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wer auch nur Eine Seele

Sein nennt auf dem Erdenrund!

,,Und, wer's nie gekonnt, der stehle

,,Weinend sich aus diesem Bund!"

Wäre der Bund wirklich zur Freude gestimmt, so würde er auch Freude in seinem Kreise erwecken und vers breiten. Aber der Ton, welchen er anstimmt, ist gar zu ernst, und eher alle Freude zu entfernen, als zu erregen geeignet. Freuden, die aus der Erkenntniß der Wahrheit hervorgehen, aus dem Siege der Tugend, aus Muth im Unglücke und Leiden, aus der Versöh= nung mit Gott und der Welt, sind zu hoch und erha ben, als daß sie in einen geselligen Kreis gehörten; und den guten Geist hochleben lassen, ist nun ganz und gar überflüssig.

Auch ist die Veranlassung des Liedes an die Freude, der Sage nach, eine höchst traurige. Man erzählt nåmlich Folgendes: Schiller, welcher sich damals in Gohlis bei Leipzig aufhielt, hörte eines Morgens auf einem Spaziergange durch das Rosenthal in der Nähe der Pleiße aus dem Gebüsche leise Worte. Er trat nåher hinzu und vernahm das Gebet eines Jünglings, der schon den Obertheil des Körpers entblößt hatte, und, bereit in den Fluß zu springen, zu Gott um Verzeihung für diese Sünde flehte. Jener, bestürzt durch den Anblick eines Mannes, welcher in diesem fürchterlichen Augenblicke, wie von Gott gesandt, ihm in den Weg trat, erwiederte auf die Frage nach den Ursachen seines verzweifelten Beginnens: „Zwei Wege sind mir frei gelassen, mein Leben zu enden; denn entweder muß ich eines schmählichen Hungertodes sterben, oder aus freiem

Entschlusse eine schnellere und minder qualvolle Todesart wählen. Ich studire Theologie, habe seit einem halben Jahre nur trocken Brod gegessen und war zufrieden, dies wenigstens noch erhalten zu können. Aber jest leide ich auch hieran Mangel und sehe, aller Hülfe beraubt, keine andre Zukunft vor mir, als falls ich nicht selbst zuvor komme - in einigen Tagen vom Hunger aufgerieben zu werden." Schiller, selbst bedürftig, konnte für den Augenblick nicht helfen. Aber doch machte er dem armen Studenten Hoffnung, seine Lage verbessern zu können. Er gab ihm das wenige Geld, was er selbst noch hatte, und nahm ihm das Versprechen ab, binnen acht Tagen, während welcher Zeit der Unglückliche sein Leben von der geringen Summe fristen zu können versicherte, nicht wieder an die Ausführung seines freventlichen Entschlusses zu denken.

Einige Tage nach dieser Begegnung und darauf hatte der Dichter gewartet wurde in einer angesehenen Familie Leipzigs eine Hochzeit gefeiert, wozu man auch Schiller eingeladen hatte. Als nach einigen Stunden geselliger Unterhaltung und fröhlicher Scherze die Freude aufs Höchste gestiegen war, erhob Schiller sich, erbat sich auf wenige Augenblicke Stillschweigen, erzåhlte jenen Vorfall, hielt eine begeisterte Rede, nahm einen Teller und sammelte selbst von den Anwesenden Beiträge für den Armen. Die Spende fiel denn auch so reichlich aus, daß der junge Mann seine Studien ungehindert beendigen und nach Verlauf der academischen Jahre ein Amt antreten konnte.

Und voll Freude über das Gelingen seiner That foll Schiller das Lied an die Freude gesungen haben, worin

er, wie man sagt, seinen ganzen Charakter ausges sprochen haben will.

Daß so wenig Freude in diesem Liede laut wird, hat demselben die herbste Kritik zugezogen. In dem Schillerschen Gedichte an die Freude, sagt Jean Paul, fehen sich nicht bloß Todte an den Trinktisch, wie bei den Egyptern an den Eßtisch, sondern auch „Kannibalen“, „Verzweiflung“: das „Leichentuch“, der „Bösewicht", das Hochgericht" und aller möglicher Jammer ist zum Wegsingen und zum Wegtrinken eingeladen. Er, Jean Paul, würde aus einer Gesellschaft, die den herzwidrigen Spruch bei Gläsern absånge: Wer's nie gekonnt, der stehle weinend sich aus diesem Bund" mit dem Ungeliebten ohne Singen abgehen und einem solchen harten elenden Bunde den Rücken zeigen, zumal da derselbe kurz vorher Kuß und Umarmung der ganzen Welt zusinge und gleich darauf dem Todfeinde Verzeihung, und Großmuth dem Bösewicht nachsinge. Wie poetischer und menschlicher würde der Vers durch drei Buchstaben geworden seyn: „der stehle weinend sich in diesen Bund." Denn die liebewarme Brust wolle im Freudenfeuer eine arme erkältete an sich drücken. Man kann dieser Kritik schwerlich seine Zustimmung ganz versagen.

Hierzu bemerkt Jean Paul noch weiter, daß dies Lehrgedicht, so wenig es ein Singgedicht sey, gleichfalls auf Singnoten gebracht worden, weil die Tonkünstler so wenig ein Tert abschrecke, daß sie nicht nur Gedankenleere desselben, was verzeihlich wäre, sondern fogar philosophische Fülle tönen, und statt des Luftelementes das Aether- und Lichtelement sich schwingen

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laffen. Je poetischer und plastischer ein Gedicht sey, desto leichter nehme es, die Memnons - Bildsäule vom Lyra Phobus Töne an; daher Goethens Lieder, gleich sam wie in Italien die Opern, schon von Tonsetern für deren Bedürfnisse bestellt zu seyn schienen. Immer werde sich die ältere Sonnennähe der Dicht- und Tonkunst an der größeren neueren Entfernung Beider råchen.

Sicher eignen sich die Goethe'schen Lieder viel mehr zur Composition, als die Schillerschen, weil sie unmittelbar die Empfindung ausdrücken. Jean Paul nennt deshalb die Schillerschen Lieder gar nicht Lieder, sondern Lehrgedichte. Denn sie stellten nicht bloß die Empfindung dar, sondern Betrachtungen über dieselbe in guten Bildern. Sie sind zu inhaltsvoll, als daß fie leicht und gut zu componiren wären. Je weniger der Text besagt, desto mehr hat der Componist freie Hand, und desto selbstständiger kann er verfahren. Welche bedeutungslose und geringfügige Terte Mozart gewählt hat, weiß Jedermann. Die Schillerschen Lieder nehmen wegen ihres gewichtigen Inhalts den Geist schon für sich in Anspruch, sie regen zu sehr das Denken an, um für die musikalische Empfindung noch viel Zeit zu lassen. Wenn wir, Musik hörend, denken, so hören wir gewiß nicht viel davon. Allerdings drücken einige Lieder Schillers mehr oder wes niger die unmittelbare Empfindung aus. Im Ganzen aber sind und bleiben sie für den Componisten eine schwere Aufgabe. Zumsteg, Schillers Freund, Reichardt, Romberg und Zelter haben viele Schillersche Lieder componirt. Es ist bekannt, daß manche dieser

Compositionen Schillern selbst nicht gefielen, und, wie man aus dem Briefwechsel Zelters mit Goethe ersieht, auch jener häufig mit seinen Schillerschen Compositionen nicht recht zufrieden war, und mitunter darüber klagte, daß öfters das Versmaß bei Schiller von unendlicher Schwierigkeit für die Modulation wåre.

Wehmuth.

Freude und Leid wechseln im Gemüthe mit einander ab. Wir freuen uns entweder, oder sind be trübt in der Gegenwart. Diese vergeht, die Freuden und Leiden schwinden vorüber; aber wir erinnern uns derselben öfters gar zu gern wieder.

Wir können das Leid lieb gewinnen. Es muß alsdann vergangen seyn, weil Freude und Leid in der Gegenwart einander ausschließen. Mit der Erinnerung kommt es zur Einheit von beiden, zur Wehmuth. Auf die schöne Empfindung und Neigung folgte die Schwermuth, Zweifel und Resignation. Nun kommt die Wehmuth.

Nur was vergangen, was gewesen ist, ruft eine wehmüthige Empfindung hervor. Die Wehmuth will ein entschwundenes geliebtes Dasein, woran sie in der Erinnerung festhalten, was sie beklagen kann. In ,,des Mädchens Klage"

spricht sich dies aus:

Ich habe genossen das irdische Glück,
Ich habe gelebt und geliebet!"

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