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diese Briefe betrachtet wissen will, gibt er mit folgenden Worten näher an: „Skepticismus und Freidenkerei sind die Fieberparorysmen des menschlichen Geistes, und müssen durch eben die unnatürliche Erschütterung, die sie in gut organisirten Seelen verursachen, zuleht die Gesundheit befestigen helfen. Je blendender, je verführender der Irrthum, desto mehr Triumph für die Wahrheit; je quålender der Zweifel, desto gróßer die Aufforderung zur Ueberzeugung und fester Ge= wißheit." Und wirklich hat Schiller in diesen abgebrochenen, nicht fortgeseßten Briefen schon den Drang gehabt, sich über den Zweifel und die Resignation, selbst über die Schranken der menschlichen Erkenntniß zu erheben.

Im Glauben wird die Wahrheit noch als ein Jenseits vorgestellt, das erst kommen soll, als nicht im Bewußtsein gegenwärtig. Daher fehlt unserm Dichter, wenn nicht der Glaube, doch die Gewißheit seiner selbst im Glauben. Er fühlt, daß diese Gewißheit in der Gegenwart unerfüllt bleibt, und daß sie ihm in der Zukunft ganz und gar abgehen wird. Deshalb sehnt er sich nach der Vergangenheit, nach einer vergangenen Welt hin, nach den

„Göttern Griechenlands, “

die Zeit zurückwünschend,

,,Da der Dichtung zauberische Hülle

Sich noch lieblich um die Wahrheit wand," und Nichts heilig war, als das Schöne. Die Schönheit läßt kein Jenseits der Befriedigung zu, indem sie die Wahrheit in unmittelbar sinnlicher Anschauung und Vorstellung enthält. Was ist natürlicher, als daß das

dichterische Gemüth, das in der Welt unsers Glaubens nicht befriedigt wird, sich nach der antiken Welt des Schönen und der Kunst hinwendet, in welcher die Wahrheit in sinnlicher Form und Gewißheit gegenwårtig war. Aber diese Welt ist längst dahin:

,,Schöne Welt, wo bist du? Kehre wieder,
,,Holdes Blüthenalter der Natur!

„Ach, nur in dem Feenland der Lieder
,,Lebt noch deine fabelhafte Spur.“

Gegen diese Welt der Phantasie ist ihm unsre Welt prosaisch, und gråßlich, indem in derselben der Verstand herrsche, welcher die Natur entgöttert habe. Die Phantasie darf über den Untergang des schönen griechischen Lebens klagen; sie war die Seele dieses Lebens, der allgemein geistige Mittelpunkt seines Daseins. Das Schöne und die Kunst war die höchste Angelegenheit dieser Welt, die darin ihr Wesen anschaute und empfand. Aber die Schönheit mußte der Wahrheit weichen:

„Ale jene Blüthen find gefallen

,,Von des Nordens schauerlichem Weh'n;
,,Einen zu bereichern unter Allen,

"

Mußte diese Götterwelt vergehn.“

Und das mit Recht. Denn der griechische Gott ist, obwohl der Gott der Schönheit, noch nicht der Gott der Wahrheit selbst. Die schöne Gegenwart dieser Welt, ihre poetische Religion reicht für den Geist nicht aus. Sie kann Ersaß seyn für die Phantasie, ihre Heiterkeit kann bestechen, aber nicht wirklich versöh= nen. Dies kann nur unsre Welt des Geistes und der Wahrheit, welche, durch den Schmerz hindurchgehend,

viel tiefer zur Gewißheit führt. In diese Tiefe, in die Innerlichkeit der Gewißheit seiner selbst mußte er steigen, um die ersehnte Gewißheit und Ruhe finden zu können; um wirklich sich zu wissen, mußte er aus dem Schönen und dem Ideale in sich gehen. Die antike Welt fand an dieser Gewißheit des Geistes, an dem Gedanken ihren Untergang, sie konnte ihn der unsinnlichen Form willen nicht ertragen. Während der Gedanke sich als das Princip ihres Verderbens zeigte, wurde er aber das Princip der modernen Welt und ihrer Bildung. Das hohe Recht des Geistes war auf seiner Seite.

Graf Leopold Stolberg schrieb einen Fehde-Brief gegen die Götter Griechenlands. Wir lesen darüber in Schillers Leben von Caroline von Wolzogen Folgendes: Es war hart von dem so edeln Manne, eine poetische Ansicht und momentane Dichterlaune vor das strenge Forum der Orthodorie zu ziehen, wo er gewiß war, Plattheit und Beschränktheit als Mitstreiter zu finden, und unserm Freund auch in der Meinung gutmüthiger Schwachheit zu schaden. Er ließ sich wahrscheinlich von momentaner Empfindung, die die Folgen nicht ermaß, hinreißen. Was kann man einem Menschen Schrecklicheres Schuld geben, als ein Gotteslåugner zu seyn? Es zerstört seine ganze Menschheit in Vernunft und Empfindung. Die lehte Strophe dieses Gedichtes dünkte uns gerade sehr rührend durch die Sehnsucht nach dem Höchsten und Ewigen, die sie ausspricht.

Schiller war empfindlich bewegt; doch gab er zu unserer Freude die Idee in der ersten Aufwallung zu

antworten, auf, obgleich Wieland ihn dazu ermuntert hatte. Daß er in der spåtern Sammlung der Gedichte die anstößige Stelle umgestaltete, zeugt, wie sehr ihm daran lag, die bessere Ueberzeugung und das Heilige in keinem Menschenherzen zu beleidigen. Schon während des Rudolstädter Lebens vermied er dieses sorgsam. Mit meiner Mutter, die den schönen Glauben ihres liebenden Herzens doch an strenge dogmatische Formeln und Vorstellungsarten band, gab es oft kleine Streitigkeiten; aber auf dem Boden allgemeiner Güte und Liebe fand man sich immer wieder zusammen. Er schenkte ihr eine englische Bibel, und schrieb die Zeilen hinein:

,,Nicht in Welten, wie die Weisen träumen,

,,Auch nicht in des Pöbels Paradies,
,,Nicht in Himmeln, wie die Dichter reimen,
„Aber wir begegnen uns gewiß!“

In der Meinung, daß Schiller dem Grafen antworten werde, schrieb Wieland an ihn:

Mir ist es

lieb, daß Sie den platten Grafen Leopold für seine, selbst eines Dorfpfarrers im Lande Hadeln unwürdige Querelen über Ihre griechischen Götter, ein wenig heimschicken wollen. Ich hatte gehofft, der Mann würde sich seines Herrgotts in einer tüchtigen Ode, oder doch in einem archilochischen Jamben annehmen; aber er wird, wie es scheint, immer prosaischer, und es ist wirklich erbärmlich zu sehen, was er für Schlüsse macht. Aber so rächt sich die Philosophie an den Poeten, die von Jugend an ohne sie auszukommen sich gerühmt haben."

Bürger sagte Schillern in Weimar, daß er mehrere

Auffäße im Manuscript gelesen habe, die für die Götter Griechenlands gegen Stolberg Partei nåhmen und noch gedruckt werden würden. Er machte sich herzlich über Stolbergs Schwachsinnigkeit lustig, aber kämpfte für sein gutes Herz, das Einzige, was sich allenfalls noch retten ließe.

Es ist gar kein Unglück unterzugehen. Das Gegentheil würde vielmehr ein Unglück seyn, nicht untergehen zu können. Auch ist dies als Verdammniß, wie im ewigen Juden, vorgestellt worden. Wirklich geht kein Mensch, kein Volk trostlos unter, denn es geht im Geiste unter, und wird deshalb erhalten, verklärt. Das griechische Leben ist zwar nach seiner finnlichen Gegenwart nicht mehr auf Erden, aber seine Götter leben noch, und sein Geist wirkt in der Gegenwart fort. Die Geschichte reißt das Leben und den Geist nicht in den Abgrund, sondern nimmt seine ganze Erinnerung in die Gegenwart zurück, welche unsterblich, ewig ist.

,,Was unsterblich im Gesang soll leben,
,,Muß im Leben untergehn."

Zwar wird der Gedanke durch die Phantasie dem sinnlichen Stoffe vermählt. Aber wenn die Phantasie, wie der Gedanke, wissen, und erkennen will, wird ihr die Welt zur bloßen

„Größe der Welt,"

die in's Unermeßliche geht. Die Welt ohne Ende, die grenzenlose Welt, worin kein Markstein gefunden wird, ist der Gedanke der Phantasie, welcher aller Bestimmtheit ermangelnd, keine Wirklichkeit hat:

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