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der Angeklagte die Hand über das Wasser, während der Priester Gebete hersagt; zittert das Wasser, so ist er schuldig 1).

So ist es mit Feuer und Wasser. In ihren schwersten Formen ist beiden Ordalen gemeinsam, dass ein Bestehen der Probe nur durch ein Wunder möglich erscheint: das Feuer muss nicht verbrennen, das Wasser nicht ertränken, das fürchterliche Raubzeug, das in ihm wohnt, muss sich unschädlich gehaben. Wir können daher, da die Menschheit den steten Misserfolg dieser Proben für den Verdächtigten vor Augen hatte und doch an ihnen festhielt, nur annehmen, dass ihre Anwendung regelmässig nur bei Fällen schwersten Verdachts stattfand, wo eben nur ein Wunder den Ausgang der Untersuchung günstig für den Angeklagten gestalten konnte3). Und ebenso steht es mit dem Giftordal, bei welchem auch nur die Gottheit, der Fetisch, retten kann. Wir finden es in Indien, und zwar in alter Zeit3); auch aus dem alten Hellas ist uns eine Spur überliefert1); aber sein Hauptsitz scheint Afrika zu sein. Denn es kommt in den verschiedensten Gegenden dieses Kontinents vor, in Westafrika 5), wie bei den Ba-Ronga an der Delagoabai), wie bei den Bantuvölkern Ostafrikas"). Wer den Gifttrank ausbricht, gilt als unschuldig, andernfalls als der Schuld überführt; man glaubt, dass der Fetisch mit dem Trank eingeht, und, wenn er das Herz schuldig findet, den Schuldigen

1) Zeitschrift, Bd. 5, S. 370.

2) GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 911.

3) STENZLER a. a. O., S. 674; SCHLAGINTWEIT a. a. O., S. 29. Man denke auch an die heutige, bei uns so oft vorkommende Redewendung, die zu denken gibt: »Darauf kann ich, oder kannst du Gift nehmen..

4) Die Priesterin eines Tempels in Achaja musste zur Erprobung ihrer Sittenreinheit Ochsenblut trinken, das im Altertum als tötendes Gift galt: Die Unkeusche trank sich den Tod (PAUSANIAS VII, 25, 8; BECKER, Charikles, Bd. 2, S. 284).

5) Zeitschrift, Bd. 11, S. 465 ff. ELLIS, Tshi-speaking peoples, S. 196 ff. 6) Zeitschrift, Bd. 14, S. 472.

7) Zeitschrift, Bd. 15, S. 77 ff.

tötet1). Auch dies Ordal hat auf Madagaskar bis in die neuere Zeit in ganz besonders erschreckender Form Anwendung gefunden. Man benutzt hierzu eines der schärfsten Pflanzengifte, das des Tanghinbaums, das VINSON in seinem Werk über Madagaskar2) »le roi des poisons de la Flore malgache< nennt. Es wurde als einseitiges Ordal angewandt und galt als beliebtes Mittel, um den Verdächtigen auf die Beschuldigung der Zauberei oder des Verrats zu erproben; so kam es, dass ganze Ortschaften sich durch dieses fürchterliche Ordal recht. fertigen mussten und dadurch entvölkert wurden 3).

Als zweiseitiges Ordal finden wir die Giftprobe in eigentümlicher Anwendung bei den Ganguellas (landeinwärts von Benguela); der nächste Verwandte des Verstorbenen und der Mann, der diesen durch Zauberei um das Leben gebracht haben soll, müssen hier einen sinnverwirrenden Trank nehmen,

1) BEECHAM, Ashantee and the Gold Coast, London 1841, S. 219. Ähnlich wird es an der Goldküste mit der Abkochung einer Kinde gehalten, die auf manche Konstitution als Brechmittel wirkt; übt sie diese Wirkung aus, so gilt der Bezichtigte als unschuldig, andernfalls als überführt (CRUJCKSHANK, 18 years on the Gold Coast of Africa, London 1853, Bd. 1, S. 287). Die leidenschaftlichen Volksscenen, zu welchen es in Westafrika beim Ordal des Gifttrunks kommt, schildert DU CHAILLU ((Journey to Ashango-Land, S. 175, 176): »Die armen Burschen wurden mitten in einen Kreis erregter Zuschauer gebracht, und es war schrecklich, die Wildheit, die sich in den Gesichtern der Leute ausdrückte, zu sehen: ihre Natur schien sich gänzlich verändert zu haben. Messer, Äxte und Speere hielt man bereit, um damit den Leib der Opfer zu bearbeiten, wenn sie beim Ordal unterliegen sollten; falls der Beschuldigte unter dem Einfluss des Gifttranks straucheln sollte, würde die jetzt ruhige Menge plötzlich wie wahnsinnig werden und sich nicht zügeln lassen. Alles schien eifrig zu erwarten, dass ihrer abergläubischen Furcht Opfer fielen«. 2) Voyage à Madagascar, S. 292 ff.

3) VINSON a. a. O.; SIBREE, Madagascar, S. 281 ff.

und wer am meisten darunter leidet, gilt als überführt und wird getötet1).

Dies führt zu dem Ordal des geweihten Trunkes oder Bissens hinüber, das weniger mörderisch als das Giftordal, doch innerlich mit ihm verwandt ist. Es wird uns bereits im 4. Buch Mosis) genau beschrieben, wo der eifersüchtige Mann verlangen kann, dass seine Ehefrau sich von dem Verdacht des Ehebruchs durch den Genuss »bitteren verfluchten Wassers<< reinigt, das ihr der Priester vor dem Altar nach feierlichem Opfer zu trinken gibt. Bei den alten Indern kam dies Ordal in der Form des Reisessens vor3). Wir finden es bei den Germanen als Gottesurteil des geweihten Bissens und unter christlichem Einfluss als Abendmahlsprobe (judicium offae), wobei die Hostie dem Schuldigen im Halse stecken blieb1). Die Kost, die der Beschuldigte zu sich nehmen muss, kann ihm auch Qualen verursachen, die er zu überstehen hat, um sich schuldlos zu erweisen. So gab man der wegen Untreue verdächtigten Ehefrau bei den Chibihas im jetzigen Neu-Granada (Südamerika) wütenden Durst erregenden Piment- Pfeffer zu essen; konnte sie sich einige Stunden bezwingen, ohne zu trinken, so war ihre Unschuld dargetan").

Oder die Kost wird in erschreckender und in feierliche Stimmung versetzender Weise eingenommen, wie das bittere Wasser der Hebräer oder die Hostie der Abendmahlsprobe; so wird bei den afrikanischen Wakamba aus einem Menschen

1) SERPA PINTO's Wanderung quer durch Afrika (übersetzt von WoBESER), Bd. 1, S. 121.

2) 5, 18 ff.

3) GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 935, 936.

4) GRIMM ebenda, S. 931; BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 412, DAHN, Bausteine, Bd. 2, S. 46, 47, 125; KÄGI, Alter und Herkunft des germanischen Gottesurteils in der Festschrift zur Begrüssung 'der 39. Versammlung deutscher Philologen in Zürich, 1887, S. 54 ff.

5) ANDREE im Globus, Bd. 29, S. 40.

schädel getrunken 1). Oder in den Trank werden unheilkündende Dinge gemischt), wie Rost, der von Schwertern geschabt ist, zum Zeichen des dem Schuldigen nahen Todes durch das Schwert3).

- Ja man

Es gibt aber auch Gottesurteile, welche den Schuldigen aus seiner inneren Erregung überführen wollen und die man Ordale der festen Nerven nennen könnte. So muss bei den Kunamas und Bareas in Ostafrika der des Mordes Bezichtigte sich mit seinen Dorfgenossen vier Tage hintereinander in das Dorf des Erschlagenen begeben und dort einen Augenblick verweilen. Bleibt er beim Anblick der Verwandten des Getöteten ruhig sitzen und verrät er keine Furcht, so ist er unschuldig; flieht er, so gilt er als schuldbewusst'). geht davon aus, dass der, auf dem eine Missetat lastet, in beständiger Unruhe und Verwirrung lebt, und auch das Unverfängliche ihm Angst verursacht. So besteht ein Ordal auf dem an den verschiedensten Formen des Gottesurteils reichen Madagaskar darin, dass neben dem Beschuldigten dreimal ein Strick auf die Erde geschlagen, ihm dreimal Haare abgeschnitten und unter Gebeten in die Luft geworfen werden; zittert und erbricht er sich, so ist er schuldig).

Dem Lose gleich und ganz in das Wirken der Gottheit gestellt ist das indirekte Ordal, bei dem der Beschuldigte überhaupt gar nicht tätig ist, sondern von einem Zufall, dem Verhalten von Tieren oder gar leblosen Gegenständen die Entscheidung abhängig gemacht wird. Es ist dies das gerade Gegenstück zu dem eben besprochenen Gottesurteil, bei dem

1) HILDEBRANDT in Zeitschrift f. Ethnologie 1878, S. 388, 389, vergl. auch HARTMANN, Abyssinien, S. 233.

2) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 5, S. 462.

3) KOHLER ebenda, Bd. 6, S. 349.

4) MUNZINGER, Ostafrikanische Studien, S. 499 ff.

5) SIBREE, Madagaskar, S. 284.

alles auf die Gemütsverfassung und die Widerstandskraft der Nerven des Beschuldigten ankam. Man kann wirklich sagen, dass die Menschheit sinnreich alle Kombinationen erschöpft hat, um in zweifelhaften Fällen eine Entscheidung, auf die Schuldfrage eine Antwort zu erhalten. Wie eine Nachahmung und Übertragung oben beschriebener Ordale auf die Tierwelt erscheint es, wenn man bei den Niam-Niam am oberen Nil einem Huhn einen Trunk gibt; stirbt es, so ist der Täter schuldig, überlebt es, so wird er gerechtfertigt. Oder man macht die Wasserprobe nicht mit dem Beschuldigten selbst, sondern mit einem Hahn; dieser wird bis zum Ersticken ins Wasser gehalten und die Entscheidung davon abhängig gemacht, ob er wieder zu sich kommt oder nicht1). Die Probe mit dem Huhn findet in ganz ähnlicher Weise bei den Wanyamwesi statt; aber hier verlangt das Volk zuweilen, dass der Beschuldigte selbst den giftigen Trank nimmt 2). Ein Abbild des gerichtlichen Zweikampfes ist das Hahnenordal der Topantunuasu (eines Malaienstammes), wobei man zwei Hähne gegen einander kämpfen lässt 3). Andere Malaienstämme bestimmen Schuld oder Unschuld aus dem letzten Zappeln eines verendenden Huhns, aber auch aus dem frühern oder spätern Abbrennen zweier Kerzen, dem schnellern oder langsamern Auflösen zweier Salzstücke 4). Die Hand Gottes ist es, die der um die Wahrheit besorgte Mensch hier überall in den Erscheinungen der Aussenwelt sucht.

Auf einer wesentlich andern Grundlage steht die Bahrprobe oder das Bahrgericht. Hier soll nicht die Gottheit, sondern der Tote selbst oder die Seele, die den erkalteten Leichnam noch nicht verlassen hat, den Täter weisen. Dies beruht auf

1) HARTMANN, die Nilländer, S. 170 ff.
2) ANDREE, Forschungsreisen, Bd. 2, S. 370.
3) KOHLER, in Zeitschrift, Bd. 6, S. 349.
4) KOHLER nach WILKEN ebenda, Bd. 5, S. 460.

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