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tung, alles das wie zu einer fremden, überirdischen Natur in Eins verbunden. Erst müßte man aber durch eine gewisse Anstrengung verdienen, es bewundern zu dürfen; zwar würde man sogleich den Gehalt und die Schönheit jeder Stelle empfinden, aber doch erst in einer durchaus verstandenen Bewunderung ausruhen können. Humboldt prüfte und zergliederte den philosophischen Gehalt des Gedichts, den Zusammenhang der Gedanken, die Uebergange von einem zum andern, wie in einer Abhandlung, und fühlte deutlich, wie viel seine eigene Begeisterung dadurch gewonnen. Er meinte, daß Alles von den vier ersten Strophen abhange, und sobald einmal die Hauptidee gefaßt wäre, man durch den Gang des Ganzen sich leicht hindurchfinden würde. Denn überall wäre hernach das Gebiet des Wirklichen dem Gebiete des Idealischen ganz bestimmt entgegengesetzt.

Humboldt hatte nur ein Bedenken, ob nicht die Aufforderung, daß der Mensch sich aus dem Sinnlichen und Wirklichen in das Reich des Gedankens und der Freiheit flüchten solle, etwas zu allgemein sey. Der blos moralische Mensch gerathe in eine ångstliche Ver legenheit, wenn er die unendliche Forderung des Gesezes mit den Schranken seiner Kraft vergleiche. Wenn er sich aber ästhetisch ausbilde und sein Inneres vermits telst der Idee der Schönheit zu einer höheren Natur umschaffe, so daß Harmonie in seine Triebe komme, und was vorher blos Pflicht war, freiwillige Neigung werde, so hôre jener Widerstreit in ihm auf. Diesen legten Zustand, meinte er, hätte Schiller nicht bestimmt genug bezeichnet, da man sich bei jener Aufforderung

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immer blos das vorstellen könnte, was Kant „einen guten, reinen Willen erlangen" nannte.

In dieser Bemerkung Humboldts ist der blos moralische Standpunkt gegen den ästhetischen richtig als der engere und niedere hervorgehoben. Jener bleibt mit dem Widerstreite des Sinnlichen und des Gedankens behaftet, während dieser denselben überwindet. Der Künstler muß ebenfalls die Gottheit in seinen Willen aufnehmen, muß gottbegeistert seyn, um das Ideal zur Anschauung hervorbringen zu können. Schiller vertheis digte sich dagegen, indem er gleichfalls annahm, daß die Freiheit des Gedankens noch weit mehr auf das Aesthetische hinwiese, als auf das Moralische.

Dafür bewunderte Humboldt, wie unendlich Eins in diesem Gedichte der Ausdruck mit dem Gedanken wäre. Insbesondere gefiel ihm die schöne Anwendung der Fabel von der Proserpina, die göttliche Schilderung der Gestalt, die Erhabenheit so vieler Stellen und der prächtige Schluß, welcher den Eindruck des ganzen Gedichtes auf die Seele noch einmal und doppelt stark wiedergåbe. Er lobte auch die bewundernswürdige Leichtigkeit in den Versen, indem ungeachtet des trochäischen Sylbenmaßes doch der Gedanke auf so ausdrucksvolle Weise mit dem Sylbenmaße begleitet würde.

Wenn der Inhalt dieses Gedichts, meinte Schiller, so poetisch ausgeführt worden, als der der Elegie, wozu es im Verhältniß ein Lehrgedicht sey, wäre es in ge= wissem Sinne ein Marimum gewesen. Dies wollte er versuchen, sobald er Muße haben würde. Eine Idylle. wollte er schreiben, wie er eine Elegie geschrieben habe,

und das Ideal der Schönheit objektiv individualisiren und daraus eine Idylle bilden. Er theilte die Poesie in die naive und sentimentale, wovon jene gar keine, aber diese drei Unterarten hätte, Satyre, Elegie und Idylle. Die lehte hielt er für das höchste und zugleich für das schwierigste Problem. Indem ihre Aufgabe wäre, ohne Hülfe des Pathos einen hohen, ja den höchften Effekt hervorzubringen, enthielte Ideal und Leben nur die Regeln dazu. In einem einzelnen Falle würde ihre Befolgung die Idylle erzeugen. Wo Ideal und Leben aufhörte, sollte die Idylle anfangen. Der Inhalt derselben sollte die Vermählung des Herkules mit der Hebe seyn. Ueber diesen Stoff hinaus könnte es keinen höheren für den Dichter geben, weil er die menschliche Natur nicht verlassen dürfte. Durch Herkules könnte er die Götter noch an die Menschheit anknüpfen. Wenn ihm dies Unternehmen gelingen sollte, würde er am Ende noch mit der sentimentalen Poesie über die naive triumphiren. Eigentlich würde eine solche Idylle das Gegenstück der hohen Komödie seyn, diese auf einer Seite in der Form ganz berühren, aber auf der andern in Stoff und Inhalt das direkte Gegentheil davon ausmachen. Denn der Stoff der Komödie wäre die Wirklichkeit, während der Stoff dieser Idylle das Ideal seyn würde. Zeigte es sich, daß eine solche Behandlung der Idylle unausführbar wäre, indem das Ideal sich nicht individualisiren ließe, so würde die Komödie das höchste poetische Werk seyn müssen. Er håtte sie immer so lange dafür gehalten, bis er angefangen, an die Möglichkeit einer solchen Idylle zu glauben. Aber Schiller führte feinen Vorsah, eine solche Idylle zu

schreiben, nicht aus. Vielleicht daß er auf unüberwindliche Hindernisse gestoßen ist.

Es kann noch bemerkt werden, daß man das Gedicht „Ideal und Leben“ damals, als es erschien, fast allgemein für eine Darstellung des Todtenreichs hielt. Humboldt meinte, diesem Reich der Schatten war sein Urtheil vorherzusagen. Es könnte bei der damaligen Stimmung der Leser nur für äußerst Wenige gemacht seyn; auch könnte es nur entzücken, oder gänzlich mißfallen. Dem Coadjutor von Dalberg gefiel es so sehr, daß er äußerte, in demselben wohnten die guten Menschen in den besten Augenblicken des Lebens zusammen, aber Schillers Genius håtte zuerst dies Reich mit åtherischen Farben gemalt.

Das Schöne und die Kunst ist sich selbst der Zweck, erzeugt sich frei aus sich selber.

„Die deutsche Muse“

kann stolz darauf seyn, daß sie ihren Werth sich selbst zu verdanken hat.

,,Rühmend darf's der Deutsche sagen,
Höher darf das Herz ihm schlagen:
„Selbst erschuf er sich den Werth."

,,Darum steigt in höherm Bogen,
„Darum strömt in vollern Wogen

Deutscher Barden Hochgesang,

,,Und in eigner Fülle schwellend,
,,Und aus Herzens Tiefen quellend,

,,Spottet er der Regeln Zwang."

Diesen Zwang wollte Goethe nach Schillers Meinung wieder einführen, als er den Mahomet von Voltaire

auf die Bühne brachte. Schiller richtete deshalb eine Epistel

,,an Goethe,"

worin er sich bitter über dessen Vorhaben beklagt. Es schmerzte ihn, daß deutsche Art und Kunst der französischen weichen und gegen dieselbe zurückstehen sollte. Wortgeprånge, sagte er, würde nur gar zu bald alle treue Natur und Wahrheit von der Bühne verdrängt haben. Der Mensch würde nicht mehr menschlich han deln und fühlen dürfen:

,,Nicht Muster zwar darf uns der Franke werden;
,,Aus seiner Kunst spricht kein lebend’ger Geist,
„Des falschen Anstands prunkende Gebården
„Verschmäht der Sinn, der nur das Wahre preist;
„Ein Führer nur zum Bessern soll er werden,

„Er komme wie ein abgeschiedner Geist,

,,Zu reinigen die oft entweihte Scene

,,3um würd'gen Sig der alten Melpomene."

Im Göt von Berlichingen" hatte Goethe selbst das deutsche Schauspiel von jenem falschen Regelzwange be freit. Auch waren Iphigenie, Tasso, Schöpfungen, denen die Franzosen nichts Aehnliches an die Seite zu stellen hatten. Und nun suchte derselbe Goethe das französische Schauspiel hervor. Man glaubte allgemein, daß ihn dazu der Herzog veranlaßt habe. Dieser soll nämlich der Meinung gewesen seyn, deutschen Sinn und Geschmack dadurch noch mehr heben zu können. Unleugbar hatte auch das französische Schauspiel manche Vorzüge vor vielen deutschen Stücken. Schiller übersah diese Vorzüge nicht, er hebt sie ausdrücklich hervor. Indem er die Regeln des Anstands lobt und die Feinheit

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