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liche Denkvermögen vom Einfachen bis zum künstlerisch höher Ausgebildeten aufsteige.

Die erste Stufe des Volksglaubens ist die Vorstellung von Seelengeistern, von Gespenstern. Der Geisterglaube wurzelt tief und unausrottbar im Menschen, Vorgänge im Leben, Traum, Alpdruck, Tod wirken zusammen, um überall bei wilden und gebildeten Völkern zumal unter dem Eindruck der Furcht den ziemlich gleichmässig gestalteten Geisterglauben hervorzurufen. Auf der zweiten Stufe stehen die Naturdämonen. Die Natur wird beseelt, wo Leben und Bewegung herrschen, im Gewitter, im Wind und Wolkenzug weben vielgestaltige Dämonen. Auf erster Stufe enttauchen also die Geister unmittelbar aus dem Innern des Menschen, auf zweiter Stufe tritt die Phantasie mehr in Thätigkeit. Die physikalische Erklärung kommt wieder vollauf zur Geltung, nur mit dem Fortschritt gegenüber der früheren Verwendung, dass nicht einfach eine Verkörperung der Elemente stattfindet, sondern eine Übertragung des bereits bestehenden Geisterglaubens in die bewegte Natur. Das geheimnissvolle Leben und Weben, das der Mensch in der Natur wahrnimmt, das mittelbaren und unmittelbaren Einfluss auf sein Wol und Weh hat, wird dem Walten unsichtbarer Mächte zugeschrieben. Und solche Wesen sind ja im Seelenglauben bereits vorhanden. Besonders Windgeister wirken überall in Wald und Feld, in Wolken und Wassern. Die Anthropologie hat einen fördersamen Beitrag zur Einsicht in die Entstehung mythischer Gebilde geliefert mit dem Nachweis der Seele und der Naturbeseelung, worin die gesamte niedere Mythologie eigentlich beschlossen ist. Ihr Ursprung ist damit auch notwendig überall aus der Wechselwirkung zwischen menschlicher Empfindung und der Natur erfolgt. Bei den meteorischen Auslegungen verliert sich Meyer freilich bald in die unwahrscheinlichen Künsteleien der älteren Schule. Nur die allgemeine Grundlage eines Volksglaubens oder einer Sage vermag die physikalische Deutung befriedigend nachzuweisen; sobald Einzelheiten ausgelegt werden, verlieren wir festen Boden. Vom niederen Dämonenglauben unterscheidet Meyer einen höheren, den die höheren Stände aus dem gewöhnlichen Volksglauben dadurch erschufen, dass sie geistige und sittliche Motive einwoben. Wir treffen demnach hier nicht mehr auf Vorstellungen, die mit zwingender Notwendigkeit aus überall gegebenen Voraussetzungen gleichmässig erwuchsen, vielmehr auf wesentlich willkürlich erzeugte individuelle, dichterische

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Schöpfungen. Der höhere Dämonenglauben, der noch unter den ungetrennten Indogermanen im wesentlichen entstand, entfaltete die dritte Stufe: Götter- und Heroenglauben. Aus derselben Grundlage erwuchs unter der Pflege der Priester der Göttermythus, beim Adel und beim weltlichen Sänger der Heldenmythus. Daher erklären sich die längst erkannten Berührungspunkte zwischen der Göttersage und den mythischen Bestandteilen der Heldensage, nicht aus einem Abhängigkeitsverhältniss, das die Helden zu „,Hypostasen" von Göttern macht, sondern aus beiderseitigem gemeinsamem Hintergrund. In den Indogermanischen Mythen 1883 und 1887 wird ein stark ausgeprägter idg. Dämonenmythus angenommen, Sagen von Donner- und Blitzwesen, vom Sturmdämon, von Wolkenfrauen. Ebenso in der Germanischen Mythologie 1891. Der Dreiklang der Lufterscheinung, Gewölk, Wind und Gewitter, regt die Einbildungskraft zur Schöpfung bestimmter typischer Gestalten an, welche dann bei den einzelnen indogermanischen Völkern weiterhin zu Göttern und Helden individualisiert werden. Wie Müllenhoff räumt also auch Meyer der Heldensage eine wichtige Stelle in der mythologischen Überlieferung ein. Er erkennt aber, zumal in der germanischen Mythologie, die kaum lösbare Schwierigkeit ihrer Verwertung an. Weder auf die eine noch auf die andre Art ist je zu hoffen, dass Einigung darüber erzielt werde, was aus der Heldensage als mythisch auszuscheiden, wie es mit der übrigen mythologischen Überlieferung zu verknüpfen sei. Bedenken erregt ferner die Art, wie Meyer die einzelnen Götter aus den höheren Dämonen ableitet. Gewiss bestehen Berührungen zwischen Göttern und Dämonen. Namentlich Wodan ist aus der Gespensterschar zu den Himmlischen entrückt worden. Aber einzelne Erscheinungen dürfen nicht verallgemeinert werden. Die höhere Mythologie steht immer über der unvertilgbaren niederen, Wechselwirkungen nach oben und unten sind unvermeidlich, aber der Beweis, dass die höhere Mythologie in allen Teilen gleichsam organisch aus der niederen hervorging, ist nicht erbracht.

Die mythologischen Deutungsversuche hefteten sich von jetzt ab an die niedere Mythologie, da hier entschieden mehr Aussicht auf befriedigende Lösung der Fragen besteht. Julius Lippert wies in mehreren Schriften nachdrücklich auf Seelenglauben und Seelenkult als das eigentliche mythenerzeugende Element in allen Religionen hin; so in seinen Religionen der europäischen Kulturvölker 1881, in Christentum, Volksglaube und Volksbrauch 1882,

Golther, Germ. Mythologie.

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in der Allgemeinen Geschichte des Priestertums 1883/4. Die Thatsache, dass überall der Seelenglaube eine grosse Rolle spielt, tritt klar hervor. Aber Lippert irrt, wenn er im Seelenglauben die einzige Grundlage der Mythen annimmt und alle Religionen und Mythologien unmittelbar daraus ableitet. Nur unter Missachtung historischer und philologischer Ergebnisse, die sich dagegen auflehnen, vermag er seine Behauptung durchzuführen. Ungleich wertvoller ist Erwin Rohdes Psyche Seelenkult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen 1890. Rohde erweist das Vorhandensein des Seelenglaubens bereits in den ältesten Zeiten des Griechentums. Selbst hinter diesen geistig und künstlerisch hoch entwickelten Lebensformen lagert der finstere Gespensterglaube, der einmal dem Menschen eingepflanzt und nur zeitweilig unter dem Einfluss höherer Bildung zurückzudämmen ist.

Ludwig Laistner behandelte mit feinstem poetischem Empfinden und gründlichster Gelehrsamkeit Vorstellungsgruppen der niederen Mythologie. In den Nebelsagen 1879 nimmt er die Naturerscheinung zu Hilfe, der noch in einer uralten Zeit bereits einige Typen erwuchsen, z. B. die Anschauung des Nebels als Wolf, des Sturmes als Ross. Aber nur ein paar Typen sind alt, deren Individualisierung den einzelnen Völkern zumal unter Einwirkung der Naturverhältnisse zufällt. Das Vermögen, aus Nebelerscheinungen Sagen zu bilden, hielt lange an. Die deutschen Nebelsagen sind nicht sehr alt; sie können erst entstanden sein, als unsre Vorväter, ins Bergland einrückend, die mannigfachen Gestalten des Nebels kennen lernten. Im Rätsel der Sphinx 1889 wird der Ursprung des Geisterglaubens an den Alptraum angeknüpft, der Alptraum als die Grundlage und der Ausgangspunkt zahlloser abergläubischer Vorstellungen und Sagen erwiesen. Laistner hat die psychologische Erklärung von der Mythenentstehung sehr gefördert, freilich auch zu einseitig angewandt. Höchst beachtenswert sind die Etymologien, die Laistners Schriften auch dem Sprachforscher überaus anziehend machen. Die Namen sollen von Anfang an mit den Sagen verknüpft sein; ihre richtige Etymologie, die ursprünglich durchsichtig und allgemein verständlich war, weist auf denselben Vorstellungskreis des Alptraumes hin, dem Sage und Glaube entstammen. Im Verlauf der Zeit kam der wahre Sinn abhanden. Die Forschung muss ihn wieder herstellen. Natürlich müssen auch die Etymologien manchen sachlichen und formalen Widerspruch hervorrufen. Aus dem Kreise

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der Alptraumgeister entwickeln sich allmälig auch nach Laistner die übrigen mythologischen Gebilde. Der Alptraum ist Keim und Kern aller Mythologie.

7. Die Wanderung der Mythen.

Die Symboliker hatten aus allgemeinen Ähnlichkeiten eine Urreligion erschlossen, welche mit der Menschheit von der Urheimat aus über den Erdball verbreitet worden war. Die Anhänger der vergleichenden Richtung vertraten eine ähnliche Anschauung, nur mit Beschränkung auf den indogermanischen Stamm. Auch sie glaubten an eine ziemlich ausgebildete indogermanische Mythologie, die mit den einzelnen Völkern wanderte und nach der Trennung allerdings sich auch verschiedenartig entfaltete. Kulte und Mythen aller Zeiten und Völker stehen in geheimnissvoller Wechselwirkung, Ahnlichkeiten sind nicht zu verkennen. Wenn sie nicht auf Zufall und gleichmässiger Entwicklung aus den überall gegebenen Voraussetzungen der Wechselwirkung zwischen menschlichem Geiste und Naturumgebung beruhen, wenn ebenso die urmenschliche wie die urindogermanische Religion als ein Irrtum bezeichnet werden muss, bleibt nur eine Erklärung: Entstehung an einer bestimmten Stelle und Ausbreitung von dort aus. O. Gruppe, Die griechischen Kulte und Mythen in ihren Beziehungen zu den orientalischen Religionen I 1887 gelangt nach Verurteilung aller bisherigen Erklärungsversuche zur Lehre vom ,,Adaptationismus", von der Entlehnung und Aufnahme der irgendwo und irgendwie gestifteten Religionsformen. Die übrige Menschheit war anfänglich durchaus religionslos. Gruppe sagt S. 151: „Wir glauben hinsichtlich der auch von uns zugegebenen sachlichen Übereinstimmungen zwischen den Kulten und Mythen der einzelnen indogermanischen Völker den Nachweis geführt zu haben, dass sie erstens nicht in die proethnische Urzeit hinaufreichen können, weil sie mit dem allgemeinen Kulturzustande jener Periode in unlöslichem Widerspruch stehen, dass sie aber ferner nicht einmal in die Periode der einzelnen Völkergruppen zurückgeführt werden dürfen, ja dass selbst die Anfänge der ethnischen Zeit wenigstens bei den Griechen ohne einigermaassen ausgebildete Religionsformen gewesen sein müssen. Damit ist nun negativ erwiesen, dass der von Müller eingeschlagene Weg, jene sachlichen Übereinstimmungen zu erklären, unrichtig war. Es kommt nun nur noch darauf an, dass eine andre Art der Er

klärung als die Vererbungshypothese möglich ist, d. h. dass auch nach ihrer Trennung Inder, Griechen und Germanen zu denselben. Religionsformen gelangen konnten, indem sie sich dieselben von aussen her aneigneten. Da als die gemeinschaftliche ausserindogermanische Quelle der bei den indogermanischen Völkern übereinstimmenden Mythen und Kulte nur Agypten und das grösstenteils semitische Vorder-Asien in Betracht kommt, so handelt es sich darum, ob wol Wege denkbar sind, auf denen ursprünglich vorderasiatische oder ägyptische Religionsformen in grossem Umfange nach Griechenland, nach Indien und nach Mittel- und Nordeuropa importiert wurden." Also die Semiten haben die übrige Menschheit überhaupt erst mit Religion beglückt! Was Gruppe S. 180 ff. vom Entstehen der germanischen Religion sagt, ist höchst unwahrscheinlich. Er glaubt dem Caesar aufs Wort, dass die Germanen damals nur Sonne, Mond und Feuer anbeteten.,,Wie hat sich das schon in der Zeit geändert, von der uns die Germania des Tacitus berichtet! Und von dort aus wieder welcher Abstand zu dem Zustand der germanischen Mythen und Kulte im Zeitalter der Völkerwanderung! Fast Schritt für Schritt können wir an der Hand äusserer glaubwürdiger Zeugnisse das Eindringen südeuropäischer Vorstellungen in Germanien verfolgen."

Gruppes Anschauungen an und für sich verdienen alle Beachtung. Er macht einen Unterschied zwischen dem Volksglauben und den priesterlichen hieratischen Mythen samt den damit verknüpften Kulten. Von diesen, also von der sogenannten höheren Mythologie gilt die Hypothese der Wanderung. Wenn auch nicht im vollen Umfang, wie Gruppe es meint, und einzig von dem Punkte aus, den er bestimmt, so hat doch die Annahme von Entlehnung gerade auf religiösem Gebiet ungemein viel für sich. Die Völker waren nicht so abgeschlossen, wie man gewöhnlich für den ältesten geschichtlich überlieferten Kulturstand anzunehmen pflegt. Auch steht fest, dass die religiösen Anschauungen der Germanen im ersten Jahrhundert sich mannigfach veränderten und zwar durch Anregung von aussen her. Tempelbau, Götterbilder, Altäre entstehen unter römischem Einfluss. Wodan als Kulturgott ist auch nicht unter gänzlich abgeschlossenen, fremden Einflüssen unzugänglichen Stämmen aufgekommen. Die nordische Mythologie enthält fremde Bestandteile in Menge, ihr ganzer Aufbau ist unmöglich aus bloss urgermanischem Gute zu verstehen. Aber es wird noch weitreichender und langwieriger Studien bedürfen, bis

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