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der strafrechtlichen Auffassung: Leben für Leben, Wunde für Wunde. Also genau so, wie die älteste Zeit den Begriff des Individuums überhaupt nicht kennt, sondern die Menschheit ihn erst aus der Hand höherer Kultur empfangen musste, so wurde damals auch die Straftat nicht individualisiert, sondern auch sie, gerade wie der Täter selbst und der Mensch überhaupt, nur als Gattung behandelt 1). Und ebenso kommt man, weil das Moment des Willens noch gänzlich ausser Acht gelassen wird, im ältesten Strafrecht andererseits ganz konsequent dazu, den Versuch als blosse Willensbetätigung zu ignorieren 2). Denn der Erfolg, und nur der Erfolg entscheidet. So war es bei den Hellenen in alter Zeit. Die Blutrache richtet sich auch gegen den Unmündigen, der die Tat unwissentlich angerichtet hatte so musste Patroklus als kleines Kind geflüchtet werden, weil er in kindlicher Torheit (výπtos où× èdéλwv) den Sohn des Königs beim Würfeln getötet hatte 3). Und dies entspricht durchaus dem ältesten Recht, das auch den Unzurechnungsfähigen und sogar leblose Gegenstände bestrafte 4). Die Römer haben es in alter Zeit sicher auch nicht anders gekannt. Hierauf weist hin, dass nach dem vorhin von uns erwähnten Gesetz des NUMA POMPILIUS 5) der Stier, mit welchem der Grenzstein umgepflügt war, füir friedlos erklärt wurde. Aber

1) Was für ein ungeheurer Raum liegt zwischen dieser Zeit, die überhaupt noch gar nicht individualisiert, und den heutigen Bestrebungen, die in immer entschiedenerer Weise für die Individualisierung des Täters selbst und eine hiernach zu bemessende Strafe eintreten, (vergl. z. B. Professor PELMAN in Recht 1902, S. 469)!

2) Vergl. für Polynesien, Zeitschrift, Bd. 14, S. 449, für die Togoneger ebenda, Bd. 11, S. 454.

3) ILIAS 23, 88; vergl. noch aus viel späterer Zeit XENOPHON, Anabasis 4, 8, 25: Δρακόντιον Σπαρτιάτην, ὃς ἔφυγε παῖς ὢν οἴκοθεν, παῖδα ἄκων κατακτανὼν ξυήλῃ πατάξας.

4) HERMANN-THALHEIM, Griechische Rechtsaltertümer, 4. Aufl. 1895, S. 50, Anm. I.

5) Oben, Bd. 2, S. 131, Anm. 2.

diese Grundlage muss von den Römern schon sehr früh verlassen worden sein, denn bereits die Königsgesetze bestimmen, dass nur, wer vorsätzlich tötet, als Mörder (parricida) betrachtet werden soll: und der sich einer fahrlässigen Tötung schuldig gemacht hat, mit einer Vermögensstrafe (Busse eines Widders) davon kommt1). Auch das hebräische Recht hat offenbar in ältester Zeit auf dein Standpunkte gestanden, dass der Mann für den Erfolg seiner Handlung ohne Unterschied einzustehen hat. Dies ist im mosaischen Gesetz mit klaren Worten als Grundsatz ausgesprochen, wo es von dem, der lediglich infolge eines Zufalls tötet, heisst, dass er das Land schände, »darinnen ihr wohnt; denn wer blutschuldig ist, der schändet das Land; und das Land kann vom Blut nicht versöhnt werden, das darin vergossen wird, ohne durch das Blut dessen, der es vergossen hat). Aber schon früh hat man Fahrlässigkeit und Zufall ausgeschieden und den Täter dann vor der Blutrache dadurch geschützt, dass man ihm die Flucht in eine der Freistädte, über die unten im Zusammenhang mit den Asylen ausführlich zu sprechen ist,

1) Festus sub v. Parricidii: lex Numae Pompilii regis his composita verbis: Si qui hominem liberum dolo sciens morti duit, paricidas esto. Servius in VERGILII Bucolica 4, 43: In Numae legibus cantum est, ut si quis imprudens occidisset hominem, pro capite occisi agnatis ejus in contione offerret arietem. So auch in den 12 Tafeln. Si telum manu fugit magis quam jecit, aries subicitur (bei BRUNS, Fontes, 5. Aufl., S. 32 unter 24a). Wegen der Brandstifung 1. 9 D. 47, 9. Vergleiche auch die glimpflichere Bestrafung des Unmündigen bei dem furchtbar geahndeten Weidefrevel (auch in dieser schweren Strafandrohung zeigt sich der bäuerliche Charakter des altrömischen Rechts): PLINIUS hist. nat. 18, 3, 12: Frugem aratro quaesitam noctu pavisse ac secuisse puberi XII tabulis capital erat, suspensumque Cereri necari jubebant, impubem praetoris arbitratu verberari noxiamve duplionemve decerni. Über die Entwickelung des strafrechtlichen Schuldbegriffs im römischen Recht, insbesondere die spätere Sonderung von Fahrlässigkeit und Zufall, vergl. PERNICE, Labeo, Bd. 1, S. 117, 217, Bd. 2, S. 238 ff.

2) 4. MOSE 35, 33.

gestattet1), in welcher er bis zum Tod des Hohenpriesters bleiben muss; trifft ihn der Bluträcher ausserhalb der Grenze der Freistadt, so kann er ihn straflos erschlagen 2).

Nicht genug anzustaunen aber ist die Rechtsentwickelung im alten Babylon. Denn bereits im Gesetz HAMMURABI's, das etwa um 2250 v. Ch. anzusetzen ist, findet sich wortdeutlich der Unterschied zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Tat. Nachdem die Strafen der vorsätzlichen Verbrechen ausführlich bestimmt worden sind, fährt das Gesetz fort: >>Wenn jemand einen anderen im Streit schlägt und ihm eine Wunde beibringt, so soll er schwören: »Mit Wissen (Willen) habe ich ihn nicht geschlagen<< und den Arzt bezahlen. Wenn er von seinem Schlage stirbt, so soll er ebenfalls (so) schwören, und wenn er ein Freigeborener war, 11⁄2 Mine Geld bezahlen«3). Dies ist also weit vorgeschrittener, als die Ordnung des hebräischen Rechts; während der Staat dort nur die Möglichkeit des Schutzes bietet und in der Grundauffassung von der alten ungesonderten Vorstellung noch nicht abgeht, ist hier die Sonderung klar und bestimmt vollzogen und in festen Rechtsvorschriften geordnet. Wenn wir die Römer als geborene Juristen zu betrachten pflegen, was für Lobworte sollen wir den juristischen Denkern des alten Babel zollen!

Das älteste indische Recht hat sicherlich nur auf den Erfolg gesehen. Denn noch in geschichtlicher Zeit wurden schwere religiöse Bussen dem auferlegt, der auch ohne Vorsatz oder Verschuldung einen anderen getötet hatte'). Auch hier, wie so oft, hat die religiöse Übung in frommer Scheu

1) 4. MOSE 35, 22 ff., 5. MOSE 19, 5, wo der Fall hervorgehoben ist, wenn jemand mit seinem Nächsten in den Wald ginge, Holz zu hauen, und holte mit der Hand die Axt aus, das Holz abzuhauen, und das Eisen führe vom Stiel und träfe seinen Nächsten, dass er stürbe.« Vergl. auch FULD in Zeitschrift, Bd. 7, S. 109 ff.

2) 4. MOSE 35, 25 ff.

3) Übersetzt von WINCKLER, §§ 206, 207.

4) Gesetzbuch des MANU 11, 73 ff., 128 ff., Apastamba 1, 9, 24, § 1 ff.

war. der

das erhalten, was die uralte Rechtsüberzeugung der Vorväter Aber schon das Gesetzbuch MANU's geht offenbar von neueren Auffassung aus. Denn es unterscheidet anscheinend wissentlichen und fahrlässigen Meineid in den Worten: »Falsches Zeugnis entsteht, so wird gesagt, aus Habsucht, durch Irrtum, durch Freundschaft, durch Verliebtheit, durch Zorn, durch Unwissenheit, oder durch Einfalt« 1) und setzt auf die Fälle des Irrtums, der Unwissenheit und der Einfalt die niedrigsten Bussen). Und weiter weist auf vorgeschrittene Vorstellungen hin, wenn das Gesetzbuch bestimmt: »Nachdem er (der König als Richter) die Absicht, dann den Ort und die Zeit (der Tat) der Wahrheit gemäss ermittelt und das Können (der Schuldigen) und die Natur ihrer Vergehen erwogen hat, soll er die (verdiente) Strafe über die Strafwürdigen verhängen << 3).

Der Ausgangspunkt ist derselbe auch im Recht des alten Deutschlands und zeigt sich hier darin, dass für den Schaden haftet, wer ihn auch unabsichtlich und unverschuldet angerichtet hat4). Noch nach dem Recht des Sachsenspiegels muss, wer in Notwehr jemanden erschlagen hat, Gewette und Wergeld zahlen, wenn er ohne den Leichnam vor Gericht erscheint 5). Und unmündige Kinder und Wahnsinnige konnten nach demselben Recht nicht persönlich bestraft werden, verwirkten aber durch die Tat ebenfalls das darauf gesetzte Wergeld und kamen mit ihrem Vermögen für den Schadenersatz auf). So

1) Buch 8. V. 118.

2) Ebenda V. 120, 78.
3) Ebenda, V. 126.

4) Ed. Rothari, C. 387 Si quis hominem liberum, casum facientem, nolendo occiderit, componat eum sicut adpretiatus fuerit, et faida non requiratur, eo quod nolendo fecit.

5) Sachsenspiegel 2, 14, Vergl. auch Ed. Liutpr., 20. 62.

6) Sachsenspiegel 2, 65, § 1; ebenda 3, 3. Vergl. KRAUT, Vormundschaft, Bd. 1, S. 339.

galt nach altem Recht das Wort: >>wer unwillig getan, muss willig bessern« oder »wer Schaden tut, muss Schaden bessern« 1). All dies weist darauf hin, dass ursprünglich nicht der Wille beachtet wurde, sondern ausschliesslich die Tat3).

So ist es bei urwüchsigen Völkern bis in die neueste Zeit verblieben. So unterscheiden die Osseten des Kaukasus bei den Folgen der Tat nicht zwischen verschuldeter und unverschuldeter Tötung3). Und bei den Beduinen Arabiens befreit auch heute noch nicht die Notwehr von der Blutrache1).

In Afrika sind die Hottentotten soweit vorgeschritten, dass sie die Schuldfrage prüfen, nur die absichtliche Tötung der Blutrache unterstellen und die unabsichtliche mit Vermögensstrafe büssen 5). Dagegen machen die die Amaxosa - Kaffern zwischen Mord, Totschlag und fahrlässiger Tötung noch keinen Unterschied). Dies ist aber nicht nur Kaffern-, sondern ganz

1) HEUSLER, Institutionen, Bd. 2, S. 263, Anm. 3. SCHRÖDER, deutsche Rechtsgeschichte, S. 59, 285. So liegt in § 829 B. G. B. eine aus Billigkeitsrücksichten vorgenommene Rückkehr zu ältesten Rechtsgrundsätzen.

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2) Vergl. auch Lex Bajuvariorum, 19, 5; Lex Saxonum c. 54. 59. von BAR, Geschichte des deutschen Strafrechts, S. 62 ff. JHERING, das Schuldmoment im römischen Privatrecht in den vermischten Schriften 1879, S. 155 ff., insbesondere S. 163 ff., S. 199: »Ohne Schuld keine Verantwortlichkeit für die Tat . . . Ein einfacher Satz, ebenso einfach wie der des Chemikers, dass nicht das Licht brennt, sondern der Sauerstoff der Luft. Aber beide gehören zu den Sätzen, in denen für den Kundigen eine ganze Geschichte der Wissenschaft steckt. Sie sind das einfache Kreuz auf dem Turm; der ganze Turm hat erst gebaut werden müssen, bevor das Kreuz gesetzt werden konnte das Kreuz ist die Krönung und der Gipfel des ganzen Baues. BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 544 ff., Löffler, Schuldformen des Strafrechts in vergleichend historischer und dogmatischer Darstellung, Bd. 1, 1895, S. 33 ff., 117 ff.

3) DARESTE, Études d'histoire de droit, Paris 1889, S. 148.

4) BURCKHARDT, S. 259.

5) FRITSCH, die Eingeborenen Südafrikas, S. 363, FRIEDRICHS, Universales Obligationenrecht, S. 131, THEOPHILUS HAHN im Globus, Bd. 12, S. 306.

6) REHME in Zeitschrift, Bd. 10, S. 53.

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