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Der ohnehin nicht bewegliche Charakter unseres Volkes würde in einer solchen Apostasie eine Verurtheilung seiner selbst finden, für die es durch keine Belohnung in seinem Gewissen Beruhigung fände.

Nachdem aber und wie wir ausdrücklich hinzufügen, zu unserem Glücke, zu einer selbständigen Gestaltung unseres Landes kein Raum gefunden und nachdem der enge Anschluß an den neuen Verband das Schiboleth aller Parteien, von einer winzigen Minorität abgesehen, geworden, konnte immerhin der Assimilationsproceß auf die vorhandenen Gefühle der Bevölkerung insoweit Rücksicht nehmen, daß, ohne der Einheit im Ganzen Eintrag zu thun, wenn nicht die sog. berechtigten Eigenthümlichkeiten geschont, doch aber den gerechten Ansprüchen der Provinz Rechnung getragen wurde.

Ein solches Entgegenkommen vermissen wir aber in der Art der Behandlung, welche den Herzogthümern neuerdings in der Frage der Zwangsanleihe zu Theil geworden ist, indem man die Erörterung dieser Ansprüche durch eine

ebenso in der Form verlegende als durch die Geringfügigkeit des Angebots ANTILE

unzureichende Entscheidung abschneiden zu können geglaubt hat.

Die fraglichen Anleihen, welche während der Erhebung der Herzogthüme RARY von den Communen aufgebracht werden mußten und zum großen Theil jy YORK. die Verpflegung der deutschen Reichstruppen verwandt sind und welche sich auf mehrere Millionen Thaler belaufen, sind nach Unterwerfung der Herzogthümer unter die dänische Uebermacht von den Siegern durch einen Federstrich für unverbindlich erklärt worden.

Nachdem die Herzogthümer von Preußen annectirt worden und alle Einwohner aus denselben diesem zu Gute gekommen sind, lag es nahe, daß nun auch der gemeinsame-Verband die Schulden des annectirten Landes auf sich nähme, umsomehr als diese Schulden zu einem Zwecke contrahirt waren, für den Preußen selbst seiner Zeit und bis zu dem Zeitpunkt eingetreten war, als die Reaction auch Preußen veranlaßte, den Herzogthümern die Waffen aus der Hand zu nehmen.

Wäre aber selbst die Rechtsfrage streitig, so war immerhin ein Zweifel darüber nicht möglich, daß die stärksten Gründe der Billigkeit einer angemesjenen Ausgleichung dieser Angelegenheit, wie sie auch von der zweiten Kammer der Regierung empfohlen war, das Wort redeten, gelte es auch nur, den Schleswig-Holsteinern, welche in einer angemessenen Behandlung dieser Angelegenheit einen Rechtsanspruch sehen, einen Hauptgrund ihrer Beschwerden zu entziehen.

Die in diesen Tagen dem Provinziallandtage vorgelegte peremtorische Proposition glaubt nun durch Zahlung einer Aversionalsumme von 400,000 Thir. rine völlig genügende Entschädigung für die zehnfach größere Forderung zu gewähren und die fast einstimmige Zurückweisung dieser Proposition abseiten

des Provinziallandtages hat nicht verfehlt, die Klagen über den Eigensinn unserer Landsleute von Neuem zu wecken, mit welchem Rechte, darüber geben wir unter Bezugnahme auf unsere vorstehenden Ausführungen den Lefern das Urtheil anheim.

Jedenfalls liefert die so außerordentlich reiche Fürsorge, welche das Reich den materiellen und geistigen Interessen von Elsaß-Lothringen nach ihrer Einverleibung in das deutsche Reich gewidmet hat, den Beweis, daß man diesen Provinzen gegenüber ein Verfahren einschlagen zu müssen geglaubt hat, dessen Consequenzen, wenn auch nur in der abgeschwächtesten Form vergeblich für die Herzogthümer gefordert sind.

Alle diese Vorgänge sollten sich diejenigen gegenwärtig halten, welche in Veranlassung dieses jüngsten Vorkommnisses über den Eigensinn und den Particularismus unserer Bevölkerung Zeter zu schreien sich veranlaßt fühlen. Diesen Anklagen gegenüber möge aber das Stillschweigen nicht als Zugeständniß des Unrechts gelten sondern nicht unerwogen bleiben, daß eine wirksame Vertheidigung in Parlament und Presse, wie bereits oben angedeutet, unseren eigenen Landsleuten in einem weit geringeren Grade zu Gebote steht, als 3. B. den Hannoveranern, die, ohne uns in der treuen Anhänglichkeit an den neuen Verband zu überflügeln, sich materiell weit besser zu stellen gewußt haben, weil unsere Landesgeschichte der letzten 25 Jahre in dem einseitigen Nationalitätskampfe die Folge haben mußte, die besten Kräfte in der parlamentarischen Armee abzustumpfen und für die in dem neuen Verbande ihrer harrenden Aufgaben weniger geschickt zu machen und andererseits die unter der Fremdherrschaft versagte Gelegenheit zur Auszeichnung die Bethätigung in den Verwaltungszweigen zu einer ebenso unerwünschten Aufgabe machte, wie die publicistische Thätigkeit durch die auf dem Gebiete der Presse in Uebung befindlichen Repressivmaßregeln.

Wenn dies die Folge gehabt hat, daß wir weder bedeutende parlamentarische Capacitäten ins Feld zu stellen gehabt haben, noch aus unseren Reihen Männer sich in einflußreichen amtlichen Stellungen befinden, noch endlich durch maßgebende einheimische Preßorgane die öffentliche Meinung zu unverfälschtem Ausdruck hat gelangen können, so sind dies Umstände, die bei der Beurtheilung hiesiger Verhältnisse in Betracht gezogen werden sollten und deren Würdigung wohl dahin führen könnte, das jezt landläufige abfällige Urtheil über Schleswig-Holstein und seine Bewohner wesentlich zu rectificiren.

Aus dem Reichsland. Ungemüthliche Stimmungen. Erlauben Sie Ihrem alt-elfäffischen Correspondenten Ihnen über gewisse, dem Anscheine nach unbedeutende und für das größere Publikum vielleicht unan

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sehnliche Vorkommnisse, die aber doch bei uns ziemlich ansehnliche Wellen schlagen, zu berichten. Es ist hier nicht mehr die Rede von Verwaltung, vom Landeshaushaltsetat oder gar von Autonomie, sondern von dem gesellschaftlichen Auftreten des Einen und des Andern, des Eingewanderten und des Alt - Elsässer. Käme in diesen Verhältnissen ein richtiges Verständniß, der Sachlage zu Stande, so könnte vielen Mißhelligkeiten, zum allgemeinen Frommen, ein Ende gemacht werden. Daß zwischen der alten Einwohner schaft, in den Städten besonders, und der deutschen Einwanderung noch zur Stunde wenig Zusammengehen besteht, brauche ich wohl nicht hervorzuheben ; das weiß eben Jedermann, und es giebt auch Zeitungscorrespondenten, welche ihr besonderes Augenmerk auf alle kleineren und größeren Zwistigkeiten richten, die dieses unerquickliche Verhältniß zu Tage fördert. Besser wäre es vielleicht, sie schwiegen davon und ließen die Sache sich langsam aufklären. In jedem eroberten Lande pflegen ja solche Reibereien vorzukommen; die Einen sind verstimmt und nervös, weil sie sich eben als Besiegte fühlen; die Andern leben in dem Gefühle des Siegers und es liegt in der Natur der Dinge, daß sie sich dieses Gefühles nicht erwehren, selbst da, wo es sich nur darum handelte, dem Besiegten gegenüber, einen Schleier auf ihre, wenn auch noch so berechtigte, Selbstbefriedigung zu werfen. Auch fühlen sie sich unangenehmer berührt, als es nothwendig wäre, durch die gesellschaftliche Opposition, welche ihnen von der andern Seite entgegentritt und welche gerade wieder durch ihre eigene, ihnen nicht zu verdenkende Unkenntniß der tieferen Gemüthsstimmung der Einwohnerschaft, hervorgerufen wird. Besser wäre es und politischer, wenn in solchen Verhältnissen ein Jeder ruhig abwartend in seiner eigenen Sphäre verbliebe und es unterließe, mit dem ganz anders denkenden und fühlenden Nachbar anzubinden. Freilich ist das ein ungemüthliches Wesen, aber will man das Zusammenleben erzwingen, so wird es noch viel ungemüthlicher und verknöchert sich auch diese Ungemüthlichkeit, so zu sagen. Es sollte von vorn herein ein Jeglicher begreifen, daß, nach einem Kriege und einer Eroberung, man einem Lande gestatten muß, sich besonders in gesellschaftlicher Hinsicht zu sammeln, oder besser, wie bei einem durch Stürme aufgewühlten See, sein getrübtes Gewässer sich klären, und die verschiedenartigen hin- und herwallenden Elemente sich sondern und ablagern zu lassen. Erst wenn dieser Proceß vor sich gegangen sein wird, kann sich ein normales Leben entwickeln. Mischen sich aber die neuen Elemente unter die alten, und sucht man geflissentlich, und wenn auch in der besten und versöhnlichsten Meinung, eine Annäherung der beiden „Gesellschaften“ zu erzwingen, so wird man eben alles Andere als gerade eine Versöhnung hervorrufen und die beiden Elemente in noch schrofferer Weise sich absondern sehen. In solchen Angelegenheiten ist es nothwendig, daß mit vielem Tact vorgegangen und mit großem Feingefühl Hand angelegt

Ju neuen Reich. 1875. I.

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werde. Was in den letzten Tagen auf diesem Gebiete in Sachen der Armenlotterie von Straßburg geschehen ist, wäre somit von besonderem Werthe, und möchte ich es im Gegensaß zu den Auffassungen verschiedener rechtsrheinischer Zeitungen einem Jeglichen, Eingewanderten oder Alt-Elsässer, zu richtiger Würdigung anempfehlen. Wer nicht in unseren Verhältnissen zu Hause ist, und von außen zu uns herein kommt, der möchte wohl im ersten Augenblick sich wundern, daß auf diesem Gebiete der Unterstüßung der Armen kein Zusammenarbeiten möglich sei; und viele Eingewanderte fühlen sich heute noch dadurch recht bitter getäuscht und verlegt, würden aber eine richtigere Empfindung haben, wenn sie sich objectiv in unsere Denkungsweise hineinleben, und sich von unserem Standtpunkte aus, den lezten Krieg mit all seinen Schrecken und Nachwehen ins Gedächtniß rufen wollten. Da würden sie erkennen, daß es eben heute noch viel besser ist für beide Theile, man lasse jeden auf seinem Wege und suche nicht diese zwei Wege zu vereinigen, bevor der natürliche Zeitpunkt gekommen sein wird. Die Alt-Straßburger haben nun, seit einigen vierzig Jahren, eine Gesellschaft gebildet, die jedes Jahr zu Weihnachten eine Armenlotterie veranstaltet; diese Gesellschaft wird nur zusammengesezt durch alte, so zu sagen reichsstädtische Elemente. Jedermanns Gaben werden freundlichst angenommen, aber der eigentliche Kern der Gesellschaft ist heute, wie er vor dem Kriege war, rein alt-straßburgisch. Früher kam es öfters vor, daß das specifisch französische Verwaltungselement sich in diese Gesellschaft hineinzwängen wollte, und daß man ihm höflich zu fühlen gab, man möchte lieber unter sich bleiben. Heute lebt dieser particularistische Geist immer noch fort, und wurde durch die Ereignisse eher verstärkt: ist es doch ganz natürlich, daß nach großen Begebenheiten die Landsleute sich enger aneinander schließen: der psychologische Moment wird schon kommen, wo man sich dem neuen Leben erschließen wird; aber dieser psychologische Moment kann eben nicht erzwungen, muß in Geduld abgewartet werden. Ob die Eingewanderten einen Versuch machten, in diese Gesellschaft aufgenommen zu werden, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen; überrheinische Zeitungen, wie die,,Karlsruher" unter andern, haben in dieser Angelegenheit in sehr gereiztem Tone von der Verschlossenheit der Alt - Straßburger gesprochen, und die Eingewanderten haben auch eine besondere Hülfs-Gesellschaft gebildet, welche einen „Bazar" errichtete und Geld für die Armen sammelte. So wären also die beiden Elemente geschieden, und, ich will es noch einmal betonen, diese Scheidung ist nicht, wie so Manche es behaupten, ein bedauerliches, sondern ein im Grunde recht erfreuliches Ereigniß. Man muß doch die Sachen nehmen, wie sie stehen. Je mehr die Einwanderung ein Zusammenwirken mit der Einwohnerschaft erzwingen will, je weniger wird diese zu Stande kommen, gerade weil die Alt-Elsässer hinter diesem gesellschaftlichen

Zuvorkommen einen politischen Hintergedanken wittern, und eben zur Zeit noch nicht in der Stimmung sind, mit dem Sieger gemeinschaftlich und öffentlich zusammenzuleben. Läßt man im Gegentheil die Sachlage sich auf normale Weise entwickeln, greift man nicht selbst in das Räderwerk ein, übt man Geduld, so wird sich Alles nach und nach in die richtigen Geleise finden. Und man sage nicht, dieser Particularismus, der sich in dem Armenwesen zum Beispiel und noch auf anderen Gebieten kund giebt, sei verbissener, französischer Chauvinismus. Nein! das ist eben der elsässische Particularismus, der schon vor dem Kriege der französischen Verwaltung gegenüber bestand, der heute gerade der nämliche geblieben ist, der deutschen gegenüber, und auf welchen Deutschland ein elsässisches Staatenwesen hätte aufbauen können, wenn Deutschland es eben gewollt hätte.

Bielleicht werden meine deutschen Leser ob dieser Auffassung in Staunen gerathen und auch die eingewanderten Berichterstatter werden sich wahrscheinlich nicht darin zurecht finden. Uns Elsässern darf es schon erwünscht sein, wenn die rechtsrheinischen Zeitschriften uns erlauben wollen, diese unsere Ansichten offen und ehrlich in ihren Spalten auseinanderzusetzen. Am Ende wird denn doch ein Verständniß erzielt werden, und jedenfalls muß es Deutschland auch seinerseits erwünscht sein, diesen ihm fremd klingenden Stimmen Gehör zu verleihen und, wenn auch mit Staunen, zu horchen auf diesen unseren linksrheinischen, elfäffischen Gedankengang. Ein Alt-Elsässer.

Aus Berlin. Die Restauration in Spanien. Die Sylvesternacht. Theater. In die Stille der Feiertagswoche fiel diesmal ein Ereigniß der auswärtigen Politik, welches uns zwar nur mittelbar, aber bei dem engen Zusammenhang der internationalen Beziehungen und Interessen doch nahe genug berührt. Fern im Süd das schöne Spanien“ spielt schon geraume Zeit die erste Violine im europäischen Völkerconcert; freilich ist dies Instrument nicht gerade von bezauberndem Wohlklang. Und auch indem jüngsten Vorgange, der Restauration der Bourbons, vermögen wir ein allzu erfreuliches Ereigniß vorläufig nicht zu erblicken. Mögen auch die Ultramontanen aller Orten einigermaßen verstimmt und enttäuscht sein, daß ihrem carlistischen Ideal von unverfälschtesten Gottes- und Papstesgnaden der Boden unter den Füßen weggezogen wird, wir können uns der unbehaglichen Ahnung nicht entschlagen, daß sie bald genug auch mit dem Sohn der Tugendrose sich vertragen werden, der die Vertheidigung der Kirche als erstes Regierungsprincip aufstellt und vor allen Dingen sich mit dem päpstlichen Segen wappnet. Es ist wahr, die neue Regierung tritt mit leidlich liberalen und constitutionellen Alluren auf, aber wer kann es dem geschichts- und menschenkundigen Beobachter verdenken, wenn er diesen ganzen Stamm, von dem wir seit Jahr

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