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Eine Offenbarung nennt das göttliche Wort jedwede Erscheinung des Auferstandenen. Jegt ist es nicht mehr die eigentliche Heilandsarbeit, die der Erlöser vollbringt; mit dem Rufe: „es ift vollbracht“, ist diese Arbeit, dieser Dienst geschlossen; Christus ist durch das Gesez dem Geseze gestorben, sein Kreuz hat ihn geschieden von dem Bolke, das gerufen hatte: „sein Blut komme über uns und unsere Kinder". Nun weilt er nur noch unter seinen Jüngern, lebt nur noch für sie und die durch sie gläubig werden; ihnen offenbart er sich in der Vollendung seines Lebens. So ist auch die Art seines Darstellens nicht mehr ein einzelnes Werk oder Wunder, sondern die volle, in Einen Anblick zusammengedrängte Entfaltung seiner sieggekrönten, verklärten Heilandsgestalt.

Unter den ersten, denen sich der Auferstandene offenbarte, begegnet uns Maria Magdalena. Und da ist es nicht allein unser menschliches Mitgefühl, das uns auf dem Bilde der suchenden und findenden Maria verweilen heißt, sondern vor allem die Theilnahme für unser eigenes Heil, für die großen Fragen unsever Seele, welche das gelesene Evangelium uns bedcutsam macht. Der Auferstandene, der sich einer suchenden Seele offenbart, von einer suchenden Seele sich finden läßt, das ist ein Bild, welches uns alle angeht, ein Bild, das wir beschauen wollen, damit wir finden, so wir noch nicht gefunden haben, damit wir um so weniger in Gefahr sind, zu verlieren, wenn wir zum wahrhaften Besit des Heils gekommen sind.

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1. Maria Magdalena kommt in der Frühe an das Grab,

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um nach dem zu sehen, den sie in dasselbe gelegt haben. Glaube und Dankbarkeit treiben sie an. War er es nicht, den sie nun im Grabe vermuthet, welcher sie einst aus der Tiefe der Sünde gezogen, welcher aus ihr die bösen Geister getrieben, aus dessen Mund sie die Lebensworte vernommen hatte: gehe hin in Frieden, deine Sünde ist dir vergeben, dein Glaube hat dir geholfen"? O, einft kam sie, des Heilands Füße mit Thränen zu negen, ihr altes Sündenleben in den Tod zu geben, um ein neues Leben der Gerechtigkeit und des Friedens von ihm zu empfangen;

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jegt kommt sie wieder in den ahnungsvollen Schauern des Ostermorgens, gezogen von der Liebe zu ihrem Retter, ein Opfer des Dankes und der Liebe zu bringen. Sie kommt ohne Rücksicht auf Gefahr und Mißdeutung, eben so gewiß, das neue Leben, das sie aus Christi Macht empfangen, sei keine Täuschung gewesen, als in niederbeugender Verwunderung, wie ein solcher Herzog der Seligkeit ein Kreuz und ein Grab finden konnte. Trauernd kommt fie, mit keinem andern Gedanken, als: „wo. haben sie ihn hingelegt?" Rach einem Gestorbenen sucht sie, um einen Gestorbenen weint sie. Das ist Maria's Bild am frühen Ostermorgen.

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Es ist das Bild so mancher Seele in der Gemeinde der Gläubigen auch jezt noch. Es hat die Seele die Gnade ihres Heilands einst erfahren, sie kennt den Augenblick, wo sie ihren Erlöser gefunden, wo sie seine Stimme gehört hat: stehe auf, gehe hin in Frieden, deine Sünden sind dir vergeben“. Sie braucht nicht in solche Tiefe äußerer Sünde gefallen zu sein, wie Maria Magdalena, sie weiß es doch, wie so manche böse Geister in ihr wütheten, Geister verborgener Lust, des Neides, der Eitelkeit, der Hoffarth, sie weiß, wie dieselben nun ausgetrieben find vor dem allmächtigen Dräuen deffen, der noch immer umherzieht in seinem Wort und seinem Geist und wohlthut. Da ist sie voller Entzücken, ja wie trunken vor Freude und schaut wie in einen ewigen. Himmel hinein. Aber siehe, es kommen auch andere Stunden, Stunden der Trauer und der Angst; je höher zuvor :das- Entzücken, desto tiefer nachher die Verlassenheit; je größer zuvor die Fülle der Freude, desto größer nachher die Öde des leergewordenen Herzens. Da ist es, als liege der Heiland der Seele in eis nem Grabe, er scheint ihr gestorben, scheint ferne, sie allein, ohne Halt, ohne Kraft, ohne Troft. Da geht sie aus und sucht und weint, ach oft fann fie nicht einmal weinen, oft sucht sie thränenlos, aber nur um so beschwerter und jammernder..

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Wie aber, ist solches Suchen und Weinen nicht auch oft bei solchen Seelen, die zwar den Namen ihres Heilands fennen, aber seine eigentliche Macht noch nicht erfahren haben? Wie manchen möchten wir fragen: hast du noch niemals eine Stunde gehabt,

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wo es dir nicht anders zu Sinne war, als suchtest du etwas? Du konntest nicht sagen, was; aber es war dir unruhig im Herzen, du fühlteft dich nicht befriedigt, und doch fehlte dir nichts, was man wohl sonst schäßt, Gesundheit und Ehre und Auskommen und Wirksamkeit im Berufe. Hast du noch keine Augenblicke gehabt, wo es dich übermannte mit unwiderstehlicher Macht des Schmerzes? Und doch hattest du nichts zu klagen, was sonst wohl Thränen auss preßt, aber du hattest ein Gefühl, als wäre dir etwas genommen, was dir ursprünglich zugehörte. Was suchest du? Ach, dieser Schmerz und dieses Suchen deutet dir die leere Stelle in deinem Leben an, welche dein Heiland auszufüllen bestimmt ist; es ist das Klopfen des Herrn an der Pforte deines Herzens, da er Einlaß begehrt und Wohnung machen will in dir. Es ist der Zug des Vaters zum Sohne.

II. „Wen suchst du, warum weinest du?" Mit diesen Worten redet der Auferstandene Maria an. Aber diese erkennt ihn nicht, sie meint, es sei der Gärtner. Hat die Angst und der Schmerz ihre Augen verhüllt, oder war es die verklärte Gestalt des Herrn, die ihren Blick blendete und verwirrte? So hat die suchende Seele den Heiland oft in ihrer Nähe und sie ahnt es nicht, obschon sie wissen sollte, daß des Heilands eigentlichstes Amt ist, Weinende zu trösten, Suchenden sich anzubieten. Freilich in gar unscheinbarer Gestalt tritt er oft entgegen; sein Wort, in welchem er zu uns redet, hat nichts von menschlicher Kunst und Pracht an sich; sein Reich, das er bringt mit seinen Gütern, Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, Frieden, Troft und Leben, ist unter uns mit so wenig scheinbaren und äußerlichen Geberden. Da kom men wir mit unsern hochgehenden Gedanken, mit der Überschwänglichkeit unserer Gefühle und den Bildern unserer Phantasie, und wenn uns das einfache, nüchterne Wort entgegentritt, dem man es anmerkt, wie es nicht schmeicheln, sondern dienen, arbeiten, den Boden des Herzens auflockern, neues Leben einpflanzen will, so ers kennen wir es oft so schwer in seiner göttlichen Kraft und Weisheit. Darum weisen wir auch manches Wort des Trostes ab, weil wir nicht wissen, daß es ein Wort des Herrn sei, oder wir verwandeln das gehörte Wort in unsere eigene Stimmung, also,

daß es seine eigenthümliche Kraft verliert, gleichwie dort Maria, als sie in den Garten tritt, den nahetretenden Heiland in die Ges stalt der dortigen Umgebung hüllt. So suchen wir in der Ferne, was wir in der Nähe haben könnten.

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III. Folgen wir nun dem weiteren Gange des Evangeliums. Der Auferstandene öffnet seinen Mund und ruft: „Maria!“ Nur dieß Eine Wort und an dem Einen Wort erkennt ihn die Suchende. Es war wohl das Wort, mit dem er sie oft mochte angerufen haben. So hatte er sie wohl angeredet, als er ihr die frohe Botschaft verkündete: deine Sünden sind dir vergeben“; so mochte er sie aufgerufen haben zu neuem Frieden, wenn sie unter der Last der Erinnerung niedersinken wollte; so mochte er sie ers muntert haben, auf dem Wege der Heiligung fortzuwandeln, ermuntert zur Übung der Gottseligkeit, zur Nachfolge seiner selbst, zu selbstverläugnendem Wandel. An diesem Worte erkannte sie ihren Herrn wieder, sie hatte ihren Heiland wieder gefunden.

Also bietet sich noch jezt der Heiland jeder suchenden Seele dar. Er ruft sie bei ihrem Namen. Name ist hier Bezeichnung für unser eigenstes, persönlichstes Leben. Christus ruft uns bei unserem Namen zum Zeichen, daß wir sein Eigenthum sind, daß wir in einem unmittelbaren, ursprünglichen Verhältniß zu ihm stehen. Hat er uns nicht schon alle bei unserem Namen gerufen? Hat er nicht den Bund des Heils mit uns geschloffen? Als wir in den ersten Tagen unserer Kindheit ihm dargebracht wurden, als wir in seinen Namen und in ihm in des Vaters und des heiligen Geistes Namen getauft wurden, da erhielten wir ja auch einen Namen. Sell dieß nur für die Welt gelten? Nein, dieser Name soll uns ein Zeugniß sein für unsere Einverleibung in die Gemeinschaft, deren Haupt Er ist; er soll der fortwährende Ruf an uns und zugleich Siegel sein, daß wir sein Eigenthum sind. O, möchten wir ihn einst wiederfinden geschrieben im Buche des Lebens! Auf jenem Rufe beruht das unumstößliche Fundament evangelischen Troftes. Mögen alle Schrecken der Verlassenheit auf eine fuchende Seele fallen, mag sie ihren Heiland fern von sich fühlen: das ist ihr Troft und ihr Halt, daß sie sich sagen kann: er,

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der Retter und Friedensbringer, hat mich einmal gerufen und den Bund der Gnate mit mir geschlossen; er aber ist treu, er kann sich selbst nicht läugnen, er stößt niemand hinaus. Und kann es mein Herz auch nicht fassen und bewahren: er ist größer, als mein Herz, er umgiebt mich mit seinem Schirme, obschon mir selbst oft unfühlbar; er hält mich an dem starken Seile seiner Liebe, das meine stärksten Zweifel nicht durchschneiden können!

Auf den Ruf des Auferstandenen antwortet Maria: Rabbuni, d. i. Meister, Lehrer, Hirte, Vorbild, Herr — solches alles liegt in diesem Worte. Sie erkennt sich in dieser Antwort als sein Eigenthum, als eine treue, ihm nicht zu entreißende Jüngerin. Sie bekennt es auf's neue, daß er als Meister sich bewährt, als Retter der Seele aus den Banden der Trauer! O Heil uns, wenn sich solch ein Wechselgespräch gebildet hat, daß der Heiland uns bei unserem Namen ruft und wir ihm antworten können mit dem Dankeswort: Herr, mein Meister! Da hat die Seele gefunden, was sie gesucht, und es sind nicht mehr Thränen der Sehnsucht, die geweint werden, sondern des Dankes und der Freude.

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IV. Und als nun Maria ihren Herrn wieder erkennt, wie drängt es sie da, niederzufallen und des Auferstandenen Knice zu umfassen und ihn anzubeten! Er aber spricht: „rühre mich nicht an, denn noch bin ich nicht aufgefahren zu meinem Gott und Vater!" Woher dieses, Gel.? Hat der Auferstandene nicht einem Thomas ausdrücklich geboten, seine Hände zu legen in seine Nägelmale? Warum hier das Gegentheil? Hatte Maria doch einft, ohne daß er es wehrete, im schnellen Drange ihres Gefühls seine Füße berührt und mit ihren Thränen beneßt! Aber eben solch' einen schnellen Drang des Gefühls will der Herr nicht; er be gegnet der Gefahr, die gerade einer Maria so nahe lag, daß sie sich an dem Bilde des Auferstandenen als an etwas Sichtbarem hielt, an das Äußere und Sichtbare ihre Liebe fast verschwendete. Darum spricht er: es ist nicht mehr mein Leben im Fleische, auf welches es jegt ankommt, ich werde ja doch bald von hinnen gehen, und du wirst mich nicht mehr sehen; aber es ist dieß auch nicht nöthig, denn es gilt auch dir, was allen Jüngern gesagt ist: ich

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