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Die Scheidung der gesunden conservativen Elemente von den abgestorbenen und verknöcherten Vertretern der feudalen Reaction erachten wir für eine der wichtigsten Errungenschaften der jüngsten Zeitereignisse.

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Ich wollte mir dann und wann schon Vorwürfe machen, daß in meiner Wochenchronik die leidige Politik eine so große Rolle spielt gegenüber den anmuthigeren Vorgängen auf künstlerischem und geselligem Gebiete, und wollte wenigstens bei meinen Leserinnen wegen dieser schlechten Gewohnheit wiederholt um Entschuldigung bitten. Allein ich bin jezt ganz von diesem Gefühl zurückgekommen, seitdem jüngster Tage das große Wort gelassen ausgesprochen wurde: Politik zu treiben, ist des Weibes eigentlicher Beruf." Wie man eine so einfache und überzeugende Wahrheit nur so spät entdecken konnte! Das Verdienst aber, diese interessante Thatsache zuerst constatirt zu haben, gebührt Frau Bertha Hahn, Arbeitersgattin dahier in ihren Mußestunden, sonst Präsidentin des „Allgemeinen deutschen Arbeiterfrauen- und - Mädchenvereins“. Diese würdige Dame stand nämlich mit einem Dußend Gesinnungsschwestern vor den Schranken des Stadtgerichts, angeklagt, das Vereinsgesetz übertreten zu haben, welches die Aufnahme weiblicher Mitglieder in politische Genossenschaften und überdies die Verbindung verschiedener Vereine unter sich verbietet. Die Damen des Vorstandes, unter denen sich noch einige Maurers, und Schustersgemahlinnen und einige ledige Frauengestalten von zweifelhaftem Alter und Stand befanden, erschienen in hoher Toilette, den Busen sinnig geschmückt mit einer rothen Schleife, als Zeichen der socialdemokratischen Sache, und vertheidigten sich in dem klangreichen Jdiom des unverfälschten Berliners und der fließenden Redeweise des Fischmarktes gegen die Anklagen, welche die Staatsanwaltschaft roh genug war, gegen diese zarten Blüthen des Frauengeschlechts zu erheben. Den Einwand, ihr Verein habe lediglich den lobenswerthen Zweck gehabt, die gesunkene Sittlichkeit unter den Arbeitermädchen zu heben, mußten sie allerdings bald aufgeben; denn es wurde leicht und unbestreitbar constatirt, daß die Gesellschaft in der That Politik getrieben hatte. Und was für eine Politik! Bisweilen traten allerdings männliche Ehrengäste, wie Herr Hasenclever und andere Parteiführer als Redner auf, die dann für ihre Leistungen in Baar oder wenigstens mit Freibier, Cigarren und Abendbrod entschädigt wurden, und auf diesen Versammlungen mag es, wenn auch nicht vernünftig, so doch nicht geradezu unsinnig hergegangen sein. Wenn aber die holden Damen zwischen sechzehn und sechzig Jahren unter sich waren, so müssen die politischen Abendunterhaltungen einen hohen Grad der Komik erreicht haben. Wie klar und tief z. B. die Präsidentin selbst das Wesen und Ziel ihrer Partei auffaßte, bewies sie, als sie dem Vorsitzenden des Gerichtshofs auf die Frage, ob sie denn wisse, was „socialdemokratisch“ heiße, mit Entrüstung erwiderte: „Ei freilich, gesellig, freundschaftlich.“ So

ergab ferner ein Protokoll, daß sich diese Staatsgelehrten im Unterrock in längeren heftigen Disput vertieft hatten, ob und welch ein Unterschied zwischen,,Dynastie“ und „Gymnastik“ bestehe. Nach solchen scherzhaften Proben wird man den Werth dieser politischen Unterhaltungen ermessen können.

Der Gerichtshof war denn auch in starker Versuchung, die ganze Sache nicht ernst zu nehmen; denn in der That schien die gesellige Seite, das Amüsement bei Bier und Kaffee mit und ohne „Parteibrüder“ im Grunde bei den meisten Vereinsgenossinnen zu überwiegen, ein Gefühl, welches eine der Angeklagten in die Worte kleidete: „Wir feiern unsere Feste, wie z. B. Lassalles Todestag, nur zum Vergnügen.“ Allein der Staatsanwalt glaubte denn doch, daß solche Bestrebungen in weiblichen Kreisen auch eine ernste sittliche Gefahr in sich schlössen, daß die Erziehung durch solche Mütter die heranwachsende Generation von Grund aus vergiften könne. Als Beweis führte er an, eine der Frauen habe sich eines schönen Gebetes gerühmt, welches sie ihrem hoffnungsvollen Sprößling eingeprägt und dessen kindlichfrommen Töne also lauteten: „Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll Keiner drin wohnen, als Lassalle allein." Daß Vereine, namentlich weibliche, mit so häßlichen und thörichten Grundsäßen in der That eine krankhafte und betrübende Erscheinung sind, wird allseitig zugegeben werden müssen. Der Gerichtshof hat denn auch dies seltsame Zerrbild der socialdemokratischen Agitation für geschlossen erklärt und die würdigen Hausfrauen mit den gesinnungstüchtigen Busenschleifen, in Anbetracht, daß der Blödsinn das Verbrechen weit überwog, zu einer recht geringen Gefängniß oder Geldstrafe verurtheilt.

Das Ereigniß der zu Ende gehenden Theatersaison ist das Gastspiel der Meininger Hofbühne in pleno, welche die Friedrichwilhelmstadt“ für einige Wochen in Besitz genommen. Die Gesellschaft, die im vorigen Sommer so reichen Beifall erntete und die literarische Polemik über die Aufgaben der Schauspielkunst so mächtig anregte, hat, in vielleicht nicht zu tactvoller Weise, unserer königlichen Bühne geradezu den Fehdehandschuh hingeworfen, durch Aufführung desselben Stückes, welches die lettere aus dem Grabe erweckt und mit außerordentlichem Glück ihrem Repertoire einverleibt hat: der „Hermannsschlacht“ von Kleist. Das war kein sehr glücklicher Gedanke; denn um ein so provocirendes Wettspiel zu veranstalten, mußten die Meininger sich bewußt sein, die Aufführung in unserm „Schauspielhaus“ in wesentlichen Stücken übertreffen zu können. Und das ist eigentlich nicht der Fall. Die Vorzüge der Meininger Regie, die glänzende Ausstattung, die größte historische Treue in Costümen und Decorationen, das meisterhafte Zusammenspiel, die anziehende Lebendigkeit bewegter Scenen, das Alles kommt auch hier wieder zur wirksamsten Geltung. Allein auch im „Schauspielhaus“ war in dieser Beziehung eigentlich keine Klage zu erheben. Wir gehören

wahrhaftig nicht zu denen, welche diese Aeußerlichkeiten gering anschlagen und der „wahren, reinen Kunst“ unwürdig halten, welche unsere classischen Meisterwerke am liebsten mit den einfachen Requisiten des primitivsten Thespiskarrens ausgestattet sehen möchten, allein man kann solchen Dingen entschieden auch eine übertriebene Bedeutung beilegen. So ungern wir die römischen Krieger etwa in deutschen Ritterrüstungen oder die Teutonen des Urwalds in Landsknechtuniformen auftreten sehen, so wenig Werth legen wir darauf, daß, wie der Theaterzettel der Meininger versichert, jedes Trinkhorn und jede Streitaxt genau nach Gräberfunden und den originalsten Beschreibungen angefertigt sei. Darüber unterrichtet man sich in einem historischen Museum, nicht auf der Bühne, und bei aller Sorgfalt wird man doch die Physiognomie des germanischen Urwalds nicht in Allen herzustellen vermögen, zumal das Stüd selbst alles Andere eher bezweckt, als ein treues Bild der deutschen Vorzeit zu entrollen. Wir wollen damit die Verdienste der Meininger in keiner Weise verkleinern; wir haben ihre Leistungen stets rückhaltlos anerkannt und mehrmals die guten Wirkungen ihres Vorbilds auf unsere Hofbühne constatirt; nur wollten wir warnen, daß man nicht in dem Streben, das Nebensächliche und Aeußerliche zur gebührenden Geltung zu bringen, allzuweit gehe und darüber Wichtigeres gering anschlage. Was die Meininger in jener Beziehung voraushaben, ersetzt das,,Schauspielhaus" reichlich durch das Spiel der hauptsächlichsten Rollen. Wenn die Meininger schließlich von der hier adoptirten Genéeschen Bearbeitung auf den alten Kleistschen Text zurückgingen, so ist dies in mancher Hinsicht glücklich, in vielen andern Punkten aber, wie ich des Nähern hier nicht ausführen kann, entschieden zu mißbilligen. Alles in Allem muß ich meine Ansicht wiederholen, daß wesentliche Vorzüge der Meininger Aufführung vor der andern nicht vorhanden sind. D.

Literatur.

Dichtungen von Max Schaffrath. (Düsseldorf, Breidenbach u. Comp.) Es scheint, beim Bücherkaufen machen es heutzutage viele, wie viele beim Heirathen: sie sehen mehr auf die Ausstattung, als auf den innern Werth des Gegenstandes ihrer Wahl. Wie sollte man es sich sonst erklären, daß geistige Erzeugnisse, wie die vorliegenden, mit dem besten Papier, dem erfreulichsten Drucke, geschmackvollen Initialen, ja selbst dem Bildniß des Verfassers und anderem Bilderschmucke ausgestattet werden? Denn der Doctor Schaffrath ist gewiß ein frommes Gemüth und ein guter Christ, er ist glück

licher Familienvater (seine sechs Kinder werden dem Leser mehrmals vorgeführt), er licht Mutter Natur, ja, was noch mehr ist, sogar die eigene Schwiegermutter, er hat der Liebe Lust und Leid erfahren das alles wird uns aus dem Inhalt des beträchtlichen Bandes klar, und auch formgewandt ist er, aber ein Dichter ist er doch nicht. Warum nicht? Seine „Dichtungen“ lassen uns kalt, ja, was viel schlimmer ist, zuweilen, wenn er ernst oder gar traurig ist, fühlen wir den unwiderstehlichen Trieb, laut aufzulachen, und wenn er uns zum Lachen bewegen will, können wir es trotz dem besten Willen nicht dazu bringen: kurz, er besißt nicht die Kraft, unsere Empfindungen zu beherrschen oder wenigstens nach seinem Willen zu lenken, und diese Kraft erst macht den Dichter. Wir schließen, um wenigstens ein Pröbchen Schaffrathscher Dichtung zu geben, mit dem schönen Motto, das die „frühesten Versuche“ einführt und uns in Betreff unsers Tadels beruhigt: Ueberschwänglich geisterschaurig,

Oft genug zum Sterben traurig,

Immer weich, manchmal verschwommen;
Dennoch mag's dem Ganzen frommen.

Tadel bleib' euch unbenommen.

a

Geschichte des siebenjährigen Kriegs.

3 Bände. (Berlin, Wilhelm Hertz 1867

1874).

Von Arnold Schäfer.

In seltener Weise verdient das Buch Arnold Schäfers den ungetheilten Beifall, der ihm von Seiten der Vertreter strenger Wissenschaft zu Theil geworden ist. Eine Menge nicht nur neuer, sondern auch wichtiger Resultate ist in ihm zu Tage gebracht worden. Und es mag dies umsomehr hervorgehoben werden, als gerade die emsige Forschung, nach Erfolgen lüstern, häufig die Begriffe des noch nicht Gewußten und des Wissenswerthen zu verwechseln pflegt. Um des treuen Fleißes zu geschweigen, von dem jede Seite der trefflichen Arbeit Kunde giebt, allenthalben macht sich jene echte Gerechtigkeit des Urtheils auf Grund der thatsächlichen Vorlagen fühlbar, in welcher allein unserer Meinung nach die vielberufene historische Objectivität bestehen kann. Dabei ist die Darstellung so knapp und gedrängt, daß man nur in wenig Büchern gleichen Umfangs soviel neue Belehrung finden dürfte. War es doch dem Verfasser erlaubt eine Menge wichtigen Materials zum erstenmal zu benußen, das die Archive von Wien, Turin und Moskau ihm in erwünschter Reichhaltigkeit boten. Dazu darf man es als ein Glück betrachten, daß es ihm noch vor Ausbruch des großen Krieges vergönnt war in Paris die Correspondenz mit den französischen Gesandten in Wien und den Briefwechsel Choiseuls mit Bute einzusehen. Man kann wohl sagen, daß die spätere Forschung zwar

die Details vermehren und näher begründen wird, daß sie aber die gewonnenen Hauptresultate niemals wird umstoßen können. Der Beweis, daß der siebenjährige Krieg ein Act der Nothwehr des bedrängten Preußens gegen eine machtvolle Coalition war, braucht nach diesem Buche fürder nicht mehr erbracht zu werden. Ein großer Theil des ersten Bandes ist diesem hochwichtigen Nachweis gewidmet. Die Geheimnisse des sächsischen Cabinets“ waren es vorzüglich, die wider den Willen ihres Herausgebers die kräftigste Stüße der neuen Anschauung wurden. Jedermann erinnert sich noch des Eindrucks, den die frappante Aehnlichkeit der Brühl und Beust in Hinsicht auf die Persönlichkeiten wie auf die Politik damals, als das Buch erschien, hervorrief; hier sind die allein richtigen Schlüsse gezogen worden. Ueberhaupt ist es die politische Seite, die vor allem ins Auge gefaßt worden ist, und gerade sie war die Achillesferse der bisher veröffentlichten Darstellungen gewesen. Immer hatte das militärische Interesse der Sache bisher Forscher und Leser am mächtigsten angezogen. Es ließ sich erwarten, daß auch hierin der Verfasser das Mögliche that, wenn es ihm auch nicht in den Sinn kommen konnte mit der naiven Frische der Archenholzischen Darstellung zu wetteifern. Reichlich ist durch Klarheit die mindere Lebendigkeit der Schilderung ersetzt worden. Und daran liegt uns Modernen doch mehr, zumal wir die andere ja nicht zu entbehren brauchen. Die diplomatischen Zugaben sind höchst dankenswerth, freilich wäre auch einiges chartographische Beiwerk nicht unerwünscht gewesen. In hohem Grade ist diese Geschichte des siebenjährigen Krieges, die übrigens auch zum erstenmale die außereuropäischen Phasen mit in den Bereich der Darstellung zieht, der Beachtung auch größerer Kreise des deutschen Volkes werth als eine nicht nur belehrende, sondern auch herzstärkende und innerlich fördernde Lectüre. Ihnen soll sie hiermit bestens empfohlen sein, ebenso wie desselben Verfassers „Historische Auffäße und Festreden" (Leipzig, B. G. Teubner), die auch einige interessante Vorstudien zu dem obenbesprochenen Buche enthalten, daneben aber eine Fülle von Auffäßen aus verschiedenen Zeitaltern, auch über literarische, künstlerische und politische Materien darbieten, in wissenschaftlicher und vaterländischer Gesinnung, in edler Form geschrieben und mit jenem Enthusias mus, der ja doch, um mit Niebuhr zu reden, das Beste ist, was wir von der Geschichte haben. Rd.

Verantwortlicher Redacteur: Konrad Reichard in Leipzig.
Ausgegeben: 23. April 1875. Verlag von S. Hirzel in Leipzig.

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