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In altertümlichen Formen spielte sich das Sühneverfahren im Gebirgsland Montenegro ab. Hier blieb grundsätzlich die Blutrache bestehen und wurde erbarmungslos verfolgt, bis ihr Ziel erreicht war. Es kam aber zuweilen auch vor, dass die Eltern des Täters der ewigen Fehde ein Ende machen wollten. Dann wurde mit den Eltern des Erschlagenen ein Frieden von 7 Tagen vereinbart, der Täter wählte 12 Frauen aus seiner Familie, die mit ihren Säuglingen unter Weinen und Wehklagen das Oberhaupt der gegnerischen Sippe zu rühren suchten. Gelang es, so liess dieser die vor ihm Knieenden aufstehen, umarmte die Kleinen und man schritt zur Ernennung eines Schiedsgerichts, das die Höhe des Wergelds festsetzte 1). Was hier am meisten auffällt, ist, dass, dem unbeugsamen Sinn dieser Bergbewohner entsprechend, die demütige Abbitte nicht, wie in andern Ländern, durch den Täter selbst geschieht, dieser vielmehr die Frauen schickt, damit sie in seiner Vertretung die Knie vor der verletzten Sippe beugen. So behielt dies Volk seine wilden Sitten sogar in der Demut bei.

Auch in Dalmatien ist die Blutbusse nachgewiesen und wird auch hier von Sippe an Sippe entrichtet").

Die Ablösung der Blutrache durch Wergeld findet sich auch bei den Völkern des Kaukasus 3). Bei den Osseten wird es in Kühen entrichtet oder in einem Stücke Feld, das im

1) FRANZ MIKLOSICH in den Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften, Bd. 36 (1888), S. 180 ff.; JOVANOVIC in Zeitschrift, Bd. 15, S. 133, 134. WESNITSCH ebenda, Bd. 9, S. 70 ff.; über die Blutbussen in Montenegro vergl. ferner KRAUSS im Ausland 1889, S. 536. Post, Geschlechtsgenossenschaft der Urzeit, S. 171; derselbe Anfänge des Staats- und Rechtslebens, S. 167; derselbe, Grundlagen der ethnologischen Jurispru denz Bd. 2, S. 291, 346.

2) WESNITSCH in Zeitschrift, Bd. 8, S. 460, 461.

3) HAXTHAUSEN, Transkaukasia, Bd. 2, S. 201 ff., aus dem Gesetzbuch des Czaren WACHTANG; KOHLER, Blutrache, S. 12.

Wert von Kühen abgeschätzt wird1).

Und zwar steht der

Junggeselle niedriger im Preise als der erschlagene Hausvater, der Adlige doppelt so hoch als der Gemeine und das Weib nur halb so hoch als der Mann. Verstümmelungen und Schläge haben, just wie anderwärts, einen besonderen Tarif; klaffende Wunden werden in altertümlicher Weise mit Gerstenkörnern gemessen). Eine Herabminderung der Busse konnte bei den Georgiern nur erwirkt werden, wenn der Schuldige sich, nackt bis zum Gürtel, vor dem Verletzten auf die Kniee warf3) also eine Abbitte in schimpflicher Form, die bei diesem streitbaren Bergvolke besonders demütigend erscheinen musste.

Auch bei den Kirgisen ist das Wergeld, das auf die Tötung eines Menschen gesetzt ist, bei Männern doppelt so hoch als bei Frauen; es wurde in Pferden, Schafen u. s. w. entrichtet 4).

Ebenso ist die Geldbusse für Totschlag und Verwundung nachgewiesen bei der noch nicht ausgestorbenen Urbevölkerung Chinas 5).

Und auch dem altpersischen Recht war die Ablösung der Blutrache durch das Wergeld wohlbekannt). Im heutigen Persien gilt, entsprechend der Anschauung des Islam, die Blutrache; der Täter wird den Verwandten des Getöteten ausgeliefert, die sich das Racherecht durch eine Blutbusse abkaufen lassen und nur den Zahlungsunfähigen töten").

1) BASTIAN, Rechtsverhältnisse, S. 216.

2) HAXTHAUSEN, Transkaukasia, Bd. 2, S. 30, POST, Anfänge des Staats- und Rechtslebens, S. 191, 192, 195, 197.

3) R. DARESTE, Études d'histoire de droit, Paris 1889, S. 129

4) LUBBOCK, Entstehung der Civilisation, S. 397, POST, Anfänge des

Staats- und Rechtslebens, S. 197.

5) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 6, S. 406.

6) W. GEIGER, Ostiranische Kultur, S. 452.

7) HOFFMANN in ERSCH und GRUBERS Allgemeiner Encyklopädie I, II, 90b, 91a.

WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts III

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Bei den Afghanen besteht die alte Blutrache trotz gesetzlicher Verbote im Geheimen fort1). Der Betrag der Busse wird bei ihnen seltsamer Weise in Frauen bestimmt; für einen Mord büsst man 12 Weiber, für das Ausbrechen eines Zahnes drei und für eine Wunde am Vorderkopf eine").

Im alten Arabien war, da die Blutrache diesem Volk in Fleisch und Blut übergegangen war, das Wergeld sehr hoch, es betrug nicht weniger als 100 Kamele 3). Nicht viel anders ist es jetzt noch in Südarabien1). Im Übrigen ist die Übung bei den heutigen Beduinen keine einheitliche, die Sitten gehen vielmehr ganz ungemein auseinander. Manche Stämme lehnen nach dem Brauch ihrer Vorväter jede Blutbusse ab, andere wieder feilschen um ihren Betrag. Bei manchen haftet, wie in alter Zeit, die ganze Sippe, bei andern nur der Täter3). Es ist also der ewige Kampf zwischen dem Alten und dem Neuen, der hier noch unentschieden geführt wird.

Auch bei den der Blutrache grundsätzlich anhänglichen Kabylen gibt es einzelne Stämme, die diesen Standpunkt ver

1) W. GEIGER a. a. O., S. 453.

2) POST, Anfänge des Staats- und Rechtslebens, S. 191, 196. Den Tarif für Wergeld- und Blutbussensätze in Siam (Hinterindien) teilt BASTIAN (Völker des östlichen Asiens, Bd. 3, S. 180 ff.) mit.

3) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 8, S. 246, 247; vergl. die unablässig Bluttat und Rache besingenden Lieder der Hudhailiten bei J. WELLHAUSEN, Skizzen und Vorarbeiten, Berlin 1884, Bd. 1, S. 108 ff.; ferner FRIEDRICHS, Universales Obligationenrecht, S. 126.

4) VAN DEN BERG, Le Hadhramout et les Colonies Arabes dans l'Archipel Indien, Batavia 1886, S. 44 (La justice se fait selon le droit du plus fort, et s'il y a du sang versé, on voit ordinairement naître une vendetta de longue durée. On m'a cité des exemples de vendetta de vingt et de trente années pour des raisons vraiment puériles), S. 190; Wrede, Reise in Hadramaut (herausgegeben von MALTzan), S. 199.

5) BURCKHARDT, Beduinen und Wahaby, S. 252 ff., 413 ff.

lassen haben und den Loskauf von der Blutrache, das Wergeld, kennen 1).

Dass auch nach verbreitetem afrikanischem Negerrecht die ganze Sippe des Täters für die Busse haftet, ist schon am Beginn der Betrachtung erwähnt), und sei hier nur nachgetragen, dass dies bei manchen Völkern so weit geht, dass man sich nicht bloss an den Verwandten, sondern an jeden beliebigen Landsmann des Schuldners halten, diesen berauben und wegen des Ersatzes an den säumigen Schuldner verweisen darf3). Bei den Kamerunvölkern herrscht die alte Vorstellung der Blutrache noch derart vor, dass an Wergeld und Sühne nur dann zu denken ist, wenn der Täter sich solange verborgen hat, bis der erste Rachedurst erloschen ist1).

Bei den Amaxosa-Kaffern wie bei den Hottentotten besteht die Busse in Rindern, dem Zahlungsmittel der Urzeit 5), und ebenso bei den Galas und Wakamba in Ostafrika). Ein eigenartiges Wergeld aber kommt bei einzelnen Stämmen der ostafrikanischen Bantuvölker vor: hier werden als Busse Töchter gegeben und dadurch Zwischenheiraten herbeigeführt"); es

1) HANOTEAU et LETOURNEUX, la Kabylie et les Kabyles, Bd. 3, S. 70, 71.

2) Oben, S. 88, Anm. 2 und 3.

3) WAITZ, Anthropologie der Naturvölker, Bd. 2, S. 154.

4) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 11, S. 453. Dass dies der Ausgangspunkt für den Rechtsgedanken der Asyle ist, wird sofort zu erörtern sein. 5) REHME in Zeitschrift, Bd. 10, S. 51; FRITSCH, die Eingeborenen Südafrikas, S. 363.

6) HARTMANN, Abyssinien, S. 159, 234.

7) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 15, S. 56. Das Gleiche gilt bei den BeniAmer und Bogos im Norden von Abyssinien, und bewirkt die Versöhnung in jenen Gegenden überhaupt eine Art von Verwandtschaft (MUNZINGER, Ostafrikanische Studien, S. 322, 502); ähnlich auf den polynesischen Marschallinseln (Zeitschrift, Bd. 14, S. 446), wo auch die Aussöhnung in den meisten Fällen durch eine eheliche Verbindung zwischen beiden Familien bekräftigt wird.

erinnert dies an die feierliche Aufnahme des Täters in die Sippe des Verletzten als stärkste Befestigung des Friedensschlusses und mag die ursprüngliche Idee die Verschmelzung beider Sippen zu einer gewesen sein, wenn nicht ganz einfach (wie vorhin bei den Afghanen) die Frau auch hier als Zahlungsmittel betrachtet wird.

Und so über die ganze Erde. Bei den nordamerikanischen Indianern, die mitunter die Blutrache bis zum unablässigen Vernichtungskrieg ausarten liessen, ging doch vielfach das Bestreben dahin, den Bluträcher zur Annahme eines Wergelds zu veranlassen; bei den Irokesen und Huronen war auffälliger Weise das Wergeld für die Frau höher, als für den Mann 1). Es wird dies damit begründet, dass durch die Frau die Fortpflanzung der Familie erfolge, also durch den Gedanken des Mutterrechts; ihre Höherbewertung aber steht in seltsamem Widerspruch mit der beklagenswerten Lage, in welcher wir an einer anderen Stelle 2) die Frau gerade bei diesem Indianerstamm gefunden haben.

Auch bei den Grajiroindianern Venezuelas kommt die Busse vor. An sich haftet nur der Täter; doch sammelt er solange unter seinen Hordengenossen, bis er die Busse zusammengebracht hat3) jedenfalls ein Brauch, der auf die frühere Verhaftung der gesamten Horde zurückgreift.

Bei den Papuas auf Neu-Guinea kann der Bluträcher nicht zur Annahme des Wergelds gezwungen werden; lässt er sich dazu herbei, so wird der Betrag durch die Ältesten bestimmt und bei manchen Stämmen unter die gesamte Sippe verteilt1). In Polynesien findet sich die Eigentümlichkeit, dass zur Abwendung der Blutrache sich zuweilen der Täter mit seiner

1) KOHLER ebenda, Bd. 12, S. 405 ff.

2) Oben, Bd. 1, S. 236.

3) KOHLER ebenda, Bd. 7, S. 383.

4) KOHLER a. a. O., S. 376.

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