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Früher war der Gegensas der Leser mehr unbefangen, da hieß es, Schiller ist der Dichter der Jugend und der Frauen, Goethe der Dichter des gereiften Mannesalters. Man war darüber einig, daß Beide große Dichter wären und die Gabe hätten, das menschliche Herz im Innersten zu rühren. Es ist billig, daß man jeden auf seinem Standpunkte, und nach seiner eigenthümlichen Bildung erfasse. Und eher, als man nicht jedem fein Recht wiederfahren läßt, ist an keine wahre Würdigung und Erkenntniß zu denken.

Die entgegengesetten Ansichten haben ihren lehten Grund in dem Unterschiede beider Dichter selbst. Aber ins Extrem gehend verliert der Unterschied seine Bedeutung. Ob wohl ein nicht zu verkennender Unterschied, ist derselbe doch kein firer, fest bestimmter Gegensas. In jedem wirklichen Unterschied ist die innere Möglichkeit einer Beziehung und damit selbst der. Einheit enthalten. Und dies ist der Grund, warum beide Dichter, ungeachtet ihrer verschiedenen Natur, sich zu einander hingezogen fühlten. Sie haben über ihren Unterschied so= wohl, als ihre Einheit und Uebereinstimmung, das tiefste Bes. wußtsein gehabt.

Ein Unterschied zwischen Goethe und Schiller ist von Kindheit an unverkennbar. Aber beide haben doch gleich was mit einander gemein. Es ist das, was Goethe eine Natur nennt. „Er ist eine Natur“ galt in Goethes Munde für ein bedeutsames Lob. Wenn von Menschen die Rede war, die keine wahrhafte Naturanlage hatten, dann feufzte er, und sprach : ,,Wenn sie doch nur das Herz hätten, einen einzigen dummen

Streich zu machen!" Schiller war eine solche Natur durchaus. Nichts," sagt Goethe,,,genirt ihn, nichts engt ihn ein, nichts zieht den Flug feiner Gedanken herab, was in ihm von großen Ansichten lebt, geht immer frei heraus, ohne Rücksicht und Bedenken. Das war ein rechter Mensch, und so follte man seyn. Wir andern dagegen fühlen uns immer bedingt, die Personen, die Gegenstände, die uns umgeben, haben auf uns ihren Einfluß; der Theelöffel genirt uns, wenn er von Gold ist, da er von Silber seyn sollte, und so durch tausend Rücksichten paralyfirt, kommen wir nicht dazu, was etwa Großes in unserer Natur seyn möchte, frei auszulassen. Wir sind Sklaven der Gegenstände und erscheinen geringer oder bedeutend, je nachdem uns diese zusammenziehen, oder zur freiern Ausdehnung Raum geben."

Goethe sagt, daß er nur in Rom empfunden habe, was ein Mensch sey. Zu dieser Höhe, zu diesem Glücke der Empfindung wäre er nie wieder gekommen; er wåre, nach seinem Zustande in Rom verglichen, eigentlich nachher nie wieder froh geworden. Es scheint so, als wenn, was Goethe einen rechten Menschen, eine Natur nennt, mehr im Süden als im Norden, und auch mehr im Süden unsers Vaterlandes gefunden würde. Im Norden ist alles zu conventionell, und das Leben von tausend Rücksichten eingeengt, die die Menschen von einander sondern. Alles ist Reflexion. Im Süden dagegen ist das Leben poetischer. Wo das Allgemeine so sehr erstarkt ist, als im Norden, kann das Eigenthümliche und Individuelle sich nicht so frei und selbstständig gestalten und ausbilden. Im Norden wird der Mensch gebildet, wovon die Folge ist, daß

fast alle gleich gebildet, fein gebildet find. Im Süden dagegen bildet sich der Mensch mehr aus sich heraus, dort ist das ganze Leben, Natur und Sitte der Entwickelung und freien Ausbildung günstiger. Schiller vermißte dies schon, als er nur nach Sachsen kam, und empfand das schmerzlich:,,Die Weimarsche Welt," klagte er,,,wirkt im Ganzen mehr bildend als belebend auf mich. Der Ton der Gesellschaft ist kritisirend, mehr abweichend als entgegenkommend. Von rheinischer Liberalitåt und schwäbischer Herzlichkeit ist wenig zu finden.“

Wer weiß nicht, daß Schiller fast ein Opfer der Schulzucht geworden wäre, håtte seine Natur nicht mit allen Kråften dagegen angekämpft. Er war als Kind ein launiger, kecker Junge, voll Muthwillen, bis man seine röthlich blonden Locken in einen Zopf band. In der Schule war er fleißig, aber las doch Gedichte lieber, als daß er sich auf seine Lectionen vorbereitete. Das zog ihm manchen Verweis zu, woran er sich jedoch wenig kehrte. In Ludwigsburg sah er zum ersten Mal ein Theater, was seine Phantasie in einem so hohen. Grade erregte, daß alle seine Kinderspiele diese Richtung nahmen. Er liebte nun nichts so sehr, als das Schauspiel und das Romantische. Der arme Junge! Auf Veranlassung des Herzogs Karl sollte er bald darauf in die Academie gesteckt werden. Nun bestimmte er sich zuerst für die Rechtswissenschaft, nothgezwungen; alsdann, auf den Wunsch des edlen Herzogs, der es wohl mit ihm meinte, für die Medicin, wider seine Neigung ebenfalls; am liebsten wäre er Theolog ge= worden. Es scheint aber, daß er eigentlich nicht recht wußte, was er werden sollte; er wurde nur etwas, weil er mußte.

Die Karlsschule war militärisch eingerichtet, und diesen Zwang konnte. Schiller nicht vertragen. Er gab wenig auf sein Aeußeres, so daß, wenn's zum Effen ging, sein Stubengenosse häufig die Bemerkung machen mußte: „Uber Friß, wie siehst du wieder aus!" worauf er alsdann antwortete: „ich wollte, daß der verdammte Zopf zum Henker wäre!“ Er hatte auch gar nicht das Geschick und Talent, ihn zu drehen. War das nicht genial? darf man nicht kühn behaupten, daß mit. dem Zopf das heilige Römische Reich zu Grunde ging, und die Wolfische Philosophie? Und sicherlich hat Schillers ächt romantisches Gesicht erst den schönen, eigenthümlichen Ausdruck erhalten, als das Haar frei in Locken das Haupt herunter ringelte.

Oft sprang er, von irgend einem Gedanken, einer Idee angeregt, aus dem Bette, und machte alsdann die Nacht zum Tage. Die Zöglinge der Academie durften jedoch nur bis zu einer bestimmten Stunde Licht brennen. Deshalb stellte er sich wohl krank, um in dem Krankensaal die Vergünstigung einer Lampe zu genießen. Er überließ sich nun seiner Phantasie und dichtete, damals schon an den Räubern. Nun geschah es wohl, daß der Herzog selbst den Saal visitirte, wo alsdann die Räuber unter den Tisch flogen, und ein medicinisches Buch aufgeschlagen da lag, um ihn glauben zu ma= chen, wie eifrig er seine Wissenschaft studirte. Auch soll er während diesen nächtlichen Arbeiten mehr Wein getrunken haben, als sonst, und soll, wenn's am andern Morgen in Reih und Glied zur Tafel ging, mitunter nicht gut haben Schritt halten können.

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Streicher, in Schillers Flucht von Stuttgart nach Mannheim, gibt uns ein Bild der Persönlichkeit Schillers zu dieser Zeit, indem er ihn beschreibt, wie er während einer Prüfung in der Academie, und in Gegenwart des Herzogs einem Professor opponirte. Die röthlichen Haare Schillers, die gegen einander sich neigenden Knie, das schnelle Blinzeln der Augen, wenn er lebhaft opponirte, das öftere Lächeln während dem Sprechen, besonders aber die schön geformte Nase, und der tiefe, kühne Adlerblick, der unter einer sehr vollen, breit gewölbten Stirn hervorleuchtete," kurz die ganz eigenthůmliche Erscheinung der Persönlichkeit Schillers machte auf ihn einen unauslöschlichen Eindruck. Ferner: „das anfänglich blasse Aussehen, das im Verfolg des Gesprächs in hohe Röthe überging, die kranken Augen, die kunstlos zurückgelegten Haare, der blendend weiße, entblößte Hals, gaben ihm eine Bedeutung, die eben so vortheilhaft gegen die Zierlichkeit der Gesellschaft abstach, als seine Aussprüche über ihre Reden erhaben waren. Mit dem seelenvollsten, anspruchlosesten Gesicht lächelte er jedem freundlich entgegen, und die schmeichelhaften Anreden erwiederte er nur ablehnend, mit der einnehmendsten Bescheidenheit. Nie kam ein Wort über seine Lippen, das das zarteste Gefühl håtte beleidigen können.“

Schiller soll hier Goethe zuerst auf der Academie in Beglei= tung des Herzogs gesehen haben. Da er aber noch auf der Bank saß, durfte er ihn nur still anblicken. Er entsagte zwei Jahre lang aller Poesie, um sobald als möglich Arzt zu werden. Bald nachher wurde er auch als Regimentsarzt ange= stellt, und ließ nun die Räuber drucken, auf eigne Kosten,

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