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schlug die Bilder in Stücke und verwarf die Trümmer, die im 17. Jahrhundert wieder ans Tageslicht kamen, am Meeresstrand. ,,Manch fromme deutsche Mutter mag in der Halle des Tempels den Steuermann und sein Schiff der Nehalennia anbefohlen haben, nachdem das jüngere Geschlecht den Widerwillen gegen Tempelbauten überwunden hatte."

Mit Nehalennia-Isis dürfen vielleicht einige mittelalterliche Bräuche 1) in Verbindung gebracht werden. Ums Jahr 1133 liess ein Bauer aus Inden im Jülichischen im nahen Walde ein Schiff zimmern, das auf Rädern lief und durch vorgespannte Menschen an Stricken zuerst nach Mastricht, wo Mastbaum und Segel hinzukamen, dann hinauf nach Tungern, Looz und so weiter im Lande umhergezogen wurde, überall unter grossem Zulauf und Geleite des Volkes. Wo es anhielt, war Freudengeschrei, Jubelsang und Tanz, namentlich der von ausgelassener Lust erfüllten Frauen, um das Schiff herum bis in die späte Nacht. Die Ankunft des Schiffes sagte man den Städten an, welche ihre Thore öffneten und es einholten. Die Weber wurden zum Schiffszug gezwungen, dafür durften sie dem übrigen Volke den Zutritt wehren und Pfänder erheben. Die Geistlichen sahen mit scheelen Augen auf das sündhafte heidnische Werk und dachten es zu hintertreiben. Sie nannten das Schiff ein Abzeichen böser Geister, ein Teufelsspiel, es sei in heidnischer Gesinnung aufgeschlagen, böse Geister hielten darin Umzug, es könne ein Schiff des Neptun oder Mars, des Bacchus oder der Venus heissen; man solle es verbrennen oder sonst wegschaffen. Aber die weltliche Obrigkeit hatte den Umzug gestattet und schützte ihn, es hing von den einzelnen Ortschaften ab, dem heranfahrenden Schiff Einlass zu gewähren; wie es scheint, galt es in der Volksmeinung für schimpflich, es nicht weiter gefördert zu haben. Über Duras und Léau sollte das Schiff nach Löwen gebracht werden. Von den Geistlichen angefacht, that der Graf von Löwen dem Umzug mit Gewalt Einhalt, so dass die Feier des Schiffszuges auf diese Weise blutig endigte. Aus allem geht aber die lebhafte Teilnahme der Zeitgenossen am Schiffszug, dem Überrest eines heidnischen Brauches, deutlich her

1) Die Bräuche des Schiffsumzuges bei J. Grimm, Myth. 237 ff.; 3, 86. Weiteres bei J. W. Wolff, Beiträge zur deutschen Mythologie 1, 1852, 149 ff. Die Hauptstelle für die niederländische Umfahrt in des Abtes Rudolf († 1138) Klosterchronik von St. Trond, Buch 12, Kap. 11-14 (MG Script. 10, S. 310 ff.).

vor.

Auf schwäbischem Boden, also bei den Nachkommen der alten Sueven, verbietet noch um 1530 ein Ulmer Ratsprotokoll, am Nikolasabend Fastnachtskleider anzuziehen, den Pflug und mit den Schiffen herum zu fahren. Die Gewohnheit des Pflugumziehens, um fruchtbares Jahr und Gedeihen der Aussaat zu erhalten, ist weit verbreitet.1) Es geschah um Neujahr oder zur Fastenzeit. Der Ulmer Ratsbeschluss stellt offenbar den Schiffszug mit dem Pflugumziehen auf dieselbe Stufe. Immerhin verdient Beachtung, dass die Umfahrt des Schiffes im späteren Volksbrauch bei den Stämmen erscheint, bei denen im Altertum Dienst der Nehalennia-Isis nachweisbar ist. Das auf Rädern umgehende Schiff ist allerdings nicht notwendig auf die germanische Göttin zu beziehen. Es kommt auch bei den Griechen in Verbindung mit Dionysus vor 2) und muss also von Alters her mit den bacchischen Kulten zusammenhängen. Es darf ans navigium Isidis und an Carnevalsbräuche erinnert werden.3) Nur unter Vorbehalt seien hier, alter Gewohnheit gemäss, die Volksbräuche des Schiffsumzugs mit Isis-Nehalennia, überhaupt mit germanischer Mythologie in Beziehung gebracht. Die Berechtigung dafür ist stark anzuzweifeln.

Vereinigt man die besprochenen Thatsachen, so ergibt sich: Vom Rhein bis zur Weichsel wurde eine Göttin verehrt, welche die Seefahrt beschützte. Die Römer wurden durch sie an ihre Isis erinnert. Am Rhein und bei den Batavern hiess sie Nehalennia. Ein Schiff war ihr Abzeichen. Wenn im Lenz das Eis von den Strömen sich löste und die Schifffahrt neu beginnen konnte, dann wurde die Göttin durch Umtragung ihres Schiffes mit Opfern und Reigen gefeiert.

6. Die Mütter.

In Frankreich, Oberitalien, Britannien, im linksrheinischen Germanien, namentlich im Ubierlande, finden sich zahlreiche, mehr als 400 Weihsteine, welche den ,,Müttern" (matrones, matres, ma

1) Vgl. darüber Mannhardt, Wald- und Feldkulte 1, 553 ff.

2) Dümmler, Rhein. Museum, N. F. 43, 355 ff.

3) Das Schiff auf Rädern im Moriz von Craon gehört gewiss zum Carneval und hat mit dem german. Heidentum nichts zu schaffen. Vgl. E. Schröder, Zwei altdeutsche Rittermären, Berlin 1894, S. XXVIII; das niederrheinische Schiff mag ebendaher stammen. Seine mythologische Bedeutung wird mindestens sehr zweifelhaft.

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trae) meistens von Legionssoldaten gesetzt sind.') Diese Mütter, mitunter in der Dreizahl erscheinend, führen verschiedenartige Beinamen, darunter auch solche, deren germanische Herkunft nicht anzuzweifeln ist (z. B. Aufaniabus, Gavadiabus, Vatviabus oder Vatvims, Saitchamims oder Saithamiabus, Aflims oder Afliabus). Die Dative auf -ims sind unter allen Umständen germanisch; zur Etymologie der Namen bieten die germanischen Sprachen auch wirklich Anhaltspunkte. Es fragt sich nur, ob etwa aus den Beinamen etwas über das Wesen germanischer Göttinnen zu lernen ist. Die Mütter gehören ursprünglich zu den Glaubensvorstellungen der Gallier. Von ihnen aus verbreiteten sie sich zu den Germanen, jedoch nur zu germanischen Söldnern, die im römischen Heere dienten, und zu den verwälschten Stämmen. Im innern Germanien schlug der Mütterkult niemals Wurzel und kann demnach auch schwerlich zum echten Bestande der germanischen Mythologie gezählt werden. Die Mütter sind Schutzgöttinnen von Örtlichkeiten, ähnlich den genii loci. Als solche sind sie allgemein und überall möglich und doch wieder für jeden Ort, jede Stadt besonders bestimmt. Wie die Matrone über dem Hauswesen, so walten die Mütter schützend und segnend über dem Gemeinwesen. Jeder Ort, jedes Land und Volk, das Lager, die Garnison, die Provinz, alle konnten dem Schutze besonderer Mütter unterstellt werden. Ein Legionar weiht sein Denkmal matribus omnium gentium, den Müttern aller Völker, er empfiehlt sich dadurch den Schutzgottheiten aller Länder, in welche ihn das Schicksal etwa verschlagen möchte. Diese Inschrift ist besonders lehrreich, indem sie beweist, dass es sich keineswegs um die eigentlichen Landesgöttinnen handelt, vielmehr um einen durchaus subjektiven, gallisch-römischen Begriff, der überall Anwendung finden konnte und nur allgemein Schutzgöttinnen des betreffenden Ortes oder Landes, nicht etwa die dort wirklich verehrten Gottheiten bezeichnet. Die Beinamen der Mütter sind dementsprechend durchweg aus örtlichen Beziehungen zu deuten. Die suebischen, germanischen Mütter sind vollkommen den pannonischen und dalmatischen gleichzuachten,

1) Das gesamte Material bei Ihm, Der Mütter- und Matronenkult und seine Denkmäler, Bonner Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande, Heft 83, 1887, S. 1-200; Much, ZfdA. 31, 354 ff. u. 35, 315 ff. germanische Matronennamen; Muchs Deutungen sind überaus unsicher, da sie nicht von den Ortsnamen ausgehen; Kauffmann, Der Matronenkultus in Germanien. Ztschr. d. Vereins f. Volkskunde, 1892, S. 24 ff.

sie bestehen allein in der Vorstellung des Weihers der Altarinschrift und beziehen sich keineswegs auf wirklichen germanischen Glauben. Die Auslegung der Beinamen hat in erster Linie mit dem örtlichen Ursprung zu rechnen. Wenn nun germanische Wörter vorkommen, so sind sie sicherlich auf germanische Ortsnamen zurückzuführen. Die Matres Gavadiae hängen mit dem Zeitwort wadan, waten zusammen und entstammen wol einem Ortsnamen im Sinne von Furt. An der Diemel ist später ein Wetiun bezeugt, das aus demselben Stamm gebildet ist. Der Dativ Vatvims gehört zu einem german. watwi, Wasserland, und stellt sich zu den vielen mit,,Aue" zusammengesetzten Ortsnamen. Solche Mütter mit germanischen Beinamen sind demnach befriedigend zu erklären: sie sind die Schutzgeister germanischer Örter. Deutsche im römischen Heeresdienste nahmen den Matronenkult an und stellten damit die ferne Heimat unter göttlichen, mütterlichen Schutz.

7. Dea Sandraudiga und dea Vercana.

Mit der dea Sandraudiga 1) eines nordbrabantischen Steines, den die,,cultores templi" gestiftet, ist nichts anzufangen. Der Name zerfällt in germanische Bestandteile, got. audags, an. audigr, reich, glücklich, und sandr-, wahr, wahrhaft, wie in Eigennamen, z. B. Sandrimer. Wer die ,,wahrhaft reiche" Göttin ist, etwa eine spendende Folla, lässt sich nicht bestimmen. Die dea Vercana 2) auf dem Rande einer Brunnenschale und auf einem Stein aus dem Nemetergau (Ernstweiler bei Zweibrücken) deckt sich lautlich mit Athenes Beinamen 'Eoyávn, Wirkerin, Göttin des Webens und Spinnens. Ob die dea Vagdavercustis 3), welcher der Decurio Simplicius Super in Geldern einen Stein setzte, germanisch ist und zur Vercana gehört, bleibt unentschieden. Der Stamm,,werk" begegnet in beiden Namen, und zwar auf der Stufe germanischer Verschiebung. Aber im übrigen ist alles dunkel.

1) Zur dea Sandraudiga J. Grimm, Geschichte der deutschen Sprache 588; Grienberger, ZfdA. 35, 390.

2) Zu dea Vercana Much, ZfdA. 31, 357 f.

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3) Zu dea Vagdavercustis Grienberger, ZfdA. 35, 393 ff.; seine Erklärung, ,,die Lebenskraft wirkende", die spendende Erdgöttin, ist sehr unsicher, zumal vagda ahd kiuuegida, „,vegetamen"; man würde mindestens *wagida erwarten; ebenso die Ableitung vercustis, der zulieb ein unbelegtes „werkos“ behauptet wird. Von weiteren Göttinnen z. B. dea Garmangabis, Grienberger, ZfdA. 38, 189 ff., wird hier besser geschwiegen.

Die Hel.

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IV. Totengöttinnen.

I. Die Hel.

Got. halja, an. hel, ags. hell, as. ahd. hella geben den räumlichen Begriff,,Untererde", infernus und dienen zur Übertragung von dns, gehenna, infernus. Gemeint ist der Aufenthaltsort der abgeschiedenen Seelen, die Totenwelt. Erst nach und nach entwickelte sich die Bedeutung,,Strafort". Will die ältere Sprache die mit der christlichen Hölle verknüpften Qualen anzeigen, so erhält das Wort einen entsprechenden Zusatz, besonders witi,,,Strafe" (an. helvíti, ags. hellewite, ahd. hellawizzi). Obwol der Begriff Hölle bei Goten und Westgermanen nur in christlichen Schriften vorkommt, braucht daraus doch nicht geschlossen zu werden, dass er erst mit der Bekehrung entstand. Besonders die nordische Überlieferung spricht gegen eine derartige Annahme. Halja darf als ein gemeingermanischer uralter Begriff gelten, und es fragt sich nur, was die heidnische Zeit darunter verstand. Da die ältesten Zeugnisse übereinstimmend die unterirdische Behausung der Toten mit Hölle bezeichnen, da diese Bedeutung auch dort fortlebt, wo sich noch andere Vorstellungen daneben entwickelten, da diese letzteren ungezwungen aus der Grundbedeutung abzuleiten sind, darf mit Sicherheit angenommen werden, dass das gemeingermanische Wort halja auch eine gemeingermanische Glaubensvorstellung erweist, eine Schattenwelt, der ursprünglich alle Toten verfielen, wo die vom Leibe gelösten Seelen fortlebten. Im Norden finden wir denselben räumlichen Begriff in Redensarten, die noch heute fortdauern. Hel heisst das Reich des Todes, dann Tod überhaupt. Zur Hölle gehen, fahren, schlagen, wird für sterben, totschlagen gesagt; in der Hölle, aus der Hölle bezeichnet klar das Räumliche. Zwischen Tod und Leben schweben heisst bildlich zwischen Welt und Hölle liegen (at liggja á milli heims ok heljar). Noch bewahrt der dänische und schwedische Ausdruck ihjel, ihäl, eigentlich in die Hölle, im Sinne ,,zu Tode" schlagen, bringen u. s. w. deutlich die ursprüngliche Vorstellung. Helgrind, das Höllenthor, verschliesst das Land des Todes und thut sich nur selten wiedergehenden oder beschworenen Geistern auf. Helvegr ist der Weg zur Unterwelt, dem der westfälische Hellweg, Totenweg entspricht. Helskór ist der Schuh, welcher dem Toten zur Höllenwanderung mitgegeben wird. Helreid ist die Höllenfahrt,

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