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Sprichwort mit Recht, dass, in goldenen Wiegen geschaukelt zu werden, für den Menschen kein Glück ist.

So bildete sich durch das Zusammentreten der Hausgenossenschaften und Geschlechter der älteste Staat. Daraus erklärt sich auch, dass in primitiven Staaten der Vergangenheit bei weitem mehr als im modernen Grossstaat die Zugehörigkeit zu Stamm und Geschlecht entscheidend in den Vordergrund trat. Man musste, um dem Staat anzugehören, aus den Geschlechtern, die ihn bildeten, entsprossen sein, dieselben Ahnen und dieselben Götter haben. Und in jenen alten

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Zeiten war es strenge geübter Grundsatz: >> Du sollst deinen Nächsten (den Stammesgenossen) lieben und deinen Feind (nämlich den Stammesfremden) hassen.« Der Staat war daher damals, als es nur Rodungen inmitten grosser Strecken unbebauten Landes gab, nicht in unserem Sinn an die Landesgrenzen gebunden; die Männer, die sich zusammenschlossen, machten den Staat aus, und so sehen wir in den Zeiten der Völkerwanderung, wie durch gewaltige Ereignisse ganze Stämme von Haus und Hof und in andere, weitabgelegene Gegenden getrieben werden sie tragen ihren Staat mit sich und bleiben Langobarden und Gothen, wenn sie auch noch so fern von ihrer ursprünglichen Heimat verschlagen sind. Und ihre Führer waren nicht Herrscher innerhalb bestimmter Grenzen, sondern über ein Volk von Männern, die aus bestimmten Geschlechtern entstammten. In diesem Sinne finden wir heute noch den Geschlechterstaat z. B. bei den Bantuvölkern Südafrikas 1) und auch bei den Hottentotten) entwickelt. Und ganz ebenso haben wir nach dem, was die Sprachwissenschaft aus dem Wortschatz der indogermanischen Völker ausdeutet, uns bereits die Zustände der Urarier zu denken. Das Geschlecht (gens) ist die politische Einheit, und mehrere von ihnen bilden den

1) Zeitschrift, Bd. 15, S. 333.

2) Ebenda, S. 357.

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Gau oder Stamm1). Weist uns die Vergleichung der Sprachen hier den richtigen Weg, so waren unsere allerältesten Urahnen, auf die wir unsere Abstammung mit Sicherheit zurückführen können, bereits über den Standpunkt der Horde hinausgelangt. Am längsten haben das alte Erbe wohl die slavischen Völker festgehalten, bei denen die Zugehörigkeit des Einzelnen zu Hausgenossenschaft und Stamm noch in sehr späte Zeiten hinein derart vorwog, dass von den Rechten des Individuums als solchen nur wenig die Rede sein konnte 2). Die Bedeutung des Geschlechterstaats für die Menschheit aber ist, dass er die ehedem in grauer Vorzeit zersplitterten Kräfte, die die Horde nur vorübergehend zusammenzufügen vermochte, zu festem Bunde geeinigt hat.

Dies ist die Erscheinungsform, die uns insbesondere aus der ältesten Geschichte der indogermanischen Nationen (man denke nur an das patrizische Königtum des alten Rom!) sehr wohl bekannt ist. Wir sehen den Geschlechterstaat aber auch in Verbindung mit der Totemverfassung da auftreten, wo diese sich besonders bei geringer Neigung zum Ackerbau in späte Zeiten erhalten hat. So in erster Reihe bei den nordamerikanischen Rothäuten, die auch, nachdem sie den Ackerbau kennen gelernt hatten und, wie wir gesehen haben, Häuserbauer geworden waren, doch in der Hauptsache Jägervölker blieben. Während die uns bekanntere Form des Geschlechterstaats sich auf den Hausgenossenschaften oder Geschlechtern aufbaut, gewinnt es hier den Anschein, als ob umgekehrt der Stamm erst bei wachsender Zahl in die Unterstämme der Totems oder Gruppen zerfallen wäre. Diese dienten,

1) SCHRADER, Sprachvergleichung und Urgeschichte, S. 394; FRIEDRICHS in deutsche Revue 1890, Maiheft, S. 242.

2) JOSEPH HUBE, Geschichtliche Darstellung der Erbfolgerechte der Slaven, übersetzt VON ZUPANSKI, Posen 1836, S. 12 ff.; SCHLÖZER, Nestor's russische Annalen, Göttingen 1802, Teil 2, S. 101, 125; DARGUN in Zeitschrift, Bd. 5, S. 128.

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wie bei der Gruppenehe schon im Zusammenhang örtert worden ist, sehr alten Zwecken der Menschheit, und können wir uns ähnliche Gebilde sehr wohl auch bereits bei der Horde denken, wenn sie durch steigende Kultur eine festere Gestalt gewann und dadurch mehr auf Zusammenbleiben als Auseinanderlaufen eingerichtet war und hiernach ist es wohl möglich, dass der Totemstaat noch ehrwürdigeren Alters ist als der den Erinnerungen der europäischen Nationen näher liegende Geschlechterstaat. Wie es mit dieser Priorität aber auch stehen mag, jedenfalls haben sich bei der Totemverfassung innerhalb des gesammten Stammes die einzelnen Totemgruppen zu ähnlicher Selbständigkeit entwickelt, wie sie der Hausgenossenschaft zukommt; so haben sie ihre besonderen Feierlichkeiten und, was dem primitiven Menschen von der grössten Wichtigkeit ist, auch ihre besonderen Begräbnissstätten und fühlen sich zu gegenseitiger Hülfe verbunden. Und ebenso haben sie ihre besondere Vertretung in den Häuptlingen (Sachems), die durch ihr Zusammentreten die Ratsversammlung des Stammes bilden '). Diese Verfassung finden wir bei den Rothäuten Nordamerikas allgemein verbreitet.

Erst späten Kulturperioden war der Durchbruch des Territorialprinzips vorbehalten, nachdem die Bedeutung der Geschlechter zurückgetreten war, und der steigende Verkehr die alten engen Beziehungen gelockert hatte. Zum grossen Teil wird diese Entwickelung auch in Zusammenhang mit der wachsenden Macht der Häuptlinge zu bringen sein, die immer mehr als Eigentümer des gesamten Grundes und Bodens aufgefasst wurden, sodass sie nunmehr Herrscher innerhalb bestimmter Grenzen, nicht mehr über eine bestimmte Schar von Männern und deren Anhang waren 2).

1) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 12, S. 355.

2) Über den Einfluss, welchen für die deutschen Stämme die Gründung der grossen Reiche nach der Völkerwanderung, insbesondere auf römischem Boden, mit ihrer gemischten Bevölkerung auf den Durchbruch

Dies Häuptlingsrecht selbst aber erwuchs allmählich aus der Stellung des Hausvaters und des Führers. Bei manchen primitiven Völkern, so einzelnen Stämmen Südamerikas, scheint die Absonderung der jungen Männer in besondere Männerhäuser1) und die dadurch geförderte Lust zu kriegerischen Unternehmungen, die mutiger und besonnener Häupter bedurften, die Entwickelung wesentlich beschleunigt zu haben. Aber wir finden sie überall, wie wir dieselbe Richtung in der mit zunehmender Kultur immer mehr steigenden und schliesslich zum Privateigentum wachsenden Stellung des Hausvaters bei den Hausgenossenschaften gesehen haben. Ganz analog ist die Ausgestaltung des Häuptlingsrechts erfolgt. Wie das Haus seinem besonderen Vorstand, so untersteht der grössere Verband des Stamms dem Häuptling. Es ist dies bei jedem Volk, das sich über die roheste Hordenzeit hinausgehoben hat und insbesondere Ackerbau treibt, so allgemein verbreitet, dass ein führerloses Dasein nur den untersten Stufen der Kultur zu entsprechen scheint 2). Es muss jemand da sein, der leitet und dessen Anordnungen Folge geleistet wird, der also die Kräfte aller zu einem gemeinsamen Ziel in einen gemeinsamen Willen vereinigt. Auf diesem Standpunkt finden wir auch be

des Territorialprinzips hatte, vergl. GIERKE, Genossenschaftsrecht, Bd. 1, S. 52, 100 ff.

1) Über ihre Bedeutung für die genossenschaftlichen Bildungen primitiver Zeit vergl. SCHURTZ, Urgeschichte der Kultur, S. 107 ff. und in ausführlicher Darstellung derselbe, Altersklassen und Männerbünde, Berlin 1902, S. 202 ff., der in dem bewussten Gegensatz des Mannes zum Weibe und in der kameradschaftlichen Vereinigung der kräftigen männlichen Jugend wohl mit Recht einen wichtigen Hebel der Geschlechter- und Staatenbildung sucht.

2) Vergl. über derartige Verhältnisse in Südamerika die Zusammenstellung von DARGUN in Zeitschrift, Bd. 5, S. 44, und über ähnliche anarchistische Verhältnisse bei afrikanischen Völkern SCHURTZ, Urgeschichte der Kultur, S. 136. HOMER'S »Els Bastheds, els xoípavos èotw« spricht somit nur aus, was wirklich der Gang der Geschichte war.

reits das indogermanische Urvolk. Denn die Sprachvergleichung hat festgestellt, dass man dort Häuptlinge gekannt haben muss, ehe die Völker sich trennten; der Inder wie der Lateiner hat ein Wort derselben Sprachwurzel für König, Rajan und rex, und damit stimmt auch das gotische reiks (Fürst) überein und eben darauf weist die Endung rix in den altgallischen Häuptlingsnamen (Dumnorix, Ambiorix u. s. w1).

Mitunter liegt die Entstehung des Häuptlingsrechts aus der Stellung des Familienoberhaupts (Hausvorstands) klar vor Augen. So wird uns von den Papuas berichtet): »Das älteste männliche Mitglied ist zugleich Haupt der Familie, der Abumtau, ein Wort, welches in seiner Bedeutung wohl die Mitte hält zwischen Dorfhäuptling und Familienhaupt; denn oftmals bilden die Mitglieder einer einzigen Familie ausschliesslich einen Dorfkomplex und die Person des alten Abumtau, des Vaters und Grossvaters, ist es, um welche sich in Einigkeit Brüder, Schwestern, Schwäger und Schwägerinnen schaaren.« Freilich ist es nicht. immer dieses friedliche Bild, das uns den Häuptling in den Segnungen des Friedens zeigt. Denn oft genug und aller menschlichen Wahrscheinlichkeit nach in der Regel wuchs diese Stellung in Kriegsstürmen und unruhigen Zeitläuften gross. Auf die Bedeutung kriegerischer Unternehmungen, wie sie von der männlichen Jugend des Stammes ausgehen mochten, ist schon hingewiesen. Wenn wir uns denken können, dass in friedlichen Zeiten das Häuptlingtum sich über die Geschlechtsgenossen noch nicht herrisch erhob, so war der Krieg der

1) FICK, Wörterbuch, 4. Aufl., Bd. 1, S. 190; BERNHÖFFT in Zeitschrift, Bd. 1, S. 190; Bd. 2, S. 303.

2) SCHELLONG in Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 21, S. 10. Und, wie nichts vereinzelt ist, finden wir ganz die nämliche Verfassung bei den alten Slaven. Von ihnen sagt Kaiser CONSTANTIN in seinem Werke »de administratione imperii«: Principes hi populi habent nullos praeter suppanos senes, seniores, majores natu (Jos. HUBE, Erbfolgerechte der Slaven, übersetzt von ZUPANSKI, Posen 1836, S. 20).

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