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ganzen Habe dem Verletzten oder dessen Stamm zur Knechtschaft übergab 1). Dies ist wohl das höchste Wergeld, das irgendwo entrichtet worden ist, dass man das Leben mit dem Verlust der Freiheit erkaufte 2). Wird das Wergeld in anderer Weise entrichtet, so haftet auch hier der ganze Stamm oder die ganze Familie des Täters. Die Annahme des Wergeldes schafft hier, wie überall, vollständige Aussöhnung, die oft sinnfällig durch ein Friedensfest bekräftigt wird.

So zog an unserm Auge die Blutrache, die älteste Strafverfolgung der Menschheit, vorüber; wir geleiteten sie von Volk zu Volk, fanden sie in Vereinigung ihrer innersten Existenzbedingungen (Symbiose) mit den uralten Hausgenossenschaften und Sippenverbänden und sahen in friedlicheren Zeiten aus dem trotzigen Krieg der Geschlechter die Sühne und Blutbusse späterer Zeitalter werden. Damit dieser Übergang sich vollziehen konnte, setzte eine Bestrebung ein, die ebenso universal ist wie Blutrache und Busse selber. Es ist die Einrichtung der Asyle 3). Wie bei allen der Menschheit gemeinsamen und überall auftretenden Gedanken, reichen die Wurzelfäden tief hinab und lassen sich nicht durch Benennung eines einzigen Grunds abtun. Sicher erwog man sehr oft, dass die Entfernung des Täters an einen sichern und geweihten Ort während der ersten Zeit, in der die Erinnerung an die begangene Tat wie eine noch frische Wunde schmerzte, den ersten Zorn beschwichtigen und den Boden für eine spätere Sühne bereiten. konnte. Sicherlich; aber ich glaube doch, dass hier, wenn auch vielleicht unbewusst, die Vorstellung von einem Höheren, als die Rache des einzelnen kleinen Verbandes der Sippe ist, sich zuerst Geltung verschaffte; dass im Asyl des Tempels wie der Königsbehausung zum ersten Mal der der Menschheit

1) Zeitschrift, Bd. 14, S. 446.

2) Vergl. vorhin, S. 92, Anm. 2.

3) Vergl. jetzt auch A. HELLWIG, das Asylrecht der Naturvölker, Berlin 1903.

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So

eingeborene, weil später von ihr verwirklichte Gedanke, dass das Verbrechen vor einem höheren Gerichtshof als den der Blutrache gehöre, in Erscheinung trat der erste Sieg des grösseren Verbandes und des höheren Gedankens über die Sippe. finden wir bei den verschiedensten Völkern, dass vor der Blutrache gesichert ist, wer das Haus des Häuptlings betritt; gerade wie in späteren Zeiten noch lange der Gedanke nachklingt, dass es verboten ist, im Hause des Königs das Schwert zu ziehen1). Und liegt hier einer der Ausgangspunkte für das Begnadigungsrecht der Krone. Andrerseits war das Asyl des Tempels zunächst wohl der Schutz, den die Stammesgottheit vor der Rache des Einzelnen gab. Einen allerletzten Nachklang dieser alten Asyle finden wir noch heut im Kinderspiel, wo das » Freisein gewisser Ziele oder Plätze, die erreicht sein müssen, eine gar wichtige Bedeutung hat 2).

Die alten Hebräer haben Asyle in dem soeben erörterten Sinne nicht gekannt. Denn auch der Tempel war als sichere Schutzstätte nicht anerkannt; so wurde Joab am Altar des Herrn erschlagen, und wird diese Tat nicht gemissbilligt3). Dafür hatten sie aber eine sehr verwandte und eigentümliche Einrichtung in ihren Schutzstädten, »3 diesseits des Jordans und 3 im Lande Kanaan« 4). Es war keine Schutzstätte für den Mörder und Totschläger, sondern nur für den, der fahrlässig (»unversehens«) getötet hatte. Hier musste er sich bis zum Tode des amtierenden Hohenpriesters aufhalten; entfernte er sich aus der Stadt, so war er dem Bluträcher preisgegeben.

1) Es sei hier daran erinnert, zu welch hochdramatischer Scene dies in SCHILLER'S Don Carlos benutzt ist.

2) Und da sage einer, dass die Menschheit nicht konservativ ist! Wer überhaupt sich die Mühe geben will, die Spiele der Kinder zu beobachten, kann die seltsamsten Erfahrungen machen. Hier stehen noch die ältesten Rechtsverhältnisse in Blüte; Brautraub u. s. w. sind noch gang und gäbe.

3) 1. Könige 2, 28 ff. vergl. auch ebenda 1, 53 und 2. MOSE 21, 14. 4) 4. MOSE 35, 14.

Die Einrichtung wird uns im alten Testament wiederholt anschaulich geschildert1). So heisst es2): »Und das soll die Sache sein, dass dahin fliehe, der einen Totschlag getan hat, dass er lebendig bleibe. Wenn jemand seinen Nächsten schlägt, nicht vorsätzlich, und hat vorhin keinen Hass auf ihn gehabt; sondern als wenn jemand mit seinem Nächsten in den Wald ginge, Holz zu hauen, und holte mit der Hand die Axt aus, das Holz abzuhauen, und das Eisen führe vom Stiel und träfe seinen Nächsten, dass er stürbe, der soll in dieser Städte eine fliehen, dass er lebendig bleibe; auf dass nicht der Bluträcher dem Totschläger nachjage, weil sein Herz erhitzt ist, und ergreife ihn, weil der Weg so ferne ist, und schlage ihm seine Seele, so doch kein Urteil des Todes an ihm ist, weil er keinen Hass vorhin zu ihm getragen hat.<< Wir sehen also als Grund genau denselben wie bei den Asylen; es sollte den Verwandten des Getöteten der schmerzliche, zur Rache anreizende Anblick des Täters entzogen werden und Zeit über das Geschehnis dahingehen, bis eine Beruhigung der Gemüter erwartet werden konnte3).

Den Hellenen wie den Römern galten die Tempel als Asyl (Altäre der Rettung, ßwuoi owτnpías, arae salutis); sie gewährten jedem Schutz, dem vorsätzlichen, wie dem fahrlässigen Täter, dem Mörder wie dem Staatsverbrecher. Pausanias flüchtete sich, als er merkte, dass es ihm an das Leben ging, in einen Tempel der Athene, und man wagte ihn nicht daraus hervorzuziehen, sondern vermauerte den Eingang und deckte das Dach ab, um ihn durch den Hunger und die Sonnenstrahlen

1) 2. MOSE 21, 13; 4. MOSE 35, 11, 12, 15, 22 ff., 5. Mose 4, 42 und 19, 3-6; JOSUA 20, 1 ff.

2) 5. MOSE 19, 4—6.

3) KOHLER, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz, S. 143; SAALSCHÜTZ, Mosaisches Recht, Bd. 2, S. 524 ff. 532 ff., FULD in Zeitschrift, Bd. 7, S. 103 ff.

verderben zu lassen 1). Besonders berühmte Schutzstätten waren die Heiligtümer der Athene und des Erechtheus zu Athen, der Tempel des Neptun in Tanaros, der Aphrodyte in Paphos, des Zeus in Ithaka, des Herakles zu Kanopus, des Apollon in Delphi, auch des Osiris in Ägypten 2). Auch die Bildsäulen der Götter schützten, und galt das Asyl der Tempel nicht nur für den Freien, sondern auch für den Sklaven, der sich dorthin vor den Misshandlungen seines Herrn flüchtete 3). Für Fremde galt das Asylrecht aber nur, wenn es ihnen auf völkerrechtlichem Wege durch Staatsvertrag zugesichert war4).

Und in den alten Zeiten war, wie jede der Gottheit geweihte Stätte, auch der Herd als Hausaltar, der heiligste Ort des Hauses, Asyl. So setzte sich Odysseus in dem Märchenpalast des Phäakerkönigs in die Asche des Herdes, bis ihm Alkinous seinen Schutz zugesichert hat3).

Furchtbar aber war die Strafe des Asylverächters; ihm wurde das Grab in heimatlicher Erde versagt), und die Gottheit, die er verletzt hatte, brachte ihm schweres Unglück. So führt HERODOT das Unheil, das die Ägineten betraf, auf einen Asylfrevel zurück: ein zum Tode Verurteilter entrann in den Vorhof des Tempels der Demeter und es gelang ihm, den Ring an der Türe zu fassen und sich an ihm festzuhalten; da suchte man ihn loszureissen und, als man das mit dem Verzweifelten nicht konnte, hieb man ihm die Hände ab, sodass

1) NEPOS, Pausanias C. 5.

2) FULD in Zeitschrift, Bd. 7, S. 119 ff., vergl. auch PAUSANIAS, Attika I, 8, THUKYDIDES I, 126.

3) Inschrift von Gortyn I, 38 ff. LEOPOLD SCHMIDT, die Ethik der alten Griechen, Bd. 2, S. 218, 219; HERMANN, Staatsaltertümer 6. Aufl., S. 416.

4) HERMANN a. a. O., S. 73 Anm. 3.

5) Odyss. 7, 153.

6) THUKYDIDES I, 126; vergl. SCHMIDT, die Ethik der alten Griechen, Bd. 2, S. 103 ff.

sie am Türring hängen blieben, und führte ihn zum Tode. >>Das taten die Ägineten wider sich selber< 1).

Als Hellas sank und die alten heiligen Bräuche zu Missbrauch wurden, gestalteten sich die Asyle zu einer Landplage aus. >>Immer häufiger nämlich ward es in den griechischen Städten, frei und ungestraft Asyle zu errichten; es füllten sich die Tempel mit dem Auswurf der Sklaven; in denselben Schutz wurden Verschuldete gegen ihre Gläubiger und wegen todeswürdiger Verbrechen Verdächtige aufgenommen, und keine Gewalt war stark genug, die Aufstände des Volks zu dämpfen, wenn es der Menschen Unverschämtheit gleich heiligem Götterdienst in Schutz nahm«). Es ist dies dasselbe Schauspiel, das wir beim Hetärismus sahen, wo aus dem Tempeldienst der geweihten Mädchen in arger Zeit des Sittenverfalls der schnödeste Missbrauch erwuchs. Der Tempel, der in alter Zeit vor dem Bluträcher schützte, wird in einer anderen Zeit, die nichts mehr von dem ursprünglichen Ausgangspunkt weiss, Schutzstätte für den Abschaum der Menschheit, der sich den ordentlichen Gerichten entzieht. So ist es seit urewigen Zeiten und wird es bleiben, dass von den Rechtseinrichtungen, die sich überlebt haben, die äussere Hülle noch lange inhaltsleer fortbesteht, und, was einst aus der Notwendigkeit der Dinge heraus vom Leben geschaffen war, in einer späten Zeit wie ein Gespenst der Vergangenheit umgeht. So kommt immer ein Zeitpunkt, in dem das, was Leben war, zur Schablone erstarrt, und nur noch eine leere Erinnerung und ein Missbrauch von unseren Taten und Bestrebungen übrig bleibt so ist es den Generationen vor uns ergangen, so wird es uns auch ergehen.

1) HERODOT 6, 91, 92; über die Asyle bei den Hellenen vergl. noch THUKYDIDES I, 126, 128; 3, 81; XENOPHON, Hellenika 2, 3, 55; 4, 3, 20; HERMANN, Staatsaltertümer, § 10, No. 9; Dann in Zeitschrift, für deutsches Recht und Rechtswissenschaft (herausgegeben von REYSCHER und WILDA), Bd. 3, S. 332.

2) TACITUS, Annalen 3, 60.

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