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Frankreich und der Friede.

Wozu über etwas Vermuthungen aussprechen, was kein Sterblicher zu be rechnen, ja nur als wahrscheinlich zu verkünden im Stande ist? Und doch stellt Jedermann in der Stille die Erwägung an, ob uns der Weltfriede im nächsten Jahre erhalten wird, nicht nur der Geschäftsmann, auch der Familienvater, wenn er die heranwachsenden Söhne betrachtet, der Künstler und Gelehrte, welcher Sammlung zu einer größeren Arbeit ersehnt und der Genießende, welcher im Voraus bedenkt, wie er Muße und Mittel sich oder Anderen zur Freude verwenden wird. Deshalb sei auch dem Journalisten gestattet, darüber zu schreiben; er gleicht dem Schiffer, der ohne wissenschaftliche Instrumente und Beobachtungen nur nach den Erfahrungen früherer Jahre und aus den Wetterregeln seiner Zunft über die bevorstehende Witterung urtheilt; es mag geschehen, daß schon der nächste Tag seine Verkündigung widerlegt, dennoch sind gute Nachbarn geneigt, seine Meinung gelten zu lassen. Am liebsten freilich, wenn sie ihren eigenen Wünschen entspricht.

Als der französische Krieg beendet war, fehlte es nicht an Stimmen, die den Frieden nur für eine kurze Waffenruhe erklärten und gerade unter unseren höheren Befehlshabern, welche durch eigene Beobachtung die Stimmungen der Franzosen kennen gelernt hatten, war diese Annahme fast allgemein. Ihr durfte man schon damals entgegen halten, daß nach einem großen Kriege, welcher die gesammten Kampfmittel einer starken Nation in Anspruch genommen und mit der militärischen Erschöpfung des unterliegenden Theils geendigt hat, die durch den Krieg selbst neugeschaffenen Zustände des Volkes eine maßgebende Bedeutung erhalten, welche sich stärker erweist, als verlegtes Selbstgefühl, Rachsucht und der Trieb, den erlittenen Schaden durch ein neues Wagniß in Gewinn zu verwandeln. Der Verlust an Menschenleben, die Störung dec nationalen Production, die Erschütterung des politischen Regimentes machen sich erst nach und nach im Laufe der Jahre mit bestimmender Gewalt geltend. Und was richtiger ist, das allgemeine Friedensbedürfniß der civilisirten Welt wird nach einem Kriege, der auch den Neutralen Behagen und Wohlstand gefährdet hat, für längere Zeit weit energischer und betrachtet mit scharfem Mißtrauen jeden Versuch, die wiedergewonnene Ruhe zu stören. Dies Friedensbedürfniß der europäischen Völkerfamilie ist bereits eine starke Macht

Im neuen Reich. 1875. I.

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geworden, welche auch einer kriegslustigen Politik gebieterische Rücksichten auferlegt. Wie sich auch beim Beginne des französischen Krieges Italien, Desterreich, England, Rußland zu den kriegführenden Parteien gestellt hatten, seit dem Kriege sind ihre Regierungen um die Wette bemüht gewesen, durch friedliche Demonstrationen jede flüchtige Hoffnung der Franzosen auf Bundesgenossenschaft bei einer neuen Störung des Friedens auszutilgen. Wir dürfen mit gutem Grunde annehmen, daß dieselbe energische Beflissenheit, den europäischen Frieden zu erhalten, sich Frankreich gegenüber geltend machen würde, selbst wenn an Stelle des Marschalls Mac Mahon irgend ein Prätendent aus den entthronten Familien treten sollte, wofür doch zur Zeit geringe Wahrscheinlichkeit vorhanden ist.

Vielen Franzosen freilich erscheint die gegenwärtige Regierung eines Generals immer noch deshalb als die beste, weil sie ihnen die militärische Reorganisation und dadurch die Aussicht auf bessern Erfolg in einem neuen Kriege zu eröffnen scheint. Aber gerade auf diesem Gebiete hat Frankreich seit dem Frieden die größten Schwierigkeiten gefunden, und wer sich die Mühe giebt, in den französischen Mittheilungen über die Reformen im Militairwesen hinter den Zeilen zu lesen, der erkennt, daß die Franzosen jezt vielleicht weiter davon entfernt sind, ein völlig kriegstüchtiges Heer dem deutschen gegenüberzustellen, als sie im Sommer 1870 waren. Uns Deutschen wird die Meinung erlaubt sein, daß sie die Sache beim unrechten Ende angefangen haben. Sie begannen in ihrem Eifer damit, die Zahl der Mannschaften zu verdoppeln und dieser ungeheuren Masse viele unserer bewährten Heereseinrichtungen, die allgemeine Wehrpflicht, den Freiwilligendienst einzufügen. Der deutschen methodischen Behandlung hätte das entgegengesetzte Verfahren entsprochen, Verminderung des Heeres durch Ausscheiden aller zuchtlosen Elemente, sorgfältigste Schulung des gebliebenen guten Bestandtheils, allmähliches Herausbilden der Lehrkräfte und eine langsame, diesen entsprechende Vergrößerung des Heeres. Was bis jetzt geschaffen wurde, hat den Franzosen einen großen Theil der Uebelstände eingeführt, unter denen das italienische Heer feit der Schöpfung des Königreichs Italien leidet, es fehlt der großen Masse der Soldaten der innere Halt, die Kräfte für eine straffe Durchbildung sind vermindert und nicht gesteigert, die Einführung der kürzeren Dienstzeit und vollends der einjährig Freiwilligen hat die Disciplin und den Zusammenhalt der Mannschaften in fühlbarer Weise verschlechtert. Der Streit z. B. um eine taktische Formation, welcher gegenwärtig dort so sehr beschäftigt, hat eine tiefere Bedeutung. Denn bei der Frage, ob das französische Bataillon vier Com pagnien erhalten soll, wie das deutsche, oder sechs bewahren, wie zur Zeit das französische, haben leider beide Parteien Recht; der Kriegsminister, welcher die alte Formation der Compagnien vertritt, weil er überzeugt ist,

daß die Kraft und Tüchtigkeit der bisherigen Compagnieofficiere nicht ausreicht, um die sichere Herrschaft über eine größere taktische Einheit zu be haupten, die Gegner, weil die kleinen französischen Compagnien sich im Kriege allerdings schlecht bewährt haben. In der That liegt die Sache so, daß die neue Einrichtung, welche an sich besser wäre, bei dem Zustand des französischen Heeres die Desorganisation vermehren würde. Die große Schwäche in dem derzeitigen militärischen Vermögen Frankreichs ist nicht nur unserer Militärleitung genau bekannt, sie wird offenbar auch der französischen Regierung immer fühlbarer. Und da dieser bei ihrer unsicheren Stellung zur Nation und bei der Abgängigkeit von einer eitlen und unberechenbaren parlamentarischen Körperschaft die Möglichkeit entgeht, gründlich zu reformiren, so dürfen sich die Franzosen darauf gefaßt machen, einer Periode der militärischen Unordnung zu verfallen, aus welcher ihnen die Erhebung schwer werden wird.

Vielleicht vermindert dieser Umstand nur ihre Aussichten auf Erfolge im Kriege, ohne unsere Hoffnung zu steigern, daß der Friede bewahrt bleibe. Aber es scheint, daß auch nach anderen Richtungen der französische Kampfeseiser gedämpft wird, und nicht am wenigsten durch die friedlichen Eroberungen, welche die Franzosen seit dem letzten Kriege in Deutschland gemacht haben. Unsere Abhängigkeit von französischer Production und Industrie wird mit jedem Jahre größer, zum Theil durch Schuld unserer Industriellen, zum Theil als natürliche Folge des Krieges, welcher in Frankreich eine acute und mächtige Erschütterung des Wohlstandes und in Folge davon eine Steigerung der Erwerbungslust, Umsicht und Thatkraft der Unternehmer hervorgerufen hat, während bei uns die plößliche Anschwellung des Selbstgefühls und Geldes eine zum großen Theil unfruchtbare Speculation und eine Demoralisation in weiten Kreisen der Geschäftswelt veranlaßte, an deren Folgen wir noch kränkeln. Unverkennbar ist, daß die Franzosen jezt das Geld, welches ihr Staat in Scheffeln an das Reich zahlte, mit tausend Löffeln wieder von uns zurückholen. Solche Steigerung des Friedensgewinns wird bei der Natur unserer Nachbarn ihre Sehnsucht nach Rache nicht austilgen, wohl aber die Heftigkeit derselben dämpfen.

Wie lange aber auch die Kränkung des französischen Stolzes in den Gemüthern fortarbeiten mag; schon damals, als Herr Thiers sich um die Bundesgenossenschaft anderer Mächte bemühte, war allen einsichtigen Franzosen deutlich, daß ein neuer Kampf gegen das geeinigte Deutschland nur dann unternommen werden dürfe, wenn ein starker Alliirter als Gehülfe gewonnen sei. Und die Hoffnungen auf solche Hilfe sind, soweit sich für uns erkennen läßt, jezt auch in Frankreich fast geschwunden. Wir Deutsche sind in der glücklichen Lage, daß wir keine auswärtigen Besitzungen haben, daß wir keine unbefriedigten Ansprüche auf fremdes Gebiet zu erheben berechtigt sind und daß

es im Gebiet des deutschen Reiches nur sehr wenige und verhältnißmäßig kleine Theile giebt, auf welche in fünftigen Eventualitäten ein fremder Staat rechtlich begründete Ansprüche erheben dürfte. Wir sind ferner in der glücklichen Lage, daß wir bei mäßigen Zöllen in dem freien Verkehr mit allen Culturvölkern unsern Vortheil finden, wir haben durch drei siegreiche Kriege unsere Waffentüchtigkeit vor Europa bewiesen und unsere Politik darf in ausgezeichneter Weise friedlich, gradsinnig und Vertrauen erweckend sein. Jezt sehen wir alle großen Culturvölker Europas in angelegentlicher Friedensarbeit begriffen, welche nicht weniger energisch ist, als die unsere, und welche die Störungen durch einen Krieg ebenso zu scheuen hat als die unsere. So dürfen wir uns wohl, ohne sanguinisch zu sein, der Hoffnung hingeben, daß wir auch im neuen Jahre in äußerem Frieden Saat auswerfen und die Ernte einbringen werden.

Möge der Segen, welchen wir von dem neuen Jahre für unser Vaterland ersehnen, vor Allem den Führern der Nation zu Theil werden, dem Kaiserhause und dem weisen Leiter der Reichspolitik, dem Kanzler.

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Die Mehrzahl unserer Staatsmänner hätte noch vor nur zehn Jahren dem Ausspruche, der deutsche Staat werde einen harten Kampf mit der katholischen Kirche zu bestehen haben, ein ungläubiges Lächeln entgegengesett. Selbst der leitende preußische Minister, der den jetzigen Streit heraufbeschworen zu haben beschuldigt wird, schien in voller Vertrauensseligkeit befangen, maß der kirchlichen Frage wenig Wichtigkeit bei, und versuchte sogar die Schwierigkeiten der inneren politischen Lage durch die Bundesgenossenschaft der Ultramontanen zu beseitigen. Nur ein deutscher Staat, das Großherzogthum Baden, war in zähem Kampfe mit seiner katholischen Landeskirche. Aber weit entfernt, daß die badische Regierung sich der Sympathien der deutschen leitenden Staatsmänner oder der Politiker von Fach zu erfreuen gehabt hätte. Im Gegentheil. Nicht nur, daß man mit einer gewissen freundnachbarlichen Schadenfreude die Schwierigkeiten betrachtete, welche sich für die Regierung des kleinen Landes oft genug ergeben mußten, daß die conservative Partei in Deutschland das badische Ministerium fort und fort beschuldigte, in der Kirche eine der sichersten Stützen des Thrones, den besten Bundesgenossen gegen den Liberalismus zu beseitigen: auch die deutschen Liberalen waren des badischen Kirchenstreites wenig froh. Sie erblickten in dem Auftreten der Regierung einen Rest jenes

*) Vortrag, gehalten im Vereine für Kunst und Wissenschaft zu Hamburg.

Die Genesis des kirchenpolitischen Conflictes.

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bureaukratischen Staatssystemes, welches vor dem Jahre 1848 auf dem ganzen DW YORK

deutschen Volke gelastet hatte, sie waren nicht weit davon entfernt zu glauben,
daß die Kirche für die Freiheit des Individuums streite, und darum Unter-
stüßung verdiene gegenüber dem Staate

Auch nach dem Jahre 1866 machte sich bei den deutschen Politikern wenig-
stens äußerlich kein Umschwung der Ueberzeugung bemerklich. Freilich der Um-
stand, daß Lesterreich aus Deutschland ausgeschieden war, mußte nothwendig
die Stellung der katholischen Kirche berühren. War es doch verwundert genug
empfunden worden, wie wenig bei den katholischen Rheinländern und Westphalen
das Preußenthum dem Katholicismus gegenüber hatte Stich halten können und
im Stande gewesen war, die kirchlicherseits genährte Sympathie für das katho-
lische Desterreich zu überwinden, hatte man doch mit Staunen gesehen, wie
instinctiv richtig der gemeine Mann in vielen Gegenden Deutschlands den Krieg
als einen Religionskrieg auffaßte, wie pfälzische protestantische Dörfer auf
österreichische Siegesnachrichten hin die Nächte bewaffnet zubrachten, weil sie
den Ueberfall benachbarter katholischer Dörfer erwarteten.

In der That wußte kaum jemand in Deutschland besser, wie innig die katholische Frage mit der österreichischen verwebt sei, als der preußische Ministerpräsident Graf Bismarck. War er doch selbst als preußischer Bundestagsgefandter von Frankfurt nach Carlsruhe gesandt worden, um die badische Regierung in dem Kampfe mit der durch Desterreich gestüßten katholischen Landeskirche zu stärken. Hatte er doch selbst mit ansehen können wie die Strafgelder, zu denen die badischen Geistlichen gerichtlich verurtheilt wurden, offen von dem österreichischen Gesandten in Carlsruhe ausgezahlt wurden, wie dieser sich auf directen Befehl seines als Schußherrn der katholischen Kirche auftretenden Souveräns der badischen Regierung gegenüber bis zu Drohungen verstiegen hatte, falls nicht den Forderungen des aufständischen Clerus nachgegeben werde. Für Herrn von Bismarck mußte es klar sein, daß seine politische Schöpfung in Deutschland selbst die argsten Widersacher in der katholischen Partei habe, und daß Oesterreich in dieser jederzeit den eifrigsten Bundesgenossen finden würde, um seine Wiedervereinigung mit Deutschland zu erzielen.

Dennoch nahm auch nach dem Jahre 1866 keine einzige deutsche Regierung eine veränderte Stellung zu der katholischen Kirche ein. Nur Baden hatte nach wie vor Verwickelungen mit seiner Landeskirche, ohne natürlicher Weise stark auf die Unterstützung einer Regierung rechnen zu können, deren kirchliche Politik durch Herrn von Mühler geleitet wurde. Machte doch das badische Ministerium die merkwürdige Erfahrung, daß als der erzbischöfliche Stuhl in Freiburg verwaist wurde und Schwierigkeiten vorhanden waren, ihn wieder zu besetzen, der preußische Cultusminister seine Hilfe anbot und sich

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