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die Götter selbst müssen einschreiten, um weiteres Unheil zu verhüten 1).

Bei den Römern war die Blutrache noch das Recht der 12 Tafeln. Wenn es hier heisst, dass das Recht der Wiedervergeltung (Talion) stattfinde, falls ein Glied gebrochen ist 2), so wissen wir aus einer uns erhaltenen Stelle der Schriften des Cato, dass die Pflicht zur Wiedervergeltung als Rache dem nächsten Angehörigen des Verletzten zustand3). Und scheint der doppelköpfige Janus in ältester Zeit der Gott der Blutrache gewesen zu sein 4).

Und wir können uns einen andern Zustand der Dinge im alten Rom auch kaum vorstellen, da wir vorhin sahen, dass

1) Über die Blutrache bei den Hellenen vergl. SCHÖMANN, Griechische Altertümer, Bd. 1, S. 46; KOHLER, Skakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz, S. 152 ff., 226 ff.; die ausgezeichneten Ausführungen von K. O. MÜLLER, Äschylos' Eumeniden mit erläuternden Abhandlungen, Göttingen 1833, S. 126— 151; ED. PLATNER, Notiones juris et justi ex HOMERI et HESIODI carminib. explan., Marburg 1819, S. 119 ff. Über Spuren noch in Solons Gesetzgebung LÖFFLER, Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1, S. 51 ff.; E. S. TOBIEN, Die Blutrache nach altem russischem Recht, Dorpat 1840, Bd. 1, S. 49.

2) Si membrum rup[s]it, ni cum eo pacit, talio esto.

3) PRISCIANI Institutiones grammaticae 6, 69 (in den Grammatici latini, Bd. 2, S. 254): Cato tamen >>os<< protulit in IV. orig.: »Si quis membrum rupit aut os fregit, talione proximus cognatus ulciscitur. « Man sollte übrigens nach der durchaus vaterrechtlichen Familienverfassung der alten Römer hier das Wort agnatus erwarten. Sollte ein Erinnerungsfehler des PRISCIANUS vorliegen, oder sollten bei dem altertümlichen Brauch der Blutrache sich noch Reste mutterrechtlicher Vorstellungen bewahrt haben?

4) VOIGT, die leges regiae (in Abhandlungen der Kgl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Bd. 17 (der phil.-hist. Klasse, Bd. 7), S. 622 ff. Über die Spuren der Blutrache im römischen Recht, vergl. LÖFFLER a. a. O., Bd. 1, S. 59 ff. Später scheinen diese alten Erinnerungen ganz in Vergessenheit geraten zu sein; wenigstens ruft CICERO (pro Lig. 4, 11) aus: Hoc egit civis Romanus ante te nemo: externi isti mores usque ad sanguinem incitari solent odio aut levium Graecorum aut immanium barbarorum.

die herrschenden Geschlechter noch in Hausgenossenschaften bis spät in geschichtliche Zeiten gelebt haben, diese aber und die Strafverfolgung der Blutrache uns, soweit unsere Beobachtung reicht, verbunden entgegentreten. So auch bei den alten Germanen. Auch hier bei unsern Altvordern beruhte auf der Genossenschaft der Sippe derart der damalige Rechtsgang, dass das alte gothische Wort sibja zugleich Friede, Bund und Verwandtschaft bedeutet1). So sehen wir die Familie selbst als eigenen Hort ihres Friedens und als festgefügten Bund der in Gemeinschaft lebenden Anverwandten. Und in den wilden, kühnen Geschlechtern jener Zeiten lebte ein Durst nach Rache, nach Blut und preislichen Heldentaten, dass schon die Kinder mordeten, um Blutrache zu üben wie nach den Nordlandssagen ein Knabe von 9 Jahren schon 3 Männer getötet hatte, ein anderer Knabe in gleichem Alter den Mörder seines Pflegevaters umbrachte, und ein zartes Kind sich von den Mördern seines älteren Bruders totschlagen liess, weil es nicht eidlichen Verzicht auf die Blutrache geloben wollte 2). Aus solchen Kindern wurden jene unbeugsamen, wie aus Eisen geschaffenen Männer, die als Seekönige der Schrecken der Küstenländer wurden. Und es ward als gewaltige Selbstüberwindung in der Sage gefeiert, dass ein Vater erklärte, um des allgemeinen Landfriedens willen und um weiterem Unheil zu steuern, seinen Sohn ungebüsst liegen zu lassen; dies tat in der Njallsage Hallr von Sidha, weil er sich über den Vorwurf der Feigheit erhaben fühlte, und die Gemeinde feierte die Grossherzigkeit damit, dass sie selbst zusammenschoss und ihm das Vierfache des Wergeldes gab3).

Die Blutrache war ein Fehdegang (faida), der von jeder Sippe zur Genugtuung für begangene Frevel ebenso gut unternommen werden konnte und nach der Volksvorstellung als heilige

1) DAHN, Bausteine, Bd. 2, S. 79.

2) DAHN a. a. O., S. 104.

3) DAHN a. a. O., S. 105.

Pflicht gegen den Toten 1) unternommen werden musste, wie die Kriege, welche die Könige und Grossen führten). So durfte die Rache auch nicht heimlich vollzogen werden, sie war die rasche und offen vollbrachte Tat zorniger Männer, und vor der Welt musste der Bluträcher sich zu seiner Tat bekennen 3). Nirgends ist bezeichnender ausgesprochen als im altisländischen Recht der Graugans, dass die Blutrache nur der Gegenschlag ist; denn dort findet sich vorgeschrieben, dass ein Schlag nur solange gerächt werden könne, als noch Spuren vorhanden sind (die Stelle braun und blau oder aufgeschwollen ist) und Schläge, die keine Spuren zurücklassen, nur an Ort und Stelle gerächt werden dürfen 4).

Die alten nordischen Rechte regeln genau den Fall, wie man vor der Gemeinde nachweisen soll, dass man den Totschlag aus Blutrache verübt hat. So soll, wer den Ehebrecher bei der Frau erschlug, dem ersten Mann, dem er begegnet, die Tat erzählen und zugleich die Ursache. Demnächst soll er abwarten, ob der Erbe des Erschlagenen (also schon hier der Erbe als nächster Vertreter der Sippe!) den Pfeil, wo

1) MAURER, Isländische Volkssagen, S. 303. WILDA, Strafrecht der Germanen, S. 212.

2) GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 288.

3) WILDA a. a. O., S. 159, 160.

4) WILDA a. a. O., S. 161. Es sei hier auf die merkwürdige Parallele in § 233 unseres Strafgesetzbuchs hingewiesen, wonach Erwiderung leichter Körperverletzungen auf der Stelle Straflosigkeit nach sich ziehen kann. Man vergleiche damit das alte westgotländische Gesetz: >>Erschlägt ein Mann den andern und wird er dann erschlagen zu seinen Füssen, an demselben Ort und zur selben Stunde, so liege er bei seiner Tat (d. h. busselos); und auch das Volk und der König haben dafür keine Forderung.« Also § 233 ist ganz uralt germanisches Recht; nur dass im Lauf der Rechtsentwickelung der Kreis der Missetaten, für welche Blutrache zugelassen ist, sich immer mehr eingeschränkt hat, sodass statt der Tötung schliesslich die leichte Körperverletzung als ihr Gegenstand übrig geblieben ist. Wir sehen hier einen direkten Zusammenhang heutiger Rechtsgedanken mit denen unserer Vorväter.

durch das Gericht bei Totschlag zusammengerufen wird, in Umlauf setzen will; sonst soll er es selber tun. Er soll dann zum Ding (Gemeindeversammlung als Gericht) gehen, ausserhalb desselben seine Waffen niederlegen, Frieden begehren, sich zur rechtmässigen Verteidigung erbieten und des Mannes Zeugnis, welcher ihm zuerst begegnete, vorbringen 1). Und in der Nialsage rät Nial dem Gunar, der 14 Menschen erschlagen hatte, sie ausgraben und unheilig legen zu lassen, weil jene mit der Absicht umgegangen waren, ihn und seinen Bruder zu erschlagen2). Das war das sogenannte Bereden des toten Mannes, bei welchem man den Leichnam des Toten vor die Gemeinde als das Blutgericht brachte, dabei Klage erhob, dass der Tote für unheilig erklärt würde, und dann abgewartet wurde, ob jemand für den Toten auftreten und dessen Sache durchführen wollte eine Rechtsübung, die noch dem Sachsenspiegel bekannt3) und also bis in späte Zeiten hinein lebenskräftig geblieben ist.

1) So das alte Gutathinggesetz, ähnlich die Graugans. WILDA a. a. O. S. 163. In eigentümlicher Weise kommt ein alter Rechtsbrauch dem Mann entgegen, der Notwehr ohne Zeugen geübt hat: »Wenn ein Mann einsam und abgelegen wohnte ohn alles Hausgesinde, nach der Nachtglocke der Mörder bei ihm einbrach, der Mann aber den Mörder überwältigte und aus Notwehr tötete, so beweist der angegriffene Mann den ihm geschehenen Frevel in Entstehung aller anderen menschlichen Zeugen folgendergestalt: er nimmt drei Halme von seinem Strohdach, seinen Hund an einem Seil, der im Hof gewacht, oder die Katze, die beim Herd gesessen, oder den Hahn, der bei den Hühnern gewacht, geht mit den Tieren vor Gericht und beschwört in deren Gegenwart das Geschehene, im Glauben, dass ihn Gott Lügen strafen könne durch das kleinste Geschöpf« (JAKOB GRIMM in Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft, Bd. 2, S. 80, 81, vergl. auch OSENBRÜGGEN, Studien zur deutschen und schweizerischen Rechtsgeschichte, S. 143, und Hausfrieden, S. 19, 20, der die Tiere lediglich als Scheinzeugen und Vertreter des Hausgesindes ansieht).

2) WILDA, ebenda.

3) Dort I, 69; I, 64; II, 14 § 2 a. E.; III, 84, § 3.

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Vor dem erstarkenden Staatsgedanken weicht die alte Blutrache freilich immer mehr und mehr zurück, und so finden wir sie bereits in den Volksrechten nach der Völkerwanderung derart zurückgetreten, dass einer der berufensten Kenner auf diesem Gebiet1) direkt aussprechen kann, die Regel schon dieser Zeit sei das Verbot der Rache oder vielmehr die Umwandlung der Privatrache in eine öffentliche gewesen). Auch dies bestätigt den unseren jetzigen Betrachtungen vorausgeschickten Grundsatz, dass die Strafverfolgung den Entwicklungsstufen der Gemeinschaft folgt der alte Hordenkommunismus kaum ein Strafrecht in unserm Sinn überhaupt kennt, ein solches dann den alten Hausgenossenschaften zuzusprechen ist und von ihnen auf die erstarkten grösseren Verbände, den Stamm und später den Staat, übergeht. Ein seltsamer Zwischenzustand, ein Zugeständnis neuerer Zeit an die alte Rechtserinnerung ist, dass man dem Ankläger, wenn der Friedebrecher vom Gericht seines Lebens verlustig erklärt ist, zuweilen überlässt, selber das Urteil zu vollstrecken 3) wie ein altes norwegisches Gesetz es sagt, ihn zu erschlagen >>zu den Füssen des Erschlagenen« *).

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Dies war der regelmässige Werdegang, der zu dem Absterben des Gedankens der alten Blutrache führte. Aber, wie wir in allen menschlichen Dingen Nachzügler der Idee entdecken, welche die Zeit ihrer Blüte um Jahrhunderte überleben, so auch hier. In Holstein muss sich die Blutrache noch sehr

1) WILDA a. a. O., S. 166.

2) Langsamer ging die Umwandlung bei den Nordgermanen vor sich und zum Teil auf anderem Wege. So schränkte die isländische Graugans die Blutrache auf die Zeit eines Jahres nach der Freveltat ein; WILDA a. a. O. 178.

3) Ja, es war zuweilen Pflicht des Bestohlenen, den Dieb mit eigenen Händen zu henken (OSENBRÜGGEN, Studien, S. 167 ff.). Ein Analogon aus dem talmudischen Recht ist, dass der Verbrecher von den Zeugen selbst, auf deren Aussage hin er verurteilt war, gesteinigt wurde.

4) WILDA a. a. O. 167.

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