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Die Bersorgung der Wittwen und Waisen preußischer Staatsbeamten.

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mit der Nadelführung des großen Meisters, und indem er bald zarter bald kräftiger, bald sorgfältiger, bald freier verfährt, gelingt es ihm von der Vielseitigkeit und dem magischen Reiz in den Werken seines Vorbildes eine lebendige Anschauung zu gewähren.

Gegenüber diesem Reichthum an werthvollen Radirungen kann der strengere Kupferstich begreiflicherweise an Massenhaftigkeit der Production sich nicht geltend machen. Aber es genügt auf Arbeiten wie Kellers Disputa und Sixtinische Madonna, Stangs Sposalizio, Mandels Madonna della Sedia und Madonna Panshanger, Weber's Lais corinthiaca und Amerbach hinzuweisen, um zu erkennen, daß auch die ernste, edle, klassische Kunst des Grabstichels nicht vergessen ist, sondern sich soweit es irgend die überwiegend realistische und coloristische Strömung der Zeit zuläßt, würdiger Pflege erfreut.

Die Versorgung der Wittwen und Waisen preußischer Staatsbeamten.

Von Emil Witte.

In den Zeitungen kehrt schon seit mehreren Jahren von Zeit zu Zeit das Gerücht wieder, daß die Regierung mit der Absicht umgehe, die Versorgung der Hinterbliebenen von Staatsbeamten anderweitig zu regeln. Man scheut sich nicht, die überschwänglichsten Hoffnungen in dieser Hinsicht wach zu rufen, wie denn schon von einer Rückzahlung aller bisher gezahlten Beiträge die Rede war und ganz ernsthaft in größeren Zeitungen darüber discutirt wurde, ob diese Beiträge mit oder ohne Zinsen zurückgezahlt werden sollten, und ob es nicht billig sei, denen, welche nun schon so lange in die bestehende Wittwenkasse gezahlt hätten, auch noch anderweitige Vergünstigungen zukommen zu lassen. So wenig begründet und in ihrer extremen Form, man kann wohl sagen, sinnlos auch diese Gerüchte waren, so haben sie doch stets bewirkt, daß die Bestrebungen derer, welche eine Verbesserung der bestehenden Zustände auf die eine oder die andere Weise zu erreichen suchten, gelähmt wurden. Denn es ist nur zu natürlich, daß der eigene Eifer erkaltet, sobald Hülfe von außen zu erwarten ist.

Die Thronrede, mit welcher der diesjährige Landtag eröffnet ist, zeigt num, daß man in Regierungskreisen in der That einstweilen nicht an eine Veränderung der preußischen Wittwenkasse denkt. Dagegen hat der Pommersche Lehrerverein, nachdem er im vorigen Jahre seitens des Ministeriums in dieser Angelegenheit abschlägig beschieden worden ist, sich in diesen Tagen mit einer hierauf bezüglichen Betition, der sich auch noch andere Beamtenkreise anschließen

dürften, an das Abgeordnetenhaus gewandt. Da also die „Kgl. Preußische Allgemeine Wittwenverpflegungsanstalt“ in der nächsten Zeit die allgemeine Aufmerksamkeit in erhöhtem Maße in Anspruch nehmen dürfte, mag es gestattet sein, hier noch einmal auf dieselbe zurückzukommen.

Ich habe mich wiederholentlich zu zeigen bemüht, daß dieses Institut in seiner gegenwärtigen Einrichtung nicht mehr dem Zwecke entspricht, welcher seinem Königlichen Stifter*) vorschwebte, indem dasselbe eines Theils während seines Bestehens wesentliche Verschlechterungen erfahren hat, anderen Theils inzwischen andere Anstalten mit vollkommeneren Einrichtungen entstanden sind, an deren Benutzung die Staatsbeamten durch den Beitrittszwang zu der staatlichen Wittwenkasse wenigstens indirect gehindert werden. Es kann nicht meine Absicht sein, auf die zu Tage liegenden Schäden dieser Anstalt hier nochmals hinzuweisen. Ich will nur zu erörtern versuchen, ob aus wirthschaftlichen Gründen eine Reform dieses veralteten Instituts oder eine Aufhebung desselben vorzuziehen sei.

Der Staat muß, um eine hinlängliche Anzahl von Beamten einer gewissen Qualification zu haben, diesen ein gewisses Minimum an Besoldung gewähren. Geht er unter dieses Minimum herunter, so wird sich für die offen werdenden Stellen sehr bald nicht mehr die nöthige Anzahl von ausreichend qualificirten Bewerbern finden, und es bleibt ihm dann nichts anderes übrig, als entweder sich mit Beamten von geringerer Qualification zu begnügen, oder die Gehälter zu erhöhen.**) Das Einkommen der Beamten besteht nun aber keineswegs ausschließlich aus dem Gelde, welches ihm vierteljährlich ausgezahlt wird, sondern auch noch aus gewissen anderen pecuniären Vergünstigungen, welche sich unter Umständen allerdings schwer in Geld abschätzen ́lassen. Dahin zählt bei uns in erster Linie die Pensionsberechtigung, und da die Wirkung dieser Berechtigung analog ist der einer Wittwen- und Waisenkasse, so will ich an diesem Beispiele die Vortheile und Nachtheil einer derartigen „Vergünstigung“ nachzuweisen suchen.

Dadurch daß der Beamte die Aussicht hat, falls er nach einer gewissen Dienstzeit erwerbsunfähig wird, vom Staate versorgt zu werden, spart der lettere an Gestalt bei den activen Beamten. Es giebt bekanntlich Kassen, in welche die Theilnehmer alljährlich eine gewisse Summe einzahlen, um im Falle eintretender Arbeitsunfähigkeit aus denselben versorgt zu werden. Die Beiträge, welche derartige Kassen fordern müssen, sind aus Gründen, auf die einzugehen hier nicht der Ort ist, sehr erheblich, und ich will beispielsweise einmal annehmen, daß A an eine derartige Kasse 100 Mark zu zahlen hätte,

*) Dasselbe ist 1775 von Friedrich d. Gr. gegründet.
**) Man vergleiche „Für Haus und Herd“ in Nr. 3. d. J.

während B als Staatsbeamter diese Ausgabe erspart, so ist klar, daß A bei 3100 Mark Einkommen pecuniär erst eben so stehen würde, wie B bei 3000 Mark. Diese 100 Mark erspart B oder vielmehr der Staat an dem Gehalte des B. Noch klarer war dieses Verhältniß, so lange die Beamten den jährlichen Pensionsbeitrag wirklich zu zahlen hatten. Hätte damals B 3100 Mark jährlich an Gehalt bezogen und 100 Mark als Pensionsbeitrag abgeben müssen, so hätte er nur gerade so gut gestanden, wie bei 3000 Mark ohne Pensionsabzug. Hatte dann der Staat die Absicht, die Stelle des B um 100 Mark jährlich zu verbessern, so war es ganz gleichgültig, ob er dem B die Pensionsberechtigung zusicherte, ohne daß derselbe fernerhin den Beitrag von 100 Mark zu zahlen hatte, oder ob er sein Gehalt auf 3100 Mark erhöhte. Hiernach käme es also für den Staat auf dasselbe hinaus, ob er das ganze Gehalt direct oder einen Theil desselben indirect, z. B. in Gestalt einer später zu beziehenden Pension zahlt. Troßdem aber hat der Staat aus der Einrichtung einer eigenen Beamtenpensionskasse mehrfache Vortheile.

Erstens würden, wenn die Beamten nicht zum Eintritt in eine derartige Kasse gezwungen wären, viele derselben nicht beitreten. Sie würden das ganze Gehalt, welches sie nunmehr direct beziehen, verbrauchen und im späteren Alter von Unterstützungen leben müssen, mithin dem Staate zur Last fallen. Sollte Jemand dies bezweifeln, so verweise ich ihn auf die Thatsache, daß trotz der Verpflichtung jedes verheiratheten Beamten, seine Frau in die Wittwenlasse einzukaufen, doch sehr viele dies zu thun unterlassen, und daß es nicht wenige Beamtenwittwen giebt, welche theilweise oder ganz von Almosen *) inleben. Gerade daß diese wirthschaftlich weniger gewissenhaften Beamten, dem ihnen ein Theil ihrer Dienste indirect, wie ich es oben nannte, vergütet wird, zum Sparen angehalten werden, ist einer der wesentlichsten Vorzüge derartiger Kassen.

Der zweite Vortheil, den der Staat von einer solchen Einrichtung hat, ist der, daß er seine Beamten billiger bekommt, als ohne dieselbe. Vorausgesezt, daß nach statistischen Ermittelungen, wie sich diese ja durchführen lassen, eine jährlich bis zum Augenblicke der Pensionirung zu zahlenden Rente von 100 Mark denselben Geldwerth hätte, wie die später zu gewährende Pension, so muß doch diese Pensionsberechtigung höher als eine Rente von 100 Mark angerechnet werden. Denn wollten die Beamten, statt daß ihnen der Staat diese Berechtigung gewährte, sich dieselbe in einer Altersversorgungskasse, die ja an ihnen ein Geschäft machen will, erkaufen, so müßten sie unzweifelhaft dort für eine Pension, die den reellen Werth einer Rente von

*) Auch die vom Staate gewährte Unterstützung, welche nicht auf einem wohl erworbenen Rechte beruht, nenne ich Almosen.

100 Mark hat, eine Rente von 120, ja von 150 bis 200 Mark zahlen, und hätten doch hinsichtlich ihrer Pensionirung nicht dieselbe Sicherheit, wie beim Staate. Wenn also, um zu unserm obigen Beispiele zurückzukehren, B 3000 Mark baares Gehalt und außerdem unter gewissen Bedingungen Pensionsberechtigung hat, die dem Staate durchschnittlich nur 100 Mark auf jeden derartigen Beamten kostet, so wird er sich den Werth dieser Berechtigung vielleicht auf 200 Mark rechnen und sein Einkommen eben so hoch schäßen, wie das des A, wenn dieser 3200 Mark hat. Daß diese Rechnung nicht auf Phantasie beruht, sondern von den Betheiligten in der That angestellt wird, kann man an vielen Beispielen sehen. Größere Communen, Großgrundbesizer, ja sogar Actiengesellschaften, welche eine größere Zahl von Beamten beschäftigen, und welche bei der Steigerung des Preises der Arbeit mit dem Heraufgehen der Löhne in anderen Berufszweigen nicht gleichen Schritt halten konnten, oder wollten, haben, um an Besoldung zu sparen, Pensionskassen, meist verbunden mit Wittwen- und Waisenkassen gegründet und haben durch diese ihren Zweck erreicht. Wenn man einen Beamten, der jährlich 100 Mark in eine solche Kasse zahlt, frägt, wie hoch er sich den ihm hieraus erwachsenden Vortheil anrechne, so wird man, vorausgesezt natürlich, daß die Einrichtung der Kasse gut ist, wohl stets eine höhere, oft eine sehr erheblich höhere Summe nennen hören. Ja es giebt Fälle, in denen sich die Ersparniß, die der Lohnherr allein durch die Einrichtung einer solchen Kasse hat, ohne selbst in dieselbe zu zahlen, nachrechnen läßt. Ich will übrigens die humanen Absichten, welche wenigstens in einzelnen Fällen den ersten Beweggrund zur Einrichtung einer derartigen Kasse gebildet haben, keineswegs verkennen. Daß diese Humanität sich nebenbei in gutem, baarem Gelde verzinst, ist eine erfreuliche Erscheinung, die sich auch umgekehrt wohl bei allen ökonomisch richtigen Einrichtungen wieder findet. Denn wohl in der Mehrzahl der Fälle ist es eine vollkommen zutreffende Speculation gewesen, welche zur Einrichtung dieser Kassen geführt hat.

Außer der Geldersparniß für den, der die Besoldung zu zahlen hat, und dem gleichzeitigen größeren Wohlbefinden des Beamten, der seine Zukunft gesichert weiß, gewährt eine Pensionskasse, besonders wenn sie mit einer Wittwenund Waisenkasse verbunden ist, auch noch den Vortheil, daß sie den Beamten mit einem neuen außerordentlich starken Bande in seiner Stellung festhält. Wer ein auskömmliches Gehalt bezieht und durch eine gut eingerichtete Kasse seine und der Seinigen Zukunft gesichert weiß, wird selbst durch eine sehr erhebliche pecuniäre Verbesserung nicht leicht bewogen werden können, eine andere Stellung anzunehmen. Nicht die untüchtigsten besonders unter den Juristen und Technikern sind es, welche den Staatsdienst verlassen, um anderweitig ein Einkommen zu beziehen, welches ihnen ermöglicht, für die Zukunft

ihrer Familie zu sorgen. Und wenn gleich für Manche die Annehmlichkeit einer höheren Einnahme das Maßgebende für diesen Schritt sein mag, so ist doch nicht zu bezweifeln, daß vielleicht die Mehrzahl durch die Sorge für die Jhrigen zu demselben gedrängt worden ist.

In diesem Falle tritt zugleich die Schattenseite derartiger Anstalten recht Har hervor. Dem Beamten kann dieses Band, welches ihn an seine Stellung fesselt, lästig werden. Er kann in diè Lage kommen, eine bessere Stelle ausschlagen zu müssen, wenn er nicht die Zukunft seiner Familie gefährden will. So giebt es in Preußen Gymnasien, welche in dieser Hinsicht so vorzügliche Einrichtungen haben, daß ein Lehrer, welcher z. B. 3000 Mark Einkommen hat, sich dieses eben so hoch anrechnen muß, als ob er an einer anderen Schule 3500 oder 4000 Mark hätte. Hier hat er sich also durch seine eigenen Beiträge eine Fessel geschaffen, und das Patronat hat es in seiner Hand, ihm jährlich 500 bis 1000 Mark weniger zu zahlen, als er an einem andern Orte bekommen könnte.

Für den einzelnen Beamten ist es hiernach jedenfalls am vortheilhaftesten, wenn er sein ganzes Gehalt direct bezieht. Der Staat muß in diesem Falle, um die für seinen Dienst nöthigen Kräfte zu gewinnen, mehr aufwenden, als wenn er einen Theil dieses Gehaltes indirect, wie es oben genannt wurde, zahlt. Diesen Ueberschuß kann der Einzelne verwenden, je nachdem es ihm seine persönlichen Verhältnisse wünschenswerth erscheinen lassen, und ist pecuniär nicht an den Staat gebunden, wenn ihm eine vortheilhaftere Stellung angeboten wird. Dagegen hat der Staat von einer gut eingerichteten Wittwenund Waisenkasse, mag nun diese direct von ihm selbst oder durch Beiträge der Beamten unterhalten werden, sehr erhebliche Vortheile, indem er an Gehalt spart, die Beamten stärker an sich fesselt und, was vielleicht das Wesentlichste ist, dem Uebelstande vorbeugt, daß die Hinterbliebenen derselben zu Almosenempfängern herabgewürdigt werden. Besonders der letzte Zweck kann freilich nur durch Beitrittszwang erreicht werden, der ja sicher ein Uebel ist. Aber dieses besteht auch bei der gegenwärtigen Einrichtung. Und dann ist es doch sicher ein sehr geringes Uebel, einen Schritt thun zu müssen, den der gewissenhafte Familienvater, wenn er nicht reich ist, meist auch ohne directe Nöthigung thun würde, und der von dem Wohlhabenden durchaus kein Opfer verlangt.

Hiernach dürfte, da das Interesse des Staates zugleich das des Beamten. ist und umgekehrt, es kaum möglich sein, mit Sicherheit zu entscheiden, ob eine Aufhebung der bestehenden Wittwenkasse oder eine rationelle Umgestaltung derselben ökonomisch richtiger sei. Soll aber ein morsches und ungesundes Gebäude darum stehen bleiben, weil es eben so vortheilhaft ist, ein anderes zu beziehen, wie ein neues zu bauen? Und überdies lassen sich im vorliegenden

Im neuen Reich. 1875. I.

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