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Die Römer übertrugen den Schutz der Tempel und Altäre bezeichnend genug für dies Volk der Weltkriege auch auf die Fahnen und Adler der Legionen. So rettet sich bei TACITUS in einem Aufstand der Legionen der Abgesandte des Kaisers nur dadurch, dass er die Standarten umfasst und durch sie, wie an einem Altar der Götter, geschützt wird1). Und ebenso übertrug in der Kaiserzeit die Schmeichelei des knechtisch gewordenen Roms die Eigenschaft des Asyls auch auf die Statuen der Kaiser, weil diese göttlich verehrt wurden, und flohen insbesondere Sklaven vor den Misshandlungen ihrer Herren an diese Stätte2). Aber die Römer kannten auch persönliche Asyle. So schützte das Haus des Flamen Dialis und bekannt ist, dass die Begegnung der vestalischen Jungfrauen den zur Hinrichtung Geführten vor dem Tode rettete.

Den Germanen müssen Asyle von Alters her bekannt gewesen sein. Denn noch zu Karls des Grossen Zeiten galt das sächsische Volksheiligtum der Irmensul auf der Erisburg als Freistatt für alle Verbrecher 3). Sicher ist dies von Einfluss auf den späteren ausgedehnten Schutz gewesen, den die Kirchen des Mittelalters als Asyle gewährten. Andrerseits ist aber auch von unverkennbarer Bedeutung gewesen, dass das spätrömische und byzantinische Kaiserrecht die antike Auffassung des Tempels als Asyl auf die christliche Kirche in sehr weitgehendem Masse übertrugen 4). Todesstrafe wurde dem angedroht, der den flüchtigen Verbrecher aus der Kirche zog, und jeder Verletzter des Asylrechts als Majestätsverbrecher bestraft. Und dabei wurde das Asyl nicht auf den eigentlichen

1) TACITUS Annalen 1, 39.

2) § 2, J. 1, 8; 1. 2 D. 1, 6; 1. 17, § 12 D. 31, 1; 1. 5 D. 47, 11; 1. 28, § 7 D. 48, 19; 1. 38 D. 47, 10; vergl. FULD in Zeitschrift, Bd. 7,

S. 134.

3) Dann in Zeitschrift, für deutsches Recht, Bd. 3, S. 334.

4) 1. 4 C. THEOD. 9, 45 de his qui ad ecclesiam; 1. 2, 3 und 6 C. 1, 12; Novella 17, C. 7.

Kirchenraum beschränkt, sondern, um den Altarraum und das Allerheiligste der Kirche nicht zum Wohn-, Ess- und Schlafzimmer der Flüchtlinge zu machen, auch auf den ganzen inneren Bereich der Kirchengebäude, »Häuser, Gärten, Baderäume, Höfe und Säulenhallen « 1) ausgedehnt. Das Konzil von Toledo im Jahre 681 bedrohte sogar den mit Exkommunikation, der in einem Umkreis von 30 Schritten, von der Kirche aus gerechnet, die Verfolgung eines Verbrechers fortsetzte 2). Dies wurde dem Mittelalter vorbildlich, sodass also germanische und antike Überlieferungen zusammentrafen und in der nämlichen Richtung wirkten; und so finden wir weitgehendes Asylrecht der Kirchen bereits in den Gesetzen der merowingischen Herrscher und der Karolinger 3), ebenso wie in denen der westund ostgothischen Könige1). Auch hier stand auf der Verletzung des Asyls, wie auf einem Majestätsverbrechen, Acht und Aberacht und die Kirche schritt gegen die Verächter ihrer Privilegien mit den geistlichen Strafen von Exkommunikation und Interdikt ein. Der endgiltige Rückgang dieser Entwickelung beginnt erst mit dem Zeitalter der Reformation 5).

1) 1. 3, C. 1, 12. Ähnlich dehnten die Mohammedaner das Asylrecht auf die Umgebung der Moscheen aus. Non seulement la mosquée, mais un certain espace de terrain environnant, jouit de cette prérogative (QUATREMÈRE, Mélanges d'histoire et de philologie orientale, S. 197 auf Grund eines Reiseberichts aus Tunis).

2) FULD in Zeitschrift, Bd. 7, S. 138.

3) So im decretum de partibus Saxoniae (PERTZ, Leges, Bd. 1, S. 48 und bei BORETIUS, Capitularia regum Francorum, Bd. 1, S. 68) mit der bezeichnenden Einleitung, welche auf ein altes Asylrecht der heidnischen Tempel hinweist: ut ecclesiae Christi, quo modo construuntur in Saxonia et Deo sacratae sunt, non minorem habeant honorem, sed majorem et excellentiorem, quam vana habuissent idolorum.

4) Vergl. z. B. edict. Theodorici C. 70, 71.

5) Über das Asylrecht des deutschen Mittelalters FRAUENSTÄDT, Blutrache und Todschlagsühne, S. 51 ff.

Den besten Beweis, dass es sich hierbei nicht nur um altrömische, sondern auch um altgermanische Rechtsgedanken handelte, sehe ich darin, dass wir diesen Asylschutz schon früh im hohen Norden finden. So musste nach dem alten Recht der Insel Gothland der Totschläger sich zunächst in Begleitung von Vater, Sohn oder Bruder, also einem Vertreter seiner Sippe, in eine der drei Kirchen des Landes, welche den höchsten und beständigen Frieden genossen, flüchten und dort ein Jahr lang in einer Art von Verstrickung (»in dem Schutzbande<) fern vom Verkehr aller Menschen, seiner eigenen Verwandten wie des Gegners leben; dann erst sollte er das Wergeld bieten 1). Und auch bei den Germanen wurde, gerade wie wir es bei den Griechen gesehen haben), der Schutz des Heiligtumes so weit ausgedehnt, dass es genügte, wenn es dem verfolgten Verbrecher gelang, auch nur den Ring an der Kirchentür anzufassen3).

Auch das persönliche Asyl als Schutz des Totschlägers findet sich bei den Deutschen. Ähnlich wie bei der vestalischen Jungfrau, scheint überhaupt die Nähe einer Frau Schutz geboten zu haben. Darauf weist wenigstens das altdeutsche Rechtssprichwort: »flühe ein Wolf zu Frowen, man soll in durch ire liebe lazen leben« (Wolfsfrieden des Verbrechers)4). So ist es nicht ungeschichtlich gedacht, wenn bei Richard Wagner Tannhäuser vor den Schwertern der ergrimmten Wartburgritter durch Elisabeth gerettet wird.

Ebenso schützte nach angelsächsischem Recht die Nähe des Herrschers den Verbrecher. Und genügte auch, dass der

1) WILDA, Strafrecht der Germanen, S, 183.

2) HERODOT 6, 91.

3) Schwabenspiegel, S. 258 (ed. WACKERNAGEL): unde ermac der mensche niht in die kirchen komen, unde vâhet ez den rinc an der kirchen tür, ez hât den selben vride.

4) GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 892. Über die Bedeutung, die das Wort Wolf hier hat, vergl. unten S. 114.

Flüchtling den Palást des Königs betrat; auch hier war er vor den Verfolgern sicher1). Hieraus mag sich in späterer Zeit das gleiche Recht der kleinen Machthaber und Grundherren entwickelt haben, wonach ihre Häuser (die Fronhöfe = Herrenhöfe) und deren Umgebung ein weitgehendes Asylrecht gewährten 2),

So heisst es in einem alten Rechtsbuch (Pantaiding d. h. Bannrecht) der Herrschaft Tachenstein3). »Ob zween in unwillen oder Krieg sich gegen einander aufwurffen, von wort zum Streichen kämmen, undt der aine erreichet den Grundt zur Herschafft Tachenstein gehörend, mit einen Huet, Stein, oder Hackhen: undt sprach dreymahl: »Hie freyung<4), so soll er zur Handt versichert sein mit der freyung, so wohl, alss wäre er im Schloss Tachenstain«. Und nach den Weistümern reicht es vielfach aus, wenn ein für Flüchtlinge aufgestellter Stein vor dem Fronhof erreicht oder ein Fuss an den Hofzaun gestellt ist, und soll das Hoftor für den, der des Weges kommt und sich retten will, jeder Zeit offen bleiben oder nur so befestigt sein, dass es beim ersten Anlauf vom Verfolgten aufgestossen werden kann). Oder, wie es in einem Pantaiding

1) GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 888.

2) KOHLER, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz, S. 186; FRAUENSTÄDT, Blutrache und Todschlagsühne, S. 66 ff.; GRIMM, Weistümer, Bd. 6, S. 501, 561, 689, Bd. 2, S. 138, wo der dem Missetäter in das Asyl des Fronhofs Nachdringende gehenkt werden kann. Dann in Zeitschrift für deutsches Recht, Bd. 3, S. 359 ff. Vergl. auch BENEKE, Von unehrlichen Leuten, 2. Aufl., S. 150.

3) KALTENBÄCK, Pan- und Bergtaidingbücher in Österreich unter der Enns, Wien 1846-47. No. 184, 4, (Bd. 2, S. 219).

4) Also fast wörtlich, wie im letzten Nachhall unsere Kinder im Spiel noch heute rufen hier frei«.

5) FRAUENSTÄDT a. a. O., S. 68 ff. Ganz Ähnliches finden wir auf Hawaii; auch hier mussten die Tore zum Asyl, welche das Königsgrab gewährte, beständig offen stehen, um dem Schutzsuchenden den Zutritt zu erleichtern (HELLWIG, das Asylrecht der Naturvölker, S. 12).

von Oberdöbbling1) heisst: »sollen Ime seine feindt ferrer nit nachkhommen, dann drey tritt von des Hauss Tachtropfen<. Überall klingt hier das Bestreben ältester Zeit nach, dem im ersten Zorn nachstürmenden Bluträcher den Täter zu entziehen, um bei kühler gewordenem Blut über die Sühne verhandeln zu können; diese Wohltat des Altertums musste in Zeiten geordneter Rechtspflege allerdings als schlimmes Erbteil der Vergangenheit erscheinen, weil es den Frevler der Gerechtigkeit entzog, und sehen wir aus diesem Anlass besonders die Städte bei zunehmendem Selbstgefühl in ernsten Auseinandersetzungen mit Ritterschaft und Geistlichkeit.

So mag es sein, dass dies Recht der Fronhöfe zunächst als ein persönliches Recht ihrer Eigentümer, der mächtigen Grundherren, gedacht war. Aber es war vor allem auch ein an das Haus als solches geknüpftes Asyl. Denn dies und hier liegt eine Besonderheit des germanischen Rechts vor, die in dieser Entwickelung wohl schwerlich bei irgend einem andern Volk sich findet2) ist nicht dem Königspalast oder dem Schloss des Grundherrn, sondern jedem Haus, des Bauern wie des Niedrigsten, eigen. Es ist auch nicht der Schutz des Herdes als Hausaltars, wie wir ihn im Altertum sahen, sondern die Behausung, die vier Pfähle, innerhalb deren ursprünglich die Hausgenossenschaft, später der Mann mit den Seinen lebte, sind ein kleines Herrscherbereich für sich, in welches fremde Gewalt nicht einzudringen hat. Der Satz »Mein Haus ist meine Burg<< (my house is my castle) ist keineswegs englischer oder angelsächsischer, sondern altgermanischer Rechtsgrund

1) KALTENBÄCK a. a. O., No. 204, 28, (Bd. 2, S. 284).

2) Allerdings ist auch nach ältestem russischen Recht das Haus unverletzlich (REUTZ in Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes, Bd. 12, S. 72); aber zu derartiger Ausbildung des Rechtsgedankens, wie bei den germanischen Völkern, ist es hier doch nicht gekommen.

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