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Der letzte Préfet du Bas-Rhin.

Von O. v. Richthofen.

Die kürzlich im Departement der Seine und Dise stattgehabte Deputirtenwahl, bei der der Republikaner Edmond Valentin über den Bonapartisten Herzog von Padua und über den ehemaligen Befehlshaber des Lagers von Conlie Kératry den Sieg davontrug, hat die Erinnerung an einen Mann wieder wachgerufen, dem es beschieden war, der letzte französische Präfect des niederrheinischen Departements zu sein, und der als solcher während des legten Krieges im Elsaß eine zwar nur kurze, aber nicht unbedeutende oder einflußlose Rolle gespielt hat.

Die Familie Valentins ist seit Langem in Straßburg beheimathet und angesehen. Der Großvater des jetzigen Deputirten war zuerst Friedensgerichtsschreiber, dann Friedensrichter dort und galt als einer der eifrigsten Bourbonisten ; er denuncirte z. B. einst einen ehrsamen Handwerker, an dessen Hause die Windfahne, wahrscheinlich in den ersten Jahren der einen und untheilbaren französischen Republik aufgerichtet, eine phrygische Müße trug, den Gerichten zur Bestrafung. Der Vater erlangte unter Carl X. neben seiner Stelle als Anwalt trotz des Protestes aller seiner Collegen das einträgliche Generalsecretariat der Straßburger mit den Stiftungen; jedoch ward ihm der Genuß dieses Doppelamtes nicht lange zu Theil, da die Regierung des Bürgerkönigs ihn dasselbe mit einer Steuerkasse im Oberelsaß vertauschen ließ.

Edmond Valentin wandte sich der militairischen Laufbahn zu; die Februarrevolution fand ihn als Lieutenant der chasseurs à pied in der Garnison Straßburg. Den Traditionen seiner Familie entgegen stürzte er sich mit Eifer in die republikanische Bewegung und nahm an den Sizungen der Clubs regen Antheil. Von den im Mai 1849 zur assemblée nationale législative gewählten Vertretern des Niederrheins wurden im November desselben Jahres fünf wegen Theilnahme an dem Ledru Rollinschen Angriff gegen die provisorische Regierung, dem sogenannten Attentat des 15. Mai 1848, durch den Gerichtshof zu Bourges verurtheilt und hierauf durch Beschluß der assemblée ihrer Mandate verlustig erklärt. An ihrer Stelle wählte das Departement am 10. März 1850 von Neuem fünf entschiedene Republikaner,

Im neneu Reich. 1875. I.

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von bis dahin fast unbekannten Namen, unter diesen fast einstimmig Valentin. Da außerdem ein Mitglied der assemblée seine Demission einreichte, hatte noch eine Nachwahl für diese Körperschaft im Niederrhein statt, welche feltsamer Weise Emile de Girardin, den späteren kaiserlichen Hofliteraten und Verfechter der Septennalisirung der jeßigen Volksvertretung, aus der zumeist mit deutsch beschriebenen Stimmzetteln gefüllten Urne gehen ließ.

-

wohl

hervor

Die parlamentarische Wirksamkeit aller dieser Représentants du Peuple war nicht von langer Dauer; Mr. L. N. Bonaparte löste durch Decret vom 2. December 1851 die Nationalversammlung auf und sorgte ohne Zaudern dafür, daß die Republikaner ihm auf dem Geschwindmarsch zum Kaiserthrone nicht mehr hindernd in den Weg treten konnten. Um der Deportation zu entgehen, floh mit manchen seiner Gesinnungsgenossen auch Valentin ins Ausland und blieb, seinen republikanischen Grundsäßen getreu, während der beinahe neunzehnjährigen Regierung Napoleons III. seinem Heimathslande fern. Zuerst abwechselnd sich in Belgien, Italien, England und Deutschland, we er in Kehl seine elsässischen Landsleute leicht begrüßen konnte, aufhaltend, erlangte er schließlich eine Anstellung als Lehrer der französischen Sprache in Woolwich.

Kaum war die Schlacht bei Sedan geschlagen, als Valentin sich wieder in Paris befand; die Regierung der nationalen Vertheidigung hatte noch nicht 48 Stunden existirt, als sie sich des alten Parteigenossen erinnerte, der überdies mit General Trochu befreundet war. Schon am 5. September 1870 veröffentlichte das „Journal officiel de la République" ein Decret, durd dessen ersten Artikel Valentin zum Präfecten des Departements du Bas-Rhin und zwar mit dem Zusag ernannt wurde, daß die Regierung,,s'en rapporte à son énergie et à son patriotisme pour aller occuper son poste." Um diesem Apell der Republik an seinen Patriotismus, wenn irgend möglich zu entsprechen, gab Valentin die ihm kurz zuvor von dem elfässischen Comité übertragene Organisirung eines Freicorps auf und reiste bereits am Abend des 5. September von Paris nach dem Elsaß ab.

Ueber die Kreuz- und Querzüge des neuen Präfecten, bis er den cheflieu du département erreichte, geben uns ein Brief Valentins an Signouret, den früheren Redacteur des ,,Impartial du Rhin“, welcher in dessen,,à l'Alsace qui veut rester et qui, nécessairement, irrésistiblement, redeviendra française" gewidmeten ,,Souvenirs du bombardement de Strasbourg" (Bayonne 1872) abgedruckt ist, und hauptsächlich das Tagebuch Valentins einigen Aufschluß. Lezteres ist nebst anderen Papieren dem Expräfecten am Tage nach der Capitulation Straßburgs in Hagenau abgenommen worden und befindet sich in den Acten des unterelsässischen Bezirkspräsidiums. Dasselbe,

in kurz angedeuteten Worten geführt, ist, wie aus der Schrift zu erfahren, am 22. September 1870 für die Tage vom 5. ab nachträglich aufgestellt und reicht mit täglichen Einträgen bis zum 27. September, dem Tage vor der Capitulation, so daß es nebst den dem Präfecten außerdem confiscirten Correspondenzen auch einen Einblick in die kurze amtliche Wirksamkeit desselben gestattet. Die Notizen des Tagebuchs sind in französischer, theilweise in englischer Sprache gemacht.

Am 6. September 1870 erreichte Valentin von Lyon aus Belfort. Hier conferirte er mit dem dort commandirenden General und dem gleichfalls soeben ernannten, aus Gebweiler stammenden Präfecten des Oberrheins Grosjean und machte seinem Tagebuch zufolge die Beobachtung, daß die Besazung dieser damals vom Feinde noch nicht bedrohten Festung zu zahlreich und daher ,,trop oisive" sei. Außer in Belfort verweilte Valentin noch an demselben Tage in Mülhausen, Thann und Bitschweiler, wo er den Nationalarden Instructionen für den Fall feindlicher Occupirung des Landes zukommen ließ. Den zweiten Tag auf elfäffischem Boden verwandte er in Mülhausen zu Besprechungen mit dem Unterpräfecten, dem Plaßcommandanten, ferner mit alten Bekannten, wie mit Alfred Koechlin, Louis Chauffour, der später, sich von seinem rechtsgelehrten Bruder Ignaz trennend, für Frankreich optirte und seine Heimath verließ; auch Maurice Engelhard traf er dort an. Dieser war durch dasselbe Decret, das Valentin die Präfectur übertrug, zum Maire von Straßburg ernannt worden, in Anbetracht der entgegenstehenden Hindernisse machte er jedoch nicht erst den Versuch den ihm durch dieses Decret gewordenen Auftrag,,,den tapferen Straßburgern und der heroischen Garnison den bewegten Dank Frankreichs, der Bevölkerung von Paris und der Regierung der Republik zu überbringen“ zu erfüllen und sein Amt anzutreten ; vielleicht zu seinem Glück, da man in Straßburg den Mann, der der Stadt gerade noch rechtzeitig vor Thoresschluß am 9. August Lebewohl gesagt hatte, nicht gern an der Spiße der Municipalität gesehen, und ein Streit um die Mairie zwischen ihm und dem durch die Mandatare der Straßburger Bevölkerung erwählten Küß kaum zu seinen Gunsten Entscheidung gefunden haben würde; hatte doch, um Engelhard unter allen Umständen unmöglich zu machen, sofort nach dem Bekanntwerden seiner Ernennung die Municipalcommission Alle, die ,,sans raison majeure" Straßburg seit dem Beginn des Krieges verlassen hatten, für unwürdig erklärt, irgend eine öffentliche Stellung zu bekleiden. Valentin betraute in Mülhausen für den Fall, daß er selbst Straßburg erreichte, Engelhard mit der Uebernahme der Präfecturgeschäfte im südlichen Theile des Niederrheins; doch hielt Letterer, der am 5. October sogar zum,,commissaire à la defense" der drei Departements der Vogesen, des Ober- und Niederrheins ernannt war, es für gerathener, Schlett

stadt, wo er seinen Sitz kurz nach der Zusammenkunft mit Valentin aufschlug, noch vor dem Beginn des Bombardements mit der ruhigen Präfectur von Angers zu vertauschen. Nachdem Valentin diesem also einen Theil seiner Functionen delegirt, Gelder bei der recette particulière erhoben und die Nationalgarde, sowie_die_oberrheinischen Francstireurs gesehen hatte, reiste er am 8. September von Mülhausen nach Colmar. Der offene Verkehr mit vielen Personen während der letzten drei Tage stimmt schlecht zu seiner eigenen späteren Angabe, daß er sich nur deshalb in mehreren Orten des Oberrheins aufgehalten habe, um die „Preußischen, an seine Fersen gesetzten Spione“ zu täuschen.

Sein Departement betrat Valentin am 9. September, zunächst Schlettstatt, das noch nicht belagert war, wo er also noch französische Truppen antraf, die letzten, die er uneingeschlossen oder ungefangen während des Krieges sehen sollte. Ohne irgend welchen Aufenthalt dort zu nehmen, ging der Präfect dem gesteckten Ziele zu in seinem Verwaltungsbezirk weiter und traf auf der Departementalstraße von Rheinau nach Barr an der Schleuse No. 75 des Rhein - Rhonecanals bei Muttersholz auf den ersten Feind, ein badisches Piquet. Dieses ließ ihn ungehindert passiren und erreichte er bald das Dori Boofzheim. Hier jedoch wurde er Abends 10 Uhr als verdächtig arretiṛt und mußte die Nacht auf der Wache, angekleidet auf Stroh liegend, ver bringen. Zwei Rittmeister vernahmen ihn hier und am anderen Morgen wurde er unter Escorte nach Benfeld gebracht. Vor einen Major geführt, gelang es ihm, sich durch Vorzeigung eines amerikanischen Passes zu legitimiren und in Folge seiner gewandten Kenntniß der englischen Sprache die Freiheit zu erlangen. Fünfzehn Stunden hindurch hatten die badischen Truppen den Präfecten in Händen gehabt, zu derselben Zeit, als bei der deutschen Tivilverwaltung des Elsasses in Hagenau auf diplomatischem Wege die Meldung einlief, daß ein starker, robuster, kaum mittelgroßer Mann mit schwarzem Schnurr- und Knebelbart Namens Valentin, ein Ultrafranzose, London und Paris verlassen habe, um als Commissair der Republik nach dem Elsaß zu gehen, ein Mann von großer Energie und wie dazu gemacht, ein Guerillaführer zu sein. Dieser Mann war so dem Geschicke, bei seinem ersten Zusammentreffen mit den gehaßten Gegnern seiner Mission ein Ende gesetzt zu sehen, entronnen; unerkannt hatte er sich in das von den deutschen Truppen besezte Gebiet hineingeschlichen und, aus seinem Rencontre den Schluß ziehend, daß von der Südseite aus ein Eindringen in das belagerte Straßburg nicht möglich sei, eilte Valentin dem Rheine zu und wanderte über Rheinau nach Lahr. Von hier aus ließ er den beiden Depeschen, welche er bereits von Belfort aus expedirt hatte, einen ferneren Bericht an seine Regierung und zwar durch die französische Botschaft in Bern folgen.

Am Tage nach seiner Freilassung, einem Sonntage, erreichte Valentin Achern, von wo aus er die Heimathsstadt, das Ziel seiner Wanderung, in vielfach loderndem Feuer vor sich liegen sah. Sein Plan war jetzt, den Rhein in seiner ganzen Breite zu durchschwimmen und so in die Citadelle der Festung zu gelangen. Montag Morgens verließ er Achern und eilte über Offenburg, wo ihm ein Metzgerbursche die Tagesneuigkeiten mittheilte, und Marlen an den Rhein. Noch hatte er diesen nicht erreicht, als man in letzterem Orte, wo er den Adlerwirth gesprochen hatte, auf ihn aufmerksam geworden war, und ihm sofort eine badische Patrouille nachsandte. Ehe er sich in den Fluß stürzen konnte, wurde er aufs Neue festgenommen und nach Kehl transportirt. Höhere Offiziere unterzogen ihn dort im Hôtel zur Post

einem Verhör; zu seinem Heil zeigte sich Niemand von den Leuten DL, seinem Passe und der angenommenen Maske eines durch seine ungerechtfertig RARY

in dem er früher oft gewohnt hatte und die ihn genau kannten, und

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Arretirung sich aufs Höchste verletzt fühlenden Bürgers der Vereinigten

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Staaten glückte es ihm auch hier wieder, den Feind zu täuschen, und loEW

gelassen zu werden, allerdings nicht ohne daß seinem

für ihn werthlosen

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hierdurch von nun Passe der Vermerk zugefügt worden wäre, daß der Inhaber desselben binnen 12 Stunden das Operationsgebiet der deutschen Truppen zu verlassen habe.

Der Weg von Süden und von Osten war dem Präfecten nunmehr versperrt; allein der energische Mann gab darum seinen Glauben an den glücklichen Ausgang seiner Expedition noch nicht auf und beschloß jezt den Versuch, von Norden her den Eingang in die cernirte Veste zu gewinnen.

Am 13. September finden wir Valentin, nachdem er die Nacht in Freistetten zugebracht, in Hub, nicht weit von Baden-Baden, von wo er wiederum und zwar diesmal durch die Londoner Botschaft nach Paris über seine Schicksale berichtete, am 14. in Carlsruhe, wo er mit dem amerikanischen Consul Oberst Young in Verbindung trat, am 15. in Maximiliansau in der Pfalz, wo er Typhus und Rinderpest in sein Tagebuch notirt, und noch an demselben Tage in Weißenburg, also wieder auf elsässischem Boden. In dieser Stadt scheint Valentin, trotzdem dieselbe von deutschen Soldaten besetzt war

wohl dadurch dreister gemacht, daß er ihnen schon zweimal entronnen, vollständig officiell aufgetreten zu sein, gerade so als sei Mr. le Préfet en tournée. Jm Gasthof zum Engel abgestiegen, verkehrte er mit den Spitzen der dortigen französischen Behörden, dem Maire Gauckler und dem Procurator Lemaistre, den der strenge Republikaner, der Macht der Gewohnheit seinen Tribut zahlend, trotz der déchéance de l'empire ruhig als ,,procureur impérial" bezeichnet. Den Abend des Tages verbrachte Valentin in einem Privatzirkel.

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