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Das Christenthum in der Geschichte. *)

Von Wilhelm Lang.

In kräftigem Wachsthum breitet sich in unseren Tagen die Wissenschaft von den Anfängen des Christenthums aus. Wie das höhere Alter gern auf die Kindheit sich zurückbesinnt, so sucht das Gedächtniß der Menschheit die halberloschenen Spuren jener Anfangszeit auf, und strebt sie wieder zu beleben, strengt allen Scharfsinn an, ein zusammenstimmendes Bild aus ihnen zu gestalten. Was bedeutet dieser Eifer in einer Zeit, da unser Glaube, wie die Rede unter uns geht, in den letzten Zügen liegt? Ist es ein Zeichen der Pietät, die unser Geschlecht einer gestürzten Macht widmet, aus deren Bann es sich erlöst weiß? Oder ist es die kalte Neugier, die, nachdem der Glaube zu den Todten gelegt, wenigstens noch die Frage aufwirft, wer denn der Todte gewesen ist? Lebensbeschreibungen pflegt man erst aufzusetzen, wenn der Geschilderte im Grabe liegt. Daß die moderne Forschung mit der Herkunft des Christenthums sich beschäftigt, ist, so scheint es, ein Beweis, daß die Zeit verüber ist, da es ein Heiligthum war. Wir haben kein anderes Interesse mehr an ihm, als das der parteilosen Untersuchung, der leidenschaftfreien Geschichte. Ein Leben Jesu hat man erst im neunzehnten Jahrhundert angefangen zu schreiben, das aufgehört hat, den Galiläer als Gott zu verehren. So ist auch der Ursprung der Kirche zum Gegenstand der Forschung geworden, seittem ihr Inhalt aufgehört hat, die Herzen auszufüllen, zu beherrschen, ja zu beschäftigen.

Wenn nur nicht die neuere Wissenschaft dabei auf Ergebnisse käme, welche die Zuversicht dieser Säte wieder erheblich erschüttern müssen. Das Christenthum soll ein veraltetes Ding für den modernen Menschen sein. Gut; nun zeigt aber die kritische Wissenschaft, daß man die Lehrfäße, die uns eine Thorbeit geworden sind, mit Unrecht auf den Stifter des Christenthums zurückgeführt hat, und daß diejenigen Lehren, die wirklich von seinem Munde ausgegangen sind, leider noch in keiner Weise für veraltet erklärt werden können. Eher ließe sich sagen, sie sind noch so neu, wie ein Geräthe, von dem man fið bisher seiner Kostbarkeit halber noch keinen Gebrauch zu machen erlaubte.

* Dr. A. Hausrath, Neutestamentliche Zeitgeschichte, 3 Thle., Heidelberg, Fr. Lasser

Ζαππ. 1868-1874.

3 neuen Reich. 1875. I.

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So wenig Zuverlässiges von Jesus überliefert ist, so weiß man doch so viel, daß er seinen Anhängern eine Gesinnung empfahl, von der nur zu wünschen wäre, sie würde in künftigen Zeiten mehr befolgt und wüßte sich mehr Boden in den Menschenherzen zu erobern, als ihr im Laufe der ersten zwei Jahrtausende geglückt ist. Es ist wahr, Jesus hat, worauf neuerdings viel Gewicht gelegt worden ist, manches nicht gelehrt, was heutzutage nützlich zu wissen und zu beherzigen ist, aber es ist nicht minder gewiß, daß das, was er gelehrt hat, morgen so wenig veraltet sein wird wie heute.

Doch nicht darum wird der Streit unserer Tage geführt. Selbst die Bewunderer der Commune erweisen zuweilen dem Befreier und Menschenfreund Jesus die zweifelhafte Ehre, ihn unter ihre Heiligen zu verseßen. Vielmehr was die Späteren aus seinen einfachen Sprüchen herausgeklügelt und zu tyrannischen Einrichtungen ausgesponnen haben, ist das Christenthum, welches unser Geschlecht als unerträglichen Zwang empfindet, und welches kurzweg abzuschütteln und auszustoßen empfohlen wird. Und freilich, wer unter Christenthum nur die Lehrsäge versteht, auf welche sich im Verlauf von zwei oder drei Jahrhunderten nach Jesus die Kirche, die seinen Namen trägt, aufgebaut hat, dem kann es ja nicht schwer sein, den Nachweis zu führen, daß dasselbe unserer modernen Bildung fremd geworden ist und daß zu den äußeren Ordnungen, welche auf jene Lehrfäße gegründet sind, die Gegenwart kein inneres Verhältniß mehr hat. Weniger schnell mit dem Urtheile wird derjenige sein, der den ganzen Verlauf der christlichen Entwickelung mit ihren Krisen und Epochen überdenkt und den unzertrennbaren Zusammenhang sich vergegenwärtigt, in welchem dasselbe mit der gesammten abendländischen Gesittung steht.

Nichts springt so sehr in die Augen, als die Flüssigkeit und Veränderlichkeit seiner Formen, und längst ist uns die Vorstellung geläufig, daß die Geschichte des Dogmas die Geschichte seiner Selbstauflösung ist. Wir sehen die kirchlichen Einrichtungen entstehen und sehen sie zerfallen. Doch diese Fähigkeit, die verbrauchten Formen abzuwerfen, ist zugleich ein Zeichen. unverwüstlicher Lebenskraft. Nur die ununterbrochene Reihe seiner inneren Veränderungen ist es, durch welche das Christenthum im Zusammenhang mit der Culturbewegung geblieben ist, ja dieser von Zeit zu Zeit wieder seinen unverwischbaren Stempel aufgedrückt hat. Zäh klammert es sich an die Fortschritte der Civilisation und verkettet unauflösbar mit ihnen sein Schicksal. Nach vierzehn Jahrhunderten bricht eine neue Invasion des Heidenthums siegreich herein, aber wir sehen die Statthalter Christi an der Spite des Triumphzuges der Renaissance. Und dann wieder im nächsten Augenblick während das Christenthum überwältigt scheint von dem alten Feind, rafft es aus eigener Kraft sich auf zu einer Erneuerung, welche die Grundlage einer neuen

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Bildung wird. An seine inneren Veränderungen knüpfen sich die wichtigsten Culturfortschritte, und so eng ist der Zusammenhang, daß sich auf keinem Punkte auseinanderhalten läßt, was dem Einflusse des Christenthums und was geistigen Mächten anderer Herkunft zuzuschreiben ist; so eng, daß wohl zu keiner Zeit mehr die siegreiche Concurrenz eines neuen Glaubens“ zu befürchten steht. Denn Alles, was als solcher sich ankündigt, ist selbst nur ein Kind der Culturbewegung, aus welcher der Antheil des Christenthums nicht mehr ausgeschieden werden kann. Der neue Glaube mag sich seiner Abstammung schämen, aber er kann sie nicht verläugnen. Auch der Gegensatz ist, wie man in der philosophischen Epoche sagte, als ein Moment in die Entwickelung des Ganzen aufgenommen. Der Keßer Arius gehört nicht minder zur Kirchengeschichte als sein glücklicher Gegner Athanasius, der Protestantismus nicht minder als die alte Kirche, die Hegelsche Philosophie so gut als die Scholastik, Reimarus und Lessing so gut als der Hauptpastor Goeze und -- warum der letzten Consequenz ausweichen, da doch eine Grenzlinie nirgends gezogen werden kann die heutigen Angreifer und Verächter des Christenthums so gut wie seine Vertheidiger. Der Ort, an welchem das Leben Jesu von Strauß geschrieben ist, die Repetentenstube im ehrwürdigen Tübinger Stift, das ehemals ein Augustinerkloster war, vergegenwärtigt aufs eindringlichste den Wandel der Zeiten, aber auch den unzerreißbaren Zusammenhang einer Cultur, in welcher das Christenthum ebenso beständigen Einfluß übt als es beständigen Umbildungen unterworfen ist. Proteusartig wandelt es die Gestalt; es scheint bald mehr zu geben, bald mehr zu empfangen, jezt die Bewegung zu führen, dann wieder von anderen Strömungen fortgerissen zu werden, doch in allem Wechsel der Zeiten spüren wir seine Allgegenwart.

In diesem Zusammenhang der Cultur erscheint das Christenthum, so lange és existirt; seine Eigenthümlichkeit besteht nicht in dem kleinen Vorrath von Dogmen, der nur mehr spärlichen Zuwachs aus dem Munde des Unfehlbaren erhält, sondern in der Fähigkeit troß dieses Inventars unveränderlicher Formeln sich mit allen lebendigen Mächten der Zeit auf guten Fuß zu stellen. So stereotyp, wie jene Formeln, ist eine andere, die man bei neuen unbequemen wissenschaftlichen Funden zu hören bekommt, nämlich die, daß diese oder jene neue Theorie höchst verwerflich und eifrig zu bekämpfen sei, daß aber, wenn sie sich gleichwohl haltbar erweist, dem Christenthum doch daraus ein Schaden nicht erwachsen könne, denn u. s. w. Kaum riß der Darwinismus bei uns ein, so beeilten sich die Verkündiger des Christenglaubens, zu versichern, die neue Lehre sei ebenso gottlos als ungereimt, aber im gleichen Athem fügten sie vorsichtig hinzu, daß auch, wenn die Hypothese von der Wissenschaft bestätigt würde, das Christenthum dadurch nicht im geringsten

erschüttert werde. Noch neuerdings war zu hören, wie die Kirche gegen die Einführung der Civilehe ihre Stimme erhob, aber doch bei Zeiten darauf bedacht war, ihren Frieden mit der unvermeidlichen Einrichtung zu machen, die ja bei genauerer Prüfung der Kirche keinen Eintrag thun könne, ja vielmehr den wahren Interessen derselben nur förderlich sein werde. Diese unendliche Biegunr Schmiegsamkeit muß den Radicalismus, der mit dem Christennamen lieber heute als morgen aufräumen möchte, zur Verzweiflung bringen, und man begreift den Haß, welchen er den Wortführern des Bündnisses zwischen Christenthum und Cultur in besonderem Maße zu widmen pflegt. Wer aber in den geschichtlichen Anfängen des Christenthums bewandert ist, der weiß, daß dieses Bündniß so alt ist, als das Christenthum selbst. Nur daß neuerdings die Freundschaft vielfach blos aus Noth, aus Vernunftsgründen geschlossen scheint, in der Absicht, zu retten, was noch zu retten ist; während das Christenthum in jungen Jahren mit Freudigkeit und Lust an den Brüsten der Zeitbildung sog, ja daraus seine Hauptnahrung gewann und das Geheimniß seiner Erfolge.

Das will freilich nicht stimmen mit der überlieferten Vorstellung von der Art und Weise, wie das Christenthum in die Welt gepflanzt wurde und dieselbe überwand. Allein die neuere Wissenschaft hat hier Entdeckungen gemacht, welche dieser Vorstellung erheblichen Eintrag thun, und welche noch überdies geeignet sind, den Streitigkeiten über das Christenthum den größten Theil ihrer Schärfe zu benehmen. Sie führt den dogmatischen Streit, der seiner Natur nach aussichtslos ist, auf ein ganz anderes Feld, auf das Gebiet der leidenschaftlosen geschichtlichen Betrachtung. Sie lehrt, daß gerade derjenige Punkt, an welchen sich vornehmlich die erbitterte Debatte knüpft, gar nicht von der Erheblichkeit ist, die ihm die dogmatische Auffassung, und zwar die des Glaubens und die des Unglaubens, beigelegt hat. Als geschichtliche Erscheinung knüpft das, was wir Christenthum nennen, unzweifelhaft an Person und Leben Jesu an, allein doch nur in derselben Weise, wie überall geschichtliche Umbildungen zuleyt, theologisch gesprochen, ihre auserwählten Rüstzeuge finden, von denen das befreiende Wort ausgeht oder die glückliche That. Dieses Eintreten einer Persönlichkeit, welche dem dunklen Drang der suchenden Geister zum rechten Wege verhilft, und deren Name zur Aufschrift des Jahrhunderts wird, ist immer ein Mysterium, aber das Geheimniß ist dort in Nazareth nicht von anderer Art und nicht größer, als auf allen den Punkten, wo die Rüstzeuge, mehr oder weniger des Zieles sich bewußt, ihren Willen und ihre persönliche Verantwortung einsetzen. Das Aufgebot allen Scharfsinns und aller Gelehrsamkeit hat das Dunkel, in welches das Leben Jesu gehüllt ist, nur in geringem Maße aufzuhellen vermocht; das ist bedauerlich, aber es ist für die Wissenschaft zu verschmerzen. Denn während

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man in der Aufhebung des Schleiers von der Person unseres Religionsstifters nicht sehr glücklich gewesen ist, sind gleichwohl für die Erklärung, wie das Christenthum entstanden ist, die werthvollsten Resultate gewonnen worden. Die genauere Erforschung des ganzen Zeitalters hat nämlich dazu geführt, daß man aufgehört hat, den Schauplag, auf welchem die geistige Umwälzung ihren Anfang nahm, blos auf dem Wege von Galiläa nach Jerusalem zu suchen. Der Ursprung des Christenthums ist ungleich complicirter gewesen, als die vom Nährvater gezimmerte Wiege von Nazareth. Es hätte nicht die Welt beherrschen können, wenn seine Wurzeln nicht schon tief in der vorchristlichen Welt gelegen wären. Wie überall in der Geschichte, hat es eines persönlichen Anstoßes bedurft, daß die Kräfte zu neuen weltumgestaltenden Mischungen zusammentraten: die Kräfte selbst sind vorher bereit gelegen.

Diese Art und Weise, das Christenthum geschichtlich zu betrachten, ist noch von sehr neuem Datum. Zwar war der Christengott derselbe, der als Judengott bereits die Veranstaltungen des alten Bundes im Hinblick auf die Erlösung geschaffen hatte; es lag hierin ein Moment, an welchem der geschichtliche Zusammenhang des Christenthums wenigstens nach einer Seite aufdämmerte. Die ersten geschichtsphilosophischen Versuche knüpfen sich an dieses Berhältniß des alten und des neuen Bundes. Allein dabei konnte die Ansicht, daß die neue Religion durch ein Wunder in die Welt gepflanzt sei, unerschüttert bestehen. Ist das Wunder auch nach rückwärts vorbereitet oder vorgedeutet, so kehrt nach der altgläubigen Vorstellung das Christenthum seinen übernatürlichen Charakter dafür um so schroffer nach der heidnischen Welt, und man kann kaum Ausdrücke finden, stark genug, um den vollkommenen Gegensaß zu bezeichnen: es ist das Licht, das in der Finsterniß scheint, die Wahrheit, welche den Jrrthum überwindet, das Reich Gottes, das mit dem Reich des Teufels zu Felde liegt. Diese altgläubige Vorstellung hat nur äußerst langsam gemildert, modificirt und zuletzt durch die geschichtliche Ansicht verdrängt werden können. Nicht ohne Beschädigung ging sie freilich aus der Reformation hervor. Indem die Reformation ihr Recht aus der Wahrnehmung ableitete, daß die Kirche sich verändert habe, sich selbst untreu geworden sei, durch Irrthum und Abfall sich bewegt habe, lagen darin bereits die Anfänge der Kritik, der Gegensatz von Licht und Finsterniß wurde in die Kirche selbst hineingetragen. Allein an dem Wunderanfang des Christenthums wagte die Reformation nicht zu rütteln. Auch ihr galt dasselbe als eine unmittelbar vom Himmel kommende Einrichtung, die nur von den Menschen verderbt war. Am Anfang aber lag Alles. War der Anfang ein göttliches Wunder, so blieb das Christenthum überhaupt etwas von der menschlichen Weltgeschichte specifisch Verschiedenes, nicht unterworfen den Gejesen, kraft deren alles andere geschieht. Und diese Vorstellung ist bis in

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