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handelt, um einen Gottesdienst, da wird noch mehr verlangt, als nur in einem einmaligen Besige oder gar nur in einem fernen Anschauen der Wahrheit zu stehen. Da heißt es vielmehr: bewähre den Besit durch die That. Denn die Wahrheit hat man nur so lange, als man sie übt; die Wahrheit hat man nur, wenn sie uns besigt, uns durchdringt, in uns lebt und webt. Ach, unser menschliches Herz wie ist es doch der mannigfachsten Berückung ausgeseht! Ist es uns klar, daß es unserer unwürdig sei, unsere Kenntnisse zu behandeln nur als ein gemeines Mittel zu unserem äußeren Bestehen; ist in uns eine ernste Frage nach der Wahrheit erwacht; wissen wir auch, diese Wahrheit ist nur in Gott und Gott ist die Wahrheit: auch dann ist noch nicht alle Gefahr überwunden, ein arger Zauber vermag dann immer noch unsere Seele zu umstricken. Denn selbst die Wahrheit kann man mit unreiner Liebe umfassen; man kann sie ausehen, als müßte sie in unsern Dienst eingehen, statt daß wir in ihren Dienst zu treten haben; man kann allmälig sein eigenes Bild in sie hineintragen; und stehe, es tritt dann an die Stelle des vernünftigen Gottesdienstes der ewigen Wahrheit der unvernünftige Gögendienst eines vergänglichen Menschenbildes, das wir selber sind, der entnervende Gözendienst unseres eigenen Ich. D, Gel., wie nöthig ist es daher, daß wir hören auf den betenden Heiland, wenn er auch über uns seine weihenden Hände emporhebt und seinen Mund öffnet und spricht: Heilige sie in deiner Wahrheit!" Ja, das ist die Sache, das Geheiligt werden in der Wahrheit Gottes! Denn diese Wahrheit findet man nicht auf offener Straße; sie ist eine vor der. Welt verborgene Weisheit, fie ruht in ewiger Stille, sie leidet nicht das tobende Geräusch der Welt, nicht die aufbraufende Leidenschaft, nicht die Fluth der Genüsse, nicht den Leichtsinn schneller Gedanken. Es ist etwas Heiliges um die Wahrheit, sie ist abgesondert von der Welt und ihrer Gemeinschaft.

Von dieser Heiligkeit der Wahrheit mußt du dir das Herz durchdringen lassen; o, wie ganz anders wirst du deinen Dienst, deinen Berufskreis dann ansehen! Du wirst es empfinden, wie die Seele geadelt wird in dem Umgange mit der Wahrheit, wie

dieselbe allen Geschmack an dem Gemeinen verleidet. Wer solche köstliche Schäße gefunden hat, wie die der Wahrheit sind, was kümmert den, was die Welt als ihre Schäße darbietet, „FleischesLust, Augenlust, hoffärtiges Leben?" Wer eine solche Liebe, folch' eine heilige keusche Liebe gefunden hat, wie die zur Wahrheit ist, was lockt den die falsche, unreine, selbstsüchtige Liebe der Welt? Wer der Wahrheit in das Auge fieht und in ihrem Herzen liest, was wird der sich bezaubern lassen von der Welt, die der Eitelkeit unterworfen und der Lüge anheim gegeben ist? Wohl wirst du auch empfinden, daß du in solcher Heiligung nicht stolz und spröde der Welt dich gegenüberstellen darfst; nicht blos geadelt sollst du sein in der Wahrheit Gottes, sondern geheiligt, zu einem Priester gemacht, und eines Priesters Sache ist es, in Selbstverläugnung zu dienen. Von,,Priestern der Wissenschaft“ spricht man; nun denn, da gilt es, die erkannte Wahrheit auch auszusprechen und lebendig zu gestalten; was die Wahrheit in das Ohr gesagt, von den Dächern zu verkünden; innerlich fremd der Welt doch in ihr zu stehen und - jeder an seinem Theile zu wirken, daß diese zum Reiche Gottes werde, mit barmherzigem Sinne auf sie einzugehen, eingedenk, wie ja auch sie zur Wahrheit geschaffen ist, wie auch sie verklärt werden soll in der Kraft und in dem Frieden der ewigen Wahrheit. Ja, geheiliget sollen wir alle in der Wahrheit werden; es sei die Wahrheit nicht ein Gesez außer uns, sondern ein Gefühl in uns; sie sei der Lebenshauch, der uns durchdringt, die Gottesfülle, die uns erfüllt, die Salbung, die über uns ausgegossen ist, die Kraft, die uns trägt und hebt, sie sei die Seele, die in uns lebt und webt, daß wir sagen müssen: wir können nichts wider die Wahrheit, sondern für die Wahrheit" (2 Cor. 13, 8.).

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So bete denn heute ein jeder, der berufen ist in unserem Kreise zu leben, sei es als einer, der das Wort der Wissenschaft theilt, sei es, daß er als Hörer dieses Wortes lerne und førsche. Es bete jener, der das Amt der Wissenschaft übt: „Herr, mein Gott, heilige mich in deiner Wahrheit; laß es mich nicht vergessen, wie ich Rechenschaft ablegen muß von jedem Worte, das ich

rede; laß mir Wahrheit, deine Wahrheit das erste Gesey sein, und daß ich sie, die heilige, auch in heiliger Weise ausspreche, daß ich ihren Ernst bedenke, daß ich nicht wähne, ich sei ihr Herr, sondern weiß, daß ich nur ihr Diener bin." Und wer als Hörer des Worts der Wahrheit sich anschickt, neue oder wiederholte Schritte auf dem Wege der wissenschaftlichen Vorbereitung zu thun, auch er kann all sein Bitten und Wünschen in dem Einen Worte zusammenfassen: „Herr, heilige mich in deiner Wahrheit. Laß mich deiner in den Reichen des Wissens nicht vergessen, laß mich bedenken, daß du der Quell aller Wahrheit bist, laß mich in deinem Licht das Licht sehen; laß mir mein Ringen und Arbeiten nicht blos eine Erweiterung meines Geistes, sondern auch eine Heiligung meines Herzens werden!“

III. Das sind die Opfer, die wir heute darzubringen haben. Solche Opfer gefallen Gott wohl. Aber, Gel., woher nehmen wir die Flamme, um solches Opfer anzuzünden? Wir sollen geheiligt werden in der Wahrheit. Gott ist die Wahrheit. Aber wie kommt Gott uns nahe? Suchen wir ihn nicht droben in der Himmel Himmel? Und doch, wenn wir geheiligt werden sollen, geht das nicht unser Herz an, also unser Nächstes und Innerstes ? Wie kommt beides zusammen, Gott und unser Herz? Wie kommt die Wahrheit zu uns, daß wir sagen mögen: sie ist mein, ich ge= höre ihr!?

Ihr kennet die Sage, die von alten Zeiten her zu uns herübertönt. Ein Jüngling zog aus, die Wahrheit zu suchen. Er trat in den Tempel, er fand das Bild der Gottheit, aber verschleiert; er hob mit kecker Hand den Schleier, aber der Blick auf das enthüllte Augesicht wirft ihn stumm und besinnungslos zu Boden. Jezt ist es anders, Geliebte! Gelobt sei der Herr, der Gott Israels, denn er hat besuchet und erlöset sein Volk; durch seine herzliche Barmherzig. keit hat uns besuchet der Aufgang aus der Höhe“ (Ev. Luc. 1, 68. 78.). Der Schleier ist von der Gottheit gefallen; der Wahrheit in das Angesicht zu schauen, bringt nicht mehr den Tod, sondern das Leben. „Denn das Wort ward Fleisch

und wohnete unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit" (Ev. Ioh. 1, 14.). Niemand hat Gott je gesehen. Der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schooß ist, der hat es uns verkündigt" (Ev. Joh. 1, 18.). Der in der Höhe und im Heiligthum wohnt, ist auch bei denen, so zers schlagenen und demüthigen Geistes sind (Jes. 57,15.)." Und dieser Sohn, in welchem wir des Vaters Leben haben, dieser Sohn, derselbe betende Heiland, von welchem wir uns heute segnen lassen; er, der von sich sagen konnte: „Ich bin der Weg, und die Wahrheit, und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich“ (Ev. Joh. 14, 6.); er, der Sohn, der in der wunderbaren Erscheinung dieser Wahrheit nicht erschreckt noch dräuet, sondern erfreut und stille macht; er, der uns züruft: „die Wahrheit wird euch frei machen“ (Ev. Joh. 8, 32.); er, dieser gnadenreiche und wahrheitsvolle Heiland →er ist noch unter uns, er wirkt noch unter uns, er heiligt uns, wenn wir uns wollen heiligen lassen, noch fortwährend in seiner Wahrheit, er ist unter uns, wirkt unter uns, heiligt uns - in seinem Worte! Darum hören wir ihn heute beten: heilige sie in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit."

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,,Dein Wort ist die Wahrheit" fiehe hier die Antwort auf die Frage: wie kommt die Wahrheit in mein Herz, daß sie mich heiligt? In diesem Worte, geprediget von den Propheten, die da hindeuteten auf Christum, geprediget von Christo selbst als Erfüllung des Geseßes und der Weissagung, geprediget von den Aposteln als die Botschaft von Christo, der da sei unsere Gerech tigkeit, unser Friede: in diesem Worte wird dir das heilige Leben der Wahrheit gnadenreich in das Herz gegossen; in diesem Worte hast du Chriftum gegenwärtig und mit ihm des Vaters Leben, mit ihm alle Kräfte der Heiligung. Darum sprich nicht in deinem Herzen: Wer will hinauf gen Himmel fahren? (Das ist nichts anders, denn Christum herab

holen). Oder, wer will hinab in die Tiefe fahren? (Das ist nichts anders, denn Christum von den Todten holen). Siehe, das Wort ist dir nahe, nemlich in deinem Munde, und in deinem Herzen. Dieß ist das Wort vom Glauben, das wir predigen" (Röm. 10,6.7.8.).

Dieses Wort vom Glauben ist dasselbe, wie das Wort der Wahrheit, nemlich das Evangelium von unserer Selig= feit (Ephef. 1, 13.). Sehet, so sind wir da angekommen, wo aller Christen gemeinsame Erfahrung zusammentrifft; so erkennet euch nun auch mit eurem besondern Berufe immer gehörig zu der Einen Gemeinde Jesu Chrifti, die, gegründet durch das Wort der Wahrheit, berufen ist, solches Wort zu bewahren und zu verbreiten. O, Gel., „es ist in keinem andern Heil, ist auch fein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden" (Apostelgesch. 4, 12.), als der Name Jesus Christus! — schreibet dieses Wort in euer Herz, da ihr, sei es zum erstenmale, sei es wiederholt, diesen heiligen Ort betretet. Wollen wir Wahrheit, wollen wir keine selbstge= machte Wahrheit und das ist ja ein Widerspruch in sich selbst! wollen wir diese Wahrheit nicht allein über uns, sondern auch in uns, wollen wir sie nicht als trockene Lehre, als handwerksmäßige Fertigkeit, sondern als unsere Lebenskraft, als unsere Liebe, als unsere Freude: an das Wort müßt ihr euch halten; ja, an dieses unscheinbare, von der Welt verachtete und verspottete Wort, an dieses Wort, das den Juden ein Ärgerniß ist, den Griechen eine Thorheit (1 Cor. 1, 23.), aus welchem aber die Gegenwart Gottes euch anweht, aus welchem das ewige Leben euch in die Seele überfließt. O, glaube niemand, er sei über dieses Wort hinausgewachsen, glaube niemand, seine Wissenschaft könne ihm das Wort entbehrlich machen, er sei durch seinen besondern Beruf davon losgesprochen, seine Seele zu stärken, zu erquicken au diesem Lebensworte. Hat es der große Apostel Paulus, der es mit jedem Weisen der Welt an Schärfe des Geistes und an Freisinn aufnehmen kann, ausgesprochen: „ich schäme mich des Evangelii von Christo nicht, denn es ist eine Kraft

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