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und vermag keine Hilfe zu erlangen, so ergreift er seinen Kampfspeer, zieht in den Busch und stösst den nächsten ihm Begegnenden nieder. Dessen Angehörige geben die Untat weiter und der allgemeine Mord und Schrecken greift solange und soweit um sich, bis durch Weitertragung an den ersten Urheber das Unrecht gesühnt wird. Dessen Vermögen hat dann auch für den gesamten Schaden aufzukommen< 1).

Auch bei den nordamerikanischen Indianern sind die totemistischen Gruppen die Träger wie das Ziel der Blutrache2). Bei manchen Stämmen war die Staatsgewalt schon soweit erstarkt, dass zunächst Aussöhnung durch die Volksversammlung versucht wurde und erst, wenn dies Einschreiten der Gesamtheit nichts fruchtete, die Blutrache mit ihren unheilvollen Folgen entbrennen durfte3).

Auch aus Südamerika wird uns von den Grajiroindianern Venezuelas berichtet, dass eine Tötung den Kampf von Horde zu Horde entfesselte 4). Und bei den Botokuden veranstalten die beteiligten Familien oder Horden ebenfalls einen Kampf miteinander, nach dessen Beendigung die Tat als gestihnt gilt 5).

1) HAHL in Zeitschrift, Bd. 14, S. 381; über die Blutrache gegen den Ehebrecher vergl. ebenda, S. 348, 379. Die Ähnlichkeit mit dem bekannten sogen. Amoklaufen der Malayen, wobei der wütend Gewordene alles mordet, was ihm in den Weg kommt, ist offenbar.

2) DORSEY im Third Annual Report of the Bureau of Ethnology, Washington 1884, S. XLIX; Schoolcraft, Bd. 2, S. 131; KOHLER in Zeitschrift, Bd. 12,

S. 405
ff.

3) KOHLER a. a. O., S. 407, 408.

4) KOHLER ebenda, Bd. 7, S. 383. Die Blutrache ist überhaupt dem südamerikanischen Indianer bekannt; so wird uns von Stämmen in BritischGujana berichtet: »Jede Kränkung an der Ehre, an Frau und Kind wäscht der Mann meist durch blutige Rache ab, ohne sie vor die Entscheidung der Volksversammlung zu bringen« (SCHOMBURGK, Reise in Britisch-Gujana, Bd. 2, S. 321).

5) Zeitschrift, Bd. 13, S. 316.

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So ist es wahr, dass die Blutrache auf frühen Kulturstufen die ursprüngliche Art der Strafverfolgung ist, und dass wir sie über den ganzen Erdball, bei den von einander entlegensten Völkern, die unter sich keine Verwandtschaft und keinen Verkehr haben, vorfinden. Wäre sie aber das letzte Wort der Menschheit bei der Ahndung von Verbrechen geblieben, so wären gesicherte ruhige Zustände unmöglich geworden, da die unablässigen Fehden der kleineren Hausgenossenschaften von innen her die kaum geeinten grösseren Verbände immer wieder erschüttert und zerrissen hätten. Hier setzt nun auf dem Wege zur staatlichen Rechtspflege universal wie die Blutrache selbst die Einrichtung der Busse (compositio) ein. Die Sippe des Täters beschwichtigte in der Hauptsache wohl, wenn die kriegerischen Leidenschaften sich abstillten und die tägliche Bedrohung durch den Nachbar für die friedlicher gewordene Lebensführung unerträglich wurde durch Hingabe gewisser Vermögensstücke die Sippe des Erschlagenen oder Verletzten, und schloss sich daran häufig zur Bekräftigung eine Versöhnungsfeier an, wie wir sie vorhin bei den Kabylen festgestellt haben. Diese Busse wurde in der Regel nach der Bedeutung des Verlustes, den die Familie durch den Friedensbruch erlitten, in gewissen Abstufungen bemessen, sodass für einen Mann die Busse sich anders gestellt haben wird als für ein Weib, für einen Trefflichen höher als für ein dem Stamm weniger nützliches Mitglied u. s. w. Dann wurde in späteren Zeiten, als das Friedensbedürfnis immer weitere Fortschritte machte und die grösseren Verbände erstarkten, die früher in das Belieben der Verletzten gestellte Einigung durch die Sitte und noch später durch Satzung zu einem Muss gemacht, und wurden vielfach die Sätze in Tarife gebracht, nach denen im einzelnen Fall abzugelten war. Diese Schritte von einer Stufe zur andern fanden schwerlich gewaltsam in scharfen markierten Übergängen, sondern in langsamem Hinübergleiten von Zwischenstufe zu Zwischenstufe im Laufe grosser Zeit

räume statt. Aber der gewaltige, schliesslich vollzogene Umschwung prägte sich doch der Erinnerung der Völker ein; sie hat sich vielfach in den alten Sagen erhalten, welche die Busse ins Märchenhafte trieben dem Zuge der ältesten Zeit entsprechend, die von der Blutrache als heiliger Pflicht nur gegen gewaltige Angebote abstand wie vielfach die alte Mär wiederkehrt, dass dem Sohne soviel als Blutgeld zu zahlen sei, als der Kopf seines erschlagenen Vaters wiege 1).

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Die Busse teilt zunächst den Charakter der Blutrache; wie diese als Fehde von Sippe gegen Sippe geht, so entrichtet auch jene die Sippe der Sippe. Dies werden wir im Folgenden, wo wir uns den einzelnen Völkern zuwenden, in das Einzelne hinein feststellen können. Hier sei aber sogleich bemerkt, dass auch dies ganz universal ist und nicht nur bei den grossen Kulturvölkern, sondern ebenso gut in Afrika sich nachweisen lässt, wo z. B. bei den Amaxosa-Kaffern der Häuptling für die Bussen der Kraalgenossen aufkommt2), und die Haftung der Sippe des Täters ganz allgemeines Negerrrecht ist3).

Das erste Stadium der Busse, in welchem von einer Verpflichtung zu ihrer Annahme noch keine Rede ist, sondern sie von der Sippe des Verletzten nach freier Entschliessung genommen oder abgelehnt wird, finden wir in den homerischen Epen 4). So bieten die Freier dem zurückgekehrten Odysseus reiche Gaben als Busse an; er aber verschmäht alles und besteht auf der Blutrache. » Und wenn ihr mir euer ganzes

1) WESNITSCH in Zeitschrift, Bd. 8, S. 459. J. GRIMM in Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft, Bd. 1, S. 328 ff.; E. OSENBRÜGGEN, Studien zur deutschen und schweizerischen Rechtsgeschichte, S. 142. TOBIEN, die Blutrache nach altem russischen Recht, Dorpat 1840, Bd. 1, S. 79 ff. 2) POST in Zeitschrift, Bd. 11, S. 246, REHME ebenda, Bd. 10, S. 47,

52, 56.

3) KOHLER ebenda, Bd. 11, S. 459, Bd. 15, S. 66.

4) BERNHÖFT in Zeitschrift, Bd. 2, S. 287, PLATNER, Notiones juris

et justitiae ex HOMERI et HESIODI carminib., S. 115 ff.

Vatererbe gebt, wieviel euer ist, und mehr noch dazu legt, doch sollen meine Hände nicht ruhen vom Morde, bis aller Frevel gebüsst ist« 1). Und so hören wir bei HOMER viel von Flüchtlingen, die in die Fremde gehen, weil die Familie des Getöteten von der Blutrache nicht ablässt2). Bezeichnend genug ist das Wort für Busse, wie für das Lösegeld des Kriegsgefangenen3) ein und dasselbe. Beides stand sich also in der Volksvorstellung gleich, Krieg und Fehdegang waren noch eins, wie sie es dem alten Germanen waren, und von der Rache wie von der Gefangenschaft musste man sich in gleicher Weise lösen. Die Annahme der Busse war ein Friedensschluss, der den Kriegszustand der beiden Sippen beendete und wodurch das Verbleiben des Täters in der Heimat erkauft wurde 4). Tarifsätze für das Wergeld gab es bei den Hellenen HOMERS nicht"); war man grundsätzlich einig und nur über die Höhe des Betrags ein Einverständnis nicht möglich, so mochte es zum Streit vor Schiedsrichtern kommen, wie solcher in der Gerichtsscene auf dem Schild des Achilles so anschaulich dargestellt ist). Sogar der Göttervater Zeus wie die Götter immer

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1) Odyss. 22, 61 ff.

2) Vergl. Ilias. 2, 662 ff. 13, 696; 15, 432; 16, 573; 23, 85 ff. 3) Die άnova in Il. 1, 13. 111; 2, 230; 6, 49, vergl. hierzu das Wort anova für Busse z. B. II. 9, 120.

4) Vergl. Il. 9, 632 ff. Wie sehr sich in der Vorstellung der epischen Zeit Krieg und Blutrache vermischen, geht am besten aus der Stelle der Il. 3, 285 ff. hervor, wo als Ziel des trojanischen Kriegs geradezu die Busse für den Raub der Helena angegeben wird.

5) Auch im späteren attischen Recht haben sich bestimmte Wergeldsätze nicht ausgebildet (BERNHÖFT in Zeitschrift, Bd. 6, S. 282). Doch ist die Entwickelung wohl keine einheitliche gewesen, wenigstens finden sich im Stadtrecht von Gortyn auf Kreta (II, 2 ff.) Bestimmungen, die als Normierung der Busse gedeutet werden können.

6) Il. 18, 497 ff. Nach anderer Meinung geht der Rechtsstreit darum, ob die Busse bezahlt ist, wie der eine Teil behauptet und der andere bestreitet (SCHÖMANN, griechische Altertümer 4. Aufl., Bd. 1, S. 29, 49).

die Schicksalswege der Menschen beschreiten müssen gibt als Busse für den Raub des Ganymed Rosse, von denen das herrlichste Gestüt entstammt1).

Von den Römern wissen wir, dass nach einem angeblichen Gesetz des Numa, also bereits zur Königszeit, bestimmt war, bei fahrlässiger Tötung solle die Busse in einem Widder bestehen, welcher der Sippe des Toten vor versammeltem Volk übergeben würde 2). Die 12 Tafeln überlassen bei schweren Verletzungen die Busse noch dem freien Belieben des Verletzten und seiner Angehörigen, die sonst den Weg der Blutrache beschreiten können3). Für leichtere Körperverletzungen war eine Busse1) von 25 as vorgesehen, die bei der Geldarmut dieser alten Zeit als ausreichend angesehen wurde 5).

So finden wir die Busse in der Antike. Aber auch unsere Vorfahren kannten sie schon in sehr alter Zeit, wie TACITUS berichtet, dass sie in dem Zahlungsmittel der Urzeit, in Rindern, an die ganze Sippe des Getöteten als Wergeld entrichtet wurde). Und ganz ähnlich begegnet uns in altisländischen Gesetzen das Kuhgeld, die Berechnung der Busse nach Kühen, wobei

1) II. 5, 265 ft.

2) SERVIUS in Virgilii egl. 4, 43. Dies soll auch Brauch in Athen gewesen sein, wie überhaupt der Widder das Hauptsündopfer der Hellenen und der verwandten Stämme Italiens war (K. O. MÜLLER, Äschylos' Eumeniden, Göttingen 1833, S. 144). Auch auf den Sündenbock der Hebräer sei hingewiesen.

3) Si membrum rup[s]it, ni cum eo pacit, talio esto. BRUNS, Fontes 5. Aufl., S. 28; vergl. auch das oben, S. 66 angezogene Fragment aus CATO's Schriften.

4) pöna; also dasselbe Wort, das die alten Hellenen für Busse gebrauchten (ποινή vergl. z. B. Il. 3, 290; 5, 266; 18, 498).

5) GAJUS 3, 223, 224; BRUNS a. a. O.

6) Germania C. 21: Nec implacabiles (inimicitiae) durant; luitur enim etiam homicidium certo armentorum ac pecorum numero, recipitque satisfactionem universa domus.

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