ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

wegung wird man lesen, wie das entscheidende Gutachten in tiefen Schmerzen für ihn geboren ward. Als er es abfaßte, erhielt er die Nachricht, daß seine junge Frau in Königsberg im Sterben liege. Es kam in beiden Fällen auf ein paar Stunden an. Er wollte den großen Gedanken nicht verlassen, schrieb mit gewaltsamer Fassung das Gutachten zu Ende und fuhr nach den letzten Worten ab, um sein Weib als Leiche zu finden. Als er zurückkam, hatte der König seine Zustimmung erklärt: die Aufhebung der Erbunterthänigkeit sei seit seinem Regierungsantritt sein unverrücktes Ziel gewesen. Wie stellt sich nun Stein zu der Frage? Schön sagt: für die westphälischen Ohren, womit nur Stein gemeint sein kann, sei die Sache Hirngespinnst gewesen. Als das Gesetz fertig gelegen, sei Stein nach Memel gekommen, sein Kopf und sein Ehrgeiz sei mit seiner inneren Richtung durchgegangen, sein Kopf habe ihm gesagt, daß das Gesetz gescheidt sei, sein Ehrgeiz ihm die Glorie gezeigt, die daraus für ihn entstehen würde. Er habe so den Gedanken mit Wärme ergriffen und das Gesetz contrafignirt, das er vor seinem Tode noch verwünscht haben sollte. Wiederum ist hier Wahres und Falsches in jener bedenklichen Art gemischt, die an der Redlichkeit des Autors gerechte Zweifel erweckt. Dafür daß Stein mit den Grundsätzen, auf denen das Edict beruhte, einverstanden war, können seine eigenen Worte angeführt werden, die er bei seinem abermaligen Eintritt ins Cabinet äußerte: man müsse der Nation eine Theilnahme an den National- und Communalangelegenheiten einräumen, so nur zeigten sich die wohlthätigsten Aeußerungen der Vaterlandsliebe und des Gemeingeistes, man müsse bemüht sein, die ganze Masse der in der Nation vorhandenen Kräfte auf die Besorgung ihrer Angelegenheiten zn lenken, eine Idee, die er übrigens und gerade in Bezug auf die Aufhebung der Eigenbehörigkeit schon im März 1801 in seinem Verwaltungsbericht als Oberkammerpräsident von Westphalen ausgesprochen hatte. Billigte er somit die Vorlage im Ganzen, so war es doch wohl kein Verbrechen, wenn er sich erlaubte, gegen einige Vorschläge der Commission Einwendungen zu machen. Er setzte es sogar durch, daß das Edict auf alle Provinzen der Monarchie ausgedehnt werden sollte, was er gewiß nicht gethan haben würde, wenn es seinen „westphälischen Ohren“ unangenehm gewesen wäre; er nahm sich der Sache auf das Ausdrücklichste an, als die Breslauer Regierung und der schlesische Adel sich dagegen erhob. So groß das Verdienst Schöns um die Sache war, Stein hatte doch auch seinem reichen Antheil daran, daß man am 9. October 1807 die schwerwiegenden Worte las: Nach dem Martinstage 1810 giebt es nur freie Leute in Unseren sämmtlichen Staaten." Jm Volke sah man damals schon beide Männer für Schöpfer der großen Aenderung an, in Gedichten feierte man vereint ihre Namen. Und ging Stein wirklich dabei der Kopf durch mit der innern Richtung, um

die wunderliche Verkehrung des Bildes zu wiederholen, könnte man dies nicht eher ihm zum Lob, als zum Tadel wenden? Was aber die Beschuldigung des Ehrgeizes als Motivs der Handlungsweise betrifft, so ist sie so vag und unbeweisbar, daß ein wirklicher Werth ihr nicht beigemessen werden kann. Die Annahme endlich, daß Stein vor seinem Ende das Gesetz verwünscht haben soll, beruht wohl darauf, daß er seinem Weißfallen über die Wirrsale des Uebergangsstadiums, die er auf die Unvollkommenheiten jener Gesetzgebung zurückführte, öfter und ganz besonders in einem Aufsaße über die Vererbung und Zersplitterung der Bauerhöfe in Westphalen, der noch im December 1830 verfaßt ist, in seiner Weise energischen Ausdruck gab.

Weiter erzählt nun Schön, wie Stein, der in Königsberg, durch angeerbte und anerzogene Vorurtheile gehemmt, in bessere Gesellschaft gebracht und von dieser fortgerissen werden mußte, das große „Staatsskelett“ ausgearbeitet habe, mit Hülfe der geistreichen Menschen, die er dort suchte und fand. Vor allem habe man sich an die Städteordnung gemacht und Stein sei es genug gewesen, daß die Franzosen damals keine selbständigen Municipalitäten hatten, um das Gegentheil davon, die Städteordnung, zu fördern. Hier ist dem Berichterstatter nun wieder einmal das Systematische in den Steinschen Maßnahmen nicht recht, das er sonst ja zu vermissen pflegt. Mit dem oft wiederkehrenden Ausdruck Staatsskelett", auf den er sich offenbar etwas zu Gute thut, wollte er die Gliederung der Reformen in der inneren Verwaltung verhöhnen, mit denen sich Stein während seines Ministeriums trug, und die hauptsächlich sich auf eine zweckmäßige Vereinfachung der Verwaltungsmaschinerie bezogen. Daß Stein sich besonders mit der Städteordnung beschäftigt habe, ersehen wir nicht, vielmehr widmete er dem Bauernstande, den Beamtenverhältnissen, dem Adel, den Landständen dieselbe Theilnahme. Ob ebenfalls blos aus Opposition gegen die Eigenheiten der französischen Verwaltung, wissen wir nicht.

Der Sommer 1808 war für den armen Stein äußerst aufregend. Troß seiner veralteten Vorurtheile ward er von der Zeit und dem Treiben um ihn so fortgerissen, daß er, indem die Glorie, die ihm bevorstand, ihm zugleich schmeichelte, „gar nicht zur Besinnung kommen“ konnte. Er hatte zwar leicht einen Gedanken, aber immer auf der leidigen historischen Basis, von Philosophie wollte er immer noch nichts wissen, obwohl er, man staune! ein philosophischer Kopf war. Seiner Diplomatie lagen nur die Erfahrung früherer Zeiten und die Schlauheit zu Grunde. Schön berichtet uns das köstliche Wort von ihm, daß er ihm gegenüber die Pfiffiologie als die Hauptwissenschaft bezeichnet habe. Mit vollem Herzen sei er „bei dem Treiben in der Idee des Staates" nicht dabeigewesen. Dagegen habe ihn, der auf Einfluß, Ueberredung, Verbindung, Verschwörung, Kabale und Täuschung Werth legte, eine Verschwörung in Westphalen besonders interessirt und voll sei er gewesen von

[ocr errors]

dem unklaren Plane des Bardelebenschen Tugendbundes, auf den er einen größeren Werth gesezt habe, als auf Alles, was das Volk zur Erkenntniß der Vorzüglichkeit der Verwaltung bringen und so zur wahren Kraft wecken sollte. Die Theilnahme an der Verschwörung bezieht sich auf den bekannten Brief an den Fürsten Wittgenstein, in welchem angedeutet war, wie gut es sei, daß die Unzufriedenheit in Westfalen weiter genährt würde. Von einem „unreifen Plane“ konnte nicht die Rede sein, da vor der Hand gar kein Plan vorlag, nur hatte Stein geschrieben, daß es gut sei, die bestehende Erbitterung zu nähren, und man weiß wohl, wie diese Politik nicht ohne Folgen blieb. Den Tugendbund anlangend schrieb aber Stein an Pert: Ich habe nie Theil daran genommen, er schien mir unpraktisch und das Praktische sank in des Gemeine." Gegen diese einfachen Worte zerfällt die lange und pharisäische Tirade Schöns über den Steinschen Tugendbund in Nichts und Schön selbst fühlt die Nothwendigkeit nach diesem Ausfall den Mantel eines dürftigen Lobes über die zerfeßte Gestalt des Gegners zu hängen. „Aber bei alledem ließ sich sehr angenehm mit Stein leben und arbeiten. Hätte Stein philosophische Bildung bekommen, sodaß Ideen bei ihm zum Bewußtsein gekommen wären, so würde er ungeheure Dinge in der Welt geleistet haben.“ Und so kommt er auch noch ziemlich glimpflich gelegentlich seiner Entlassung weg, obwohl auch hier Schön als der eigentliche spiritus regens erscheint. Bekannt ist ja, wie er schon 1845 das Rundschreiben vom 24 November 1808 für sich in Anspruch nahm, mit dessen Abfassung ihn Stein betraut hatte. Schon Pert hat darauf bündig erwiedert, daß nicht der vorbereitende Rath, sondern der beauftragende und unterzeichnende Minister Verantwortlichkeit wie Verdienst der Urkunde hat. Ungerupft kommt Stein ja niemals davon und es wimmelt auch an dieser Stelle von kleinen Bosheiten, die wir indeß übergehen wollen.

-

Ebensowenig ist es nöthig nochmals die bekannten „Erinnerungen“ zu berühren, in denen der Antheil Steins an der Ostpreußischen Erhebung besprochen ist. Sie sind bekanntlich schon von Perz mitgetheilt und corrigirt worden. Weiteres Urkundenmaterial zur Feststellung des Richtigen ist indeß auch in unserem Buche nicht geliefert worden

Auch der Polemik gegen York, „dessen anscheinend große Kühnheit durch die Lage der Umstände sehr gemildert wurde“, gegen den großen „,,Liniensoldaten“ Scharnhorst wollen wir hier nicht weiter gedenken. Kam es uns doch nur darauf an, an einem Beispiel zu zeigen, mit welcher Vorsicht die Benutzung dieser so interessanten Denkwürdigkeiten verbunden sein muß. Wir fürchten indeß kaum, daß sie erreichen werden, was sie bezwecken: daß in der Erinnerung des deutschen Volkes das gewaltige Bild Steins durch die Gestalt des Philofophen von Arnau verdrängt werde.

Es ist kein erquickliches Bild, das wir aus dem Buche von Schön er halten; bei weitem ein anderer muß der Schön der Jugend gewesen sein, an den Stein in schwerer Zeit schrieb: „Lassen Sie uns Hand in Hand gehen. Ich vertraue auf Ihren Beistand, denn meine Kräfte sinken!"

Don Alfonso und Donna Blanca.

Bon Austriacus.

Eine derbe Tracht Prügel! Das klingt häßlich für den, der sie in Empfang nehmen soll, und auch nicht schön für den, der sie austheilt. Einer ritterlichen Handlung kann sich der Lettere nicht rühmen und wenn ihn die Polizei deshalb am Kragen faßt, so muß er sich das gefallen lassen. Unter dieser Wolke wirst du prügeln, ruft ihm das Strafgesetz allzeit zu. Und dennoch, allen legalen Bedenken zum Troße, herrscht zuweilen über einen Geprügelten mehr Freude als über hundert Triumphatoren. Dieses mögen sich die Grazer Studenten zum Troste gesagt sein lassen, welche ihre Abneigung gegen einen moralisch Geächteten mit Carcer oder Relegation werden büßen müssen. Politische Demonstrationen von der Studentenschaft ausgeübt, sind unleugbar vom Uebel und am wenigsten in Desterreich zu empfehlen, wo sich ohnehin das Vorurtheil erhalten hat, daß das Interesse der Studierenden von den Wissenschaften viel weniger in Anspruch genommen wird, als von den öffentlichen Angelegenheiten. Ist es denn aber eine politische Demonstration, wenn einige hundert junge Männer einem Individuum, das gemeiner Verbrechen beschuldigt wird und sich schamlos unter ansständige Menschen drängt, deutlich ihre Verachtung und ihren Wunsch nach seiner schleunigen Entfernung ausdrücken? Sie nehmen nicht Partei gegen seine staatlichen Gesinnungen, sie kämpfen nicht zu Gunsten seiner politischen Feinde, fie fällen nur ein Urtheil über eine Reihe von Thaten, die Don Alfonso von Bourbon nicht Kraft seines Amtes oder seiner Stellung vollzogen hat, sondern welche er verübte seinen persönlichen Trieben und Neigungen folgend, und für welche er daher auch persönlich der öffentlichen Meinung gegenüber die Verant wortung trägt.

Don Alfonso hat die öffentliche Meinung in unerhörter Weise provocirt. Von seinen eigenen Parteigenossen in Spanien verworfen und gezwungen den Kriegsschauplatz zu verlassen, verbirgt sich der Sieger von Cuenca nicht auf einem der Güter seines edlen Schwiegervaters, Don Miguel frommen An

denkens, bis sein Name vergessen ist, sondern reist wohlgemuth von einer deutschen Stadt zur andern, begrüßt Fürstengeschlechter, besucht den Wiener Hof, siedelt sich mit Pomp in Graz an, heuchelt hier Frömmigkeit und bringt täglich auf seinem Wege nach der Domkirche den Studenten seine Persönlichkeit vor das Auge. Und da sollen diese gleichgültig bleiben, nicht der gerechten Entrüstung über solche herausfordernde Keckheit Luft machen? Man ist mit zwanzig Jahren kein bedächtiger Klügling. Gottlob, daß man es nicht ist, daß noch warmes Blut in den Adern rollt und Lust und Wille zu unüberlegten aber gutgemeinten Handlungen sich regt. Die Studenten hätten freilich bedenken sollen, daß sie mit ihrer Demonstration nicht allein bleiben werden, daß in großen Städten Arbeitsscheuc, Lärmfreunde, Neugierige zum Anschlusse stets bereit sind und dieser Schweif gar bald den Kern überwuchert. Die Form, in welcher später die Demonstration wiederholt wurde, die Auflehnung gegen die bewaffnete Macht kann nicht beschönigt werden, aber der erste spontane Aufschrei der empörten sittlichen Meinung ließ sich nicht zurückdrängen, und selbst die Steigerung des Grimmes am zweiten Tage erscheint nicht unerklärlich, wenn man aus dem Leiborgan der Feudalen und Absolutisten in Desterreich, aus dem Wiener ,,Vaterland" erfährt, welchen hochmüthigen Trotz Don Alfonso den Angreifern entgegengestellt hat. Für die Richtigkeit der Auffassung, daß nur sittliche Entrüstung die Handlungsweise der Studenten bestimmte, spricht der Umstand, daß sie den Infanten nicht etwa Carlist oder Bourbone schimpften, sondern einzig und allein als „Briganten und Mordbrenner" apostrophirten. Er ist freilich als solcher noch nicht verurtheilt. Aber gerade, daß es augenblicklich keine Macht giebt, die ihn verurtheilen und bestrafen könnte, daß er mit dem Verdachte schmachvoller Verbrechen behaftet, den höchsten Glanz des Lebens genießt, fürstliche Ehren anspricht, mußte jugendliche Gemüther empören und den studentischen Idealismus, den wir nimmermehr missen möchten, zu rascher That aufreizen. Wir beklagen, wenn einzelne Jünglinge durch ihr Vorgehen vielleicht größere Schuld und schwerere Strafe auf sich geladen haben. Wir beklagen und bedauern es aber noch ungleich mehr, daß die österreichische Regierung nichts gethan, solche beklagenswerthe Scenen unmöglich zu machen. Wir verlangen keine catonische Strenge, keine polizeiliche Ausweisung des Infanten, nichts unmögliches oder den legitimistischen Ueberlieferungen widersprechendes. Eine sanfte Andeutung, nur solche Orte zum Wohnsiße zu wählen, in welche die Zeitungen noch keine Kunde von dem „Eroberer von Cuenca" gebracht, oder wo der Erwerbsinn jede andere Erwägung zurückschiebt, hätte genügt und das Scandal abgewendet. Das österreichische Fürstenhaus kann mit Recht sich rühmen, daß seine Glieder stets in Frieden mit dem Volke gelebt, stets Achtung genossen und auch um die Achtung der Menschen

Im neuen Reich. 1875. I.

94

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »