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Aleber die Germanen vor der sogenannten Völkerwanderung.

Von Felix Dahn.

Jedermann weiß, daß über die Frage, welchen Grad und welche Art von Cultur die germanischen Stämme vor der Aufnahme der römischen Civilisation bei der Niederlassung in römischen Provinzen erreicht hatten, die Ansichten sehr weit auseinander gehen.

Während eine extreme Auffassung, wie sie namentlich in französischen Darstellungen früher als herrschend angetroffen wurde und noch jezt überwiegt, die sämmtlichen hier auftauchenden und zum Theil sehr schwierigen Fragen mit dem nichtssagenden Ausdrucke ,,les barbares du nord",,sauvages“ und gleichen Phrasen abthut oder auch in ausführlichen Schilderungen jene ,,bandes féroces" etwa den Insulanern der Südsee ähnlich erscheinen läßt, hat es andererseits in Deutschland und im Auslande auch nicht an Vertretern eines extremen Optimismus gefehlt, welcher die Tugenden unserer Vorfahren, zumal ihre Treuherzigkeit, ihre Unkenntniß oder Verachtung aller List nach dem Muster paradiesischer Idyllstaaten, wie sie das siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert zu träumen liebte, ausmalten und dann auch die durch solche primitive Tugenden erstiegene Höhe der Culturzustände entsprechend überschätzten: sehr weit in diesem patriotischen Optimismus, bis zur Verleugnung aller Grundsäße der Quellenkritik, ging der Geschichtsschreiber Luden: dieser ging von dem Grundsage aus, alle von Römern oder Griechen herrührenden Berichte über die Germanen seien als Aussagen von Feinden nur da glaubhaft, wo sie den Germanen Günstiges anführten, absolut unglaubwürdig aber bei allen nachtheiligen Angaben.

Da wir nun gar keine anderen als von Griechen und Römern herrührende Berichte besigen, so ergab sich denn das merkwürdige Resultat, daß die Germanen nicht nur gar keine nennenswerthen Fehler hatten, daß sie auch beinahe mie von den Römern geschlagen worden sind, da germanische Schlachtberichte nicht vorliegen und die Bulletins der Cäsaren keinen Glauben verdienen.

Aber auch abgesehen von solchen Extremen wird es der vorurtheilfreien Forschung nicht leicht, zu widerspruchlosen Ergebnissen zu gelangen, aus zwei Gründen: einmal weil die Quellen selbst, abgesehen von ihrer Spärlichkeit, sich oft und stark widersprechen, und zweitens, weil es ungemein schwierig ist,

Im neuen Reich. 1875. I.

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sich bei der Feststellung des Culturgrades einer Nation und Zeit über die ent scheidenden Kriterien zu verständigen.

Was das Erste, den Widerspruch in den Quellen anlangt, so genügt es, daran zu erinnern, wie abweichend, wie völlig isolirt die Würdigung der germanischen Nationaleigenschaften und der aus ihnen folgenden nationalen Zustände bei Cornelius Tacitus den Urtheilen aller anderen römischen und griechischen Schriftsteller gegenüber steht: man hat um dieser Zsolirung willen der Germania des Tacitus als einem „historischen Romane", einer Utopie im Stile des Thomas Morus die Bedeutung einer Quelle völlig absprechen oder doch der „idealisirenden socialpolitischen Tendenzschrift" nur ein sehr geringes Maß von Glaubhaftigkeit zubilligen wollen.

Mit großem Unrecht.

Tacitus ist es ähnlich ergangen wie Herodot. Je genauer wir die Dinge, über welche er berichtet, aus anderen Quellen, aus Rückschlüssen von späteren Zuständen, aus Analogie der nordischen, in Sage und Geschichte erhaltenen Ueberlieferungen, endlich aus dem Gesammtergebnisse der Forschungen der historischen Schule im Gebiet der germanischen Alterthumskunde zu beurtheilen gelernt haben, desto höher steigt unser Erstaunen über die Wahrheit und Treue seiner Berichte: es fehlt nicht an Mißverständnissen, an Fehlgriffen im einzelnen, aber im Ganzen, in der Gesammtauffassung der Nationaleigenschaften und der Zustände in Volkswirthschaft, Gesellschaft, Ethos, Recht, hat er in verehrungswürdiger Tiefe und Klarheit beobachtet, geprüft und berichtet.

Allerdings, tendentiös ist seine Darstellung: aber nicht etwa in dem Sinne, daß er wissentlich und absichtlich Falsches berichtet, Wahres und Wesentliches verschwiegen hätte: nur in dem Sinne, daß dem über die sittlichen Uebelstände der römischen Uebercultur moralisch entrüsteten, mit dem Despotismus des Imperiums nicht immer zufriedenen Aristokraten die germanischen Zustände, die Vorcultur einer hoch und edel angelegten Nation, nur im günstigsten Lichte erschienen und daß er die Vorzüge dieser einfachen und rohen, aber gesunden und kräftigen Zustände, diese zukunftverheißende herbe Knospe, dieses Uebermaß von Freiheit seiner Römerwelt wie in einem Spiegel vorhalten wollte; seinen Römern, welche ihm fast nur in unsittlicher kranker Fäulniß, in der Uebercultur des Niederganges, in der Unfreiheit des Despotismus vor die zürnenden Augen traten.

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Da geschah es ihm denn unwillkürlich darauf möchte ich Gewicht legen daß er die Lichtseiten und Vorzüge des germanischen Nationalcharakters und der Vorcultur allein oder doch sehr überwiegend - denn er ist nicht blind für ihre Laster des Trunkes und Spieles, für die Noth und Armuth ihrer Volkswirthschaft, für das Uebermaß ihrer eifersüchtigen Freiheitsliebe und die geringe Centripetalkraft und Gehorsamszucht in Staat und Heer

in den Vordergrund seiner Schilderung schiebt und das Ungünstige abschwächt, geringer anschlägt, zurückdrängt. Das Urtheil, nicht die Richtigkeit des Thatsächlichen in seinen Angaben, hat in diesen tendenziösen Färbungen und Verschiebungen am meisten gelitten: die schlimmste Schönmalerei liegt in seiner Darstellung des beneidenswerthen Zustandes der Frauen bei den Germanen seiner Zeit und in der Verkennung der Verfassung, welche er zu demokratisch denkt; sie war aber eher eine Aristokratie des Grundbesizes, der adeligen und der nicht adeligen durch größeren Landbesiß und unfreie und halbfreie Hintersassen in Gemeinde und Gau mächtigen Geschlechter.

Auch in viel späterer Zeit, im fünften Jahrhundert, finden sich sehr widersprechende Quellenangaben über die Tugenden und Laster einzelner germanischer Völker; auch hier mischen sich tendenziöse Färbungen ein: es ist die Zeit der Verbreitung des Christenthums unter einer Anzahl dieser Völker. Da waltet nun bald die Tendenz, die zu Bekehrenden in tief unsittlichem Zustande befangen darzustellen, um zu zeigen, wie das Christenthum auch die moralische Wiedergeburt gebracht habe: es müssen ferner diejenigen, welche bei dem Glauben ihrer Väter beharren wollen, und gegen die christlich Gesinnten (welche zugleich die römische Herrschaft ins Land ziehen wollen) das alte Volksrecht anrufen und die christliche Propaganda (die sehr gewaltthätig mit Zerstörung der nationalen Heiligthümer durch römische Waffen auftritt) mit Gewalt abwehren, mit allen Lastern des Barbarenthums befleckt geschildert*) werden, im Gegensaße zu den Angehörigen des gleichen Stammes, welche sich sofort mit der Annahme der Taufe als Spiegel aller christlichen Tugenden darstellen oder auch schon vorher als Ausnahmen von der Regel dieses Volkes gepriesen werden. Ferner müssen jene Heiden, welche so unglücklich sind, das Christenthum nicht in dem richtigen Bekenntnisse, sondern etwa als Arianer, anzunehmen, als nach wie vor gleich unsittlich, ja wo möglich nunmehr als noch mehr verderbt geschildert werden.

Daneben stehen dann die freilich seltenen Fälle, in welchen aufrichtige christliche Priester, wie Salvian, den in allen Lastern versunkenen christlichen Römern und Provincialen die Tugenden der noch heidnischen oder eben erst bekehrten Germanen als leuchtende und beschämende Vorbilder entgegen halten: ihre Keuschheit, Wahrheitsliebe, Pflichttreue, Aufopferung, Ehrlichkeit, Tapferkeit. Die zweite Schwierigkeit, sagten wir, liegt in der Verständigung über die Kriterien für den Culturgrad einer Nation und Zeit.

Denn je nach individueller Neigung oder Gewöhnung wird der Eine etwa auf den Flor der Volkswirthschaft, ein Anderer auf Weihe und Reinheit

*) Auch später begegnen bei Belehrung der Sachsen und Nordleute diese Widersprüche häufig genug.

der Familienzustände, der Sprachforscher auf Anlage und Entwickelungsstufe des Sprachvermögens, der Kunstfreund auf Talent und Entfaltung des Kunsttriebes in bildender und redender Kunst, der Moralist auf die Tiefe des Ethos, der Mythologe auf die Höhe der religiösen Anschauungen, endlich der Jurist auf die Eigenart, Kraft und reiche Ausbildung des Rechts- und Staassinnes entscheidendes Gewicht legen. Die Hellenen mußten sich schon oft von gestrengen Juristen ihres leichtsinnigen Künstlerthums halber ausschelten lassen, das die ohnehin geringe Anlage für Pflege des Privatrechts von der Ausbildung abgelenkt habe, während künstlerischen Naturen die majestas populi Romani und ihres welterobernden Rechts keinen Ersaß für die mangelnde ästhetische Ader in dem Volksthume der Quiriten zu gewähren scheint.

Für die historische Schule und die auf ihr aufgebaute geschichtsphilosophische Anschauung besteht jene Schwierigkeit nicht: sie weiß, daß die möglichst gleich. mäßige Beanlagung und Ausbildung in allen menschlichen Attributen als Jdeal vorschweben muß, daß es einseitig und unrichtig ist, nach individueller Liebhaberei das eine Attribut in Würdigung der nationalen Begabung und Beurtheilung der Culturentfaltung höher anzuschlagen als andere gleich wesentliche.

Und so werden wir denn die Frage nach dem Culturgrade der Germanen vor der Romanisirung nur dann objectiv und unbefangen beantworten, wenn wir alle menschlichen Attribute dabei in gleichmäßige Erwägung ziehen. Es find dies aber die folgenden:

1) Wirthschaft, 2) Familie, 3) Sprache, 4) Kunst, 5) Religion, 6) Ethos, 7) Recht und Staat, 8) Wissenschaft.

Allgemeine Grundlagen. Lebensweise. Ansiedelung.

Entwickelung des Staatsverbandes.

Am Eingange dieses Gebietes begegnet uns die berühmte, auch heute noch keineswegs ausgetragene Streitfrage, ob die Grundlage des wirthschaftlichen Lebens der Germanen zu der Zeit, da uns Cäsar die ersten eingehenderen Berichte über sie aufzeichnet (circa 50 vor Chr.) und Tacitus die Germania schrieb (Anno 99 nach Chr.), seßhafter Ackerbau oder nomadenhafte Viehzucht und Jagd gewesen sei.

Das Richtige ist, schon zu Cäsars Zeit starkes Ueberwiegen seßzhaften Ackerbaues anzunehmen, das in den anderthalb Jahrhunderten oder sechs Menschenaltern, die ihn von Tacitus trennten, immer noch zunahm, wobei aber die alten Ueberlieferungen, Gewöhnungen und Neigungen, bei irgend welchem Anlasse die Wohnsitze zu verändern, immer unvergessen nachwirkten.

Die sogenannte Völkerwanderung, welche man im vierten Jahrhundert nach Christus beginnen läßt, und welche vielmehr ein allmäliges Ausbreiten als ein plötzliches Wandern, und wenigstens ebenso sehr ein Geschobenwerden

als ein Schieben war, erscheint nämlich nur als die letzte Nachwirkung, als der letzte, stark aufrauschende Wellenschlag einer Bewegung, welche die Germanen von Centralasien allmälig bis nach Gallien und an die Alpen geführt hatte eine Grundanschauung, zu welcher, wie ich mit Freuden bei meiner Uebersiedelung hierher erfuhr, auch mein verehrter College Nitsch gelangt war. Schon vor der Scheidung der Völker asischer Race in Mittelasien hatte die gesammte indogermanische Gruppe die Anfänge des Ackerbaues gekannt, wie die urgemeinsame Benennung einer Anzahl von Fruchtarten und Geräthen beweist.

Es war aber dieser Ackerbau ein sehr wenig intensiver, er war keineswegs der überwiegende Nahrungszweig der Völker: nur im Vorüberziehen gleichsam säete und erntete man unter jenem milden Himmelsstriche ohne viele Mühe des Menschen gedeihende Fruchtarten. Der Ackerbau schließt, unter solchen Verhältnissen betrieben, durchaus die Seßhaftigkeit nicht ein: es war vielmehr ein im Anhange zur Viehzucht und Jagd nomadenhaft betriebener Ackerbau, welcher nach Ausbeutung von Jagd- und Weidegrund ohne Opfer weiter rückte: und es wäre wohl der Untersuchung werth, ob die am frühesten angebauten Gewächse nicht ganz ebenso sehr den Thieren zur Nahrung bestimmt waren, mit Halm und Korn, als den Menschen.

Kurz, der Fruchtbau war damals nur ein nebensächliches Anhängsel der Viehzucht und Jagd: man brachte keine großen Opfer in Urbarmachung für den oberflächlich nur die Scholle rißenden Holzpflug, und wenn die Erschöpfung der Jagd und Weide, Uebervölkerung oder das Nachdrängen übermächtiger Nachbaren ein Fortrücken in noch unberührte, unerschöpfte, oder auch in fruchtbarere, oder endlich in minder bedrohte Gegenden wünschenswerth machte, so packte man Weiber, Kinder, das wenige Acker- und Jagd- und Weidegeräth, sowie Schmuck und Gewänder auf die leicht gezimmerten Zeltwagen, trieb die Unfreien und die Heerden mit sich, und suchte, ohne Heimweh die bisherigen Siedelungen aufgebend, günstigere Site. Denn, wohlgemerkt, aller germanischer Hausbau ist ganz ausschließlich Holzbau; erst von Kelten und Römern am Rhein und in den Alpen haben die Germanen den Bau steinerner Häuser sehr langsam sich angeeignet, und Jahrhunderte lang wird alle Steinarbeit von den romanischen Knechten besorgt, wie ja heute noch der Romane durch vorzügliche Kunst und Werthhaltung des Steinbaues sich von dem deutschen Nachbar abhebt, überall wo Bajuvaren und Alemannen mit Italienern grenzen. Wufila hat noch Ende des vierten Jahrhunderts für die griechischen Bezeichnungen des Häuser- und Städtebaues kein anderes Wort als timbrjan zimmern; gleichzeitig haben die Christengemeinden unter den Westgothen sogar für ihre Kirche nur ein Zelt (ozývn) und sogar die Befestigungen der germanischen Stämme, welche sie gegen die römischen Legionen

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