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Die gespenstischen Wesen erblickte der Mensch in Gestalt von Tieren, die ihm oft genug im Ackerfeld begegneten. Die Pflanze galt gleich wie der Baum als der Leib des Geistes, dann aber auch nur als sein Wohnsitz, den er beliebig verlassen konnte. So entsteigen nach dem Alexanderlied, das freilich hier nicht germanischen Glauben abspiegelt, den Blumen wunderliebliche Elbinnen, die nur so lange am Leben bleiben, als ihre Blume blüht, mit deren Abwelken aber dahinsterben. In einem überall nachweislichen Erntebrauch tritt der Glaube an Feldgeister am deutlichsten zu Tage. Beim Schneiden oder Mähen des Ackerstückes flüchtete. der Geist immer tiefer ins Getreide, er suchte den Schnittern zu entrinnen. Mit den letzten Halmen in der letzten Garbe wurde er gefangen. Damit verband sich nun allerhand Aberglaube. Entweder wurde er mit dem Abschneiden der letzten Ähren getötet oder beim Ausdreschen erschlagen, oder er wurde feierlich und ehrenvoll heimgeführt und zwar in Gestalt einer Getreidepuppe. Aus Wald- und Feldgeistern erhuben sich dann überhaupt Vegetationsgeister, die in Frühlings-, Sommer- und Herbstfesten eine bedeutsame Rolle spielen, worüber in Mannhardts Studien ausführlich berichtet wird. Von den Feldgeistern wird gelegentlich die Wechselbalgsage erzählt; so sucht die märkische Roggenmutter einer arbeitenden Bäuerin ihr Kind auf dem offnen Felde zu entwenden und dafür das eigne unterzuschieben (Deutsche Sagen Nr. 90). Die Feldgeister hängen mit Seelen und Maren zusammen. Sie überfallen in der Mittagszeit, wenn die Feldarbeiter ruhen, Männer und Frauen mit Alpdruck und machen sie krank. 1) Manchmal hält man die Korngeister für die Seelen Verstorbener, die auf der Gemeindemark umgehen müssen. War es doch alter Glaube, dass die Seelen in Pflanzen weiterleben, daran schloss sich unschwer die weitere Folgerung, dass sie darum keineswegs unlöslich an die Pflanze gebunden seien, vielmehr frei umherschweifen könnten.

Die Feldgeister gehen segnend über Äcker und Wiesen, unter ihren Tritten gedeiht die Frucht. Aber sie verkehren ihren Segen auch in Schaden. Besonders in der Gestalt des Bilwis 2) verkör

1) Laistner, Rätsel der Sphinx 1, 31, 52; 2, 71.

2) Über den Bilwis vgl. J. Grimm, Myth. 441 ff.; Schmeller, Bayer. Wörterbuch 1, 230; 2, 1037 ff.; Mannhardt, Antike Wald- und Feldkulte 175 f.; Laistner, Rätsel der Sphinx 2, 262, 266, 286; Nebelsagen 315 ff.

pert die Volkssage solche böse Geister. Ursprung und Sinn des Namens, der in mhd. Zeit auftritt und viel verderbt in nhd. Zeit noch fortlebt, der im Nds. belwit lautet, sind nicht erklärt. Seiner Art nach ist der Bilwis ein plagendes, schreckendes, Haar und Bart wirrendes, Getreide zerschneidendes Gespenst, das in weiblicher und männlicher Gestalt auftritt. Er vereinigt in sich Elbenund Hexenart; Hexe und Bilwis werden in späterer Zeit geradewegs gleichbedeutend gebraucht. Der Bilwis wohnt im „pilbispavm", wo er Opfer empfängt; er steht mithin zu den Waldgeistern. Er verfilzt die Haare, Hans Sachs gebraucht verbilbitzen im Sinn von Haar verwirren. Dem Bilwis ist auch das verderbliche lähmende Elbengeschoss eigentümlich, mit dem er die Menschen siech macht. Als Mar erscheint er, wenn für dy pilbis" empfohlen wird, den Kindern beschriebene Zettel mit den Worten „procul recedant somnia et noxia phantasmata" an den Hals zu hängen. Der Bilwis ist endlich der Geist eines bösen Menschen, der dem. Nachbar schaden will, also seelisch. Die Bilwissagen haften vornehmlich im östlichen Deutschland, in Baiern, Franken, Vogtland und Schlesien, weshalb auch slavischer Ursprung des Wortes vermutet wurde. Am schlimmsten bethätigt sich das Gespenst im Bilwisschnitt oder Bockschnitt, im Durchschnitt des Getreidefeldes. Man findet oft fussbreite, niedergelegte Streifen im Korn, ein Schaden, der als das Werk des bösen Geistes bezeichnet wird. Auf einem Bocke reitet der Bilwis durchs Feld, oder der Bilwisschnitter geht Mitternachts, an den Fuss eine Sichel gebunden und Zauberformeln murmelnd, durch den reifenden Acker. Aus dem Teil des Feldes, den er durchritten oder durchschritten hatte, fliegen alle Körner dem Bilwis zu, und dem rechten Eigentümer bleiben die leeren Hülsen. Dem Zauber zu begegnen, gibt es Mittel. So wie die Bilwissagen uns vorliegen, sind sie schwerlich alt. Aber sie lehren, dass man an saatverderbende wie an saatfördernde Elbe glaubte. Dem Bauer musste vor allem daran gelegen sein, mit den Feldgeistern sich gut zu stellen.

Der Bilwis. Die Riesen.

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Die Riesen.')

Riesen und Elbe sind weniger der Art als dem Maasse nach verschieden. Während diese vorwiegend die still und unsichtbar wirkenden Naturgeister sind, verkörpern die Riesen die rohen, ungezähmten Elementargewalten, das Ungeheure und Ungestüme, Finstre und Feindselige in der Natur. Bei den Riesen tritt der Zusammenhang mit Maren und Seelen mehr zurück, indem sie Gestalt und Wesen fast völlig aus dem Element, dem sie entspringen, zugeteilt erhalten. Wie die entfesselten Naturgewalten Angst und Schrecken unter den Menschen verbreiten, so sind die Riesen auch meistens feindselig und bösartig. Sie trachten nach Umsturz und Zerstörung, sie bedrohen die Weltordnung und sind die geschworenen Feinde der Götter und Menschen, welche die Erde wohnlich und wirtlich zu machen und zu erhalten bedacht sind. Gegen solche Kulturbestrebungen kehren sich hauptsächlich die Angriffe der Riesen. Sie sind die Dämone des kalten und nächtigen Winters, des ewigen Eises, des unwirtbaren Felsgebirges, des Sturmwinds, des verheerenden Gewitters, des wilden Meeres. Das älteste Geschlecht sind die Riesen. Indem sie nach nordischer Auffassung aus dem Chaos unmittelbar erwachsen, stellen sie die Naturmächte dar, welche vom Geiste noch nicht bewältigt sind. Sie sind daher voll unbändiger Kraft, wild und roh wie die Brandung des Meeres, das Geheul des Sturmes und die Wüste des Felsgebirges. Die Uppigkeit der Natur hat noch keine Beschränkung gefunden; darum sind ihre Leiber über alles Maass an Kraft, Grösse und Zahl der Glieder ausgestattet. Zuweilen ist aber ein Unterschied zwischen Riesen und Elben nur schwer anzugeben, indem dieselbe Naturkraft bald harmlos, bald gewaltsam sich äussert. Die Sage deutet dies dadurch an, dass der Zwerg zum Riesen aufwächst oder der Riese zum Zwerg einschrumpft. In einem Schweizer Dorf, dass durch Bergsturz verschüttet wurde, kehrte am Vorabend des Unglücks ein wandernder Zwerg bei Sturm und Regen ein und bat um Herberge. Er wurde von den Meisten mit Hohn abgewiesen, nur ein altes, armes, frommes Ehepaar am Ende des Dorfes gewährte dem wegmüden, regentriefenden

1) Vgl. Weinhold, Die Riesen des germanischen Mythus, in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wissenschaften Band 26, 1858, S. 225-306.

Wanderer gastliche Aufnahme. Noch in der Nacht nahm er Abschied, um zur Fluh hinauf zu steigen. Bei Tagesanbruch wütete Unwetter, ein gewaltiger Fels löste sich vom Bergjoch los und rollte mit Bäumen, Steinen und Erde zum Dorfe hinab, Menschen und Vieh unter den Trümmern der Hütten und Ställe begrabend. Nur das Hüttchen der beiden Alten ward verschont. Mitten im Sturme sahen sie ein grosses Erdstück nahen, oben darauf hüpfte lustig das Zwerglein, als wenn es ritte, ruderte mit einem mächtigen Fichtenstamm, und der Fels staute das Wasser und wehrte es von der Hütte ab, dass sie unverletzt stand. Aber das Zwerglein schwoll immer grösser und höher, ward zu einem ungeheuren Riesen und zerfloss in Luft.) In der Nähe von Schleswig sah ein Schäfer plötzlich einen Mann vor sich aus der Erde steigen, der immer grösser und grösser ward, bis er endlich als ein Riese auf der Erde stand; bald aber ward er wieder kleiner und kleiner und sank langsam in die Erde hinein. Im wilden MiemingerAlpsee in Tirol wohnt eine Wassernixe. Bisweilen lässt sie sich blicken und schwebt wie ein Nebel über dem kleinen See, wächst hoch auf und macht sich wieder klein. Solche Sagen bilden sich wol aus der wechselnden Nebelsäule, die als gespenstische Gestalt gefasst wird. Saxo im Buch 1, S. 36 berichtet von der Riesin Harthgrepa (an. Hardgreip), der hart Zugreifenden. Sie konnte sich in jede Gestalt und Grösse verwandeln, bald war sie himmelhoch, bald klein und niedrig. Die Waldfrauen der Tiroler Sage, welche vom wilden Jäger gehetzt werden, erscheinen in doppelter Gestalt, bald elbisch, bald riesisch, so besonders die sog. Fanggen in Südtirol. Aus Hreidmars Geschlecht stammen Fafnir, der Riesenwurm, und Regin, der ein Zwerg von Wuchs war. Trotzdem heisst Regin im Fafnirliede 38 enn hrimkaldr jotonn, der eiskalte Riese, was im Hinblick auf die eben erörterten Vermischungen riesischen und elbischen Wesens nicht so unmöglich klingt und keineswegs notwendig nach Fófnismól 34 geändert zu werden braucht. Jedoch sind solche Mischungen verhältnissmässig selten, Elbe und Riesen sind in den alten Quellen meistens nach Gebühr verschieden gestaltet und verschieden geartet.

1) Vgl. die Deutschen Sagen der Brüder Grimm Nr. 45; Weiteres bei Laistner, Nebelsagen S. 256.

Die Namen der Riesen.

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I. Die Benennungen der Riesen.

Die gewöhnlichen Bezeichnungen der Riesen sind folgende. An. jotonn (lappisch jetanas), ags. eoten, as. etan (aus Ortsnamen wie Etanasfeld, Etenesleba erschlossen) weisen auf urgerm. etanaz, vermutlich zu etan, essen, gehörig, also edax, gefrässig.') Im Neunds. weist J. Grimm das Femininum eteninne, Riesin nach. An. purs (finn. tursas) ist vielleicht aus älterem puris hervorgegangen. Im Abecedarium Nordmannicum (Müllenhoff-Scherer, Denkmäler No. V) wird die Rune þ mit thuris bezeichnet, und auf dieselbe Urform weisen ahd. duris, thuris, mhd. dürs, türs, alem. dürsch. In Eigennamen wie Thurismuth, Turisind begegnet das Wort auch bei Goten und Langobarden. Aus älterem puris ist auch ags. pyrs entwickelt. Mhd. ist ausserdem die schwache Form türse, vielleicht auch schon ahd. turso vorhanden; dazu steht der Ortsname Tursinriut, Tirschenreut. Uber die Formen des Wortes im Neunordischen und Neudeutschen (z. B. nds. dros mit Metathesis aus durs) sind die Mundartwörterbücher nachzulesen. Die germanische Grundform darf mithin als purisaz angesetzt werden, und diese scheint aus dem adj. puraz 2), skrt. turas, stark, kraftvoll abzustammen. Der purs ist also der Starke. Auf skrt. vṛšan, stark, kräftig, weist der nur im Deutschen belegte Ausdruck,,Riese" (ahd. risi und riso aus wrisi, wie as. wrisil und wrisilic lehren) hin. Im An., wo das Wort namentlich in der Zusammensetzung bergrisi vorkommt, ist es vermutlich aus dem Nds. entlehnt. Im Mhd. findet sich hiune, mds. hûne für Riese, im Neuniederdeutschen hüne3) ist das Wort bewahrt. Ein entsprechendes älteres *hunio ist nicht nachweislich, wol aber wahrscheinlich. Viele altgermanische Eigennamen enthalten den Stamm wie z. B. Hûn, Húnila, Húnarix, Húnirix, Hûnimund,

1) Ob die von Tacitus Germ. 46 erwähnten Etionas als itjans, gefrässige Riesen gedeutet werden können (Müllenhoff, Altertumskunde 2, 354), bleibe dahingestellt.

2) Vgl. Kögel, AnzfdA. 18, 49; aus derselben Wurzel ist der Volksname ermun-duri und thuringi gebildet, und das nord. Zeitwort fora, wagen. Die frühere Erklärung z. B. noch Mogk im Grundriss 1, 1041 zieht skrt. trš lechzen, gierig sein, heran, indem das s in purs als wurzelhaft betrachtet wird, was es aber schwerlich ist.

3) Zur Etymologie von Hüne vgl. J. Grimm, Myth. 491; Deutsche Grammatik 2, 462; Müllenhoff, ZfdA. 13, 576; Kögel, AnzfdA. 18, 50; anders Kluge im Etym. Wb. unter Hüne.

Golther, Germ. Mythologie.

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