnung kommt es ihnen an, sondern lediglich auf die WiederHerstellung jener den Unmündigen eingeimpften Menschenfurcht und sclavischen Unterwerfung unter die Lehren, Gebote und Bannflüche eines Menschens, der hochmüthig und hoffährtig genug ist, sich trotz seiner menschlichen Schwäche und Sündhaftigkeit für den unfehlbaren Stellvertreter Gottes auf Erden auszugeben. Nicht Hebung und Schutz, nein, Untergrabung und Zerstörung, ja eine völlige Umkehrung in ihr Gegentheil, eine Herabwürdigung derselben zu Heuchelei und Gözendienst steht also für die Religion von Rom aus in Aussicht, wie denn auch die schon jetzt herrschende, in gedankenlosem Formalismus und Indifferentismus sich kundgebende Irreligiosität zum größten Theil in der Entartung der Kirche selbst ihren Grund hat.

Wie es aber um das Gedeihen der Zucht und Sitte unter dem von Rom aus dirigirten Kirchenregiment bestellt ist, nun dafür hat die Statistik der Verbrechen in denjenigen Ländern und Gegenden, wo dieses Regiment bis jetzt am unbeschränktesten gewaltet hat, zu schlagende Belege geboten, als daß wir nöthig hätten, darüber noch ein Wort zu verlieren ganz abgesehen von den moralischen Leistungen, deren sich der Klerus selbst zu rühmen vermag. Und kann man von einer Kirchengewalt, die Christus zwar beständig im Munde führt, in ihrem ganzen Thun und Gebahren aber, namentlich in ihrem geistlichen Hochmuth, in ihrer Sucht nach weltlicher Herrschaft, in ihrer fanatischen Verdammungs- und Verfolgungssucht, das diametrale Gegentheil des in Demuth, Langmuth und Liebe sich kennzeichnenden wahrhaft christlichen Geistes ist kann man von solcher Kirchengewalt im Ernst annehmen, daß sie durch beliebige Gewährung oder Verweigerung der Absolution über die diesseitige und jenseitige Seligkeit

eines Menschen verfügen kann? - Nun, wer solchem Glauben sich hingiebt und darin einen Trost zu finden vermag, der darf sich nicht wundern, wenn er einst dafür die bitterste Enttäuschung erfährt.

Ebenso grundlos wie das blinde Vertrauen zu der dasselbe beanspruchenden Kirche ist das Mißtrauen gegen die mit der Kirche im Kampf begriffene Wissenschaft. Weit entfernt, daß von ihr eine Gefährdung der ächten Religiosität zu befürchten wäre, ist im Gegentheil nur von ihr eine Wiederherstellung und Neubelebung derselben zu erwarten. Gründlich betrachtet ist das Verhältniß, wie es ursprünglich zwischen Religion und Wissenschaft bestand, niemals ein principiell gegensätzliches und feindliches gewesen, vielmehr erhellt aus der Geschichte beider, daß die meisten der positiven Religionen ursprünglich selbst gar nichts Anderes als Producte der Wissenschaft gewesen sind, denn ihr wesentlicher Lehrgehalt erweist sich fast immer nur als eine sinnbildliche, mehr oder minder dem Volksbewußtsein angepaßte Darstellung derjenigen wissenschaftlichen Erkenntniß, welche zur Zeit ihrer Entstehung die unter den obwaltenden Verhältnissen befriedigendste war. Wenn wir also in späteren Zeiten zwischen Religion und Wissenschaft solche und ähnliche Zerwürfnisse bestehen sehen, wie sie im gegenwärtigen Conflict zu Tage treten, so wurzeln dieselben nicht in einem principiellen Gegensatz, sondern sie haben immer nur darin ihren Grund, daß die Priester einer also entstandenen Religion stets bei dem ursprünglichen Lehrgehalt derselben stehen blieben, während die Wissenschaft fortschritt, und aus Furcht, anderenfalls ihre Autorität zu verlieren, mit unbeugsamer Hartnäckigkeit auch solche Lehrsäte festzuhalten suchten, welche von der inzwischen fortgeschrittenen Wissenschaft bereits als Irrthümer erfannt waren. Nur hierin hat auch der jetzt zwischen Rom und Deutschland entbrannte Kampf seinen Grund, weßhalb ein ultramontaner Priester Münchens von seinem Standpunkte aus gar nicht Unrecht hatte, wenn er von der Kanzel herab erklärte, den Fortschritt möge der Teufel holen. Nicht auf einem ursprünglichen, schlechthin unvereinbaren Widerspruch der christlichen Lehre und der Wissenschaft beruht in der That der jezige Kampf, sondern lediglich auf der weiten Kluft, die zwischen beiden dadurch entstanden ist, daß die Wissenschaft, nachdem sie sich Jahrhunderte lang dem

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