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Das autistische Denken ist auch im wachen Leben des Gesunden eine Macht, deren Bedeutung man sich nur schwer klarmacht. Unsere Tagträume scheinen allerdings zunächst nur eine unschuldige Spielerei, sie sind aber gar nicht ohne Einfluß auf unser Handeln, und in der Form von Illusionen machen sie das Leben schöner oder erträglicher, aber auch zugleich gefährlicher. Auch alle echte Kunst wurzelt im Autismus, und wenn auch unlogische Dinge darin keine Rolle spielen dürfen, so ist ihr ein gewisser Grad von Ablösung von der Wirklichkeit notwendig, und das Treibende und Gestaltende sind auch bei ihr die Gefühle1). Die Religion ist eine autistische Bildung. Die Politik wird bei den Massen und auch bei vielen Führern in ihrer Richtung vielfach sehr wenig durch Überlegung, aber sehr viel von Instinkten, von suggestiven und autistischen Psychismen bestimmt. So sind die Grenzen zwischen beiden Denkformen auch dem Gesunden viel zu wenig bekannt, und auch er verliert oft den sicheren Boden der Wirklichkeit, um zu seinem Schaden von autistischen Gebilden genarrt und ins Verderben getrieben zu werden.

Innerhalb des Gesunden richtet der Autismus natürlich viel Schaden an. Die Kreuzzüge und der Dreißigjährige Krieg waren ein recht böser Aderlaß für einen großen Teil der damaligen Kulturvölker, und wenn man im Kloster sich erhalten lassen kann, so kann sich doch das Genus so wenig auf autistischem Weg ernähren wie das Hühnchen im Ei. Es gibt natürlich noch viele andere Formen, unnützen Ideen zu leben oder sich Schein befriedigung zu verschaffen, die dem Individuum auf Kosten der Gesamtheit in einzelnen Beziehungen das Leben erleichtern. Es ist so hübsch, sein Mitleid an das phantasierte Gretchen zu verschwenden, das kostet nichts als ein Theaterbillet. Wenn aber das Gretchen im Leben den gleichen Faustschwärmern nahe kommt, so findet es verschlossene Herzen und Beutel und einen pharisäisch kräftigen Fußtritt. Denn es wäre unmoralisch, wie mir eben ein wohltätiger Damenverein in einem bestimmten Falle klargemacht hat, sich mit solchen Personen zu beschäftigen.

Da das realistische Denken, die Fonction du réel, das Sichabfinden mit den komplizierten Bedürfnissen der Wirklichkeit, durch Krankheit viel leichter gestört wird als das autistische Denken, und dieses geradezu 1) Vgl. Bleuler, Freudsche Mechanismen in der Symptomatologie von Psychosen. Psychiatrisch-neurologische Wochenschrift, 1906, Marhold, Halle.

durch Krankheitsprozesse in den Vordergrund gehoben werden kann, nehmen französische Psychologen unter der Führung von Janet an, die Realfunktion sei die höchste, die komplizierteste1).

Eine klare Stellung nimmt in dieser Beziehung aber nur Freud ein. Er sagt es direkt heraus, daß in der Entwicklungsreihe seine Lustmechanismen das Primäre seien. Er kann sich den Fall denken, daß der Säugling, dessen reale Bedürfnisse ohne sein Zutun ganz von der Mutter befriedigt werden, und das sich entwickelnde Hühnchen im Ei, das durch die Schale von der Außenwelt abgeschlossen ist, noch autistisch leben. Der Säugling,,halluziniert" wahrscheinlich die Erfüllung seiner inneren Bedürfnisse, verrät seine Unlust bei steigendem Reiz und ausbleibender Befriedigung durch die motorische Abfuhr des Schreiens und Zappelns und erlebt darauf die halluzinierte Befriedigung. Dem kann ich nicht folgen. Ich sehe keine halluzinierte Befriedigung des Säuglings, sondern nur eine nach wirklicher Nahrungsaufnahme2), und ich muß konstatieren, daß das Hühnchen im Ei nicht mit Vorstellungen von Essen, sondern mit physikalisch und chemisch greifbarer Nahrung sich emporbringt. Ich sehe auch beim etwas älteren Kinde nicht, daß es einen eingebildeten Apfel über einen wirklichen stellen würde; der Imbezille und der Wilde sind währschafte Realpolitiker und der letztere macht seine autistischen Dummheiten, genau wie wir an der Spitze der Denkfähigkeit stehenden Menschen, nur da, wo sein Verstand und seine Erfahrung nicht hinreicht: in seinen Ideen über den Kosmos, die Naturerscheinungen, in der Auffassung von Krankheiten und anderen Schicksalsschlägen und deren Abwehr, und in sonstigen, für ihn zu komplizierten Zusammenhängen. Beim Imbezillen ist das autistische Denken vereinfacht, ganz wie das rea

1) Man spricht in Frankreich auch von einem ,,sens de la réalité", womit in erster Linie das Unterscheidungsvermögen von Wirklichkeit und Einbildung gemeint wird. Das ist in der Hauptsache etwas ganz anderes, aber es hat natürlich seine Beziehungen insofern zum Autismus, als der extrem Autistische, z. B. der Schizophrene, der hysterisch Dämmerige, seine autistischen Gebilde für Wirklichkeit hält, und daß namentlich beim Schizophrenen der Begriff der Realität so verschoben wird, daß man sich wohl gar nicht fragen kann, ob ein solcher Kranker etwas für im Sinne des Gesunden wirklich hält.

2) Das Neugeborene reagiert in allen seinen Bestrebungen auf die Realität und im Sinne derselben; wenn der Saugreflex bei Kontakt des Mundes mit einem andern Gegenstand als der Mamilla auch in Funktion tritt, so ist das gewiß nur einem geringen Unterscheidungsvermögen (ob bewußt, oder unbewußt, lasse ich dahingestellt) zuzuschreiben, wie es in analoger Weise allen Reflexen zukommt und für deren Aufgaben praktisch genügt.

listische. Ich kann nirgends ein lebensfähiges Geschöpf finden oder nur mir denken, das nicht in erster Linie auf die Wirklichkeit reagierte, das nicht handelte, ganz gleichgültig, wie tief es stehe; und ich kann mir auch nicht vorstellen, daß von einer gewissen Einfachheit der Organisation an nach unten hin autistische Funktionen vorhanden sein können. Dazu gehören komplizierte Erinnerungsmöglichkeiten. So kennt die Tierpsychologie (außer einigen wenigen Beobachtungen an höchststehenden Tieren) nur die Realfunktion.

Der Widerspruch läßt sich indes leicht lösen: Die autistische Funktion ist nicht so primitiv wie die einfachen Formen der Realfunktion, aber in gewissem Sinne - primitiver als die höchsten Formen der letzteren, wie wir sie beim Menschen entwickelt finden. Niedere Tiere besitzen nur die Realfunktion; es gibt aber kein Wesen, das ausschließlich autistisch denkt. Von einer gewissen Entwicklungsstufe an tritt die autistische Funktion zu der realistischen und entwickelt sich von nun an mit ihr.

Wir können in der phylogenetischen Entwicklung einige Etappen herausheben, wenn diese auch, wie selbstverständlich, keine eigentlichen Grenzen gegeneinander haben.

I. Das Erfassen einer einfachen äußeren Situation und das Danachhandeln Nahrung ergreifen, einen Feind fliehen oder angreifen und dergl. Es handelt sich also hier um nicht viel anderes als Reflexe, die bis zu einer gewissen Differenziertheit und Kompliziertheit gehen können. Gefühle der Lust und Unlust werden sie begleiten, jedenfalls aber kommt hier der Affektivität keine besondere Rolle zu; sie ist nur die mit dem speziellen Vorgang (Nahrung erfassen, Flucht) untrennbar verbundene Veränderung des Allgemeinzustandes 1).

II. Es werden Erinnerungsbilder geschaffen und bei späteren Funktionen benutzt, aber nur im Anschluß an äußere Reize, bei der Ausübung realistischer Funktionen. Ein selbständiges Denken, einzig in Erinnerungsbildern, ist zunächst wohl ausgeschlossen. Die entwickeltsten Erinnerungsbilder, die wir auf früheren Stufen kennen, sind wohl die der örtlichen Orientierung dienenden; es ist aber nicht anzunehmen, daß sie vereinzelt bleiben.

Hier ist nun bereits die Möglichkeit gegeben, daß allfällige an die Erinnerungen geknüpfte Affekte auf die Auswahl der zu ekphorierenden Engramme einen gewissen Einfluß ausüben. Die Ameise wird den Weg

1) Bleuler, Affektivität. Marhold, Halle.

einschlagen, der sie zu Beute geführt hat gewiß nicht, weil sie nun ,,denkt“, da sei noch etwas zu holen, sondern weil die entsprechende Engrammreihe positiv betonte Gefühle respektive Triebe in sich schließt.

III. Nach und nach werden immer kompliziertere und immer schärfere Begriffe geschaffen und unabhängiger von äußeren Einflüssen benutzt, und

IV. werden die Begriffe ganz ohne Auslösung durch die Außenwelt nach Maßgabe der Erfahrung kombiniert zu logischen Funktionen, zu Schlüssen vom Erlebten aufs Unbekannte, vom Vergangenen aufs Zukünftige; es wird nicht nur ein Abwägen verschiedener Eventualitäten, die Wahlhandlung, ermöglicht, sondern auch ein zusammenhängendes Denken, ausschließlich in Erinnerungsbildern, ohne Zusammenhang mit den eventuellen Sinnesreizen und Bedürfnissen.

Hier erst kann die autistische Funktion auftreten1). Da erst kann man Vorstellungen haben, die mit lebhaften Lustgefühlen verbunden sind, Wünsche bilden und sich an ihrer phantasierten Erfüllung ergötzen und die Außenwelt in seiner Vorstellung umgestalten, indem man das Una ngenehme derselben nicht denkt (abspaltet) und Angenehmes eigener Erfindung hinzusetzt. Die Irrealfunktion kann also nicht primitiver sein als die Anfänge des wirklichen Denkens, und sie muß sich parallel mit diesem entwickeln. Denn je komplizierter und differenzierter Begriffsbildung und logisches Denken werden, um so genauer wird einesteils ihre Anpassung an die Wirklichkeit, und damit um so größer die Möglichkeit der Loslösung vom Einflusse der Affektivität, aber andernteils wird die Möglichkeit der Wirkung von gefühlsbetonten Engrammen der Vergangenheit und von gefühlsbetonten Vorstellungen, die die Zukunft betreffen, in gleichem Maß erhöht. Die zahlreichen Denkkombinationen ermöglichen eine unendliche Mannigfaltigkeit der Phantasie, während die Existenz unzähliger gefühlsbetonter Erinnerungen aus der Vergangenheit und ebenso affektiver Vorstellungen

1) Wenn eine allein aufgezogene Hündin (Gérard - Varet, Revue Scientif., 1902, S. 485) wirklich ein Stück Brot wie ein Junges zu wärmen und zu säugen mimt, so ist das vielleicht nur eine Instinktsfunktion, die sich mangels richtiger Gelegenheit am unpassenden Objekt ausläßt, wie wenn das im Zimmer aufgezogene Eichhörnchen die Bewegungen macht, um Nüsse in den harten Boden einzugraben. Das Kind aber, das ein Stück Holz als Baby behandelt, hat bereits die Vorstellung eines Baby.

über die Zukunft geradezu zum Phantasieren drängen. Mit ihrer Entwicklung werden die Unterschiede der beiden Denkarten immer schroffer, diese werden schließlich zu vollen Gegensätzen, die immer mehr und immer schwerere Konflikte hervorzubringen vermögen, und wenn in einem Individuum die beiden Extreme sich nicht ungefähr die Wage halten, so kommt es einerseits zum Träumer, der nur kombiniert, mit der Wirklichkeit nicht mehr rechnet und nicht mehr handeln kann, und anderseits zu dem nüchternen Wirklichkeitsmenschen, der vor lauter Realdenken nur dem Augenblick lebt und nichts vorausberechnet.

Daß nun trotz diesem Parallelismus in der phylogenetischen Entwicklung das realistische Denken als das entwickeltere erscheint, und eine Allgemeinstörung der Psyche regelmäßig die Realfunktion viel stärker trifft, hat mehrere Gründe.

Das Wesentliche der Realfunktion kann man nicht auf die Welt bringen; man muß es größtenteils im individuellen Leben erst erwerben. Die Anlage, viele und scharf begrenzte Begriffe zu bilden, ist eine leere Potentialität, so lange nicht reiche Erfahrung das Material für die Begriffe und ihre Abgrenzung geboten hat; die logische Kombination muß ebenso durch die Erfahrung erworben sein und ein noch so umfassend angelegter Geist kann nicht alle Faktoren einer komplizierten Überlegung in Betracht ziehen, wenn ihm nicht die Erfahrung gezeigt hat, was alles in Betracht kommen kann und was nicht.

Das Realdenken arbeitet also nicht bloß mit einer angeborenen Fähigkeit (,,Intelligenz"), sondern auch mit Funktionen, die nur durch Erfahrung und Übung des Einzelnen erworben werden können.

Solche Funktionen werden erfahrungsgemäß unendlich viel leichter gestört als im Organismus begründete.

Ganz anders die vom Autismus benützten Mechanismen. Sie werden mit uns geboren. Die Affekte, die Strebungen haben von Anfang an auf unser Geistesleben diejenigen Einwirkungen, die auch das autistische Denken leiten; sie bahnen und hemmen die Gedanken entsprechend ihrer eigenen Richtung und treffen ohne jede Überlegung eine Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Reaktion. Schon lange vor der Vollendung des ersten Jahres lassen sich beim Kind anscheinend komplizierte Affektreaktionen finden. Es reagiert nicht bloß mit Liebe und Liebesbezeigungen auf Liebe, mit Angst oder Weinen auf Drohung, sondern z. B. auch mit Hohn auf Hohn, und dabei findet es oft einen Ausdruck, der auffallend raffiniert erscheint und das wirklich wäre, wenn er auf logischem Wege hätte gefunden werden müssen. Das Kind

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