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Ymirs Tod. Die Sinflut.

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urweltliche Zeit. Sie entsteht aus dem Blute des erschlagenen Ymir zur Vernichtung seiner Nachkommen. Die Götter versuchen durch Totschlag und Überschwemmung ihre Gegner zu verderben. Auch die nordische Flut wird zur Strafe wilden Übermutes von den Göttern verursacht. Dass die Flut mit Ymir zusammenhängt, findet vielleicht in den Worten der Genesis 7, 11 rupti omnes fontes abyssi, wodurch die biblische Flut herbeigeführt wird, Erklärung, sobald nämlich hier, wie an andern Stellen Abyssus persönlich gedacht wird.

2. Die Schöpfung der Erde und des Himmels.

Die Söhne Burs erhuben nun die Lande und erschufen den schönen Midgard, und zwar aus dem Riesenleibe.')

Aus Ymirs Fleisch

ward, die Erde geschaffen,

Aus dem Blute das brausende Meer,

Die Berge aus dem Gebein, die Bäume aus den Haaren,
Aus dem Schädel das schimmernde Himmelsdach.
Doch aus seinen Wimpern schufen weise Götter
Midgard dem Menschengeschlecht;

Aus dem Hirne endlich

Wetterwolken gemacht.

sind all die hartgesinnten

Gylfaginning Kap. 8 fügt noch bei, die Götter hätten den erschlagenen Ymir in die Mitte von Ginnunga Gap geschleppt und dort aus seinem Leibe die Welt gebildet. Aus dem Schädel fertigten sie den Himmel und setzten ihn über die Erde auf vier vorstehenden Stützen, und unter jede Stütze setzten sie einen Zwerg, den Austri, Westri, Nordri und Sudri. Um die Erde rings herum legten sie das Meer. Himmel und Erde sind also zum Riesenleibe in Beziehung gesetzt. Die Himmelswölbung wird dem gewölbten Riesenschädel verglichen, folgerichtig sind die das Himmelsgewölbe erfüllenden Wolken aus dem Gehirn Ymirs entsprungen.

Flutsagen, Braunschweig 1891; S. 44 werden berechtigte Zweifel an der Ursprünglichkeit der Eddasage ausgesprochen, S. 140 steht sie aber, allerdings mit einem Fragezeichen, unter den ,,echten", d. h. selbständig aufgekommenen Flutsagen.

1) Grímn. 40, 41; Vafþr. 21; Gylfag. Kap. 7; zur Erschaffung Adams aus acht Teilen J. Grimm, Myth. 531 ff.; Müllenhoff-Scherer, Denkmäler3 2, 171; E. H. Meyer, Völuspa 36, 61; Kosmogonie S. 77 ff.; Myth. 146; zur Frage überhaupt R. M. Meyer, ZfdA. 37, 1 ff.

Der Riesenleib ist der Erde gleich, was ins einzelne ausgemalt eine Zusammenstellung von Blut und Wasser, Bein und Stein, Haar und Pflanzen ergibt. Dass Midgard aus den Wimpern erschaffen ist, deutet auf eine schützende Umzäunung, vielleicht auf einen am Rande der Erdscheibe herumlaufenden Waldgürtel. Snorri nennt aber Midgard einen Wall (borg), den die Götter wegen der feindlichen Gesinnung der an den Meeresküsten angesiedelten Riesen rund um die Erde errichtet hätten. Auch in andern Mythologien finden sich Ansätze oder ähnlich durchgeführte Gleichungen zwischen Himmel und Erde und einem Riesenleib. In mittelalterlichen Schriften begegnen Spekulationen über das Verhältniss des Makrokosmos und Mikrokosmos. Adams Leib ist aus acht Teilen gebildet, worunter die Gleichungen Erde und Fleisch, Stein und Bein, Meer und Blut, Pflanzen und Haar, Wolken und Gedanken wiederkehren. Der Unterschied zwischen der heidnischen und christlichen Lehre besteht darin, dass dort die ganze Natur der auseinander gefallene Urmensch ist, hier der Mensch aus natürlichen Elementen zusammengesetzt wird. War man früher geneigt, die christliche Vorstellung aus der heidnischen abzuleiten, so dringt neuerdings die umgekehrte Auffassung durch, dass die Ymirsage von der Adamsage abhängig sei. Schliesslich ist die Möglichkeit beiderseitiger selbständiger und unabhängiger Entstehung nicht abzuweisen, nachdem ähnliche Gedanken bei den verschiedensten Völkern und zu verschiedenen Zeiten auftauchen.

Aus den Funken aus Muspellsheim machten die Götter Himmelslichter. Dann ordneten sie den Lauf der Sonne, des Mondes und der Sterne, die Folge von Tag und Nacht und die Jahreszählung. Von Süden her beschien die Sonne den Erdengrund, da entsprosste grünes Gras.

Darauf schufen die Götter in der Mitte der Welt Asgard, das Götterheim. Dort ist ein Ort, der Hlidskjalf (Thürbank, Thürschwelle) heisst. Von dort aus kann Odin die ganze Welt übersehen. Der Hochsitz Hlidskjalf, der Übersicht über die ganze Welt gewährt, ferner Namen einzelner Götterburgen wie Breidablik (Breitglanz), Glitnir (der Glänzende), Himinbjorg (Himmelsberg) zeigen deutlich, dass Asgard im Himmel über Midgard liegend gedacht ist.')

1) Nach Gylfaginning Kap. 9 befindet sich die Asenburg in der Mitte der Welt, i midjum heimi, und vom Hochsitz Hlidskjalf aus übersieht man alle

Die Welt als Riesenleib. Neun Welten.

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Wenn ausserdem einige Male noch von Jotunheim 1), der Riesenwelt, Alfheim 1), der Albenwelt, die Rede ist, so soll damit nur allgemein der Aufenthaltsort dieser Wesen bezeichnet werden. Eine bestimmte Welt, wie Midgard und Asgard, ist nicht damit gemeint. Anders verhält es sich mit Muspellsheim und Niflheim 2), die ja schon in Snorris Schöpfungsberichte am Anfange erschienen. Niflheim oder Niflhel gilt als die Totenwelt, als die Nebelhölle, als die Unterwelt. Einige Male wird nach christlichem Vorbilde auch noch von der untersten Hölle gesprochen. Dass die Hölle unter Midgard sich ausdehnt, mag altgermanischer Glaube sein. Der Aufenthalt der Toten, die im Grabe geborgen werden, muss ja als unterirdisch gedacht werden.

Die Volospo 2 und die Vafþrúþnesmól 43 erwähnen neun Welten, nio heimar. Auf Grund dieser Stellen ist auch in der Snorra Edda beiläufig von neun Welten die Rede.3) Aber nirgends werden sie aufgezählt, vor allem nirgends im Weltgebäude vorausgesetzt. So einfach und klar das Weltbild der vom Himmel (Asgard) überwölbten Erde (Midgard) sich darbietet, so unmöglich ist die Vorstellung von neun Welten, will man sie gleichberechtigt mit jenen im Weltganzen unterbringen. In den Liedern erscheint Welten. Somit herrscht allerdings die Anschauung, die Weinhold, Altnordisches Leben S. 358 also bestimmt:,,Die Erde zerlegten die Nordländer in drei Teile: am Meeresstrande waren Aussengart (útigarðr) oder die Riesenwelt; von ihm durch eine Landwehr burgartig geschieden Mittelgart (miðgarðr) oder das Land der Menschen, und als kleinster der drei concentrischen Ringe Asgard, die Burg der Götter. Darüber ist das Himmelszelt an vier Enden geknüpft." So mag sich das Weltbild in den Augen Snorris und aller Euhemeristen ausnehmen, welche Asgard wol als hohen in den Himmel ragenden Berg auf die Erde verlegen. Der alte Heidenglaube aber dachte die Asen im Himmel wohnend und damit fallen die drei concentrischen Kreise.

1) Jotonheimr Vol. 48; Jotonheimar in SE. 1, 30, 54, 62 u. ö.; Alfheimr Grímn. 5, SE. I, 78; selten begegnen Vanaheimar S. I, 92 und Svartálfaheimr SE. I, 108, 352.

2) Über Niflheim vgl. den Abschnitt Hel. Niflhel steht Baldrs Dr. 2, Vafpr. 43. Ebenda sagt der Riese: ich fuhr nieder nach Niflhel, wohin die Leute aus der Hölle versterben; ähnlich Gylfag. Kap. 3 böse Menschen fahren zur Hel und von da nach Niflhel (Niflheim in der Handschrift U).

3) Die neun Heime oder Himmel SE. I, 592, II, 485 sind keiner Überlieferung gemäss, nur Skaldengelehrsamkeit des 12. Jahrh. Die Versuché neuerer Mythologen, die neun Welten herzustellen, z. B. W. Müllers, Altd. Religion S. 155 f.; Weinholds, Altnord. Leben S. 359; R. Keysers, samlede afhandlinger 273; Simrocks, Myth. 43 f. werden ebenso zu Schanden. Vgl. auch Gering, Edda S. 66 Anm. 1.

die Neunzahl beidemal im selben Zusammenhang und im selben Sinn: wer die neun Welten durchfuhr, weiss alles. Die neun Welten scheinen nur typisch gezählt zu sein.') Die Volva und Wafthrudnir wollen damit sagen, dass sie bei allen Wesen und in aller Welt geweilt, alles durchforscht haben und darum alles Weltwissen besitzen. Ein ähnlicher Gedanke liegt auch dem Alwisliede zu Grunde. Thor verlangt vom weisen Zwerge Bescheid, wie einzelne Begriffe in den vielen Welten genannt werden, und Alwis antwortet demnach, wie Erde, Himmel, Sonne, Mond, Wind, Wolke, Meer, Feuer u. s. w. bei Asen, Wanen, Menschen, Riesen, Zwergen, Elben heissen. Darum scheint es ein vergebliches Bemühen, die neun Welten als bestimmte Örtlichkeiten aufzusuchen, eher sind die verschiedenen Wesenklassen gemeint, deren Aufenthaltsorte ja zuweilen auch als „,heimr" bezeichnet werden. Die Neunzahl mag bildlich zu verstehen sein als der Inbegriff des Vorhandenen.

Die nordische Weltvorstellung ist so zu denken: Midgard ist rings vom Meere umgeben, Meer und Erde bilden eine kreisrunde Scheibe, über welche sich der Himmel wölbt. Der ganze Weltbau, Himmel und Erde und Meer, schwebt im leeren Raum (ginnunga gap). Dort war ja Ymir zerstückelt worden. Wer sich allzuweit auf das erdumgürtende Meer hinauswagt, gelangt schliesslich zu den Grenzen der Welt und läuft Gefahr, in den gähnenden leeren Raum zu stürzen. So ist ginnunga gap im 11. Jahrhundert bei Adam von Bremen ein geographischer Begriff, die Grenze des Weltmeers im hohen Norden.2) Midgard ist die wirkliche Erde, wo Menschen wohnen. Über ihr steht die himmlische Götterwelt, Asgard, unter ihr dehnt sich die Hölle, Niflheim, aus. Ausser Asgard, Midgard und der Hölle gab es ursprünglich wol nur Utgard. Darunter sind unwirtliche, dem Anbau widerstrebende, öde und wilde Landstrecken gemeint; dorthin sind Trolle und Riesen versetzt. Bei der Fahrt Thors nach Utgard, ins Riesenland, ist es jenseits des Meeres gedacht. Nach ihrer Landung haben die Gesellen noch einen breiten und weiten Wald zu durch

1) Über typische Anwendung der Neunzahl vgl. J. Grimm, Rechtsaltertümer 215 f. Die Möglichkeit, dass christliche Vorstellungen von neun Himmeln und Höllen hereinspielen, vgl. E. H. Meyer, Völuspa 44 ff., Myth. 173 u. 191, will ich nicht in Abrede stellen.

2) Storm, Arkiv f. nord. filologi 7, 342.

Das nordische und das germanische Weltbild.

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wandern. Nach der Gylfaginning werden die Riesen längs der Meeresküste angesiedelt. Die Vorstellungen über die Lage von Utgard schwanken. Ursprünglich galt wol die Anschauung, dass die Riesen streckenweise am diesseitigen Gestade, vor dem Schutzwall Midgards, hausten, im Ost- und Nordgebirge Norwegens. Denn jenseits des Meeres ist Ginnunga Gap. Im 9. und 10. Jahrhundert erweiterten sich die geographischen Begriffe der Nordleute beträchtlich infolge der Entdeckungsfahrten. Um 880 wurde das Nordkap umschifft, um 874 Island entdeckt, gegen Ende des 10. Jahrhunderts Grönland. Infolge davon scheint Utgard jenseits des Meeres verlegt worden zu sein. Handelt es sich ja doch auch um kein rechtes bewohnbares Land, vielmehr um wüste Gegenden. Da die Riesen schon vor Erschaffung von Midgard und Asgard im chaotischen Urzustande, im Ginnunga Gap heimisch waren, so fällt Utgard mit Ginnunga Gap gewissermaassen zusammen.

Wie viel von diesen Vorstellungen gemeingermanisch sind, lässt sich einigermaassen bestimmen. Schwerlich die Schöpfung, wol aber die Einrichtung der Welt dachten sich auch die andern Stämme gleich. Denn derselbe Name für die bewohnte Erde (got. midjungards, ahd. mittil-mittingart, as. middilgard, ags. middangeard) geht überall durch. Midgard ist der mittlere, eingefriedigte Raum, das mittlere Gehege. Der Begriff,,Mitte" geht von der natürlichen Anschauung aus, wonach die Erde im Mittelpunkt der Welt steht. Möglicherweise ist auch wie im griechischen uɛoóyata das Binnenland gemeint im Hinblick auf das umgürtende Erdmeer. Als Erdkreis und Himmelskugel stellt sich die Welt dem Auge dar. Dass die Götter im Himmel hausen, ist von selbst verständlich und wird im langobardischen Wodansliede bezeugt. Auch die Hölle ist allen Germanen bekannt. Die Namen Asgard, Utgard u. a. sind aber auf den Norden beschränkt. Die Grundzüge des Weltbildes scheinen somit gemeingermanisch, die Einzelheiten und die Sagen von ihrem Ursprung müssen wir als ausschliesslich nordisch. betrachten, so lange anderweitige unzweifelhafte Überlieferung versagt.

Noch einige Sagen, die auf Tag und Nacht, Sonne und Mond Bezug nehmen, stehen in äusserlichem Zusammenhang mit der Kosmologie. Aber man merkt beim ersten Blick, dass sie viel jünger sind. Ihr Ursprung liegt teilweise in dem Bestreben nach der Personifikation bestimmter Erscheinungen und Vorgänge des

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