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EINLEITUNG

MIT gutem Grunde schrieb Heinrich Heine: Wer über die neuere deutsche Literatur reden will, muß mit LUTHER beginnen.<< Denn Luther war nicht nur der Führer der Reformation, sondern auch der Begründer der deutschen Schriftsprache und der erste Schriftsteller, dessen Werke in Deutschland noch heute allgemein verständlich und lebendig sind. Er hat den Deutschen ihr bestes Volksbuch, die deutsche Bibel, und einen Schatz geistlicher Lieder geschenkt, in denen sie immer seitdem religiöse Erhebung gefunden haben. Durch ihre einfache, volkstümliche Form und Sprache, ihre feierlichen, leicht singbaren Melodien und durch den Umstand, daß sie sich meist an bereits Bekanntes, an Volkslieder, Psalmen oder ältere Kirchengesänge anlehnten, wurden diese Lieder rasch beliebt und ein wichtiges Kampfmittel der protestantischen Bewegung.

Das Jahrhundert, in dem Luther geboren wurde, hatte durch das rasch aufblühende Studium der wieder erschlossenen klassischen Literaturen eine Fülle neuen Bildungsstoffes in Deutschland eingeführt und durch die neue Kunst des Buchdruckes in allen Schichten des Volkes verbreitet. Durch die Entdeckung neuer Länder war der geistige Horizont erweitert, durch mannigfache Erfin

dungen die Lebensführung von Grund aus umgestaltet worden. Die Reformation befreite die Geister, regte zu selbständigem Denken über die wichtigsten Lebensfragen an und erweckte auch das niedere Volk zu tätiger Beteiligung am nationalen Leben. Aber vergebens sucht man in der Literatur des sechzehnten Jahrhunderts nach einer größeren Dichtung, in der diese gewaltige Bewegung sich spiegelt. Die besten Männer setzten ihre Kräfte für oder gegen die Reformation ein, der Streit um die kirchliche Lehre nahm all ihr Denken und Fühlen in Anspruch, und so blieb ihnen zur ruhigen Gestaltung dichterischer Werke weder Zeit noch Kraft.

Die Bildung und Begabung des fruchtbarsten Dichters des Jahrhunderts, des trefflichen Nürnberger Schuhmachers und Meistersingers HANS SACHS, reichten nicht aus, diese Kämpfe und Umwälzungen in ihrer ganzen Bedeutung zu erfassen und dichterisch zu gestalten. Er hat zwar in mehreren Gedichten das Tagen einer neuen Zeit freudig begrüßt und für Luthers Lehre mannhaft gekämpft, aber die meisten seiner Werke entstanden doch aus der bloßen Freude am Erzählen und Reimen, gepaart mit dem Drange, die mächtig hereinströmenden Schätze der Weltliteratur sich anzueignen und weiterzugeben. Die Belesenheit des ungelehrten Mannes ist so erstaunlich wie seine Fruchtbarkeit. Stoffe aus der biblischen und weltlichen Geschichte, aus Sage und Legende, aus Übersetzungen griechischer und römischer Schriftsteller, italienischer und französischer Novellen, aus Volksbüchern und Anekdotensammlungen behandelte er in Hunderten von gereimten Erzählungen und Dramen. Namentlich die ersteren erfreuen uns noch heute durch ihre köstliche Natürlichkeit

und ihren gesunden Humor, aber von der Größe der Zeit, in der sie entstanden, geben sie uns keinen Begriff.

Wenn auch das sechzehnte Jahrhundert nur wenige Dichtungen von bleibendem Werte hinterließ, so hatte es doch die Vorbedingungen für eine reiche Blüte der Literatur geschaffen. Bildung und Wohlstand hatten sich in ungeahnter Weise gehoben; der religiöse Eifer hatte die Phantasie entzündet, die Gemüter in allen Tiefen bewegt und den höchsten Menschenzielen zugewandt. Überall regten sich lebenskräftige Keime, die nur friedliche Zeiten und günstige politische Verhältnisse bedurften, um zu voller Entfaltung zu kommen. Aber der Kirchenstreit spaltete Deutschland in zwei feindliche Lager und führte zu einem furchtbaren Kriege, der dreißig Jahre lang (16181648) wütete, volkreiche Städte in Trümmer legte, blühende Länder verwüstete, Handel und Gewerbe vernichtete. Von einer Teilnahme aller Stände am geistigen Leben der Nation konnte nicht mehr die Rede sein. Die Pflege der Literatur blieb den Gelehrten überlassen und wurde in ihren Händen zu einem beruflichen Geschäft. Sie verfertigten Gedichte für Kindtaufen, Hochzeiten und Begräbnisse und besangen in schwülstigen Versen die angeblichen Tugenden ihrer fürstlichen Patrone.

MARTIN OPITZ bemühte sich ehrlich, bessere Zustände zu schaffen. Aber er war kein geborener Dichter und verkannte das eigentliche Wesen der Poesie. Durch Nachahmung ausländischer Muster und aus der Fremde. geholte Theorien glaubte er der deutschen Literatur aufhelfen zu können. Seine eigenen Dichtungen sind nüchtern und ausgeklügelt, überladen mit mythologischen Namen und klassischen Reminiszenzen, und ihre nach

künstlichen Regeln gebauten Verse werden heute nur noch bei wenigen Lesern Gefallen finden. Während Opitz ohne Wirkung auf das Volk blieb, wurde er von den höheren Kreisen als einer der größten Dichter aller Zeiten gefeiert, vom Kaiser zum poeta laureatus ernannt und geadelt.

Unter den Dichtern, die sich bewundernd um Opitz scharten, waren mehrere, die ihn an Talent weit überragten und gerade dann ihr Bestes leisteten, wenn sie die Vorschriften ihres Meisters am wenigsten beobachteten. Die kernige Spruchweisheit FRIEDRICH VON LOGAUS steht hoch über Opitzens platter Lebensphilosophie und hat sich bis in die Gegenwart behauptet. Der Königsberger Professor der Poesie SIMON DACH hat wenigstens einmal, in seinem Ännchen von Tharau, den natürlichen Ton des Volksliedes getroffen, und PAUL FLEMING, den eine Reise in die östlichen Länder der pedantischen Sphäre lange entzog, fand oft für wirklich durchlebte lyrische und religiöse Stimmungen einen wahren, schlichten Ausdruck. Das geistliche Lied der Periode, das durch den protestantischen Prediger PAULUS GERHARDT seine höchste Blüte erreichte, erfuhr nur in technischer Hinsicht den Einfluß der gelehrten Richtung, während es im übrigen die Berührung mit dem Volke und seinen Liedern bewahrte. Es ist weicher als die Hymnen der Reformation, trotzt und kämpft nicht wie jene, sondern tröstet und betet, mahnt zu gläubiger Geduld und Gottvertrauen und führt die bedrängten Gemüter in Gottes schöne Welt: » Geh aus, mein Herz, und suche Freud' In dieser lieben Sommerzeit An deines Gottes Gaben!« ANDREAS GRYPHIUS war zwar in erster Linie Dramatiker, besaß aber auch starke

lyrische Kraft. Eine traurige Jugend und der Jammer des Dreißigjährigen Krieges gaben ihm jene Schwermut und trübe Weltanschauung, die aus seinen Gedichten spricht.

Ganz außerhalb des gelehrten Kreises stand CHRISTOPH VON GRIMMELSHAUSEN. Als Knabe von Soldaten verschleppt und zum Kriegsdienste gezwungen, schilderte er aus eigner Anschauung die Greuel der friedlosen Jahre in seinem Romane Simplicissimus und verflocht damit das kindlich fromme Lied » Komm Trost der Nacht, o Nachtigall!« das durch seine echte Naturstimmung und einfache Innigkeit zu den Perlen der älteren Lyrik gehört.

Ausländische Mode und pseudoklassische Theorien beherrschten die deutsche Literatur noch bis in die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts. Um so überraschender wirkt auf dessen Schwelle die selbständige Persönlichkeit des unglücklichen CHRISTIAN GÜNTHER. Die Studentenlieder aus seiner ersten Universitätszeit, die bis heute gesungen werden, zeigen freilich noch nicht die volle Eigenart des Dichters. Erst die bittere Not des Lebens, die über ihn hereinbrach, erschloß sein reiches Innenleben und entrang ihm lyrische Bekenntnisse von erschütternder Wahrheit. In zügelloser Hingabe an das Leben vergeudete er sein großes Talent und starb nur 28 Jahre alt, in tiefstem Elende, lange vor dem Beginne der literarischen Epoche, in die er seiner ganzen Veranlagung nach gehörte.

Ein echter Sohn seiner Zeit dagegen war der vornehme Hamburger FRIEDRICH VON HAGEDORN. Nach einem längeren Aufenthalte in London, wo er seinen Geschmack an den englischen Nachahmern der Franzosen, besonders an Prior und Gay, gebildet hatte, lebte er mit

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