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,,Freiheit ruft die Bernunft, Freiheit die wilde Begierde, „Von der heil'gen Natur ringen sie lüstern sich los."

Die Freiheit der Begierde ist aber, wie der Dichter sie vorstellt, zerstörend, indem sie die Sitten und Einrichtungen des Lebens, die dem Menschen zur andern Natur geworden sind, auflöst. Die Scham vor dem Geseze entflieht, wenn der natürliche Wille losbricht, wenn der Eigenwille aus dem geselligen Menschenleben zur Natur zurückkehren will. Die Natur, zu welcher er zurückkehrt, ist die unheilige Natur, die mit der wahren Freiheit im Widerspruche ist; heilig ist sie, wenn der Mensch zu ihr nicht als solcher zurückkehrt, sondern sie zum Geiste erhebt und in seine Freiheit aufnimmt.

Hin und wieder werden diese Betrachtungen des Dichters über das Leben von seiner Sympathie mit der Natur unterbrochen. Erst am Schlusse des Ganzen kehrt sein Gemüth zum unmittelbaren Naturgefühle zurück. Wie im Anfange schaut er zuleht wieder die Ruhe an, nachdem er die Einheit des Menschen mit der Natur betrachtet, seine Entfremdung von ihr und den Wechsel des Menschenlebens vorgestellt hat:

,,Ewig wechselt der Wille den Zweck und die Regel, in ewig
,,Wiederholter Gestalt wålzen die Thaten sich um.

,,Aber jugendlich immer, in immer veränderter Schöne
,,Ehrst du, fromme Natur, züchtig das alte Gesck;
„Immer dieselbe, bewahrst du in treuen Hånden dem Manne,
Was dir das gaukelnde Kind, was dir der Jüngling
vertraut,

,,Nährest an gleicher Brust die vielfach wechselnden Alter;
„Unter demselben Blau, über dem nåmlichen Grün
„Wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Ge-
schlechter,

,,Und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt auch uns.".

Schiller hielt den Spaziergang, früher,,Elegie" überschrieben, für eins seiner gelungensten Gedichte. Es warte nicht erst, schrieb er an Humboldt, die Stimmung ab, worin es gefalle, sondern bringe dieselbe hervor, was doch wohl das sicherste empirische Kriterium für die Güte eines Gedichtes seyn dürfe. Die Elegie gefalle in jeder Gemüthslage, was ihm in diesem Maße mit keinem seiner anderen Gedichte begegnet sey; er be sinne sich auf dasselbe immer mit Vergnügen, und nicht mit einem müßigen, sondern wirklich schöpferischen Vergnügen, indem es seine Seele zum Hervorbringen und Bilden anrege. Sein Dichtertalent habe sich in diesem Stücke erweitert und in keinem so sehr das Gemüth als eine Kraft gewirkt, und sey der Gedanke so poetisch durchgeführt worden; die Phantasie würde darin von der Anschauung der Natur getragen und die Gedanken liefen an derselben fort. Der gute Eindruck, welchen die Elegie überall machte, dürfte gleichfalls ein Maßstab für ihren Werth seyn: Herder, Goethe, Meyer wurden ungewöhnlich davon ergriffen. Man würde beinahe eine vollständige Repräsentation des Publikums herausbringen, wenn man Humboldt, dessen Frau und Körner dazu nåhme. Humboldt wurde unter allen Gedichten Schillers ohne Ausnahme am meisten von der Elegie angezogen. Er fand darin den reichsten Stoff, und nach seiner Ansicht der Dinge denjenigen, welcher ihm am meisten am Herzen lag. Es wäre darin das Höchste, was ein Mensch zu denken vermöchte, Natur und Menschenleben, in Eins vereinigt und verknüpft. Insbesondere gefielen ihm die so wahren, schönen und erschöpfenden Bilder; auch bewunderte er die lebendige

Einheit und Durchdringung des Stoffs und der Form. Erst und zuleht die große Natur, in der Mitte die menschliche Kunst, zunächst an der Hand der Natur und dann sich selbst überlassen. Anfangs lade die Phantasie freundlich ein, aber das Schauervolle der darauf folgenden Veränderungen bereite zu größerem Ernste vor und mache die Folge noch überraschender. So lange der Mensch in großer Einfachheit der Natur getreu bleibe, brauche sich der Blick nicht auf einzelne Gegenstände zu verbreiten. Mit der Bildung aber, die nun folge, müsse sich die Aufmerksamkeit auf die mannichfaltigsten Gegenstände des gebildeten Lebens und ihrer vielfachen Wechselwirkungen zerstreuen. Der Blick auf das lehte Ziel der Menschheit, auf die Sittlichkeit, sammle den herumschweifenden Geist wieder auf einen Punkt, indem er bei der Verwilderung des Menschen zur rohen Natur wieder in sich zurückkehre und die AufLösung des Widerstreits in einer Idee aufzusuchen getrieben werde. Nur konnte Humboldt sich nicht in das frühe Ausgehen von sinnlichen Gegenständen finden ; aber Schiller vertheidigte sich dagegen mit den Worten, daß das Gemüth nicht eher in sich selbst versinken dürfe, bis das Verderben angehe, und die Natur auf einmal als Wildniß dastehe. Er håtte vielleicht noch mehr aus der finnlichen Anschauung nehmen können, womit denn jede Spur eines Plans verschwunden wäre.

Herder betrachtete die Elegie als eine Welt von Scenen, als ein fortgehendes, geordnetes Gemälde aller Scenen der Welt und Menschheit. Wenn sie gedruckt sey, schrieb er an Schiller, wolle er sie an die Wand schlagen, und sie solle ihm eine Landcharte seyn. Der

Faden, der durch das Labyrinth führe, sey zwar sehr leise gezogen, man komme indessen mit ihm durch. Die Verse fand er sehr gut gearbeitet, und die Sprache nannte er ungeheuer glücklich. Die wildesten Stellen wären bis zum Erschüttern wahr und so neu gesagt.

Auch der Coadjutor von Dalberg, nachmaliger Fürst Primas, fand die Elegie höchst malerisch, rührend und geistvoll. Es dünkte ihm, sie erstiege allmålig die Höhen des lyrischen Gesanges, welcher im gedrängten Blicke das Unermeßliche darbietet und dann den rauschenden Strom über Klippen und Felsen hinabstürzt; aber bald lenkte der sanftere Pfad wieder in das mildere begrenzte Thal der Elegie zurück.

Das Lied von der Glocke"

ist das Lied vom Leben. Unser Gemüth wird darin gleichfalls, wie in der Elegie, durch mancherlei Stimmungen hindurchgeführt. In der Elegie knüpfte sich die lyrische Betrachtung an die Naturanschauung, aber in dem Liede von der Glocke rufen Töne dieselbe hervor. Der Ton gehört der Empfindung an, geht auf's Innere, ist nicht so äußerlich, wie die Anschauung, sondern dringt in die Seele. Wie deshalb in der Elegie die Anschauung, das Objektive, ist in der Glocke die Empfindung, das Subjektive, das Princip. Aus diesem Grunde ist in jener vorzugsweise die antike Welt der Inhalt, während in dieser mehr die moderne Welt und ihr Leben hervortritt. Darum auch die größere Lebendigkeit und Beweglichkeit in dem Liede von der Glocke, und der Wechsel des Sylbenmaßes, welcher in der Elegie nicht gefunden wird.

Unser Dichter hat mit der Ueberschrift zugleich den Text des Liedes angegeben:,,Vivos voco. Mortuos plango. Fulgura frango," Worte, die man an der großen Glocke im Münster zu Schaffhausen lieft. Sie drücken kurz die Bedeutung der Glocke für das Menschenleben aus. Die Glocke tint in's allgemeine Leben hinein und mahnt uns daran, daß wir Glieder einer höheren Gemeinschaft sind. In den Wochentagen dienen wir der Noth, aber an Sonn- und Feiertagen machen wir uns frei von endlichen Zwecken. Diese Empfindung für höhere Zwecke schließt der Ton der Glocke in unserm Gemüthe auf.

Die Glocke hångt hoch im Thurme des Doms. Dieser steigt mit seinen Fenstern und Spitbögen in die Höhe, die Säulen und Säulenwände schießen schlank empor, bis sie auseinander schlagen und sich veråsteln, um das Dach zu wölben. Der Dom vereinigt alle Künste in sich; Skulptur und Malerei schmücken Säulen und Altåre, und Musik ertönt in seinem Innern. Gemalte Fenster halten das äußere Tageslicht ab und werfen farbige Lichter in seinen inneren Raum zurück. Er ist deshalb ganz dazu gemacht, uns innerlich zu stimmen, indem er alle Aeußerlichkeit der Natur und ihrer Anschauung entfernt. Dies ganze, große, schön - erhabene Kunstwerk ist ein Sinnbild des zum Himmel strebenden Geistes. Wegen dieser Innerlichkeit der Empfindung, die er anregt, darf die Glocke, deren Ton gleichfalls auf das Innere geht, nicht fehlen.

Im Dome ist Alles, was den Menschen umgibt, seiner Hånde Werk, nichts unmittelbar Natürliches mehr;

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