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Nachtfahrende Frauen.

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seien an Stelle der deutschen Göttinnen" getreten. Doch wie hätten deutsche Göttinnen auf romanischem Gebiete der Herodias : und Diana Anknüpfung an die Hexenschar vermitteln sollen? Ausserdem ist ihr hohes Alter sehr fraglich. Herodias und Diana hatten sich vermutlich schon an die Spitze der wilden Schar gesetzt, ehe die Holle, Berchte u. s. w. im Volksglauben auftauchten. Desshalb verhält sich die Sache umgekehrt. Die Holle, Berchte, Gode verdrängten die älteren Gestalten der Diana und Herodias. Die,,turba daemonum in similitudinem mulierum transformata", die Schar der Unholdinnen 1) zog besonders in den Zwölften, und da kehrte auch das gespenstische Weib in den Spinnstuben ein. Alle Geister gehören schliesslich ins wilde Heer. Dass die unheimliche Gestalt manchmal auch als oberste der Hexen an Stelle der Diana und Herodias oder auch des Wode gedacht wurde, ist wol zu verstehen. Trat einmal irgendwo eine abergläubische Vorstellung stark in den Vordergrund, in Mitteldeutschland etwa Frau Holle, auf einzelnen Strecken der norddeutschen Tiefebene Frau Gode, so ergab sich ohnehin leicht ihr Übergewicht über die andern geisterhaften Wesen. Nur eine Abart der Sage vom wilden Heere ist es, wenn die Frau mit einem Wagen erscheint, der am Kreuzwege zerbricht. Ein des Weges kommender Mann wird von ihr aufgefordert, den Schaden zu bessern, damit sie weiter fahren kann. Zum Lohn seiner Arbeit erhält er die abgefallenen Spähne, die sich am andern Tag zu Gold verwandeln. Die Frau in ihrer Beziehung zum wiiden Heer reicht ebenso wenig wie die einzeln umherziehende aus dem Kreise des Gespensterglaubens der Zwölften und anderer Schwarmzeiten hinaus. Abgesehen davon, dass Diana und Herodias ihr Vorbild abgaben, weist auch hier kein einziger Zug aufs germanische Heidentum, auf die göttliche Frija. Ja es scheint fraglich, ob in der Heidenzeit ein Weib neben Wode die Schar hätte führen können, und dann wäre es sicherlich keine der hohen Göttinnen, am wenigsten Frija, des lichten Tiuz, Weib gewesen.

Schmeller, B. Wb. 12, 270. Herodias soll nach dem in den Niederlanden um 1100 verfassten Gedicht Reinardus späterhin Pharaildis geheissen haben. Faro, Faramann, Faraburg sind german. Namen mit demselben Stammwort, Pharaildis ist Farahild. Die mit Fara gebildeten Namen zählt Henning, ZfdA. 36, 325 auf. Willkürlich deutet J. Grimm den Namen zu mnl. Verelde

Frau Hilde, Holde um.

1) Kauffmann, Beiträge 18, 150. Golther, Germ. Mythologie.

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Frau Holle wohnt in Teichen oder in Bergen. Im 17. Jahrh. weiss Prätorius, dass sie im Hörselberge sitzt. Er stellt sie also der Venus, der mit den Seelen Abgeschiedener, nach christlicher Meinung Ungetaufter und Verdammter, im Berge hausenden Elbin gleich. Kinderseelen, die Heimchen oder bei Berchte die Berchteln, werden ihr zugewiesen. Die Neugeborenen kommen aus ihrem Brunnen. Oft sieht man sie mit den Heimchen im Lande umziehen. Ihre Umfahrt verleiht den Ackern Fruchtbarkeit. Hier tritt mit einem Male eine ganz andere Gestalt uns entgegen, anstatt der hässlichen Kinderscheuche eine milde, gütige Frau. Sollte darin etwa die Göttin nachwirken? Doch warum begegnen solche Züge so selten und nicht überall, nur bei Berchte und Holle? Auch gehören diese Sagen zu den jüngsten. Das Kinderparadies unter der Obhut einer milden, guten Frau erscheint zu weich, um ins deutsche Heidentum zurück verlegt zu werden. Von Maria wird nun ganz dasselbe erzählt.') In Köln werden die Kinder aus dem Brunnen der St. Kunibertskirche geholt. Dort sitzen sie um die Mutter Gottes herum, welche ihnen Brei gibt und mit ihnen spielt. Es ist nicht dunkel im Brunnen, sondern tageshell. In Jugenheim a. d. Bergstrasse sitzt Maria mit Johannes im Brunnen, geigt den darin befindlichen Kindern und spielt mit ihnen. Von holden weissen Frauen, die nicht näher bezeichnet werden, gehen noch viele ähnliche Sagen. 2) Durch Brunnen und Seen steigen Menschen öfters zu den wundersamen Gefilden der freundlichen Elben hinab. Ihre Seelen gehen in die Gemeinschaft der guten Holden. Vergleicht man hiermit die betreffenden Holdasagen, so wird auch über deren Entstehung kaum ein Zweifel möglich sein. Maria und die Heiligen nahmen sehr viel vom Wesen der guten Geister an. An Brunnen, da früher die Wasserfrau Verehrung genoss, erhub sich später ein Marienbild. Nach der Ammenrede kommen die Kinder aus dem Brunnen. Alles das wirkt zusammen zu den erwähnten Mariensagen. Frau Holle mit den Heimchen entstammt denselben Vorbedingungen. Man kann nur schwanken, ob die Entwicklung der Hollesagen selbständig und unabhängig verlief, oder ob blosse Nachahmungen der Marien

1) Wolff, Beiträge zur deutschen Mythologie 1, 163.ff.

2) Mannhardt, German. Mythen 256. Panzer, Beitrag zur deutschen Mythologie 2, 1855, 13 f. verzeichnet eine Mariensage, welche an die bekannte Geschichte vom Thränenkrüglein (Börner, Sagen aus dem Orlagau 142 f.) erinnert. Man darf Kindern, die zu Marias Schar verstarben, nicht nachweinen.

Sagen von der holden Frau, von Maria.

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sagen vorliegen. Letzteres dünkt noch eher glaubhaft, zumal im Hinblick auf andere Berührungen zwischen Holle und Maria. Frau Holle als die holde Frau verstanden gab leicht Anlass zu ihrer Verschmelzung mit Maria.

Frau Holle wird im Himmel, über den Wolken thronend, gedacht. Daher die Redensart, wenn es schneie, schüttle Frau Holle die Betten aus, deren Federn fliegen. Da ist also Holle doch einmal eine hehre himmlische Göttin. Im Kindermärchen belohnt sie das brave, fleissige Kind mit Gold, das faule bestraft sie mit Pech. Diese Eigenschaft Holdas darf, wie J. Grimm, Myth. 246 Anm., erkannte, mit einem Namen der Maria verglichen werden. Am 5. August feierte die Kirche das Fest der Maria ad nives, notre dame aux neiges. Aus dem 16. Jahrhundert, aus der sächsischen Chronik des Pomarius (1588) bringen die Brüder Grimm in den Deutschen Sagen Nr. 462 eine hieher gehörige Erzählung. Kaiser Ludwig setzte einmal, als er durch einen Wald ritt, sein Marienbild auf einen Stein. Als ers darauf wieder zu sich nehmen wollte, vermochte er es nicht von der Stätte zu bringen. Da kam eine Stimme vom Himmel: So ferne und weit ein Schnee fallen wird, so gross und weit sollst du einen Dom bauen, zu Marien Ehre! Und alsbald hub es an vom Himmel zu schneien auf die Stätte.') Die Schnee-Maria ist somit eine legendarische, nicht bloss auf Deutschland beschränkte Gestalt. Allein schon deshalb fällt J. Grimms Behauptung, es sei eine Eigenschaft Holdas auf Maria übergegangen. Das Verhältniss ist umgekehrt, Frau Holle ist der Maria nachgeahmt.2)

Wenn in einigen norddeutschen Landstrichen Fru Gode, Fru Gaue, de gaue Fru dasselbe Ernteopfer erhält, wie Wode, so beruht dies entweder auf der Frau Wode, der wilden Jägerin, der Diana-Herodias, oder es lässt sich ein segnender Flurgang der guten Frau, der Maria, denken. 3)

Zieht man aus der Betrachtung der gesamten Überlieferung

1) Von dem plötzlichen Schneefalle sagt Ludwig nach Pomarius: dit is tomalen hilde snee. Der Verf. sucht ein Wortspiel: Hildesheim sei nach Hildesnee (plötzlichem Schnee) genannt; im Nds. bedeutet hilde, hille rasch, plötzlich. Es ist überkühn, mit J. Grimm, Myth. 246, Simrock, Myth. 368 an den Schnee der Frau Hilde (Verelde, Pharaildis) und Frau Holda zu denken und darauf hin die Schneesage der german. Göttin zu überweisen.

2) Wie Grimm, Myth. 3, 87 f. nach Gegenbach anmerkt, heisst es auch im Elsass beim Schneefall: d' engele hans bed gemacht, d' fedre fliege runder. 3) Knoop, Am Urquell 5, 9 ff.; 45 ff.; 69 ff.

den Schluss, so bleibt das unanfechtbare Hauptergebniss, dass in diesen Gestalten der spätmittelalterlichen und neueren Volkssage ein Nachhall germanischer Göttinnen nicht nachweisbar ist. Wol aber bieten sich ungezwungen andere ausreichende Erklärungen. Die gespenstische Frau wurzelt im Volksaberglauben; treten manchmal, namentlich an Frau Holle, mildere Züge hervor, so zeigt sich Zusammenhang mit Maria und den guten Holden. So verschiedenartig die Bestandteile sind, aus denen die umgehende Frau des Volksglaubens sich entfaltete, nirgends wirkt heidnischer Götterglaube nach. Sowenig wie früher bei Zisa, Frau Eysen (Isis) gelehrter Übereifer sich als gerechtfertigt erwies, gelang es den neueren Sagenforschern auf die Dauer, die Holda, Berchta, Fricka als germanische Göttinnen zu kanonisieren. Doch leben sie wenigstens im wirklichen Aberglauben, nur nicht, wie man wähnte, als verblasste und erniedrigte Göttinnen.

DRITTES HAUPTSTÜCK.

Von der Weltschöpfung und vom Weltende.

Die Frage, wie die Welt entstand, ob und wie sie vergeht, setzt eine ziemlich hohe Stufe des Denkens voraus, falls die Antwort darauf in Gestalt einer Entwicklungsgeschichte der Welt gegeben wird. Hier liegen die Keime zur Naturphilosophie, die in ihren Anfängen leicht an kosmogonische Sagen anknüpft. Nur begabte und gesittete Völker werden zu einer fein gegliederten Lehre von den ersten und letzten Dingen fortschreiten. Die nächste Frage ist, woher kam die Welt, erst lange nachher erhebt sich die Frage, wohin geht die Welt. Denn die bestehende von den Göttern eingesetzte Weltordnung erscheint dem einfachen Heidenglauben ewig und unwandelbar. Höchstens denkt er darüber nach, wie es so kam. Das lehrt die griechische Mythologie. Der Heide wird den Stoff als das erste setzen, den göttlichen Geist, der den Stoff sich unterwirft, erst allmälig daraus hervorgehen lassen, im Gegensatz zur christlichen Lehre, welche in Gott den Anfang und das Ende aller Dinge erblickt. Im Heidentum entwickelt sich eine Weltlehre nur beiläufig, im Anschluss an die Götterlehre, an die Theogonie, gleichsam zur Rechtfertigung der waltenden Götter, welche ihre gebietende Stellung den dämonischen Wesen abgerungen haben und gegen sie behaupten werden. Die Absicht geht dahin, die bestehende Ordnung als die Vollendung der Weltentwicklung, als den Sieg der Göttermacht hinzustellen. Die Hauptteilnahme gehört den gegenwärtigen Zuständen des Götterstaates, nicht den vergangenen oder künftigen. Anders im Christentum, wo das Ewige, Göttliche das Zeitliche, Weltliche überragt. Da erscheint das Weltleben nur als ein Übergang. Ganz andere Bedeutung gewinnt die Kosmogonie und Eschatologie, auf welche ein Hauptgewicht der Lehre fällt. Die Glaubensboten mussten vor allem auf diese Erkenntniss hinwirken und hatten eifrig von der göttlichen Weltschöpfung und

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