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nahmsweise nicht statt hat. Schon ist man auf neue Veränderungen gefaßt, und würde sie mit Gleichmuth ertragen; wessen persönliche Interessen nicht in dieselbe verwickelt sind, der würde sich schwerlich rühren, die gegenwärtige Situation zu vertheidigen. Das Ganze erscheint nunmehr wie ein anderes der vielen Experimente zur Beseitigung der unendlichen Uebel, und halb und halb ist es schon wieder mißglückt. Spanien ist heut, nach Dantes Ausspruch simigliante a quella inferma,

Che non può trovar posa in su le piume,
Ma con dar volta suo dolore scherma.

A. G.

Parlamentarisches.

Aus Berlin. Kaisers Geburtstag. Des Kaisers Geburtstag ist in der geräuschlosen Weise vorübergegangen, in welcher sich dieses Fest hier zu vollziehen pflegt. Ein paar auswärtige Fürstlichkeiten zum Besuch am Hofe, die herkömmliche Gratulation der Großbeamten und höhern Militärs, in den Zeitungen mehr oder weniger schwungvolle Gedichte und Leitartikel, da und dort auf dem Theater ein Prolog, ein Dußend officieller Diners, auf den Straßen sehr vereinzelte Fahnen, worunter noch immer die schwarzrothgoldene mit ihrer nachgerade doch sehr zweifelhaften Existenzberechtigung figurirt, am Abend spärliche Jlluminationsversuche, das ist ungefähr Alles, was man in der Reichshauptstadt von diesem Festtage merkt. Von einer eigentlichen Volksfeier, wie in kleineren Städten, ist hier keine Spur. Nicht als ob man nicht auch hier mit inniger Verehrung und Liebe dem kaiserlichen Herrn ergeben wäre, allein der Berliner ist zu bequem, zu sparsam und zu profaisch, um des Lebens alltägliche Nüchternheit gelegentlich mit etwas begeistertem Schwung zu verzieren, und von einer ganz besonderen, traditionellen Scheu, in Aeuße rungen der Loyalität zu viel zu thun. Die große Zurückhaltung, um nicht zu sagen Mißachtung, bei patriotischen oder nationalen Festen ist nun einmal ein charakteristischer Zug unserer Bevölkerung, der bei allen derartigen Gelegenheiten auffällt. Uebrigens hat der greise Monarch, der in den letzten Wochen recht leidend gewesen, seinen Geburtstag in erfreulichem Wohlbefinden begangen, und es wird sogar wieder ernstlich versichert, der lange beabsichtigte Besuch bei dem König Victor Emanuel werde in einem der nächsten Monate in der That zur Ausführung kommen.

In politischer Hinsicht war die verflossene Woche reich an interessanten Ereignissen. In unserem Abgeordnetenhause ist es wieder einmal stürmisch zugegangen: Das „Sperrgesetz" hatte alle Geister der Leidenschaft und Aufregung entfesselt und Scenen erzeugt, die an dramatischem Leben in unsern parlamentarischen Annalen einzig dastehen. Ein effectvollerer Auftritt hätte auf keinem Theater arrangirt werden können, als ihn der Zufall im Land

tagssaale ins Werk sehte, da er bei dem Geschichtchen des Herrn von Sybel vom bösen „Mark", der für seine Missethaten im Sumpfe versinkt, die wohlbekannte Gestalt des Reichskanzlers in voller Kraft und Rüftigkeit die Schwelle übertreten ließ. Ein solch brausender Jubel, folch stürmische Zurufe im ganzen Hause und auf den Tribünen find niemals erhört worden. Der Fürst sah wahrhaftig nicht einem gebrochenen kampfmüden Mann gleich, wie die Gerüchte der letzten Wochen uns hatten glauben machen wollen. Und wie er dem grenzenlosen Unfuge, der mit der Phrase „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“ in ultramontanem Munde getrieben wird, mit dem einfachen Ausspruch entgegentrat, auch er glaube Gott zu dienen, wenn er seinem Könige gehorche, und des Papstes Wille sei nicht Gottes Wille, da gab er wieder eines jener geflügelten Worte von sich, welche der begeistertsten Zustimmung in allen loyalen Herzen sicher sind. Es ist auffallend, wie oft gerade der alte Herr von Gerlach, der Mann nach dem Sinne der „Kreuzzeitung“, den Widerspruch Bismarcks hervorruft, als wollte der Reichskanzler bei jeder Gelegenheit Zeugniß ablegen, wie voll und ganz er mit dem Geiste der fendalen Reaction gebrochen, welche dem Staate und dem Könige nur so lange dient, als beide ihnen selbst zu Willen sind.

Der folgende Tag brachte uns dann die unerquickliche Scene der Verlesung der Encyclica. Es gehörte die eiserne Stirn eines so fanatischen Centrumsmannes, wie des Freiherrn von Wendt, dazu, um gegen den Protest des Präsidenten und fast des ganzen Hauses dies frevelhafte Schriftstück seiner ganzen Länge nach vorzutragen und den Landtagssaal zu einer Agitation zu benutzen, die nur durch das Privilegium der Volksvertretung sich dem Strafrichter entzieht. Die massenhafte Verbreitung dieses aufreizenden Erlasses, welche die Bischöfe und Geistlichen nicht gewagt, kann nun unter der Firma eines Berichtes aus dem Abgeordnetenhause erfolgen, und die hinterlistige Kampfweise der Ultramontanen ist wieder um einen charakteristischen Zug bereichert. Es erhob sich darüber ein Tumult und tobender Sturm, der von Thätlichkeiten nicht mehr allzufern schien, und der Präsident mochte ernstlich überlegen, ob es nicht an der Zeit sei, den Hut aufzusetzen und durch diese ultima ratio der Geschäftsordnung die Sitzung zu schließen. Der Wiederkehr solcher Vorkommnisse wird durch eine schleunige Aenderung der Geschäftsordnung abgeholfen werden müssen. Noch die ganze Sitzung hindurch zitterte die Bewegung nach und wiederholt wurde die Aeußerung gehört, ein solcher Hohn sei der Volksvertretung nie geboten worden. Eine glänzende Leistung staatsmännischen Geistes und juristischer Schärfe war die darauf folgende Rede Gneists. Eine so schonungslose Vernichtung der ultramontanen Schlagwörter von den Grenzen des staatlichen Gesetzgebungsrechtes, vom gebrochenen Religionsfrieden, vom bedingten Gehorsam gegen die Gesetze, haben wir kaum je

im Laufe des „Culturkampfes“ vernommen. Mit einem Worte, die Situation, soweit sie im parlamentarischen Leben zum Ausdrucke kommt, ist auf das Höchste gespannt, und die Stimmung eine weit verbittertere, als bei einer andern der zahlreichen kirchlichen Debatten. Allgemein herrscht das Gefühl, daß wir vor der entscheidenden Krisis stehen.

Literatur.

Vom Büchertisch. Deutsch-Lothringen. Von Dr. E. Huhn. (Stuttgart, J. G. Cottasche Buchhandlung). Die fleißige Arbeit über unseren neuen Besitz an der Mosel verdient um so mehr unseren Dank, als sie völlig vereinzelt steht. Ungleich eingehender hat man sich bisher mit dem Elsaß beschäftigt. Die Gründe sind leicht zu begreifen. Einmal liegt uns der historische Zusammenhang mit den Rheingegenden zeitlich näher, sodann haben aber auch die landschaftlichen Vorzüge in Verbindung mit der Bequemlichkeit der Sprache und des Verkehrs den Strom neugieriger Touristen angezogen. Es steht zu erwarten, daß diese Thatsache sich hauptsächlich auch durch Vermittelung unseres Buches ändern wird. Denn in gedrängter Kürze deckt es eine Fülle des interessantesten Stoffes auf: die geologischen, klimatischen, topischen Verhältnisse des Landes werden klargelegt, nicht nur die wirthschaftlichen und socialen Zustände der Bevölkerung erfahren, wie billig, die genügende Beachtung, auch die Trachten, Sitten und Gebräuche werden kurz geschildert. An diesen allgemeineren Theil schließt sich eine Topographie der einzelnen Kreise an, sowie eine Anzahl von Beilagen, unter denen die bibliographische, welche die gesammte Literatur über Deutsch-Lothringen verzeichnet, ganz besonders werthvoll erscheint. Zu bedauern ist nur zweierlei : einmal daß der Verfasser einem historischen Abriß aus dem Wege gegangen, sodann daß nicht wenigstens eine Uebersichtskarte des Landes beigegeben ist. Die dagegen in der Vorrede angeführten Gründe sind keineswegs stichhaltig Zwischen den Schneeglöckchen unseres noch so rauhen Frühlings tauchen auch schon wieder die rothen Blüthenknospen Bädekers auf. Von „Unteritalien" liegt die vierte, von „London“ bereits die fünfte „neubearbeitete“ Auflage vor. uns. Bädeker zu loben, hieße Eulen nach Athen tragen. Wie es der letzte Zweck jeder Erziehung ist, sich selbst entbehrlich zu machen, so arbeitet auch er, der praeceptor Germaniae unter den Touristen, mit aller Kraft dahin dem Reisenden die geistige Unabhängigkeit zu wahren, ihn selbständig reisen zu lehren. Wenn er es geradezu ausspricht, daß er den Reisenden von

der Begleitung des Lohnbedienten befreien will, so geschicht es nicht dadurch, daß er sich mit dem Lohnbedienten identificirt, wie es die ganze Schaar seiner roth, braun- oder grünbefracten Nachtreter thut, die den armen Wanderer eben zwingen mit ihren Augen zu sehen, dies schön, erhaben, gottvoll; jenes häßlich, niedrig, gemein zu finden; vor dem Berge die, vor jener Statue jene Empfindung zu fühlen. Nein, er identificirt sich mit dem gebildeten Reisenden selbst; er traut seinem Leser Bildung und Empfindungsfähigkeit genug zu, um des Gängelbandes nicht zu bedürfen. So ist er gänzlich frei von jenem halb entzückten, halb schulmeisterlichen Ton, der am Schlusse der Reise in ängstlichen Seelen das Gefühl wachruft, „garnichts gesehen zu haben" wenn eine der Merkwürdigkeiten etwa versäumt ward. Darin liegt eben, wie in diesen Blättern früher von anderer Seite schon öfters nachgewiesen wurde, das Geheimniß seiner Wirkung. Ja wie er sich räuspert u. s. w., das haben sie ihm glücklich) abgeguckt. Sein eigentliches Wesen aber haben sie nicht erkannt. Wohl aber andere. Und die Welt hat nicht gekargt mit ihrer Anerkennung. Haben doch manche dieser Kinder der „rothen Erde“ schon die sechszehnte Auflage, eines die einundzwanzigste erlebt. Und so sind wir so boshaft dem Nnermüdlichen das Schicksal des ewigen Juden“ zu wünschen, des rastlosen Wanderers, bis in die Fülle zukünftiger Zeiten hinein. Um nur einen Blick auf das neue ,,London" werfen, welch eine Menge lehrreicher und zweckmäßiger Verbesserungen! Außer der eingehenden Berücksichtigung der materiellen Verpflegung, ist der Berkehr besonders in Betracht gezogen worden. Vor allem wird man die Eintheilung des großen Planes von London in drei Abtheilungen loben müssen, die den momentanen Gebrauch der Karte auf der Straße wesentlich erleichtert. Eine werthvolle Zugabe ist ferner das Kärtchen, auf dem die Eisenbahnen Londons übersichtlich verzeichnet sind. Auch die Beschreibung der Hauptrouten durch England, Schottland und Wales entspricht dem touristischen Bedürfniß; vielleicht zieht die nächste Auflage das so interessante Dublin mit in ihren Bereich. - Nur zu erwähnen ist, daß Kolb's Statistik (Leipzig, A. Felix) in neuer Auflage wieder erschienen ist. Auch dies bekannte Buch bedarf unseres Lobes nicht. Es versteht sich von selbst, daß den neuen statistischen Erhebungen allenthalben Rechnung getragen ist. Den Glanzpunkt des Buches bildet natürlich wieder Bayern, während Sachsen z. B. dürftiger behandelt ist. Jedenfalls ist Kolbs Buch dem aufmerksamen Zeitungsleser, dem Juristen, dem Nationalökonomen ebenso willkommen, wie dem berufsmäßigen Statistiker unentbehrlich. Es wird immer ein wesentlicher Bestandtheil unserer wissenschaftlichen Literatur sein, so anspruchslos es auch auftritt. Geschichte des deutschen Reiches vom Ende des vierzehnten Jahrhunderts bis zur Reformation. Von Theodor Lindner 1. Band. (Braunschweig, Schwetschke und Sohn). Daß das Bessere der Feind des Guten ist, hat besonders auch die deutsche Geschichtsschreibung der Jahrhunderte des Uebergangs aus dem Mittelalter in die neuere Zeit gezeigt. Mit mißtrauischem Blick auf den Wirrwarr eines reichen, aber theils noch nicht gehobenen, theils noch nicht gesicherten Materials hatte man sich bisher von einer zusammenfassenden Darstellung ferngehalten. Und doch ist eine solche auf Grund des Vorhandenen ebenso nöthig, wie sie möglich ist. Man wird deshalb die Arbeit Professor Lindners, von der die Geschichte König Wenzels bis zum Jahre 1387 vorliegt, auch dann freudig begrüßen müssen, wenn man ihre vom Verfasser selbst eingestandenen stofflichen Mängel nicht übersehen will. Auch darin wird man mit ihm übereinstimmen, daß es angemessener

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gewesen wäre, mit der Regierung Karls IV. zu beginnen. Denn auf ihn muß doch die Geschichte dieser ganzen Zeit immer wieder zurückgreifen. Daß die Regesten des Kaisers seit längerer Zeit in Aussicht stehen, hätten den Verfasser nicht abhalten sollen oder er hätte überhaupt noch warten müssen: jetzt fehlt seinem groß angelegten Unternehmen doch der allein richtige Ausgangspunkt. Ebenso fühlbar macht sich der eingestandene Mangel archivalischer Studien, deren Nothwendigkeit in dieser Epoche doch schon zwingend hervortritt: daß sie für die künftigen Bände in Aussicht gestellt sind, kann dem vorliegenden nicht zu Gute kommen. Aus diesem Grunde hat die Darstellung etwas Aphoristisches. Immerhin aber füllt das reichhaltige Buch eine bis jezt sehr fühlbare Lücke aus, immerhin wird es auch jezt schon viel dazu beitragen, die allgemeineren Darstellungen in den Weltgeschichten“ zu ergänzen und zu verbessern. Einmal mußte mit einer solchen Darstellung begonnen werden; die Publication aller Quellen kann zunächst nicht abgewartet werden. Zu Gute werden den nächsten Bänden des Buches auch Die Recesse und andere Akten der Hansetage von 1256 - 1430 (Leipzig, Duncker und Humblot) kommen, deren dritter Baud vor kurzem unter Koppmanns umsichtiger Leitung erschienen ist. Der starke, glänzend ausgestattete Band umfaßt außer den umfangreichen, 360 Nummern bildenden Nachträgen für die Zeit der beiden ersten Bände, die Hansetage von 1387 bis 1390. Der wichtigste historische Gewinn, den uns der Band bringt, be steht in der Klarlegung des großen Zwistes der Hanseaten mit den englischen Königen Eduard III. und Richard II., der schon im Jahre 1373 begann und 1388 in Marienburg beigelegt ward. Eine reiche Zahl trefflicher Verzeich nisse macht das Buch natürlich erst benußbar. — Die neueste Publication des Allgemeinen Vereins für deutsche Literatur" deckt unter einem mennige farbenen Einband Geistesströmungen von H. M. Richter (Berlin, A. Hofmann u. Comp.), abermals eine Sammlung von meist früher erschienenen Feuilletons. Ein Werth dürfte ihnen indeß nicht abzusprechen sein. Das ganze Buch giebt sich mit dem deutschen Geistesleben in Desterreich ab, das von den Tagen der Babenberger bis zum Tode Karl VI. in flüchtigen Bildern vorgeführt wird. Ein zweiter Theil aus dem Zeitalter der Aufklärung" enthält nun aus noch nicht benußten Quellen Beiträge zur Literargeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, die ein weiteres Interesse in Anspruch nehmen. Besonders über das Verhältniß Lessings zu Wien ist manches Neuc beigebracht worden. Nur in der Farbengebung hat sich der Verfasser wohl vergriffen. Das „Capua der Geister" erscheint in der josephinischen Zeit hier auf einer ästhetischen, literarischen und philosophischen Höhe, die allzusehr die Absicht merken läßt, um sie nicht zu verfehlen zu müssen. Die Braut in Haaren von Münnich (Jena, Coftenoble) ist eine frischgeschriebene Novelle, die sich hauptsächlich durch einen glücklichen Mangel des sentimentalen Elements vortheilhaft auszeichnet. Die Ausstattung darf man als höchst gelungen bezeichnen.

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Verantwortlicher Redacteur: Konrad Reichard in Leipzig.
Ausgegeben: 25. März 1875. Berlag von S. Hirzel in Leipzig.

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