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Uri seine Noth klagte; da ließ der Vogt ihn binden und nahm ihn in sein Schiff; im Sturm zum Steuern berufen springt Tell auf die Platte und erschießt sofort den Vogt. Hier ist Tell die Hauptperson, vom Rütlibund ist nicht die Rede, das Volk erhebt sich, von Tell aufgerufen, zur Befreiung. Etterlin (1507) in seinem weißen Buch hat sich hier angeschlossen, den Schuß auf Geßler aber in die hohle Gaffe von Küßnacht verlegt. Diebold Schilling (1510) läßt den Tell die drei Lande zum Bund berufen; der Vogt aber heißt hier Graf von Seedorf. Und aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts ist ein treffliches Volksschauspiel in Bersen vorhanden, das in meiner erwähnten Ausgabe von Schiller's Dichtung abgedruckt ist. Der Vogt tritt auf und kündigt sich als Herrn an; das verdrießt den Tell, der sich mit Stauffacher und Erny von Melchthal verbindet. Dann kommt der Hut mit der Stange, der Apfelschuß, die Wegführung Tell's. Doch dieser kommt wieder zu seinen Eidgenossen; er erzählt wie er entsprungen, den Vogt zu Küßnacht erschossen. Cuno von Abatzellen berichtet wie er um die Ehre seiner Frau zu retten, einen andern Bogt erschlagen. Man beschließt die Sache vors Volk zu bringen; es geschieht durch eine Rede Tell's; die Gemeinde beschließt die Burgen zu brechen und in Freiheit zu leben.

Stumpff von Zürich, Kaspar Suter von Horgen machen mit volksthümlichen Erweiterungen gleichfalls den Tell zu einem der drei Eidgenossen, und deutsche Geschichtschreiber wie Sebastian Frank und Münster berichten auf ähnliche Art von der Stiftung der Eidgenossenschaft. Und all die genannten Bücher standen nun dem Gilg Tschudi von Glarus (1505–1572) zu Gebote. Er wußte nun alles in Zusammenhang zu bringen, die Namen festzustellen, Widersprüche auszugleichen und so anmuthig zu erzählen daß die Geschichte wie er sie vorgetragen bis in unser Jahrhundert gegolten und durch Johannes Müller, durch Schiller zum Gemeingut der gebildeten Welt geworden. Tschudi verfuhr wie der Dichter eines historischen Romans. Vögte sollen die Waldstätte an Desterreich bringen. Zuerst kommt Baumgarten's That, dann die Erzählung von Melchthal; dann die Begegnung Geßler's und Stauffacher's, dessen Gespräch mit seiner Frau, seine Verbindung mit Walther Fürst und Melchthal; Zusammenkünfte mit Mehrern unterm Rütli. Einer der Verbündeten, Tell, versagt dem Hut, den Geßler aufrichten läßt, den Gruß; es folgt der Apfelschuß, die hohle Gaffe am 18. Wintermond 1307; Tell meldet das Ge

schehene den Eidgenossen; wegen der Burgen Roßberg und Sarnen wird die Neujahrsnacht zur Eroberung der Schlösser und zur Erhebung des Volks bestimmt, die Befreiung vollbracht.

Die Sage von Tell ist Nachklang alter Mythen, ihr Niederschlag auf ein geschichtliches Ereigniß. Sie begegnet uns nicht vereinzelt in der Schweiz; schon hundert Jahre früher wird der Apfelschuß von Saxo Grammaticus erzählt, Toko und Harald Blauzahn sind hier die Namen, und als dann später die Dänen sich empören, wird Harald im Waldesdickicht von Toko's Pfeil getroffen. In einer norwegischen Sage wird König Harald Hardradi zum Wettkampf im Bogenschießen von Heming gefordert, und zwingt diesen eine Nuß vom Haupt eines jüngern Bruders zu schießen. Sohn und Apfel erscheinen in Müllenhoff's Sagen aus Schleswig-Holstein. In einer altenglischen Ballade thut ein vom König begnadigter Wilddieb den Schuß, der ihm Ruhm und Ehre bringt. Der persische Dichter Ferideddin Attar (um 1175) fingt von einem König, der einen Apfel auf dem Scheitel seines Lieblings mit dem Pfeil spaltete. In der Mitte des 13. Jahrhunderts ward die Wilkinasage aufgezeichnet, die in Westfalen nordische Männer gehört hatten, und das Völundslied der Edda berichtet wie sie vom Schmied Wieland und seinem Bruder Eigil. Der soll seine Kunst bewähren indem er einen Apfel vom Kopf seines Sohnes schieße; er soll nur einen Pfeil versenden, nimmt aber drei, und erklärt dem König Nidung nach gelungener That daß die beiden andern Pfeile dem gegolten, wenn der Schüße sein Kind verlegt hätte. Hier aber stehen wir ganz im Gebiete der Mythologie; Wieland erinnert an Dädalos, und Kuhn hat nachgewiesen daß die mit Schwanjungfrauen vermählten Meerweibskinder Wieland, Eigil und Slagfida identisch sind mit den Maruts und Ribhus der Inder, Künstler und Bogenschüßen wie fie, Wind- und Sonnenstrahlengeister; auch die persische Sage deutet auf das gemeinsame Erbgut. Indra erlegt im Sturmgebraus den Dämon der Finsterniß, der das Sonnengold geraubt hatte; das Gewitter war ein Zweikampf, der sichere Schuß befreit die Natur von winterlicher Tyrannenmacht; die Pfeile sind Sonnenstrahlen und Blize. Wodan fährt auch im himmlischen Wolkenschiff; er erliegt anfangs im Kampf mit dem Frostriesen, und soll gefesselt weggeführt werden; da kommen die Sturmgeister ihm zu Hülfe, Wodan wird entfesselt, der lichte Himmelsgott springt aus dem Wolkenschiff hervor, spannt seinen Regenbogen,

und seinem Blizzpfeil erliegt der Feind. Gerade die Localität des Bierwaldstättersees konnte zu solcher Ausbildung des Mythus Anlaß bieten. Tell aber heißt ursprünglich- ich hörte ihn einen Schweizer Bauern noch so nennen — Tall; dies erinnert an Jáλλw, sprossen, an Heimdall, Himmelsglanz, den sprossenmachenden Sonnengott. Tal, Dell bedeutet aber auch Vertiefung, und der Tal- oder Tellepfad am Pilatus, die Tellgasse oder hohle Gasse bei Küßnacht, die Tellerüti, ein durch Ausreutung urbar gemachtes Thal, konnten leicht die Veranlassung werden daß dort die Sage sich einbettete, daß der Schuß der Nothwehr zum Meuchelmord ward!

Der Apfelschuß war ursprünglich nicht Tyrannenzwang, sondern Probe der Schüßenkunst, das zeigt die persische und englische Dichtung. Wenn jüngst ein Pfälzer vor den Assisen stand, der fich der sichern Hand gerühmt und zum Beweis seinem Kind eine Kartoffel mit der Flinte vom Kopf geschossen, so kann das allerdings nach dem Tell angestellt sein; schwerlich aber wußte jener Indianer davon, der einem Mädchen einen Kürbis vom Haupt zu schießen sich gefiel. Ein solcher Schuß mochte auch in der Schweiz vorgekommen sein. Vielleicht daß zur Zeit der Menschenopfer der Apfel statt des Kindes galt, und die Götter sich genügen ließen, wenn der Vater ihn traf. War einmal der himmlische Schütz als menschlicher Held und Tyrannentödter gefaßt, und an diesen der Apfelschuß geknüpft, so haftete er nun sicher, denn nun lag es nah ihn zum Motiv zu nehmen daß der Schüße den zweiten Pfeil auf den Gewaltherrn richtet. Das sittliche Gefühl forderte einen rächenden Pfeil gegen den der so Furchtbares geboten. Ging nun in Uri solch eine Schüßensage im Volksmunde um, so lag es nah den Helden in die anderwärts erzählten Vogtgeschichten einzuflechten und ihn zum Träger der Befreiung zu machen, wie ja thatsächlich Uri mit der Reichsunmittelbarkeit vorausgegangen. war. Wenn aber Tell in der Volkssage seinen Tod in herbstlicher Ueberschwemmung findet, aber nur schlafen und einst als Retter aus der Noth wiederkommen soll, nun so erlag der Frühlingsgott dem Regensturm des Herbstes und schlummert in Bergeskluft bis zum neuen Erwachen. Die Wallfahrer nach der Tellskapelle mögen Nachzügler einer heidnischen Sitte, die Stange mit dem Hut mag eine Maistange des Frühlingsgottes gewesen sein, und Pfannenschmied denkt an eine altheidnische dramatisch dargestellte Maifeier die sich auf Wodan bezog.

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Schade daß Tschudi Prosa schrieb statt ein Epos zu dichten. Schiller's Erfindung daß Tell den Baumgarten rettet, verwerthete wieder Jeremias Gotthelf in seinem Knaben des Tell und dichtete einige sittlich empfundene Motive hinzu; wäre das Büchlein in frühern Jahrhunderten erschienen, es hätte ebenso gut wie Tschudi den Historikern zur Quelle gedient und wäre vom Volk für thatsächliche Wahrheit genommen worden.

IV.

Poesie und Prosa. kunft und Wissenschaft.

In der Bildung des Worts vereint die Sprache ursprünglich die erkennende und künstlerische Thätigkeit; hier ist Vorstellung und Darstellung zugleich, Auffassung eines Wirklichen nach seinem Wesen, eigene Verständigung über den Begriff desselben, und Bezeichnung dieses Begriffs durch den Laut, der ihn unmittelbar durch Schallnachahmung oder mittelbar durch ein analoges Tonbild oder ein Symbol des Geistigen im Sinnlichen ausdrückt. Es trifft dies zusammen mit der mythischen Auffassung der Dinge, die in der gehobenen Rede sich ausprägt, während sie die Erscheinungen welche das Gemüth erregen unter der Vorstellung des menschlich Persönlichen appercipirt. Ist aber die Sprache entwickelt, so eröffnen. sich dem Geist zwei Bahnen um sie wiederum sachgemäß zu behandeln, indem Kunst und Wissenschaft sich scheiden und besondere Gestalt gewinnen. Die Wissenschaft wie die Kunst will die Wahrheit des Wirklichen, jene aber erhebt sich von der Thatsache zum Begriff und zur Idee, und spricht den Gedanken des Seins in seiner Allgemeinheit aus, indem sie das Allgemeine vom Besondern unterscheidet, während die Kunst vielmehr die Idee in einer besondern Erscheinung veranschaulicht und Idee und Bild im Ideal vereint. Ebenso können wir die Idee und die Wirklichkeit aussprechen wie sie im Gemüth walten, nach dem Werth den sie für uns haben, indem wir in der Darstellung selbst unsere Seelenstimmung ausdrücken, oder wir können beide abgesehen von ihrer Beziehung zu uns an sich in der Verkettung der Gedanken wie der äußern Umstände und Verhältnisse betrachten; wir können das Einzelne als Symbol des Allgemeinen nehmen und so dieses in jenem anschauen und ausprägen, oder wir können

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