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Noch eine andere Erkenntniß sproßt für uns aus der Jesuitenpolitik, welche Meyer schildert. Dieselbe wäre gefährlicher und erfolgreicher, wenn nicht die Furcht vor der Zukunft stets zu verzweifelten Gewaltstreichen verlockte und so die altgerühmte Jesuitenschlauheit in das Gegentheil umschlüge. Im Kleinen zeigen sich die modernen Jesuiten noch immer als kluge Leute. Wenn es gilt, eine Erbschaft zu erschleichen, einzelne Familien namentlich aus den sogenannten höheren Ständen für Rom zu gewinnen, in fürstliche Häuser sich als Erzieher einzudrängen, dann gebieten sie noch über die richtigen Mittel und Wege. In allen großen Fragen aber, welche allgemeine staatliche oder kirchliche Interessen berühren, haben sie sich trotz momentaner Erfolge doch schließlich nur empfindliche Niederlagen zugezogen. Sie sind nicht mehr im Stande, wie zur Zeit ihrer Vorväter, mit den bestehenden Zuständen eine positive Verbindung einzugehen, auf dem Boden der ersteren sich einzurichten, mit den wirklichen Culturmächten sich zu verständigen. Im sechzehnten und siebenzehnten Jahrhundert fälschten sie die antike Bildung, verdarben sie die Kunst, immerhin bewahrten sie den Schein, daß sie zu der einen und der andern freundlich stehen, beide, wie die Bildung überhaupt, begünstigen. Sie verstanden sich damals auf Compromisse und herrschten, indem sie sich einschmeichelten. Gegenwärtig haben die Jesuiten alle Hoffnung aufgegeben, anders als durch brutale Gewalt zur Herrschaft zu gelangen. Sie haben keine Beziehungen mehr zu unserem Culturleben, sie können sich auch durch die geschickteste Fälschung, durch die raffinirteste Heuchelei keinen Zugang mehr zu der Geisteswelt öffnen, in welcher wir uns bewegen. Unfähig sich derselben einzuordnen, bemühen sie sich, sie zu zerstören, und bilden auf diese Art eine radicale Partei, welche nur durch brutale Gewaltstreiche den Sieg erringen kann. Die modernen Jesuiten vertreten überall nur die extremste, schroffste Politik und richten sich dadurch Gottlob überall zu Grunde. Nicht das erste und nicht das letzte aber vielleicht das anschaulichste Beispiel solcher Selbstvernichtung durch fieberhafte Ueberreizung liefern die Schweizer Vorgänge in den vierziger Jahren. Ohne Zweifel würde sich die katholische Macht in der Schweiz bis zu dieser Stunde kräftiger erhalten haben, hätten die Jesuiten nicht damals den Bogen zu straff gespannt, auf einen Schlag alles erreichen wollen. Es ist für die geistige Gesundheit der Ultramontanen bezeichnend, daß Bernhard Meyer die Ueberzeugung hegte, durch größere Mäßigung wäre die Niederlage seiner Partei verhütet worden, doch sich verpflichtet fühlte, durch sein Thun und Treiben die maßlose Jesuitenpolitik zu begünstigen.

Die Erzählung des Schweizerlebens nimmt in der Biographie Meyers, soweit sie bis jetzt vorliegt, nicht allein den größten Raum ein, sondern spannk auch am meisten unsere Aufmerksamkeit. Wir gewinnen einen deutlichen Einblick

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in die Umtriebe welche dem Sonderbundskriege vorangingen, und erfahren mannichfaches über die leitenden Persönlichkeiten. Viel Liebe oder auch nur Achtung haben die Sonderbundsführer nicht zueinander gehegt. Durch Meyers Erzählungen zieht sich die Eifersucht und der Neid gegen Siegwart Müller als rother Faden; daß die militärischen Autoritäten des Sonderbundes Dummföpfe waren, wird eben so willig zugestanden, wie der engherzige Egoismus und die Feigheit der Sonderbundscantone. Selbst eine artige Gründergeschichte“ fehlt nicht. Meyer wird von Siegwart Müller beschuldigt, daß er seine politischen Grundsäße für eine Summe Geldes verkauft und seinen Einfluß als Beamter bei einem Dampfschiffahrtsunternehmen ungebührlich verwerthet habe. Sogar Luzerner Capuziner bliesen in diese Trompete und predigten gegen Meyer. Dieser wieder giebt Müller die Anschuldigung mit Wucherzinsen zurück und schildert überhaupt seinen Collegen als einen durchaus zweideutigen Charakter. Auch die Notizen über die Gunst, welche der Sonderbund bei der österreichischen Regierung und bei Carlo Alberto fand, find nicht ohne Interesse. Noch nachträglich werden wir schamroth über die Huldigungen, welche wir dem „Reichsverweser" angedeihen ließen, wenn wir bei Meyer lesen, daß er zu den eifrigsten Patronen des Sonderbundes gehörte und sogar einen Kriegsplan für denselben ausgearbeitet hatte. Dagegen hat es uns gar nicht überrascht, zu erfahren, daß die Geldsumme, welche die österreichische Regierung dem Sonderbunde geschenkt hatte, wohlverwahrt in einer Kiste von einer Kanzlei zur andern wanderte, bis sie glücklich in den Märztagen 1848 in die Hände der Mailänder Aufständischen gelangte. Von der öfterreichischen Verwaltung ließ sich nichts anderes erwarten. Zur Signatur der Partei gehört auch die Geschichte, wie Bernhard Meyer und das sardinische Kriegsministerium sich gegenseitig zu überlisten glaubten. Dieses bot ihm schlechte Gewehre zu übertriebenen Preisen an und war gewiß, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, als Meyer den geforderten Preis bewilligte und einen Bon dafür ausstellte. Der fromme Meyer lachte in das Fäustchen, denn bei ihm stand es fest, den Bon niemals zu honoriren. Der Sonderbund wird auch nicht einen Pfennig für diese Waffen zahlen. „Siegen wir, so zahlen die Gegner, verlieren wir, so bleiben wir schuldig.“

Bekanntlich fand Bernhard Meyer nach seiner Flucht aus der Schweiz ein Asyl in Desterreich und eine Anstellung in der Kanzlei des Ministers Bach. Wie es ihm hier bis zum Sturze Bachs erging, füllt die letzten siebenzig Seiten des Buches. Wer irgend welche pikante Enthüllungen erwartet oder auch nur eine genaue und eingehende Schilderung der Ereignisse und Persönlichkeiten, wird sich bitter getäuscht fühlen. Wie alle die anderen politischen Banquerotteure, die Desterreich aus der Fremde bezog, damit sie auch hier ihre Kunst zeigen, stand Meyer ausschließlich im Dienste der Sacristei. Die ultra

montane Partei hier glaubte nicht unrichtig, auf die vaterlandslosen Leute am sichersten rechnen zu können. Sie hielt aber diese dienende Klasse von den herrschenden und tonangebenden Persönlichkeiten streng gesondert, verlangte von den Ueberläufern eifrigen Dienst, duldete aber nicht, daß diese eigenhändig die politischen Spielkarten mischen oder den Führern in dieselben blicken. Der gute Meyer erfuhr von dem wahren Zusammenhange der Dinge blutwenig und verlor gar bald, wie alle blinden Werkzeuge der ultramontanen Partei, die Fähigkeit, unbefangen zu beobachten und einen weiteren Kreis zu überblicken. Seine Charakteristik der Umgebung Bachs wird bei allen Kennern österreichischer Verhältnisse Lachen erregen, nicht minder die mehr als naive Behauptung: Die officielle Wiener Zeitung ist in den funfziger Jahren das Muster eines gediegenen öffentlichen Blattes gewesen.

Ueberaus dürftig ist auch die Kunde, die wir über den Minister Bach empfangen, obschon sich Bernhard Meyer zu dessen Vertrauten zählte. Selbstverständlich spielt die allmähliche Bekehrung des Ministers zu schroffster kirch licher Gesinnung in Meyers Erzählung die Hauptrolle. Ohne mit den Lippen zu zucken, ohne Ahnung der komischen Wirkung seiner Anekdote, beschreibt Meyer, wie Bach die Bischöfe zu empfangen pflegte. Beide Flügel der Thüre im Empfangssalon wurden geöffnet. Die Etiquette schreibt vor, auf diese Art einen regierenden Fürsten zu empfangen. Was ist aber so ein kleiner deutscher Dynast gegen einen katholischen Bischof.“ Der frömmelnde Zug in Bach, der sich zuletzt bis zur Krankheit steigerte, darf freilich nicht übergangen werden, aber ebenso wichtig ist sein fanatischer Haß gegen Rußland gewesen, hervorgerufen durch persönliche Beleidigungen, die er, „der Barricadenminister" vom Kaiser Nicolaus erlitten hatte. Dieser Haß bestimmte zumeist Bachs Stellung, zeigte seine volle Kraft bei dem Ausbruch des Krimkrieges und führte wesentlich den Minister in die Arme der ultramontanen Partei, der einzigen, welche der altaristokratisch - russischen das Gegengewicht zu halten im Stande war.

Der Abschnitt über Desterreich in Meyers Buch verdiente an sich keine Erwähnung, wenn nicht die ganze politische Stimmung, die aus demselben spricht, eine entschiedene Antwort erheischte. Der Himmel mag es dem Verfasser vergeben, wenn er schreibt, „auch nicht ein leiser Ton des Wehklagens“ wäre über den wiederholten Verfassungsbruch zu vernehmen gewesen. Angesichts der massenhaften Einkerkerungen, Internirungen und polizeilichen Verfolgungen ist das ein schamloser Hohn. Dafür, daß sich der fremde Landsknecht, der von Desterreich nur ein paar Kirchen und Klöster kannte, dazu hergab, den berüchtigten Rückblick auf die jüngste Entwickelungsperiode Ungarns“ zu schreiben, hat er bei lebendigem Leibe die wohlverdiente Züchtigung erhalten.

Szechenyis, des „großen Grafen“ Blick auf den Rückblick gab den Ver

fasser der allgemeinsten Verachtung nicht allein in Ungarn preis. Wenn aber in Meyers Buche das Jahrzehnt 1849-1859 wie eine Jdylle geschildert, unverholen der Abfall von den Grundsäßen und Zielen jener Zeit beklagt wird, so darf auch nicht einen Augenblick mit der Verwahrung gegen solches Treiben gezögert werden. Gerade gegenwärtig sind in Oesterreich einflußreiche Kreise reactionären Einflüsterungen wieder günstig gestimmt. Hat es doch diesseits und jenseits der Leitha den Anschein, als ob das liberale Regiment mit wirthschaftlicher Ordnung unvereinbar wäre. In Ungarn ist eine finanzielle Krisis eingetreten, die nur durch eine vollständige Umkehr der herrschenden Politik gehoben werden kann. In Deutsch-Desterreich wirft der Ofenheimsche Proceß einen häßlichen Schatten auf weite Kreise und läßt nicht den Angeklagten allein als moralisch geschädigt erscheinen. Unter solchen Umständen hört man nicht ungern auf den Lockruf der Reaction. Es soll nun weder die Großmannspolitik beschönigt werden, welcher sich leider die Magyaren seit 1867 hingegeben, noch geleugnet, daß der altösterreichische Glaube, das „hohe Aerar“ sei herrenloses Gut, der Ausbeutung beliebig preisgegeben, auch jezt nur modern aufgepußt und in andere Phrasen eingehüllt vorherrsche und daß auch die liberalen Kreise sich keineswegs von der Ausnutzung des politischen Einflusses für persönlich materielle Zwecke frei erhalten haben. Kommt aber ein scheinheiliger Heuchler und schildert die Bach-Thunsche Periode mit rosigen Farben und seufzt, daß dieselben verblichen, so soll er die Antwort hören, daß namentlich und vorzugsweise das Jahrzehnt 1849-1859 all die Noth, die seitdem über Desterreich sich thürmt, geschaffen, allen Jammer, der auf politischem und socialem Boden hier wuchert, gezeitigt hat. Wenn der Unglaube an die gedeihliche Zukunft des Staates sich in vielen Gemüthern festgesetzt hat, wenn bei anderen die Achtung für das Gemeinwesen verschwunden ist und dasselbe nur zur Förderung selbstsüchtiger Zwecke mißbraucht wird, so liegt die Schuld an den heillosen Zuständen der fünfziger Jahre, die geradezu zur Verzweiflung trieben und schwache Naturen verdarben. Es gab kein gesundes Element des Staatslebens, das nicht vergiftet, keinen guten menschlichen Zug, der nicht mit Füßen getreten wurde, und das geschah von Menschen, die durch die Rohheit ihrer Bildung abstießen, durch die Frivolität und den Egoismus ihrer Gesinnung anwiderten. Der rechte Stil erforderte, daß die Geschichte jener Jahre auf dem Rücken ihrer Helden mit derbsten Zügen geschrieben würde. Noch die Erinnerung jagt das Blut in die Wangen und erregt einen grimmigen Zorn, den Niemand maßlos finden wird, der diese dunkle Periode selbst erlebt hat. Anton Springer.

Faust von Goethe. Erster Theil. Mit Bildern und Zeichnungen von A. v. Kreling. Erste Lieferung. (München und Berlin, Friedr. Bruckmanns

Verlag.) Es bleibt immerhin fraglich, ob die Verbindung der zeichnenden Künste mit der schönen Literatur, die in neueren Zeiten in so großer Verbreitung auftritt, deshalb auch in Wahrheit einem inneren Bedürfniß entspricht. Wird doch, wie uns dünfen will, durch die Kunst des Zeichners und Dealers eine der innerlichsten und besten Wirkungen des Dichters geradezu zerstört: jene holde Anregung der Phantasie des Lesers zur Selbstthätigkeit im Banne der dichterischen Ideen, welche die eigentliche Quelle des Genusses bei jeglicher Lectüte ist. Indem nun der Künstler diese Thätigkeit zu unterstüßen vorgiebt, vernichtet er sie im Gegentheil, da er sie durch Fixirung bestimmter Momente einfach aufhebt; der mittelbaren Wirkung des Dichters durch das innere Schauen sett er die unmittelbare durch das äußere Schauen entgegen. Und je bedeutender er ist, um so mehr wird er es verstehen die Individualität seiner inneren Anschauung zu wirksamem Ausdruck zu bringen, die unreifere Phantasie minder geübter oder begabter Leser im Voraus ge fangen zu nehmen oder selbst die reifere der anderen zu verwirren und zu beunruhigen, beides weder zum Vortheil des Lesers noch des Dichters. So sind die Illustrationen nicht eigentlich Unterstützungen des illustrirten Werkes, sondern Bekämpfungen. Ihr Streben geht, so paradox dies klingen mag, in Wahrheit auf eine Beeinträchtigung der dichterischen Wirkung aus. Freilich wird auch hier der Stärkere immer der Sieger bleiben. Und so wird der Zeichner immer im Nachtheil sein, wo es gilt die geistigen und gemüthlichen Züge großer dichterischer Gestalten zum leiblichen Ausdruck zu bringen, zumal bei geistigen Erzeugnissen, welche lange schon Sinn und Verstand vieler Leser beschäftigt haben. Es war eine feine Bescheidung Prellers, daß er bei seinen „Odysseelandschaften“ das Hauptgewicht ganz bewußt auf das Landschaftliche legte, daß er es vermied die holden Züge Nausikaas uns darzustellen oder das schlaue und troßige Antlitz des Dulders Odysseus. Mit Recht ging er bei diesen Gestalten über den Schematismus nicht hinaus und gab sie nur als Staffage. Es war hingegen eine Vermessenheit Kaulbachs, der Nation seinen Goethe aufzudrängen, und wir können nur eine Bestätigung unserer Meinung in der Thatsache finden, daß jene Bilder der Goethegalerie, einst die Zierde fast jedes bürgerlichen Wohnzimmers, den Zenith ihrer Beliebtheit längst überschritten haben. Dies wären in Kurzem die Bedenken, die wir gegen das Jllustriren dichterischer Werke einzuwenden haben. Sieht man von ihnen ab, so verdient das vorliegende Buch vieles Lob. Die Zeichnungen des bekannten Directors der Nürnberger Kunstschule mit seinem Faust" und seinem „Gretchen“ mag sich Jeder selbst abfinden — haben in der Staffage ihr großes Verdienst, die Photographien sind scharf und in den Lichtabstufungen vorzüglich, die übrige Ausstattung ist, was Druck und Papier anbelangt, von einer in Deutschland selten dargebotenen Pracht, so daß der allerdings hohe Preis völlig gerechtfertigt erscheinen muß. Das erste Heft enthält die Zueignung, das Vorspiel auf dem Theater und den Prolog im Himmel. Das ganze Werk soll bis zum Ende des Jahres in acht Lieferungen mit zusaminen 16 Hauptbildern in Photographien und 80 Holzschnitten vollendet sein.

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Rd.

Berantwortlicher Redacteur: Konrad Reichard in Leipzig.
Ausgegeben: 19. Februar 1875. — Verlag von S. Hirzel in Leipzig.

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