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wahre Vater der Fürsten und Könige. Es ist mir immer eine der merkwürdigsten Tatsachen der Weltgeschichte gewesen, dass ein so kriegerisches Volk wie die Römer sich seine Freiheit trotz aller Diktaturen und schwerer Zeiten Jahrhunderte hindurch gewahrt hat, dass der Soldat, der im Lager blind zu gehorchen hatte, zu Hause seine Unabhängigkeit gegen den siegreichen Feldherrn wahrte. Sicherlich ist dies einer der auffallendsten Charakterzüge der Römer, und mag die Ursache vielleicht die Eifersucht der einzelnen vornehmen Geschlechter unter einander, wie andererseits der Zwiespalt zwischen diesen selbst und den Plebejern gewesen sein. Doch noch lieber möchte ich sie in dem bäuerlichen Charakter, dem starren Trotz, wie er auch unseren westfälischen Bauern eigen ist, suchen diesem Bauernsinn, der um jeden Stein ihrer Grenzen und um jeden Grenzstein ihrer Selbständigkeit marktet. Doch das mag nun sein jedenfalls zwingt die Kriegsgefahr dazu, einen Führer an die Spitze zu stellen, und die Erfahrung lehrt, dass dieser Führer sich in der Regel auch zum Stammeshäuptling im Frieden aufgeschwungen hat. Art und Temperament der einzelnen Völker haben dann die Wege des Königtums unter den verschiedenen Zonen des Erdballs verschieden gestaltet. Die stärkste Entwickelung des absoluten Despotismus, die den Bürger zum willenlosen Sklaven des Herrschers machte, war dem Morgenland und den Stämmen des dunkelsten Afrika vorbehalten; hier tritt ein Mensch, als denkbar ärgste Blasphemie, an die Stelle der Gottheit: der König ist, um mit der Sprache dieser Völker zu reden, »Fetisch«, denn in ihm wohnt Gott. Aber wehe ihm, wenn ihn das Glück verlässt! dann hat sich herausgestellt, dass Gott nicht mehr seinen Sitz in ihm hat, und er wird gerade wie das als Fetisch dienende Stück Holz, wenn es sich nicht als glückbringend erweist, beiseite geworfen. Derartiges zeigen die Blätter der Geschichte in jenen und anderen Gegenden der Erde. Es ist gefährlich, die Gottheit zu spielen.

Ganz seltsam ist, dass es absolut regierte Staaten mit Gütergemeinschaft der Bürger gegeben hat anscheinend ein. Gegensatz in sich selbst, da die Gleichheit der Güter auch politische Gleichheit zur Folge haben müsste. Aber keineswegs. Auf das alte China ist vorhin schon eingegangen, und ein strafferer Absolutismus als im Inkareich des alten Peru wird schwerlich irgendwo und irgendwann bestanden haben. Hier wie dort eine unerträglich erscheinende Beschränkung der persönlichen Freiheit durch eine ungeheure Beamtenmaschinerie, die sich in der Person dort des Kaisers, hier des Inka konzentrierte 1). Wir Menschen von heute könnten in solcher

1) R. BREHM, das Inkareich, Jena 1885; OSKAR MARTENS, ein sozialistischer Grossstaat vor 400 Jahren, Berlin 1895. »Dadurch allein konnte die Schaffung und Bewässerung des Ackerlandes in solchem Umfange ermöglicht werden, wie es im Reiche der Inkas der Fall war«. (MARTENS a. a. O., S. 61). »>Es gab kein Geld oder ein anderes dem vergleichbares Tauschmittel, keinen eigentlichen Wertmesser im Lande« (ebenda, S. 63). „Das wichtigste Mittel zur Aufrechterhaltung des staatlichen Systems war die Fesselung der ganzen Bevölkerung an die Scholle, auf der jedermann geboren war, die Unterbindung der Bewegungsfreiheit für die Masse des Volkes (ebenda, S. 65). »Alles, was Müssiggang hervorrufen und befördern konnte, war verboten . . . Die Eingeborenen hatten sich im Lauf der Zeiten wie an stetige Arbeit, so auch an ein ungemein eingezogenes Leben unter unablässiger Bevormundung gewöhnt und fühlten sich glücklich dabei. (BREHM a. a. O., S. 91, 92). »Dieselbe Hand (des Herrschers), welche unerbittliche Lasten auferlegte, lud zum Festmahle; derselbe Fingerzeig, welcher Leben opferte, sorgte mit unerbittlicher Strenge für dessen Erhaltung; dasselbe Gesetz, welches knechtischen Frohndienst forderte, gewährte Nahrung und Brot. Im Laufe der Zeiten hatte das Volk sich derartig in solche Bevormundung eingelebt, dass es fast vergass eigene Wege zu gehen<< (ebenda, S. 196). Aus den Grundgesetzen des Staats: >>Wer Lebensmittel, Kleider, Silber oder Gold gestohlen hat, bei dem werde durch eine sorgfältige Untersuchung ermittelt, ob ihn der Hunger oder die Not zum Diebstahl gezwungen hat; ist letzteres der Fall gewesen, so bestrafe man nicht den Täter, sondern entsetze denjenigen Beamten, welcher für des Diebes Notdurft zu sorgen hatte, und dem die Pflicht oblag, hinreichende Lebensmittel zu liefern. Den Dieb versehe

Luft nicht atmen; doch jede Zeit hat ihre eigene Lebensluft. So viel aber können wir daraus lernen, dass Reichtum oder Mangel an individueller Freiheit mit der Verteilung der Güter nichts zu tun hat; sonst müsste die grösste Freiheit im Zuchthause sein, wo alle Gefangenen gleich versorgt sind, und die schlimmsten Tyrannen haben am besten für den Magen ihrer Untertanen gesorgt.

Es hat den Anschein, als ob von allen indogermanischen Völkern zuerst der Inder seine politische Unabhängigkeit aufgegeben hat, wie man ja auch heute nicht behaupten kann, dass ihn ein besonderer Freiheitssinn auszeichne. Wie wäre es sonst möglich, dass ein so zahlreiches und hochkultiviertes Volk so lange die Fremdherrchaft erträgt? Gerade der Reichtum ihres Landes ist es, der die Inder zum Spielball der Eroberer gemacht hat, und ihr Rücken hat sich Gegensatz zu dem der alten Römer lange wir ihre Geschichte kennen. einst als rauhe Gebirgssöhne in das unterwarfen es in Kriegszügen, deren Nachklang uns die grossen Heldenepen aufbewahrt haben. Diese kriegerische Vergangenheit hat sicher viel dazu beigetragen, um das Häuptlingtum der Urzeit zu dem absoluten Königtum, das uns bereits in alter Zeit entgegentritt, zu steigern. Schon in dem Heldenlied

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ganz im beugen müssen, so Auch die Arier stiegen

üppige Land hinab und

man mit Kleidern und mit Speise, weise ihm eine Wohnung und ein Stück Land mit dem Bemerken an, dass er mit dem Tode bestraft werden würde, wenn er jetzt wieder stehlen sollte (ebenda, S. 206). >>Müssiggänger wurden . . . empfindlich bestraft: an den Pranger gestellt, mit Ruten gezüchtigt und durch Schmähungen (Mizquitulja, eigentlich weicher, fauler Knochen) verhöhnt; es gab aber auch keinen Bettler, denn die Gemeinde trug Sorge für Wohnung, Unterhalt und Pflege der Greise, Witwen, Waisen, Krüppel, Gebrechlichen und Kranken, vorausgesetzt, dass die Letzterwähnten auch wirklich arbeitsunfähig waren. Der Einzelne arbeitete für alle, aber alle standen auch für den Einzelnen ein; jeder lieferte, aber auch jeder empfing« (ebenda, S. 221, 222). Vergl. auch oben Bd. 2, S. 85 und die dort herangezogenen ähnlichen Verhältnisse der alten Kariben.

Ramajana finden wir eine hochpoetische Schilderung der Schrecken, die einem königlosen Volke drohen, — wobei wir für König stets den unumschränkten Herrscher setzen müssen, und sicher waren nicht alle Despoten dieses Landes so milde und gütig, wie »Rama< war1).

>>Denn wo kein König waltend herrscht,

Da tränket nicht mit Himmelstau

Der blitzgekrönte Donnerer,

Der Regengott, die dürre Flur;

In Ländern, wo kein König herrscht,

Da wird kein Same ausgestreut,

Da folgt dem Vater nicht der Sohn
Und dem Gemahle nicht das Weib...
und weiter:

»Wie Herden ohne Hirten sind,

So oline König ist ein Reich.<

und:

»In blinde Finsternis verhüllt,

Wüst und verworren ist die Welt,

Wenn nicht ein König Ordnung hält

Und zeigt, was Recht und Unrecht sei.<

Die Übergänge, unter welchen die Häuptlinge der Urarier in Indien zu absoluten Stammeshäuptern und Königen allmählich geworden sind, lassen sich urkundlich allerdings nicht nach. weisen, weil keine Kunde soweit hinaufreicht. Bereits das Rigveda kennt das Königtum wie eine von altersher gefestigte Einrichtung; aber von dieser Zeit bis zu dem Eindringen der Arier in Indien zurück liegen jedenfalls sehr grosse Zeiträume 2), in denen sich diese Wandelung infolge der Eroberungszüge und der lange andauernden Kriegswirren, deren Waffenlärm noch in den Epen wiederhallt, vollzogen haben muss.

Und merkwürdig, wie wir überall in menschlichen Verhältnissen, ähnlichen Ursachen ähnliche Wirkungen folgen

1) HOLTZMANN, Indische Sagen, Bd. 2, S. 314 ff.

2) PISCHEL und GELDNER, Vedische Studien, Bd. 1, 1889 S. XXI ff.

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sehen! Wo ein kriegerisches Häuptlingstum sich entwickelt, findet als dessen Begleiterscheinung sich auch vielfach eine glänzende Aristokratie und das Lehnswesen ein1). Wir werden nicht fehlgehen, auch hierin eine Auszeichnung kriegerischer Verdienste zu suchen. Als eine Parallele zu solchen ältesten Vorgängen berührt es uns sonderbar, wenn wir sehen, wie noch vor einem Jahrhundert Napoleon I. auf den Schlachtfeldern den Adel seines Hof halts schuf und ihn reich mit Besitzungen belehnte. Das ist eine alte Gepflogenheit der kriegerischen Fürsten gewesen und wenn wir in der Schule das Lehnswesen als Kennzeichen des Mittelalters gelernt haben, so ist es in Wahrheit eine Entwickelung, die nicht dieser oder irgend einer sonst eng begrenzten Zeit, sondern der Geschichte der Menschheit als solcher angehört. Schon die Könige von AltBabylon um 2250 v. Chr. gaben ihren Hauptleuten Feld, Garten und Haus als Lehn, und ist in ihren alten Gesetzen das Lehnsrecht genau geregelt').

Ebenso war es bei den Azteken Mexikos, bei denen bedeutende Lehnsgüter, als Land der »Königsleute«, unveräusserlich auf die Leibeserben in gerader Linie übergingen und ihnen die Mittel zur Entfaltung von Glanz bei Hofe gewähren sollten3). Man sieht, wie alt diese Weisheit ist. Und wir finden sie bei Völkern, bei denen wir sie kaum vermuten sollten, wie ehedem bei den kannibalischen alten Kariben der Antillen) und so in aller Welt). Eine glänzende Aristokratie und ihre Fundierung durch Lehen und Fideikommisse gehen Hand in Hand, und

1) Über den Heeresdienst als Grundlage der Aristokratie in Deutschland vergl. GIERKE, Genossenschaftsrecht, Bd. 1, S. 93 ff.

2) Gesetzbuch des Königs HAMMURABI, §§ 27 ff.

3) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 11, S. 68, 69.

4) PESCHEL, Zeitalter der Entdeckungen S. 193.

5) Vergl. die näheren Nachweise bei POST, Ethnologische Jurisprudenz, Bd. 1, S. 420-422, Bd. 2, S. 696 und FRIEDRICHS, Universales Obligationenrecht, S. 109, 110.

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