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Eduard Mörike.

Von Wilhelm Lang.

In den letzten Tagen, bevor er von der tödtlichen Krankheit befallen wurde, trug sich David Friedrich Strauß mit dem Gedanken, einen biographischen Versuch über Eduard Mörike auszuarbeiten und denselben seinen Ludwigsburgern vorzutragen, in deren Mitte er vor Kurzem zurückgekehrt war. Die Landsleute sollten wissen und schäßen lernen, welch seltener Dichtergenius aus ihrer Mitte hervorgegangen sei. Ihm selbst wäre es eine erquickliche Beschäftigung gewesen, inmitten der verstimmenden Kämpfe, in die ihn der Alte und Neue Glaube verwickelt hatte, ein stilles Asyl, in das er vor dem tobenden Lärm sich zu retten gedachte. Von früher Zeit hatte er den älteren Freund beobachtet, zum Studium gemacht, sich dessen eigener Art erfreut und sie mit so viel Strenge als Liebe beurtheilt. Die gelegentlichen Aeußerungen, die er über Mörike veröffentlicht hat, zeigen, daß er sich ebenso in den innersten Kern von dessen Natur zu versetzen und mit ihr zu empfinden wußte, als ihm die Schranken derselben und ihre Mängel gegen= wärtig waren. Der Tod hat ihn verhindert, seinen Vorsatz auszuführen, Jezt entbehren wir eine Charakteristik aus der competentesten Feder. Strauß stand ihm nahe genug, daß er mit den Bedingungen völlig vertraut war, aus denen ein so eigenartiges Talent erwuchs, und sein Urtheil war andererseits unbestochen genug, auch dem Freunde die Wahrheit nicht zu ersparen. Er stand zu ihm in einem ähnlichen Verhältniß wie zu Justinus Kerner, an den ja auch mehr als eine Seite in Mörikes Wesen erinnert. Freilich der Eine war immer im Verkehr mit allerlei Arten von Menschen, die ganze Welt drückte er an sein weites Herz, während der Andere ängstlich darauf bedacht war, sie sich vom Leibe zu halten. Aber die beiden Ludwigsburger Poeten waren Originale. Darin vor Allem glichen sie sich, daß auf ihrer Persönlichkeit ein eigener poetischer Zauber lag. Man kannte sie nur halb, wenn man nur ihre Gedichte kannte. Bei beiden gehörte die Kenntniß des Menschen dazu, um den Dichter zu verstehen.

Das äußere Leben Mörikes ist freilich einfach genug verlaufen. In sich selbst eingesponnen begehrte er wenig von der Welt. Nur den nächsten Im neuen Reich. 1875. I.

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Freunden erschlossen und mittheilsam, kümmerte ihn wenig was draußen vorging. Heiter, voll innerer Freiheit, die ihm widrige Lebenserfahrungen nicht rauben konnten, voll Schalkhaftigkeit und Laune, die er in der Gebrechlichkeit des Leibes sich bewahrte, so verharrte er bis zum Ende in seinem Schneckenhaus, die feinen Fühlfäden fest eingezogen, sich selbst genug in der eigenen Welt, die ihm die ewig bewegliche, immer neue Tochter Jovis zu einem seltsam wunderprächtigen Palast ausschmückte.

Er war am 8. September 1804 zu Ludwigsburg geboren, als Sohn des dortigen Oberamtsphysicus, achtzehn Jahre jünger als Justinus Kerner, drei Jahre älter als Strauß und Vischer. Zur Theologie bestimmt, kam er mit vierzehn Jahren in eine jener klösterlichen Anstalten Württembergs, deren Vorzüge und Schattenseiten schon so oft beschrieben sind. Für seine Promotion war Urach an der Reihe; wie Blaubeuren in einem verborgenen Waldthal der schwäbischen Alb gelegen. Fächerartig verzweigen sich hier nach allen Seiten die Thalgründe, dichte Buchenwälder bedecken rings die Berge, ihre Stirnen sind mit sonnigen Kalkfelsen bekrönt, auf einem derselben steht die Burg Hohenurach aufgerichtet und hinter ihr aus heimlicher Waldesecke stürzt ein Wasserfall in leichtem Schwung zu Thale. Mörike hat die Reize des geliebten Thals ,,Du meines Lebens andere Schwelle! Du meiner tiefsten Kräfte stiller Heerd! Du meiner Liebe Felsennest!“ in einem seiner schönsten Gedichte besungen, ein Denkmal zugleich und classischer Ausdruck der süßen Gefühle, unter denen empfängliche Jugend Jahr aus Jahr ein in dieser klösterlichen Einsamkeit heranreift.

Im Jahre 1822 traf er mit seiner Promotion im Tübinger Stift ein. Es scheint aber nicht, daß er jemals ernstlich irgend welchen Studien obgelegen hat. Von der Muse berührt, begabt zu allen Künsten, ein musikalisches Talent und mehr noch ein mimisches, wob er schon jezt eine poetische Welt um sich, zu der nur wenige gleichgestimmte Freunde Zutritt hatten. Als die Eingeweihten schlossen sie sich streng gegen die profane Welt ab, sie ersannen sich eine eigene Mythologie, ein eigenes Fabelland, das sie mit den Gestalten ihrer schwelgerischen Phantasie bevölkerten. Aus dieser Zeit stammt „der leyte König von Orplid“, der später als Schattenspiel seine Stelle im Maler Nolten gefunden hat, wie ihr Ludwig Bauers „Heimlicher Maluff“ und „Orplids letzte Tage" angehören. Der frühreife Wilhelm Waiblinger, freilich eine ganz andere Natur, war anfangs ein Genosse dieses Kreises, er war gleichen Alters mit Mörike, in demselben Jahre ins Stift getreten. Enger schloß sich dieser an L. Bauer an, der ein Jahr älter war, und der Schilderung, welche Strauß von dem Lezteren entworfen hat, verdanken wir auch einige Federstriche über Mörike, welche zeigen, wie früh sich dieser zu der eigenthümlichen Natur entwickelte, deren Züge seitdem unverändert feststanden.

„Welche Kluft" - schreibt Strauß — ,,zwischen Mörike, der mit nordischoffianischer Sehnsucht in den verödeten Gassen seines selbstgeschaffenen Orplid weilt, und Waiblinger, den sein Genius unwiderstehlich nach dem Süden, zu den Denkmälern römischer Kunst und Größe treibt. Jener so innerlich, daß es ihm schwer wird aus sich herauszukommen; dieser so außer sich, daß er oft genug sich selbst verliert! Jener mit unwiderstehlicher Neigung zum Träumen; dieser mit nie gestillter Sehnsucht nach Gestalten. Der Eine in seinem Schneckenhause sich reinlich aber weichlich gegen die Wirklichkeit verbauend; der Andere in den Strudel des Lebens sich werfend, ohne weder den Kampf noch den Schmutz desselben zu scheuen . . . War Waiblinger imposant, so erschien Mörike räthselhaft. Er blendete schon deswegen nicht, weil er sich entzog. Von dem geheimnißvollen Brunnenstübchen, von dem am Tage künstlich verdunkelten und kerzenerleuchteten Gartenhause, worin er mit seinen Erwählten im Shakespeare lese, oder von Orplid, der Stadt der Götter, sich unterrede, gingen nur dunkele, wunderliche Sagen im Volke. Nun wurde es Einem einmal so gut das hielt aber schwer, in seine Nähe zu kommen, und war er ernst, von seinem aus innersten Seelengrunde heraufquellenden Worte getroffen, oder in heiterer Stunde von seinem unvergleichlichen Talente humoristischer Mimik fortgerissen zu werden. Man wußte nicht, wie Einem geschah; an die Geniefrage dachte man gar nicht, so wenig als Mörike selbst daran dachte: das aber wußte man, fast ohne noch seine Gedichte zu kennen, daß hier ein Dichter sei. Ja, Mörike ist für uns Alle, die sein Wesen unmittelbar oder mittelbar berührt hat, das Modell dessen geworden, was wir uns unter einem Dichter denken. Und wir waren an kein schlechtes Modell gerathen, sollte ich meinen. Ihm verdanken wir es, daß man keinem von uns jemals wird Rhetorik für Dichtung verkaufen können, daß wir allem Tendenzmäßigen in der Poesie den Rücken kehren; daß wir Gestalten verlangen, nicht über Begriffsgerippe hergezogen, sondern so wie sie leiben und leben, mit einem Blick vom Dichter erschaut und ins Dafein gerufen. Ja, Mörike ist Dichter, jeder Zoll ein Dichter." Das war der Eindruck, den Alle von ihm hatten. Noch während der Universitätszeit schrieb Ludwig Bauer an den wegen Krankheit Abwesenden im Ueberschwang jugendlichen Freundschaftgefühls: „Wenn ich an Dich gedenke, ist mirs, wie wenn ich im Shakespeare gelesen hätte. Aber dies ist mir lieb, daß nur dann Dein ganzes wunderbares Selbst vor mir steht, wenn sich die gemeinen Gedanken wie müde Arbeiter schlafen legen und die Wünschelruthe meines Herzens sich zitternd nach den verborgenen Urmetallen hinabsenkt. O Eduard, jest weiß ich erst, wie lieb ich Dich habe. Die Poesie des Lebens hat sich mir in Dir verkörpert, und Alles was noch gut an mir ist, sehe ich als ein Geschenk von Dir an."

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Zunächst verlangte die Prosa ihr Recht. Von Tübingen ging es den gewöhnlichen Weg eines württembergischen Theologen. Der geprüfte Candidat wurde Pfarrvicar in verschiedenen Dörfern des Landes, und im Jahre 1834 erhielt er die Pfarrei Cleverfulzbach bei Weinsberg. Es ist dasselbe Dorf, in welchem Schillers Mutter begraben liegt. Mörike ließ ihr im Jahre 1837, zur Zeit da Schillers Denkmal in Stuttgart aufgerichtet wurde, einen Denkstein sehen und widmete ihr die Distichen: „Auf das Grab von Schillers Mutter." Schon zwei Jahre, bevor er in das Pfarrhaus zu Cleversulzbach zog, dessen Idylle im Alten Thurmhahn“ verewigt ist, war sein Roman „Maler Nolten“ erschienen, ein Jugendwerk, das aber, reich an Erfindung, zugleich eine ungewöhnliche Reife verrieth, in der Mannigfaltigkeit der eigenthümlichen Charaktere, wie in der Kunst der Darstellung. Ein eigener Zauber lag in der kunstvoll behandelten Sprache. Das Tragische und das Komische schien gleichmäßig dieser Dichter zu beherrschen, der seltsam ergreifende Töne anzuschlagen verstand. Für einen Achtundzwanzigjährigen, der noch nichts von der Welt gesehen, war es ein vielversprechender Anfang, der nicht voraussehen ließ, daß der Dichter nie wieder an einem Stoff von ähnlichem Umfang und ähnlicher Bedeutung sich versuchen werde. Mörike hat später noch andere erzählende Gedichte geschrieben, in Prosa und in Vers, aber sie sind anspruchslos, sie wollen blos erzählen, sie erzählen vortrefflich, aber das ist Alles. In jenem Roman hatte es geschienen, als traue er sich die Kraft zu, an gewaltige Schicksalstoffe, vielleicht an gesellschaftliche Probleme sich zu wagen. Allein diese Saiten hat er nie wieder berührt. Die Lust am Erfinden und Erzählen ist ihm geblieben, aber was er erzählt ist ein heiteres Begebniß, ein Schwant, ein Märchen, ein Joyll. Die Joylle vom Bodensee hat nur ein echter Dichter erfinden können, aber es fehlt ihr der Hintergrund von Hermann und Dorothea.

Die volle Eigenthümlichkeit des Dichters offenbarte sich erst in den Gedichten, deren erste Sammlung 1838 erschien. Im Jahre 1873 erschien die fünfte, ein Hinweis, wie langsam er sich Bahn brach. Vergebens hatte Friedrich Vischer sofort in den hallischen Jahrbüchern auf den Goldgehalt dieser Dichtungen hingewiesen. Nur spät gewann das Publicum ein Verhältniß zu dem Dichter, der in der That in so eigenartiger und fragwürdiger Gestalt hervorgetreten war, daß er eher ein Räthsel aufzugeben als zum Genuß einzuladen schien. Auch die schönste Gabe war wenigstens nicht ohne eine Beimischung von Räthselhaftem. Aus verborgenen Tiefen glänzten die Edelsteine herauf, aber sie ließen sich nicht mit Händen greifen. Wunderbar trifft Mörike den Ton des Voksliedes, wie nur Wenige, aber das frischeste und leichteste Gebilde hat zugleich wieder einen vornehmen hohen Klang, der die Profanen abweist. Man sollte nicht so viel darüber schelten, daß er nicht

populär geworden ist. Er ist wirklich nicht für die große Menge. Die Schönheit seiner Muse ist schlicht und doch fremdartig, sie liegt nicht offen zu Tage, ja sie scheint sich scheu und absichtlich zu verbergen. Sie läßt sich suchen, beglückt überreich den, der sie gefunden, und wer sie dann kunstgerecht zergliedern will, dem zerfließt sie ins Weite.

In den hergebrachten Kategorien war dieser Dichter schwer unterzubringen. Mit der älteren schwäbischen Schule hatte er offenbar kaum einen Zusammenhang. Am ehesten durch die romantischen Elemente seiner Poesie; allein auch sie erscheinen bei ihm in neuer selbständiger Gestalt. Nichts ist überkommen, Alles frei ersonnen. Wo er Romanzen singt, bearbeitet er nicht ältere, gegebene Stoffe, er erfindet sie selber, und er gewinnt so an Stimmung, was an Deutlichkeit der Zeichnung abgeht. Denn in der Stimmung sind diese Bilder immer vortrefflich, auch wenn die Umrisse vor der Einbildungskraft des Lesers unsicher verschweben. Mörike hat das Wunderbare, Traumhafte, das Märchen mehr cultivirt, als irgend einer der schwäbischen Dichter. Allein vom Mittelalter ist in seinen Liedern keine Spur. Nichts von biederen Recken, mächtigen Humpen, Harfenspiel und zarten Ritterfräulein. Der ganze Apparat des Mittelalters, nicht blos die Tendenz, ist abgestreift; nur als reines Spiel der absichtslosen Phantasie tauchen seine Gestalten auf und flattern vorüber, nachdem sie die Seele geisterhaft berührt. Mit seinen Traumgestalten war es übrigens Mörike sozusagen Ernst. Wirklichkeit und Dichtung flossen ihm ineinander. So sehr hatte er sich in seine poetische Welt eingelebt, daß sie ihm als die wirkliche galt. Verborgene Kräfte fühlte er um sich walten, er glaubte an Ahnungen, an einen mystischen Zusammenhang mit den Geistern abgeschiedener oder ferner Personen; aus seinem eigenen Leben konnte er mehr als einen Vorfall dieser Art gläubig erzählen und sich ernsthaft darüber besinnen, wie dies mit den Gesetzen des gemeinen Lebens zusammenhänge. Gespenster pflegten ihn in jedem Hause zu beunruhigen, ihm sprachen die Vögel, die Quellen, der Wind und der Wald, nur daß man freilich nie bei ihm wußte, wo der Dogmatiker aufhörte und der Poet begann, wo der Ernst in Schalkhaftigkeit umschlug. Denn er vermied eine klare Auseinanderseßung zwischen dem naiven Dichter und dem aufgeklärten Denker in ihm. Vielmehr ergößte ihn das verworrene Spiel, das die beiden in ihm trieben. Und wenn er in wißiger Laune war, schonte er sich selber am wenigsten.

zu jenem romantischen Element seiner Poesie kam aber nun ein anderes, das er noch weniger von den älteren Schwaben überkommen hatte: die zierliche Heiterkeit, die spielende sinnvolle Grazie. Er hatte sie bei den Griechen gelernt, von denen die Elegiker und die Epigrammatiker ihm ganz besonders ans Herz wuchsen. Das Sonett ,,Antike Poesie“ ist schon aus dem Jahre 1828, seine Distichen an Theokrit von 1837. Im Jahre 1840 gab er eine

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