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Zweytes Capitel.

Hersilie an Wilhelm. Mein Zustand kommt mir vor wie ein Trauerspiel des Alfieri; da die Vertrauten völlig ermangeln, so muß zulezt alles in Monologen verhandelt werden, und fürwahr eine Correspondenz mit Ihnen ist einem Monolog vollkommen gleich; denn Ihre Antworten nehmen eigent lich wie ein Echo unfre Sylben nur oberflächlich auf, um sie verhallen zu lassen. Haben Sie auch nur ein einzigmal etwas erwidert, worauf man wieder håtte er widern können? Parirend, ablehnend sind Ihre Briefe! Indem ich aufstehe Ihnen entgegen zu treten, so weisen Sie mich wieder auf den Sessel zurück.

Vorstehendes war schon einige Tage geschrieben; nun findet sich ein neuer Drang und Gelegenheit Gegenwårtiges an Lenardo zu bringen; dort findet Sie's oder man weiß Sie zu finden. Wo es Sie aber auch antreffen mag lautet meine Rede dahin, daß wenn Sie, nach gelesenem diesem Blatt, nicht gleich vom Size aufspringen und, als frommer Wanderer, sich eilig bei mir einstellen, so erklär' ich Sie für den månnlichsten aller

Goethe's Werte. XXIII. Bd.

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Månner, d. h. dem die liebenswürdigste aller Eigenschaften unsers Geschlechts abgeht; ich verstehe darunter die Neugierde, die mich eben in dem Augenblick auf das entschiedenste quålt.

Kurz und gut! Zu Ihrem Prachtkästchen ist das Schlüsselchen gefunden; das darf aber niemand wissen als ich und Sie. Wie es in meine Hånde gekommen vernehmen Sie nun.

Vor einigen Tagen empfångt unser Gerichtshalter eine Ausfertigung von fremder Behörde, worin gefragt wird, ob nicht ein Knabe sich zu der und der Zeit in der Nachbarschaft aufgehalten, allerlei Streiche verübt und endlich bei einem verwegenen Unternehmen seine Jacke eingebüßt habe.

Wie dieser Schelm nun bezeichnet war, blieb kein Zweifel übrig es sey jener Fiß, von dem Felix so viel zu erzählen wußte und den er sich so oft als Spielkameraden zurückwünschte.

Nun erbat sich jene Stelle die benannte Kleidung, wenn sie noch vorhanden wäre, weil der in Untersuchung gerathene Knabe sich darauf berufe. Von dieser Zumuthung spricht nun unser Gerichtshalter gelegentlich und zeigt das Kittelchen vor, eh' er es absendet.

Mich treibt ein guter oder böser Geist in die Brusttasche zu greifen; ein winzig kleines, stachlichtes Et= was kommt mir in die Hand; ich, die ich sonst so ap= prehensiv, kißlich und schreckhaft bin, schließe die Hand,

schließe sie, schweige und das Kleid wird fortgeschickt. Sogleich ergreift mich von allen Empfindungen die wunderlichste. Bei'm ersten verstohlenen Blick seh' ich, errath' ich, zu Ihrem Kästchen sey es der Schlüssel. Nun gab es wunderliche Gewissens zweifel, mancherlei Skrupel stiegen bei mir auf. Den Fund zu offenbaren, herzuge ben, war mir unmöglich: was soll es jenen Gerichten, da es dem Freunde so nüßlich seyn kann! Dann wollte sich mancherlei von Recht und Pflicht wieder aufthun, welche mich aber nicht überstimmen konnten.

Da sehen Sie nun in was für einen Zustand mich die Freundschaft verseßt; ein famoses Organ entwickelt sich plötzlich, Ihnen zu Liebe; welch ein wunderlich Ereigniß! Mochte das nicht mehr als Freundschaft seyn, was meinem Gewissen dergestalt die Wage hålt. Wundersam bin ich beunruhigt, zwischen Schuld und Neugier; ich mache mir hundert Grillen und Mährchen was alles daraus erfolgen könnte: mit Recht und Gericht ist nicht zu spaßen. Hersilie, das unbefangene, gelegentlich übermüthige Wesen, in einen Criminalproceß verwickelt, denn darauf geht's doch hinaus, und was bleibt mir da übrig als an den Freund zu denken, um dessentwillen ich das alles leide! Ich habe sonst auch an Sie gedacht, aber mit Pausen, jezt aber unaufhörlich; jezt wenn mir das Herz schlägt und ich an's fiebente Gebot denke, so muß ich mich an Sie wenden als den Heiligen, der das Verbrechen veranlaßt und mich auch wohl wieder

entbinden kann; und so wird allein die Eröffnung des Kästchens mich beruhigen. Die Neugierde wird doppelt mächtig. Kommen Sie eiligst und bringen das Kåstchen mit. Für welchen Richterstuhl eigentlich das Geheimniß gehdre, das wollen wir unter uns ausmachen; bis dahin bleibt es unter uns; niemand wisse darum, es sey auch wer es sey.

Hier aber, mein Freund, nun schließlich zu dieser Abbildung des Räthsels was sagen Sie? Erinnert es nicht an Pfeile mit Widerhaken? Gott sey uns gnådig! Aber das Kästchen muß zwischen mir und Ihnen erst uneröffnet stehen, und dann eröffnet das Weitere selbst befehlen. Ich wollte, es fånde sich gar nichts drinnen und was ich sonst noch wollte und was ich sonst noch alles erzählen könnte — doch sen Ihnen das vorenthalten, damit Sie desto eiliger sich auf den Weg machen.

Und nun mådchenhaft genug noch eine Nachschrift! Was geht aber mich und Sie eigentlich das Kästchen an? Es gehört Felix, der hat's entdeckt, hat sich's zugeeignet, den müssen wir herbeiholen, ohne seine Gegenwart sollen wir's nicht öffnen.

Und was das wieder vor Umstände sind! das schiebt fich und verschiebt sich.

Was ziehen Sie so in der Welt herum? Kommen Sie! bringen Sie den holden Knaben mit, den ich auch einmal wieder sehen möchte.

Und nun geht's da wieder an, der Vater und der Sohn! thun Sie was Sie können, aber kommen Sie beide.

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