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Herrenchiemsee.

Wer die schöne Eisenbahnfahrt von Rosenheim nach Salzburg zurücklegt, wo zur Rechten die Berge in unaufhörlichem Wechsel sich aneinanderreihen, vergißt wohl leicht über dem großartigen Alpenbilde die andere Seite. Auf ihr zeigt sich kurz vor Prien (sprich Prien) ein Stück vom Chiemsee, dem größten Landsee Oberbayerns. Es ist freilich nur wenig, was man zu sehen bekommt, blos die Südwestecke und die Südseite der ansehnlichen Herreninsel. Ursprünglich sollte die Bahn nördlich am Chiemsee entlang geführt werden: das hätte ohne Zweifel einen herrlichen Ausblick auf See und Gebirge gegeben. Die Laßheit und Gleichgültigkeit der Anwohner namentlich, wie man sagt, haben der südlichen Linie den Vorzug verschafft, die Bahn geht in weiten Bogen um den Chiemsee, der dem großen Verkehre, wer weiß für wie lange, vielleicht auf immer entrückt ist.

Die Herreninsel, Herrenchiemsee, steht im Chiemgau und über diesen hinaus besonders in Ansehen. Alle Inseln, nicht am wenigsten die des Binnenlandes, erwecken eigene Vorstellungen; die Einbildungskraft treibt mit ihnen gern ihr Spiel. Dieser natürlich anhaftende Zauber mag es wesentlich mit gewesen sein, der ehemals die kirchlichen Genossenschaften zu ihren Niederlassungen sich Inseln ausersehen ließ. Auch die Herreninsel war früher ein Klostersitz, gleich der kleinen benachbarten Fraueninsel, dem früheren Lieblingsaufenthalte der Münchener Maler. Die umfänglichen, aber nüchternen Klostergebäude von Herrenchiemsee erinnern an das Stadtschloß in Berchtesgaden. Natürlich fehlt die Brauerei dabei nicht, deren vielgerühmte Leistungen das Ansehen der Herreninsel in der Umgegend wachhalten halfen. Was aber der Insel ihr Hauptansehen verleiht, ist doch der Waldreichthum, der neuerdings sogar das Schicksal der Insel eigenthümlich bestimmte.

Bis vor kurzem befand sich Herrenchiemsee im Besiße eines im Auslande lebenden Grafen, der blos zur Jagdzeit des überzahlreichen Damwildes wegen kam. Da, lautet die Erzählung, seien eines Tages ganz einfache Leute, denen man dergleichen gar nicht zutraute, erschienen, es seien Schwaben das ward besonders betont, als ob nur sie zu so etwas überall im Stande wären gewesen, die hätten die Insel an sich gebracht und sie abzuholzen begonnen. In der That hat so mancher beste Stamm auf das Geheiß der Herren aus Schwaben fallen müssen, noch nach Jahrzehnten wird es zu sehen seien, wo sie anfingen, aber auch rasch endeten, denn die Artschläge fanden in der Gegend seltsamen Widerhall. Die Geistlichkeit soll nicht unthätig gewesen sein: kurz, das Verlangen, die Forderung wurde laut, der König solle die Insel erwerben und dem waldmörderischen Treiben Einhalt thun. Das ge

schah. Die Schwaben haben außer dem hohen Kaufpreise ein schönes Abstandsgeld eingestrichen für die alten Stämme, angeblich zweihundert, die sie von Rechtswegen noch hätten niederlegen dürfen.

König Ludwig hat dem neuen Besißthume frische Neigung entgegengebracht. Bald nachdem Herrenchiemsee von ihm erworben, entstanden Gerüchte, der König wolle ein neues großes Schloß, im Lieblingsgeschmacke Ludwigs XIV. aufführen lassen, das die Wunder von Versailles erneuern solle. Als Ort wurde die Herreninsel gedacht wie genannt. Die Gerüchte haben auch, heißt es, greifbare Gestalt angenommen: man spricht von vollkommen fertigen Entwürfen, die der Baukunst, unter anderm in Ansehung der Kosten, volltommen würdig sein sollen. Weiter sind jedoch die Dinge nicht gediehen und nach den neuesten Nachrichten hat König Ludwig seinen Absichten wieder völlig entsagt.

Im Sommer war auf Herrenchiemsee vom neuen Inselherrn erst wenig zu merken. Der König hatte seinen Besitz noch gar nicht gesehen, obgleich für ihn Zimmer in Bereitschaft waren. Das Ganze machte offen gesagt einen wenig erfreulichen Eindruck. Und doch vereinigt Herrenchiemsee auf mäßig weitem Raume alles, was nur das Landleben zu bieten vermag. Prächtige große Felder, die, obschon die Ernte bereits abgebracht war, fernhin golden glänzten, daran anschließend Wiesen, die sich in den Wald hinein ver- · lieren, endlich dieser selbst in aller Art und in jeder Art schön. Wie kann das Edelwild wohl noch mehr, wenn der verehrte Meister das Wort nachsieht, Ludwig Richterisch im feuchten Dickicht lauschen und in hohen Sprüngen davon gehen! Da ist deutscher Waldzauber, da ist deutsches Waldgeheimniß! Und tritt man aus den Bäumen ans Ufer, dann liegt das großartige Alpenbild ausgebreitet, daß man danach greifen möchte. Der See dehnt sich lang aus, nicht so eigen grün wie der Hohenschwangauer Alpsee, aber herrlich gefärbt und in der Sonne spiegelnd - wenn sie scheint. Daß sie dies auch auf der Herreninsel nicht immer thut, weiß der Leser: möge er es aber nie, der Wunsch kommt von Herzen, selbst erfahren!

Nur mit Kührung läßt sich hören, was die Chiemgauer vom neuen Herrn von Herrenchiemsee hoffen und erwarten. Es ist der in dem Menschen nicht aussterbende Glaube an bessere Tage, der da zum Ausdrucke kommt. Was die Zukunft wohl Herrenchiemsee bringen wird? Dem Schreiber trat, als er die Feder führte, vor Augen, wie ein hoher Herr, die heranwachsenden Söhne zur Seite, den schnellen Jagdwagen Abends selbst nach Hause lenkte. Das war vor manchem Jahre, wo so manches inzwischen geworden und vergangen, zu Berchtesgaden. Ob Herrenchiemsee noch einmal das gleiche Schauspiel sieht? Th. Landgraff.

Berichte aus dem Reich und dem Auslande.

Aus Münden. Zu den Berliner Vorgängen. Wahlaussichten. Bom Hofe. Ulm. Während sich in Berlin die große Reichsaction in verschiedenen Peripetieen abgespielt hat, sind wir hier an der Jsar im Wesentlichen auf die Rolle des Zuschauers beschränkt geblieben. Allerdings nicht auf diejenige des unbetheiligten Zuschauers. Bei dem Staatsproceß des Molkenmarktes hat einer unserer namhaftesten Rechtsgelehrten seinen Ruhm als glänzender Gelegenheitsredner auf Kosten seines politischen Ansehens vermehrt, und eine unserer ultramontanen Kammerkoryphäen hielt bei der großen Reichstagsexplosion vom 4. December den Zündfaden, freilich ohne dadurch in irgend einer Hinsicht ihren Ruf zu heben. Für die hiesige Politik hat das verunglückte Manöver vom 4. December insoweit ein besonderes Interesse, als sich Dr. Jörg mit dem ihm gewöhnlichen praktischen Ungeschick durch die von ihm ausgegangene persönliche Reizung des Reichskanzlers für gewisse Eventualitäten bei dem hiesigen Hofe vorläufig unmöglich gemacht hat. Das letztere würde sogar nach dem allgemeinen Stande der Reichspolitik ohne die notorische Neigung des Königs Ludwig für die Person des Reichskanzlers der Fall gewesen sein; der lettere Herrn Jörg sicher nicht unbekannte Umstand machte seinen Spott über das am 13. Juli in Deutschland verbreitet gewesene Delirium" zu einem noch gröberen taktischen Fehler. Auch der Ausgang des Processes Arnim ist der Reichspolitik hier am Orte wenigstens nicht ungünstig gewesen. Die „Enthüllungen“ desselben haben gezeigt, daß der Reichskanzler, obgleich principiell kein Verehrer des den Mittelstaaten gewährten auswärtigen Gesandtschaftsrechtes, in der vertragsmäßigen Ausübung desselben nicht gleich Rheinbundsgedanken wittert und ebensowenig etwa an seine Beseitigung denkt. Ueber die fatale Neigung eines Theiles der unitarischen Publicistik, den Rheinbundsteufel stets wieder von Neuem an die Wand zu malen, ließe sich überhaupt Manches sagen; hier mag die Bemerkung genügen, daß die Neigung eigentlich ein geringes Vertrauen in den Bestand des Reiches zeigt und daß in einer Föderativverfassung ein excessives Mißtrauen noch nachtheiliger wirkt als das entgegengesetzte Extrem.

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Mittlerweile ist durch die Verlängerung der Reichstagssession auch die Eröffnung unserer internen politischen Bühne weiter hinausgeschoben worden. Vor dem 1. Februar wird kaum an die Eröffnung, vor der letzten Hälfte des April kaum an den Schluß der letzten Session unseres jeßigen Landtages zu denken sein, und somit werden die mit so großer Spannung erwarteten Kammerneuwahlen ebenfalls eine Verzögerung zu erfahren haben. Das Ministerium wird diesen Aufschub einer ernsthaften Probe des jezigen Systems nicht ungern

sehen, zumal aufmerksame Beobachter behaupten wollen, daß die Herrschaft des Klerus über die bäuerlichen Massen ihren Höhepunkt bereits überschritten habe und in merklichem Niedergange begriffen sei. Diese Auffassung mag allerdings einen stark sanguinischen Zug haben; immerhin wird mit Sicherheit anzunehmen sein, daß die ultramontane Agitation von einer Verzögerung des Entscheidungskampfes feinen Vortheil zu erwarten hat. Die Partei wird bei mancher Verschiedenheit der inneren Nuancirung und sehr starken gegen seitigen Abneigungen der Führer lediglich durch die beinahe sichere Hoffnung auf einen großen Wahlerfolg zusammengehalten; bliebe dieser aus, dann würden die künstlich gestauten Wasser sich schon wieder verlaufen. Insoweit mag sogar der Sat Berechtigung haben, daß sich Wahlaussichten für Regierung und reichstreue Partei schon um Ende August, dem verfassungsmäßig möglichen lezten Wahltermin, günstiger gestaltet haben würden, als etwa im Mai. Leider ist indeß dieser Zeitraum zur Ernüchterung der ländlichen Wähler doch etwas kurz bemessen, und somit wird diese Ernüchterung sich wohl erst an der Hand übler Erfahrungen nach vorgängigem Systemwechsel einstellen. Das Ministerium und speciell Herr v. Luz werden es wohl schon jetzt bereuen, nicht im Herbst 1870 die Kammer aufgelöst zu haben, worauf die deutschnationale Bartei nachhaltig aber vergeblich drang. Die damit gewährte Zeit von sechs Jahren nach der Begründung des deutschen Reiches hätte der unvermeidlichen Enttäuschung über das Nichteintreten aller möglichen Utopieen und der damit gegebenen Herrschaft der Klericaldemagogie über die Gemüther Gelegenheit sich auszuleben geboten, und der bevorstehende Kampf um die Existenz wäre dem System wie dem Cabinet wohl erspart geblieben. Die durch die nachherige Entwickelung längst widerlegte und überhaupt schon damals ziemlich überflüssige Furcht vor einer Herrschaft des directen Unitarismus hat diese Auflösung damals hintertrieben, wobei die Besorgniß vor eventuellen Portefeuillenachfolgern aus den Reihen der deutschnationalen Partei in zweiter Linie mit thätig gewesen sein mag. Dafür harren jezt Nachfolger ganz anderen Kalibers in der Versenkung unserer politischen Bühne. Daß ein entschieden flericalpatriotischer Wahlsieg einen Systemwechsel zur Folge haben würde, ist kaum zu bezweifeln; für eine Regierung gegen eine ausgesprochene parlamentarische Mehrheit fehlen hier alle politischen und persönlichen Voraussetzungen, auch würde eine gewaltsame Aufrechterhaltung des bisherigen Systems schließlich weder das Interesse des Reiches noch des Landes fördern. Es wird überdies bestimmt versichert, daß sich der König einem Delegirten der Klericalpatrioten gegenüber zur Einsetzung eines Ministeriums aus den Reihen dieser Partei eventnell bereit erklärt hat, allerdings unter zwei Voraussetzungen. Die Partei soll eine wirkliche compacte Majorität zustande bringen und sie soll ihre „unanständigen Elemente“ abschütteln. Namentlich das leztere wird allerdings seine großen

Schwierigkeiten haben, konnte doch schon bei den Reichstagswahlen vor Jahresfrist sich Herr Sigl dem Dr. Jörg als gleichberechtigtes Mitglied des klericalpatriotischen Centralwahlcomités an die Seite drängen. An eine längere Dauer der ultramontanen Herrlichkeit ist überhaupt nicht zu denken; warum, wird eventuell auseinanderzusetzen sein, wenn diese Herrlichkeit einmal in das Reich der greifbaren Erscheinung getreten sein sollte. Jedenfalls werden die Beziehungen zu dem Reich durch diesen eventuellen Systemwechsel schwerlich ernstlich alterirt werden, wenn auch ein gewisser nachtheiliger Einfluß kaum ausbleiben kann. Der König hat wiederholt zu erkennen gegeben, daß nach seiner Ansicht die hiesigen Beziehungen zu dem Reich so gut wie die von Bayern innerhalb des Reichsverbands behaupteten Sonderrechte in erster Linie Sache der Krone sind, und daß die Stellung der bayerischen Bevölkerung zur Reichspolitik durch die Wahl von 48 Reichstagsabgeordneten einen genügenden Ausdruck findet. Staatsrechtlich wird dieser wohl als ein Vermächtniß des unvergeßlichen Grafen Hegnenberg fortwirkenden Auffassung ohnehin nichts entgegenzustellen sein; ihr Gegentheil würde das Reich logischerweise unter die Controle der Einzellandtage stellen.

Die Vorbereitung für die entscheidenden Wahlen hat mittlerweile einen sehr ruhigen Charakter erhalten. Dem einflußreichen katholischen Kasino“ wirkt der am 6. November gestiftete,,Verein der liberalen Reichsfreunde" mit großem Erfolge entgegen. Eine von demselben am 11. December abgehaltene Versammlung in Sachen des Landsturmgesetzes hatte ein unerwartet günstiges Resultat; die Unerschrockenheit, mit welcher der verdienstvolle erste Vorsißende des Vereins, Redacteur Vecchioni, den populären Vorurtheilen bezüglich des Landsturmgeseges entgegentrat, zeigte sich in ihrer Ehrlichkeit zugleich als die beste Politik. Auch außerhalb der Hauptstadt beginnt die liberale Partei den Klericalpatrioten das Terrain streitig zu machen; ein neugestifteter „liberaler Verein für das bayerische Oberland" hat in wenigen Wochen durch Wanderversammlungen das bisherige ruhige Besißgefühl der Ultramontanen in die lebhafteste Unruhe verwandelt. Auf directe Erfolge bei den nächsten Wahlen ist dort freilich kaum zu rechnen, dazu wird die Zeit zu kurz bemessen sein. Aber für die Zukunft sind auch dergleichen Symptome bedeutsam und erfreulich. Die jetzige politische Herrschaft des Klerus über das altbayerische Landvolk hat für ihre Dauer überhaupt geringe innere Garantieen; sie zieht ihre Lebenskraft lediglich aus dem unvermeidlichen und von jedem Kundigen voraus gesehenen letzten particularistischen Rückschlag gegen die Begründung des deutschen Reiches unter preußischer Hegemonie. An sich und in normalen Zeitläuften wird gerade der altvayerische Bauer leicht gegen die Einmischung seines Klerus in weltliche Dinge mißtrauisch und beschränkt die Herrschaft seines Pfarrers gern auf seine Seele, weit mehr als dies z. B. bei dem bambergischen und rheinpreußischen Landvolke der Fall ist.

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