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Höflichkeit), bescheiden in Anzug und Schmuck, die Anliegen der Kläger prüfen.« Und es heisst weiter1): »Nachdem er sich auf den Richterstuhl niedergelassen und den Behütern der Welt seine Huldigung dargebracht hat, soll der König (geziemend) bekleidet, mit gespannter Aufmerksamkeit sich der Prüfung der Prozesse widmen.<< Und die alten indischen Kommentare sagen hierzu, der Richter solle »frei von Unruhe in seinen Reden und in Betreff der Hände und Füsse« sein2). Er wird mit Stieren verglichen, welche die Last des Prozesses zu tragen im Stande sind), und ermahnt, ein richtiges Urteil abzugeben. »Wenn einer (als Richter) schweigt oder Falsches spricht, so ist er gleich schuldig. Wo das Recht dem Unrecht und eine wahre Aussage einer unwahren erliegt, da sind auch die Richter, welche dies ruhig geschehen lassen, geschlagene Leute*)<.

Formloser scheint es bei den alten Königen Roms zugegangen zu sein. So wird es von der Ermordung des Tarquinius Priscus anschaulich berichtet: die Verschworenen »schimpften am Palast einander, wie Beleidigte, und kamen ins Handgemenge. Endlich riefen beide mit grossem Geschrei den König um Hilfe. Auch waren bei ihnen viele mitverschworene Bauern, die dem Anscheine nach beiden teils zürnten, teils beistimmten. Der König beschied sie vor sich und forderte sie auf zu sagen, worüber sie stritten. Sie gaben vor, um Ziegen in Streit zu sein; schrieen aber, nach Art der Bauern, beide zugleich leidenschaftlich durcheinander und sagten nichts zur Sache gehöriges, sodass sie bei allen ein grosses Gelächter erregten. Kaum aber glaubten sie, während dieses Possenspiels eine gute Gelegenheit zum Angriff ersehen zu haben, so versetzten sie dem

1) Buch 8, V. 23.

2) JOLLY in Zeitschrift, Bd. 3, S. 235.

3) JOLLY a. a. O., S. 237, Anm. 16.

4) Gesetzbuch des MANU, Buch 8, V. 13, 14.

Könige mit ihren Beilen Schläge auf den Kopf und flohen nach vollbrachter Tat durch die Türe hinaus« 1).

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So wurde die tumultuarische Gerichtssitzung dem Tarquinius zum Verderben, und stimmt sie auch wenig zu dem unverbrüchlichen Ernst dieser Verhandlungen, die wir bei den indogermanischen Völkern, auch bei den Römern, sonst vorfinden, und zu den Förmlichkeiten, die fast völlig gleich bei ihnen vorkommen. So ist es Gemeingut, dass bei hellem Tage wie unsere Altvordern sagten »bei lichtem Sonnenschein << das Gericht >>tagen« muss, dass man bis Mittag auf den vom Kläger gehörig geladenen 2) Gegner wartet und bei Sonnenuntergang die Sitzung geschlossen wird. So verhandelt man im Angesicht der Sonne unter freiem Himmel, mit Vorliebe unter hohen Bäumen oder auf weithin sichtbaren Anhöhen; verhältnismässig spät erst kommen, um die Richter vor den Unbilden des Wetters zu schützen, Gerichtshäuser auf, und dann noch bleibt es lange Sitte, dass im Sommer vor der Türe, offen vor allem Volk, verfahren wird3). Die Richter sitzen, und die Streitenden

1) DIONYS 3, 74; vergl. LIVIUS I, 40.

2) HEFFTER, Athenäische Gerichtsverfassung; S. 281; GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 842 ff.; SOHм, Prozess der lex Salica, § 16 »die Mannitio<<, S. 126 ff. Nach dem Recht der salischen Franken musste der Ladende (Mannierende) mit drei Zeugen zum Hause des Gegners gehen und ihm selber oder, wenn er ihn nicht antraf, seiner Frau oder einem andern aus der Familie die Ladung kund tun.

3) XII tab. I, 6 ff. bei BRUNS, Fontes 5. Aufl, S. 18 (Ante meridiem causam coiciunto . . Post meridiem präsenti litem addicito. Si ambo präsentes, solis occasus suprema tempestas esto); GRIMM a. a. O., S. 794 ff., 813 ff.; WAITZ, deutsche Verfassungsgeschichte 2. Aufl., Bd. 1, S. 321; WALTER, Das alte Wales, S. 460. In der Schweiz haben sich die sogen. Gassengerichte, die auf offenem Platz verhandelten, bis in späte Zeit erhalten (OSENBRÜGGEN, Studien zur deutschen und schweizerischen Rechtsgeschichte, S. 59 ff.; hier auch S. 65 ff. das Beispiel eines bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts als Schiedsgericht auf dem Kirchhof tagenden Kirchspielgerichts aus der Gegend von Tübingen). In Halle

stehen1), wobei jeder Prozessbeteiligte seinen hergebrachten Platz nach alter Ordnung hat2). Besonders ausführlich ist das gerade wie das indische

mit

altdeutsche Recht, das Nachdruck dem Richter ein würdiges Gehaben einschärft. Er soll ein Bein über das andere legen und den Stab, mit dem er durch Klopfen Stille gebot und das Gericht hegte, in Händen halten. Eine bekannte Stelle des Soester Rechts

schreibt ihm sogar vor: es solle der Richter auf seinem Gerichtsstuhl sitzen als ein griesgrimmender Löwe, den rechten Fuss über den linken geschlagen, und wenn er aus der Sache nicht recht könne urteilen, soll er dieselbe 123 mal überlegen3).

So war es mit den Richtern. Dass die Parteien in ältester Zeit persönlich erscheinen und Recht nehmen mussten, können wir bei den durchweg auf persönliche Vertretung gegründeten einfachen Verhältnissen jener Zeit wohl als selbstverständlich annehmen. Ebenso war es wenn man davon ausgeht, dass die ältesten Gerichte Schiedsgerichte waren nicht anders möglich, als dass die Streitenden selbst erschienen und sich durch ihr Erscheinen dem Spruch des Gerichts unterwarfen.

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wurde noch im Jahr 1747 auf offenem Markt vor dem Rolandsbild Gericht über eine Kindesmörderin gehalten, und in Hamburg wurden bis in die neuere Zeit hinein die Urteile höchster Instanz in der Rathaushalle verkündet, in deren Decke eine Öffnung war, durch welche mittels einer dann aufgesperrten Dachluke Sonnenlicht und Luft hereinströmte (BENEKE, Von unehrlichen Leuten, 2. Aufl., S. 240 ff.). Zu Köln wurde das Halsgericht auf dem Platz am Dom gehegt (ebenda S. 242).

1) >> Sitzend soll man Urteil finden« (Sachsenspiegel II, 12, § 13; III, 69, § 2); GRIMM a. a. O., S. 791 ff., OSENBRÜGGEN, Studien, S. 279; Gesetzbuch des MANU, Buch 8, V. 2.

2) GRIMM a. a. O., S. 807 ff.

3) GRIMM a. a. O., S. 761 ff. 123 mal ist nach GRIMM 3×40 mit dreimaliger Zugabe. Neuerdings will man als die richtige Lesart für 123 mal gefunden haben Eyns, twyge, drige, d. h. 1, 2, 3 mal (Stölzel, Schulung für die civilistische Praxis, S. 113).

Deutliche Spuren weist uns noch die Zwölftafel-Gesetzgebung der Römer auf. Hier wird durchaus vorausgesetzt, dass der Kläger mit dem Beklagten, den er vor Gericht ruft, persönlich erscheint, und muss jeder Gesunde dorthin gehen. Wer krank ist, dem soll der Kläger eine Fuhre stellen. Vertretung des Beklagten vor Gericht war nur durch einen vindex möglich, der dadurch sich selbst für die angebliche Schuld des Beklagten verantwortlich machte 1). Wir sehen hier also den Grundsatz ganz streng durchgeführt, dass der Gläubiger und der Schuldner vor Gericht selbst in der Rolle des Klägers und des Beklagten auftreten mussten.

Von ganz derselben Auffasssung geht das altgermanische Recht aus 2). Wir finden also in den alten Zeiten das gerade Gegenstück zu dem Grundsatz des Verhandelns durch Anwälte, den Anwaltszwang, der heute bei uns Nachkommen in den wichtigsten Civilprozessen durchaus gehandhabt wird. Die Rechtsbeziehungen sind soviel verwickelter und raffinierter geworden, dass es nach unserer Meinung juristischer Bildung bedarf, um die Sache klar dem Richter vorzutragen. In alter Zeit aber musste der Mann sich selbst vertreten. Anders finden wir es nur bei solchen Stämmen, die vorwiegend Seefahrt in ferne Gegenden trieben, wo der Grund, weshalb man Vertreter zuliess, durch die häufigen und langen Abwesenheiten der Hausväter hinreichend erklärt wird. So gestattet sehr bezeichnend das altnorwegische Gutathinggesetz (10. Jahrhundert, also die Zeit der Wikinger!) Vertretung dem Mann,

1) XII tab. I, 1- 4 bei BRUNS a. a. O., S. 17: Si in jus vocat, ito. Ni it, antestamino: Igitur em capito. Si calvitur pedemve struit, manum endo jacito. Si morbus aevitasve vitium escit, jumentum dato. Si nolet, arceram ne sternito. Assiduo vindex assiduus esto; proletario jam civi quis volet vindex esto.

2) SOHм, Prozess der lex Salica, S. 142; GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 854 ff.; SIEGEL, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 426; GEORG LUDWIG MAURER, Geschichte des öffentlich-mündlichen Gerichtsverfahrens S. 25.

der »nach Griechenland fährt« 1); und ebenso wurde es nach der Graugans und den alten Sagen in Island gehalten).

Das Verfahren vollzog sich zunächst in derbsinnlichen Formen, was wir übergeistigten Nachkommen, die wir am Begriff und nicht am Bild der Dinge selbst haften, symbolisch zu nennen belieben. So sahen wir vorhin bei Betrachtung des Raubs als Eigentumstitels3), dass im altrömischen Prozess bei Eigentumsstreitigkeiten die Parteien sich gewaltdrohend entgegentraten und der Prätor die gewalttätige Austragung des Rechtsstreits durch sein Dazwischentreten verhinderte. Und ähnlich wird noch heutigen Tags bei den Negerstämmen der Togoküste der Prozess über Grundbesitz damit eingeleitet, dass eine Palme umgehauen wird, und der Streit sich darum bewegt, ob dies zu Recht geschehen ist oder nicht, so dass auch hier ein in die Augen fallender Gewaltakt der Ausgangspunkt des Prozesses ist 4). So brachte man in alten Zeiten die Sache, um die gestritten wurde, vor Gericht, und, wenn es ein Grundstück war, mindestens eine Scholle oder vom Hause einen Ziegel.

Die freie Beweiswürdigung ist ein Kind später Perioden. Gerade die alte Zeit ist reich an strengen Beweisregeln. Bekannt ist, dass schon nach mosaischem Recht die übereinstimmende Aussage zweier oder dreier Zeugen erforderlich war 5). Und hierhin gehört auch die Regelung der Gottes

1) WOLFF in Zeitschrift, Bd. 6, S. 15.

2) WOLFF ebenda, S. 5 ff. Anders freilich schon nach den Rechtsquellen des Mittelalters, in denen der Fürsprech (vorspreke) eine bedeutende Rolle spielt (PLANCK, das Deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1, § 30, S. 194 ff.; OSENBRÜGGEN, Studien, S. 280 ff.).

3) Oben, Bd. 2, S. 127, Anm. 4.

4) HEROLD in den Mitteilungen aus den Deutschen Schutzgebieten, Bd. 5, S. 167 ff.

5) 5. MOSE 17, 6; 19, 15; 4. MOSE 35, 30; 1 Könige 21, 10. 13; MATTH. 18, 16; JOH. 8, 17; 2. Korinther 13, 1; Hebräer 10, 28. Noch

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