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bereit erklärte, dem badischen Staate einen preußischen Prälaten mit blutendem Herzen zu überlassen. Dieses großmüthige Opfer Preußens aber war kein anderer als der Bischof Martin von Paderborn, der gegenwärtig im Gefängniß sißt und zu dessen Charakterisirung wohl nur das gesagt zu werden braucht, daß er selbst Herrn von Mühler zu weit zu gehen schien.

Erst nach dem Jahre 1870, erst nach Begründung des deutschen Reiches hat die preußische Kirchenpolitik eine neue und entscheidende Wendung genommen. Sehen wir genau zu, so lag in den äußeren politischen Verhältnissen für den leitenden deutschen Staatsmann kaum ein Anlaß, den Kampf mit der katholischen Kirche aufzunehmen. Deutschland war aus dem Kriege fester und mächtiger hervorgegangen als es jemals gewesen war; die Furcht, daß Oesterreich das neue Staatswesen zertrümmern könne mit Bundesgenossenschaft der Ultramontanen war mehr als je in den Hintergrund getreten, und wenn es auch sicher war, daß der große Krieg selbst ein Netz hatte sein sollen, mit welchem eine kirchliche Partei das protestantische Preußen hatte ersticken wollen, so hatte doch dieses zu kraftvoll die Maschen durchbrochen, als daß mit den Mächten, welche den Krieg veranlaßt hatten, noch eine Abrechnung nöthig gewesen wäre. Von Frankreich endlich konnte man annehmen, daß es wie nach dem Jahre 1815 seine Kräftigung in einer kirchlichen Restauration suchen würde: um so weniger Veranlassung die deutschen Katholiken in Aufregung zu verseßen und in einen Kampf hineinzuzwingen, der sie nur zu leicht zu Bundesgenossen Frankreichs machen und überaus gefährlich werden konnte, sobald sich neue und doch nicht unerwartete politische Verwickelungen mit dem rachedürstenden Nachbar ergeben würden. Und dennoch ist dieser Kampf eingetreten, und wir sind mitten in demselben.

Nach dem Gesagten, ist es wohl kaum nöthig auseinanderzuseßen, daß Fürst Bismarck den Streit nicht selbst begonnen haben kann. Alle politischen Interessen sprachen dagegen. Als Leiter der auswärtigen Angelegenheiten des deutschen Reichs standen ihm zwei Wege offen. Entweder er suchte Fühlung mit der katholischen Kirche oder er vernichtete sie so schnell, daß sie vor dem möglichen Eintritt auswärtiger Verwickelungen schon unschädlich niedergeworfen war. Das Lettere konnte er unmöglich zu erreichen hoffen, denn die Sünden fast fünfzigjähriger Unterlassung ließen sich nicht durch auch noch so angestrengte Arbeit weniger Jahre gut machen und die vom Staat mit Fleiß und Bedacht groß gezogene kirchliche Macht bildete einen Gegner, den ein Politiker von dem Weltblicke des Fürsten Bismarck unmöglich unterschätzen konnte. Aber auch der erstere Weg wurde ihm verlegt und zwar von der kirchlichen Partei selbst. Uneingedenk der Begünstigungen, deren sie sich bis dahin in Preußen zu erfreuen gehabt hatte und die der Kirche wir werden darauf weiter unten zurückkommen eine Stellung zugestanden hatten, die sie noch niemals und nirgends besessen, grollten

die Ultramontanen, weil der Reichskanzler das neue deutsche Reich nicht in einen abenteuerlichen Kriegszug verwickeln wollte, um dem alten italienischen Bundesgenossen den Kirchenstaat zu entreißen. Sie gestalteten sich im Reichstage zu einer kirchenpolitischen Partei, entschlossen, der Regierung zu zeigen, über welche Macht sie verfügten, wie sehr ihre Feindschaft zu fürchten sei und dabei erachteten sie die Staatsgewalt für so gutmüthig und kurzsichtig, daß diese noch jetzt alles thun sollte, um die firchliche Macht zu stärken und zu befestigen, und sie waren verlegt und gebahrten sich feindseliger denn je, als die deutsche Regierung diesen Erwartungen nicht entsprach.

Auch damals noch hat der Reichskanzler den ihm im Uebermuthe entgegengeschleuderten Handschuh nicht aufgenommen und ist weit davon entfernt gewesen, in den Kampf mit der katholischen Kirche einzutreten.

Seine dem Reichstag vorgeschlagenen und von diesem gebilligten Maßnahmen gegen den Jesuitenorden zeigten, daß er zu unterscheiden suchte zwischen der katholischen Kirche und der in dieser zur Zeit herrschenden Partei und waren immerhin milder und weniger einschneidend, als die früher von rein katholischen Staaten unter dem Beifall ihrer katholischen Bevölkerungen erlassenen.

Die Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche, die er aber dann in Preußen zu vollziehen unternahm, trug entfernt nicht den kirchenfeindlichen Charakter, den man ihr aufgedichtet hat, und ist nicht als Symptom eines seitens des Staates mit der Kirche aufgenommenen Kampfes zu betrachten. Die preußischen Gesetze waren so beschaffen, daß unter ihrer Herrschaft jede Kirche ihr religiöses Leben vollständig frei entfalten konnte, sie gingen von dem Gesichtspunkte aus, daß die Kirche nach wie vor eine für das nationale Leben wirksame Potenz bleiben sollte, sie erstrebten keine Vernichtung des Organismus der katholischen Kirche, sondern legten überall Zeugniß ab, wie schwer es dem Reichskanzler wurde, sich von früheren Traditionen loszureißen und wie mühsam derselbe seine individuelle Ueberzeugung dem Zwange der staatlichen Lage zum Opfer brachte. Ein solcher Zwang war aber allerdings vorhanden, denn die inneren Zustände des preußischen Staates waren allmählich derartig geworden, daß die Souveränetät der Staatsgewalt im Begriffe stand verloren zu gehen, daß die kirchenpolitische Grenzberichtigung auch von einer kirchenfreundlichen Regierung nicht länger ungestraft hätte verschoben werden können.

Erst das revolutionäre Gebahren der kirchlichen Oberen, welche die individuelle Willfür und äußerliche Corporationsinteressen über die neu erlassenen Staatsgeseze stellten, hat dann der preußischen Regierung das Schwert in die Hand gezwungen und sie in den Kampf hineingezogen. Aber selbst dann beschränkte sie sich darauf, den Gesetzen Gehorsam schaffen zu wollen, und obgleich die Kirche in ihrem aufrührerischen Treiben geradezu den Staat verneinte, hat dieser doch nichts gethan jene zu vernichten.

Ich weiß, daß diese Auffassung der landläufigen in vielen Punkten widerstreitet, daß die kirchlicherseits ausgestreuten Verleumdungen von dem frevlen Uebermuth, mit welchem der Staat die frühere Eintracht mit der Kirche in herben. Zwiespalt verwandelt habe, auch anderwärts Glauben gefunden haben, daß auch gutgesinnte Politiker die preußische Gesetzgebung als eine falsche Maaßregel beklagen, welche geeignet sei dem deutschen Reiche noch manche schwere Stunde zu bereiten: aber gerade darum wird es nicht unangebracht erscheinen, die richtige Sachlage zu constatiren und für unsere obigen Behauptungen den genauen Beweis anzutreten.

Dazu werde ich allerdings etwas weiter ausholen müssen.

Die Lehre, welche die katholische Kirche über ihr Verhältniß zum Staate aufstellt, ist stets dieselbe geblieben und hängt mit den dogmatischen Grundlagen der katholischen Kirchenverfassung unmittelbar zusammen. Die Kirche ist eine Heilsanstalt, welche nicht den niederen Zwecken dieser Welt dient, sondern idealen Zielen nachstrebt und durch welche allein der sündigen Menschheit die Vergebung der Sünden zu Theil wird. Die Kirche ist aber nicht blos ein unsichtbarer Begriff, sondern sie hat von Christus selbst eine äußerliche, irdische, wegen ihres Urhebers unwandelbare Organisation empfangen. Diese äußerliche sichtbare Kirche muß sich vollkommen frei entfalten, um ihrem Stiftungszwecke genügen zu können und kein einzelner Mensch und keine menschliche Vereinigung darf die Freiheit der kirchlichen Bewegung beschränken, ohne sich selbst dadurch die von der Kirche zu erschließenden Pforten des Himmelreiches zu versperren. Vielmehr muß umgekehrt jede irdische Genossenschaft die Stimme der Kirche hören, und durch sie sich leiten lassen zu den idealen Zielen, welche alle Güter der Welt zu ersetzen nicht im Stande sind, zu dem jenseitigen Leben, für welches das diesseitige ja nur eine Vorbereitung sein soll. Rücken wir diese Säße in das Licht nüchterner juristischer Anschauung, so bedeuten sie nichts anderes als die Freiheit der Kirche und die Knechtschaft des Staates. Die Kirche will ihren äußerlichen Organismus von jeder staatlichen Einwirkung frei gehalten wissen, über nichts, was die Kirche für ihrem Gebiet zugehörig erklärt, soll der Staat Ordnung treffen dürfen, nicht blos die Glaubenslehren sind seiner Einwirkung entzogen, sondern auch das ganze Gebiet des sittlichen Lebens, welches ja in der Kirchenlehre seine Grundlage findet. Dem Staate bleibt demnach nur die Aufgabe, für die materiellen Interessen seiner Angehörigen Sorge zu tragen. Da aber diese nicht die idealen überwuchern sollen, sondern im Gegentheil diesen unterzuordnen sind, so hat der Staat der Kirche zu gehorchen, seine Einrichtungen von deren Billigung abhängig zu machen und den kirchlichen Forderungen anzupassen.

Wie der Geist den Körper regiert, so die Kirche den Staat; das ist ja

das mittelalterliche, immer wieder aufgefrischte, und in der That das Verhältniß von Kirche und Staat am besten kennzeichnende Bild, welches die katholische Kirchenlehre aufgestellt hat.

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Nun braucht es wohl kaum ausgesprochen zu werden, daß diese Doctrin immer nur in sehr verschiedener Art zur Ausführung gebracht werden konnte und eigentlich niemals vollständig verwirklicht worden ist, weil der böse Staat niemals sich die Rolle des von der Kirche beseelten Körpers gefallen lassen wollte oder auch nur konnte, ohne den besten Theil seiner Selbst aufzugeben. Und das um so weniger als die kirchliche Seele doch auch einen recht materiellen Charakter angenommen hatte und von Leidenschaften und Begierden beherrscht wurde, die man dem materiellen Körper vielleicht nicht verübelt hätte, die aber an der reinen, dem Frdischen abgewandten Seele einen sehr befremdenden Eindruck machten, diese dem Körper in freundliche Verwandtschaft rückten und ihn endlich zur Ueberzeugung brachten, daß er in sich einen gleichfalls höchst körperlichen Parasiten nähre, der freilich beständig auf seine Seelenhaftigkeit poche, aber doch nur ein Körper im Körper sei, ein Staat im Staate, der dem letzteren seine beste Lebenskraft aufsauge." Darum sind wie gesagt die Kirchlichen Ansprüche nirgends und zu keiner Zeit voll erfüllt worden. Weder die unentwickelten staatlichen Zustände des Mittelalters, noch die spanisché Monarchie Philipps II., weder die von Geistlichen regierten Staaten, wie sie bis 3. J. 1803 in Deutschland bestanden, noch die neapolitanische Herrschaft Franz I. oder des II. waren der kirchlichen Lehre über Staat und Kirche vollkommen entsprechend. Und deshalb hat es auch nie eine Zeit gegeben, wo die Päpste nicht, wenn sie über staatliche Zustände latein sprachen, ge weint hätten wegen der Bedrückung der Kirche, die noch niemals so herbe gewesen sei, wie gerade jezt zur Zeit des neuesten Thränenergusses.' Was Wunder wenn der geschichtskundige Politiker einigermaßen gegen dieses beständige Lamento abgestumpft wurde und keine besondere Rücksicht mehr darauf nahm. Ist es nicht auch für uns Deutsche jezt ein herzlicher Trost, daß die herben Klagen, welche unsere Bischöfe über unsere Geseze ausstoßen, nicht minder beweglich über Philipp II. von Spanien ergangen sind? Nun wenn der nicht einmal der Kirche zu genügen wußte, wird unser Gewissen sich wunderbar erleichtert fühlen, daß wir das auch nicht vermögen. Dabei muß allerdings zum Lobe der Kirche Erwähnung finden, daß sie, wenn sie auch theoretisch zu allen Zeiten unwandelbar ihre Ansprüche festhielt, stets mit seltener Klugheit verstanden hat, den Zeitverhältnissen Rechnung zu tragen und sich in das Unvermeidliche, Unerwünschte mit Würde zu schicken, bis es durch allmähliche Minirarbeit in Erwünschtes umgeformt werden konnte. Wer einen am Boden Liegenden aufheben will, sagt einmal ein Papst, muß sich selbst ein Wenig bücken. So hat die Kirche nie verschmäht, um den auf den

Im neuen Reich. 1875. I.

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Boden einer falschen politischen Auffassung dahingestreckten Staat zu der Höhe der kirchlichen Anschauung emporzuheben, die Starrheit ihrer Grundsäße zu biegen, um dann freilich nach Erreichung des Zieles so zu thun, als ob die kirchlichen Rückenwirbel nie einer Beugung fähig gewesen wären.

Selten ist die Kirche mehr genöthigt gewesen, von dieser Fügsamkeit Proben abzulegen, als seit der Mitte und am Ende des vorigen Jahrhunderts. Die zu freie Entfaltung der Kirche, welche diesem Zeitpunkte vorangegangen war, hatte der Religion und dann auch der Kirche selbst nur Schaden gebracht. Das religiöse Leben war zu einem todten Mechanismus geworden, zu einem Gemisch von Formen, denen der Geist entflohen war, von crassem Aberglauben, der allen Ergebnissen der Wissenschaft in das Gesicht schlug, und nur zu leicht dem extremen Gegensaß, dem Unglauben Thür und Thor öffnete. Die Gebildeten begannen sich mit Widerwillen von der Kirche loszulösen, die der wahrhaft religiösen Erbauung keine Stätte mehr bereitete, und über der verschnörkelten Hülle der Religion den Kern verloren hatte. Seichte Frivolität und offener Unglaube bemächtigte sich der Gemüther. Es herrschte die Aufklärung. Aber auch der Staat wurde gewaltsam zu Eingriffen in das kirchliche Leben veranlaßt. Er hatte die Pflege aller geistigen Interessen der Kirche anheimgestellt gehabt, er hatte dieser seine Machtmittel zur Verfügun g gestellt, um durch sie auf das Volk eine erzieherische Thätigkeit auszuüben. Er sah sich in diesen Bestrebungen im Stich gelassen, die Kirche unfähig ihrer Aufgabe zu genügen, diese in der Sittlichkeit Gefahr drohender Weise vernach lässigt. Er glaubte Abhülfe finden zu können, wenn er an die Kirche das Messer der Reformen lege, die krankhaften Auswüchse schonungslos abschneide und sie so wieder geeignet mache, ihren Culturaufgaben zu genügen. Daß dabei nicht immer das Maß weiser Schonung beachtet wurde, verstand sich von selbst unter der Herrschaft einer Staatslehre, welche sich den Staat in der Person des Regenten verkörpert dachte und keine Grenzen für die Wirksamkeit desselben kannte. Daß das Gebiet der eigentlichen Glaubenslehre nicht immer unberührt gelassen wurde, war um so erklärlicher, als den Staatslenkern selbst die kirchliche Religiösität durch die Schuld der Kirche verloren gegangen war. Und daß endlich diese ganze Politik eine mißverständliche war, lag darin begründet, daß der Staat die von der Kirche im Stich gelassene Aufgabe selbst hätte lösen müssen, anstatt die Kirche zur Erfüllung derselben zu zwingen.

Nichtsdestoweniger war der Clerus in seinen besseren Elementen dem Walten des Staates nicht abgeneigt. Er wußte sehr wohl, daß die Aufhebung des Jesuitenordens, welchem die Hauptschuld an der Verrottung der kirchlichen Zustände aufzubürden war, nur auf den zwingenden Antrieb der weltlichen Mächte erfolgt war, und daß sich ein unübersteigbarer Wall materieller Interessen der kirchlichen Oberen, vom Bischof bis zum Papst herauf jeder kirchlich selbst

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