des augenblicklichen Aufblühens von Handel, Industrie und aller Geschäfte den Frieden mehr wie je nöthig und wünscht ihn auch. Gar Mancher, der Revanche“ im Herzen und auf der Lippe trägt, würde arg bestürzt sein, wenn das Wort plötzlich That werden sollte. Sonach mag die augenblickliche Lage und das Verhältniß zu Frankreich nicht ganz so schwarz sein, wie manche deutsche Blätter es sahen. Sicherlich hat aber immerhin die deutsche Regierung das vollste Recht, dem unruhigen Nachbar scharf auf die Finger zu passen; und die deutsche Presse erfüllt nur eine patriotische Pflicht, wenn sie von Zeit zu Zeit einen ernsten Warnungsruf erschallen läßt, der bei aller achtenden Schonung für einen zu Boden geschmetterten Feind diesen darauf aufmerksam macht, welche ernste Folgen eine kopflose und auf die deutsche Langmuth zu sehr rechnende Politik haben fönnte. Aus Berlin. Das Klostergeset. Frühlingsvergnügen. Das mit so großer Spannung erwartete Klostergesetz ist dem Landtage nunmehr zugegangen. Man hätte nicht nöthig gehabt, an die Verzögerung dieser Vorlage eine solche Fülle grundloser Gerüchte und Vermuthungen zu knüpfen, wie es in der Presse geschehen ist. Entsprang dieselbe doch keineswegs principiellen Bedenken oder einer an allerhöchster Stelle be stehenden Abneigung, dem Staatsministerium noch weiter auf den eingeschlagenen Bahnen im Kirchenkampfe nachzugeben, sondern lediglich der bekannten Gewissenhaftigkeit unseres Kaisers, der sich persönlich und sorgfältig aus dem amtlichen Material unterrichten wollte, ob in der That und in welchem Umfang das geistliche Ordenswesen zu unterdrücken sei. Der Kaiser ist denn auch zu keiner anderen Ansicht gelangt, als die höchsten Kronbeamten. Die einzigen Aenderungen an dem ursprünglichen Entwurf bestehen in der Verlängerung der Frist zur Aufhebung der Unterrichtsorden von zwei auf vier Jahre und in der Bestimmung, daß die der Krankenpflege gewidmeten Genossenschaften nicht durch Ministerialverfügung, sondern nur durch königliche Verordnung aufgehoben werden können. In der letzteren Aenderung zeigt sich die Achtung und Anerkennung, welche der Kaiser jenem Zweig der katholischen Ordensthätigkeit zu schulden glaubte. In der That wird Niemand bestreiten, daß auf dem Gebiete der Krankenpflege mancher katholische Schwesternorden eine wohlthätige und rühmliche Wirksamkeit entfaltet hat, und es ist weder im Ministerium die Forderung erhoben worden, noch wird es in der Volks vertretung verlangt werden, daß auch diese wahrhafter Menschenliebe dienenden Gesellschaften ausgerottet werden, selbst wenn eins oder das andere ihrer Mitglieder die leibliche Pflege auch auf das vermeintliche Seelenheil der Kranken auszudehnen versuchen sollte. Anders steht es jedoch mit dem Jugendunter richt von Seiten katholischer Ordensgeistlichen, der bei den herrschenden Ten denzen und Grundsätzen in diesen Kreisen unter allen Umständen vom Uebel ist und nur aus Mangel an augenblicklichem Ersatz durch weltliche Lehrer noch eine kurze Frist geduldet werden kann. Der Rest der Niederlassungen aber, welcher gar keinen oder wenigstens keinen lobenswerthen Zweck erfüllt, wird ohne Weiteres mit der unter gebildeten Menschen üblichen Kündigungsfrist aufgehoben. So verschwindet denn wieder ein stattlicher Ueberrest mittelalterlicher Cultur vom Boden der Neuzeit, und man wäre als Freund historischer Alterthümer fast versucht, eine Art von Wehmuth zu empfinden. Aber freilich diese entarteten Gebilde find himmelweit verschieden von dem Jdeal eines Klosters, wie es selbst der Phantasie eines durchaus modernen und gesunden deutschen Reichsbürgers in weltflüchtigen Stunden bisweilen lockend vorschwebte und von romantischen Poeten anregend ausgemalt wurde. Aus den Stätten beschaulichen und geistig angeregten Lebens, von heiligem Frieden umschwebt, voll wackerer Genossen, mit wohlgefüllten Kellern und Küchen, find Zwinganstalten geisttödtender Dressur, knechtischen Gehorsams und unterwühlender gefährlicher Bestrebungen im Dienste auswärtiger Oberen gegen das nationale Wohl und die Geistesbildung der Zeit geworden. Die unbedingte Abhängigkeit der Ordensglieder von ihren Oberen, die Abgelöstheit von jedem Band der Familie, der Nation, der menschlichen Gesellschaft, das große materielle Vermögen, der geheime unbegrenzte Einfluß auf die weite Masse des katholischen Volkes haben die modernen Klöster zu den willfährigsten und brauchbarsten Werkzeugen in der Hand der römischen Curie und den Häuptern der ultramontanen Agitation gemacht, und was das bei der heutigen kirchlichen Lage bedeuten will, braucht nicht auseinandergesetzt zu werden. Man wird es daher auch nur mit voller Zustimmung begrüßen können, daß die Regierung endlich energisch diesem Unwesen zu Leibe geht, sich nicht mit halben Maßregeln begnügt, etwa staatliche Aufsichtsrechte feststellt, die in der Praxis doch nicht durchführbar sind, oder die Orden durch das Verbot neuer Mitgliederaufnahmen auf den Aussterbeetat seßt, was erst in Decennien eigentlich wirksam werden und inzwischen der Wühlerei Thür und Thor öffnen würde, sondern daß man ganze Arbeit macht und Schonung nur da eintreten läßt, wo sie eben am Plaze ist. Ueber die Ausdehnung des Ordenswesens in Preußen geben die anläßlich des Jesuitengesetzes veranstalteten amtlichen Erhebungen eine überraschende Auskunft. Danach gab es 1872 und 1873 in der Monarchie: 1032 männliche Ordensmitglieder in 78 Niederlassungen und 7763 weibliche in 836, oder insgesammt 8795 Ordensleute in 914 Stationen. Diese Zahl aber war noch im Jahr 1867 auf 5877, im Jahr 1855 gar nur auf 913 beschränkt. Aus diesen Zahlen kann man ersehen, wie herrlich weit wir es in den letzten Jahrzehnten im Fortschritt gebracht. Merkwürdig, daß gerade zur selben Zeit, wo wir diesen ganzen Spuk aus unsern Grenzen treiben, der Papst, wie uns ein amtliches Decret seiner Canzlei belehrt, den hochwichtigen Entschluß gefaßt hat: die ganze Welt dem heiligen Herzen Jesu zu weihen.“ Es ist, als ob der vaticanische Greis oder vielmehr die Jesuitengesellschaft, die den armen alten Mann am Drahte zieht, jede Gelegenheit mit Begierde ergriffe, um der staunenden Welt ad oculos zu demonstriren, daß es noch einen Ort giebt, wo Vernunft, Aufklärung und Zeitgeist unbekannte und verpönte Dinge find. Wir sind mit den praktischen Folgen jener Dedication nicht vertraut, wir wissen nur, daß gerade dieser von den Jesuiten mit Vorliebe gepflegte Cultus einem der gröbsten, rohsinnlichsten und abgeschmacktesten Schwindel entspringt, den die an dergleichen nicht arme Wundergeschichte aller Zeiten aufzuweisen hat, daß überdies das heilige Herz Jesu“ eine bedenkliche Zuneigung für Frankreich besitt und daß wir wenigstens, soweit wir bei dieser Widmung der ganzen Welt ebenfalls in Betracht kommen, dieselbe uns ernstlich verbitten müssen. Doch, es ist Zeit diese öden Regionen frommer Geistesverwirrung zu verlassen. Wer wird sich mit Klosterluft und Wunderduft den schönen Monat Mai verderben! Strahlt doch selbst auf unser rauchiges und staubiges Häusermeer die junge Frühlingssonne mit einer Freundlichkeit hernieder, die dem verhärtetsten Menschenfeinde das Eis um das Herz schmelzen könnte. Auch der Berliner genießt jezt Natur, soweit der Thiergarten, der Grunewald, Tegel und Treptow die hier herrschenden bescheidenen Ansprüche an landschaftliche Genüsse befriedigen können. Die sorglose Hingabe an die Freuden ländlicher Ausflüge wird allerdings nicht befördert, wenn man dieser Tage in den Zeitungen eine, wie es scheint vom Polizeipräsidium inspirirte War nung las, welche der Berichterstattung über einen groben Exceß die wohlmeinenden Worte hinzufügte: „Wir knüpfen an diesen Vorfall die Mahnung, daß das Publikum bei den mit dem Beginn der schönen Jahreszeit schnell in Aufnahme kommenden Landpartien nach dem Grunewald sich einer besonderen Vorsicht befleißige. Namentlich in der Nähe von Arbeitsstätten, wo polnische Arbeiter beschäftigt sind, pflegen leider Verbrechen aller, selbst der schwersten Art nicht auszubleiben, und die betreffende Polizeibehörde kann nicht allgegen wärtig sein." Man sollte Angesichts solcher Bekanntmachungen fast auf die Vermuthung kommen, Berlin läge in Sicilien oder in der römischen Campagna. Mit weniger Gefahren verbunden ist allerdings ein Ausflug nach Hoppegarten, wo zur Zeit die Frühjahrsrennen stattfinden, und vielleicht aus diesem Grunde erfreut sich der Rennplatz heuer eines besonders lebhaften Besuchs. Zweimal im Jahre bildet diese menschenleere Einöde den Sammel punkt der vornehmen Welt nicht nur, sondern auch den Tummelplaß einer bunten bewegten Volksmenge. Es ist alsdann unser Bois de Boulogne, soweit die traurige Steppe mit jenen schönen Anlagen und die endlosen Eisenbahnzüge mit jenem glänzenden Wagencorso concurriren können. Wer die Elite unserer höfischen und militärischen Welt in elegantester Toilette versammelt sehen will, der scheue nicht die Leiden und Mühseligkeiten in einem überfüllten Ostbahnwaggon; denn in der That können sich auch diejenigen an dem bunten, lebhaften, glänzenden Treiben ergößen, welche für die Geheimnisse des „Turf“ und „Sport“ wenig Verständniß, für die Thatsache, um wie viel Schnauzenlängen dieses oder jenes der abgeheßten Thiere gesiegt, geringes Interesse besitzen und deren pecuniäre Theilnahme an den anregenden Wetten sich auf die Preisgebung einiger Thaler an das geniale Spielinstitut des „Totalisator“ beschränkt. So viel wir wissen, sind auch die für das vergangene Jahr auf Betreiben des großen Feindes aristokratischer Belustigungen, des Abgeordneten Eugen Richter, gestrichenen Staatsprämien für die Rennen diesmal wieder gewährt, so daß die meist durch einige Armund Beinbrüche erkaufte pecuniäre Aufmunterung den kühnen Reitern und Rossen im alten Umfange zu Theil werden konnte. D. Literatur. Vom Büchertisch. Wälsches und Deutsches. Von Karl Hillebrand. (Berlin, Oppenheim.) Wiederum eine jener in unserer Zeit so häufig erscheinenden Sammlungen längst gedruckter und gelesener Essays und Feuilletons, welche die zärtliche Vaterliebe des Autors aus der wogenden und schwindenden Fluth der Tages- und Monatspresse gerettet und gleichsam ins Trockne" gebracht hat. Als ob Alles gerettet werden müßte! Und wie vielen von solchen Aufsätzen wäre es nicht besser, wenn sie sich an der raschen und weitverbreiteten Wirkung der Zeitpresse genügen lassen wollten. Trotz aller künstlerischen Conservirung des Herbariums erbleicht die Farbe und der schwellende Saft vertrocknet. Nur eine seltene und eigenartige Formvollendung könnte in unserer bücherreichen Zeit solchen Erzeugnissen Dauer und Verbreitung verleihen. Haben für uns doch selbst Lessings Literaturbesprechungen, um eins zu nennen, heutzutage nur noch ein historisches Interesse. Der Mitwelt liegen diese Sachen ja noch in ihren Zeitungen vor, und die Nachwelt, wenn sie ihrer bedarf, wird sie schon zu finden wissen. Wenn auch diese Bemerkungen zunächst gegen eine literarische Zeitrichtung geschrieben sind, so treffen sie doch Hillebrand theilweise mit. Seine vorzüglichen Schilderungen des französischen Lebens waren in der That ein Buch, das die größten Verdienste " hat, und wir sind gespannt auf das verheißene Werk über England und die Engländer. Von dem feinen Psychologenblick des weltkundigen Verfassers ist etwas gleich Ausgezeichnetes zu erwarten. Dagegen wäre wohl besser gewesen, ein Schriffteller wie Hillebrand hätte sich hier von der leidigen Mode ferngehalten. Es sind ja alles recht treffliche, geistvolle und auch lehrreiche Sachen, aber sie übersteigen das Niveau des guten Feuilletons, wie es Gottlob auch bei den Deutschen jezt nicht mehr allzuselten ist, doch nicht in dem Grade, daß sie den Anspruch auf die Buchform rechtfertigen; die meisten wenigstens nicht. Warum gleich ein Buch? Giosue Carduccis neueste Gedichte werden nur Wenige interessiren und wer Gervinus" nochmals lesen will, für den sind die „Preußischen Jahrbücher“ ja auch erreichbar. Deutsche Tondichter von Sebastian Bach bis auf die Gegenwart. Von Emil Naumann. 2. Aufl. (Berlin, Oppenheim.) Die populären Vorlesungen für Damen über die Geschichte der Musik können ihrem Publicum immer und immer wieder empfohlen werden. Frei von dem Schulgezänk und von dem einseitigen Enthusiasmus, in einfacher und geschmackvoller Darstellung, wissen sie durch geschickte Einflechtung des biographischen Elements das Interesse an der ästhetischen Würdigung noch zu erhöhen. Verständig und verständlich! Das ist ein Lob, das man nicht jedem Buche über Musik nachsagen darf. — Vom deutschen Strom von Ferdinand Hey'l (Wiesbaden, Bischkopff) und Wandertage diesseit und jenseit des Rheines. Von H. Scheube. (Berlin, Wedekind und Schwieger.) — Beide Büchlein sind nicht sehr bedeutend und wiederholen oft Gesagtes, indeß ist das erstere wenigstens frisch geschrieben, besonders in den Capiteln, die vom Bau des edlen Weinstocks handeln. Rd. - Der Sturz des Hauses Alba. Trauerspiel in fünf Aufzügen von A. S. C. Wallis. (Leipzig, W. Engelmann.) — Das Gedicht ist das Erst lingswerk eines sechszehnjährigen holländischen Mädchens, das, durch langwierige Krankheit an Bett und Zimmer gefesselt, eine seit frühester Jugend gebotene unfreiwillige Muße zu ernsten Studien und poetischen Arbeiten benutzt hat. Zu bemerken ist, daß das Trauerspiel keine Uebersetzung, sondern von Anfang in Deutschland geschrieben ist. Diese Umstände machen das Werk zu einer Erscheinung, die schon als Curiosum Beachtung verdient, andererseits enthalten sie Erklärung und Entschuldigung für vielfache Mängel. Aus der Jugend der Verfasserin erklärt sich ein gewisser Mangel der Erfindung und die öfter sich zeigende nicht ganz richtige Auffassung und Darstellung tieferer seelischer Vorgänge oder Zustände, die ein reiferes Alter bedingen. Die Aus länderin aber wird uns zuweilen durch die Sprache verrathen. Verantwortlicher Redacteur: Konrad Reichard in Leipzig. a |