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V.

Die Poesie im Verhältniß zur bildenden Kunst und Musik.

Sein oder Natur, Selbstinnigkeit oder Gefühl, Gemüth, und Selbstbewußtsein oder Geist sind die drei Stufen oder Potenzen des Lebens. Wie das Außereinander der Materie in der doppelten Form des Nebeneinanders im Raum und des Nacheinanders in der Zeit verknüpft ist durch das eine Wesen das sich lebendig in beiden entfaltet, wie unser Ich als Träger und Mittelpunkt aller Anschauungen und Gefühle sich im Selbstbewußtsein erfaßt und die eigene Natur wie die der Dinge vorstellend betrachtet, so ist die Poesie als die Kunst des Geistes oder die dichterische Darstellung der Gedanken und Thaten durch die Sprache die Verbindung beider andern Künste in einer idealen Wiedergeburt. Die Bildnerei zeigt die Idee oder Seele verwirklicht in der räumlichen Form, die Musik stellt die Idee als das Princip und Maß der Lebensbewegung dar und fügt die Schönheit des Werdens zu der des Seins; dort werden die Anschauungsbilder, hier die Stimmungen und Gefühle des Geistes offenbar. Sein Begriff jedoch vollendet sich erst in der denkenden Erfassung des eigenen Wesens, im Selbstbewußtsein, das als aller Anschauungen Träger und als die verbindende Einheit der wechselnden Gefühle auch in ihnen gegenwärtig ist; ebenso ergreift der Gedanke die innere Natur der Dinge wie sie der Grund der sichtbaren Erscheinung und der Lebensentwickelung ist, und stellt sie in dieser ihrer Geistigkeit und Macht lebendig dar. Die Poesie spricht den Gedanken der Sache aus: was das Auge nicht sieht und das Ohr nicht hört das wird vom Geist ergriffen und im Wort offenbart, für das Ohr wie für die innere Anschauung dargestellt. Die Kunst erfaßt das allgemeine und bleibende Wesen der Dinge, und prägt den Begriff in

Worten aus, weil im ewigen schöpferischen Wort Gottes Alles begründet und begriffen ist. Wenn unser Erkennen darin besteht daß wir der Ideen und Gesetze inne werden welche die Wirklichkeit, die Vielheit der Lebenskräfte durchwalten, so spricht der Dichter den Gedanken in seiner Allgemeinheit aus, bleibt aber dabei nicht stehen wie der Mann der Wissenschaft, sondern offenbart das Weltgesetz in besondern Ereignissen, die Idee in individuellen und originalen Charakteren, in eigenthümlichen Stimmungen des Gemüths und persönlichen Erlebnissen. Das ist seine Aufgabe daß er das Gegebene nicht blos abspiegelnd wiederholt, sondern im Factischen das Nothwendige darstellt, die Wahrheit des Wirklichen ausspricht. Die Poesie schildert das werdende Leben in Worten, die zwar nacheinander erklingen, aber stets das Allgemeine, Bleibende, Wesenhafte der Erscheinungen bezeichnen; so ist sie nach Schiller's Ausdruck bestimmt der Menschheit ihren vollständigen Ausdruck zu geben. Der bildende Künstler stellt die Außenwelt dar wie sie im Spiegel der Seele ihr Wesen offenbart, der Musiker läßt die Innenwelt des Gemüths in Tönen fund werden; der Dichter zeigt Außen- und Innenwelt, Anschauung und Gefühl in ihrer Verflechtung und Verschmelzung, sein Gedankenreich erbaut sich aus beiden und wird durch beide versinnlicht. Lesend nehmen wir die Poesie auch durch das Auge auf, und ihre höchste Form, das Schauspiel, wendet sich an Auge und Ohr zugleich.

Fließend Wasser ist der Gedanke,
Aber durch die Form gebannt
In der Kunst krystallne Schranke
Wird es blitzender Demant.

So Emanuel Geibel. In der Bildlichkeit der Rede gewinnen wir die Anschaulichkeit der Malerei, im Rhythmus und Reim des Verses musikalischen Wohllaut. Aber das Herrschende ist der Gedanke; ihn spricht die Dichtung unmittelbar aus. Wenn ich sie die Kunst des Geistes nenne, so besagt dies ein Aehnliches wie wenn Wilhelm von Humboldt sie für die Kunst durch Sprache erklärt.

So wichtig und unentbehrlich die Sprache ist für unser Selbstund Weltbewußtsein, das sich in derselben, durch sie und mit ihr entwickelt, so geht doch keineswegs unser ganzes Seelenleben in ihr auf. Wir kennen gar vieles, das wir als Bild in uns tragen und darum doch noch nicht andern zu beschreiben, durch

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Worte deutlich zu machen vermögen, ich erinnere nur an Menschengesichter; ebenso bezeichnen wir Stimmungen des Gemüths, Ahnungen des Unendlichen, das Wie der Empfindung als unsagbar. Wie Roth aussieht, wie das Gold klingt, wer kann es dem Blinden, dem Tauben mit Worten klar machen? In der Klangfarbe des Tones gibt sich unser Gefühl viel energischer kund als durch irgendeine Schilderung mit Worten, und Blick oder Geberde verkünden oft viel bestimmter wie uns zu Muthe ist als die Rede. Darum haben wir neben der Kunst des Geistes, der Kunst durch Sprache, auch eine Kunst des Gefühls, der Lebensbewegung durch die Töne, und eine Kunst der Anschauung durch sichtbare Formen: Musik und Bildnerei. Der bildende Künstler kann eine Idee als solche nicht aussprechen, aber er sieht in ihr das Princip der Gestalt, die schöpferische Lebenskraft, die sich in räumlicher Ausdehnung verwirklicht und das Mannichfaltige beseelend vereint; kein Wort und Ton vermag es zu schildern, wie die ausdrucksvolle sichtbare Form das innere Wesen, das Seelenvolle, zur Erscheinung bringt, dazu bedürfen wir der unmittelbaren Anschauung. Der Architekt wie der Plastiker, der Maler denkt seine Werke auch nicht in Worten, sondern in Formen; in Formen und Farben prägt sich ihm die ernste oder heitere Stimmung des eigenen Innern aus und erweckt er die gleiche Stimmung der Andacht, der Festfreude, der Gemüthsruhe oder der Thatenlust wieder im Beschauer. Im eigenen religiösen Gefühl, in der Ahnung des Göttlichen mußte es allerdings einem Phidias aufgegangen sein daß die höchste Macht die höchste Güte sei; aber ohne sich mit den Scholastikern darüber den Kopf zu zerbrechen wie sich die göttliche Gerechtigkeit mit der Gnade vereinigen lasse, hörte er die Verse Homer's daß Zeus huldvoll Gewährung nickend mit der Bewegung seiner Augenbrauen, seiner wallenden Locken den hohen Olymp erschüttert; vor seiner Phantasie steht die innere Anschauung des Götterkönigs als des Milden, Liebevollen, Siegverleihenden, aber mit solcher Macht ausgestattet, so erhaben und majestätisch daß er uns Demuth und Hingebung gebietet, der Donnergewaltige, der Titanenbändiger, aber mit freundlichem Ausdruck erbarmenden Lächelns. Das war nicht in Worte gefaßt, und keine Rede könnte ein genügendes Bild des Werkes geben, aber es zu sehen war dem Griechen wie die leibhaftige Offenbarung des Ewigen, ein schmerzstillendes Zaubermittel, eine Beseligung des Gemüthes für immer durch die angeschaute Wirk

lichkeit des Vollendeten. Wenn wir von hochgewölbter felsenfester Stirn, von klarem großem Auge und stolz geschwungenen Brauen, von dem löwenähnlichen Haupthaar reden, das über der Stirn wie in elektrischer Erregung emporstrebt und dann seitwärts im Lockenkranze niederwallt, so bleibt das alles unbestimmt, und wenn wir genaue Maße für die einzelnen Theile und mathe matische Formeln für die Flächen und Linien dieser Gesichtscurven fänden, all dies wäre kein Ersatz für die Anschauung, um so weniger als diese beschreibenden Worte nur nach und nach das Einzelne schilderten, und wir das eine nicht mehr bestimmt im Bewußtsein hätten, wenn wir das andere auffassen, während die Statue selbst uns gerade das Zusammensein und Ineinanderwirken aller besondern Theile mit Einem Blick erfassen, die Harmonie der Glieder und den Ausdruck des Ganzen klar erkennen läßt. Gerade der Gegensatz von Kraft und Last in ihrem Gleichgewicht, gerade diese aufstrebenden Säulen in ihrer zweckvoll wohlgefälligen Form unter dem Architrav, und die Versöhnung des Gegensates im Giebel mit seinem schräg sich zusammenneigenden Gebälk, dies in Einem, nicht successiv aufgefaßt zeigt uns in unabänderlicher Ruhe ein statisch Wirkendes, einen Mikrokosmos. Wie möchten wir den Reiz der Farben, den Zauber des Helldunkels, den zusammenstimmenden Wohllaut des Colorits auf einem Gemälde von Coreggio in Verbindung mit den menschlichen Gestalten und dem Seelenausdruck genügend beschreiben? Wäre das mit ein paar Worten in ein paar Minuten möglich, der Maler wäre ein Thor, der monatelang am Bild arbeitete!

Der Musiker redet in Tönen, nicht in Worten; eine Melodie kann Worte begleiten und ihren Empfindungsgehalt dem Gemüth offenbaren, sie selber aber läßt sich in Worten nach ihrem eigenen Wesen nicht darstellen; wir können die Schwingungszahlen der Töne angeben und an ihren mathematischen Verhältnissen uns erfreuen, aber erst daß sie im Ohr erklingen und in Wohllaut verschmelzen, macht sie zur Musik. Unsere Empfindung äußert sich im Laut, der Ton ist die empfundene Bewegung, die Bebung der Saite, die sich der Luft mittheilt und diese in Wellenschwingungen verseßt, die wir wieder in uns zusammenfassen und zum Klang werden lassen; so gibt uns die Tonkunst in den nacheinanderfolgenden Tönen ein Bild organischer Entwickelung; eine Idee ist Princip und Maß der Lebensbewegung in der Natur wie im Gemüth, unmittelbar werden wir inne wie eins aus dem

andern folgt, wie streitende Kräfte sich versöhnen, und in einem vorüberraschenden Werk wird die Schönheit des Werdens offen= bar, die Sehnsucht der Seele gestillt daß sie befreit von den Engen und Schranken der Endlichkeit das harmonische Rauschen. des allgemeinen Lebensstromes vernehme, Weh und Wonne als solche empfinde, über das Irdische sich erhebe, das Weben und Wollen des Geistes, das Auf- und Abwogen der Gefühle als solcher ohne die Besonderheit der Erscheinungen und der Beziehungen auf sie vernehme. Das heißt mit Recht ein Unaussprechliches, das ist nicht in Worte zu fassen; denn selbst ohne Bild und Wort überträgt das werdende Leben seine anmuthige. Bewegung auf unser Gemüth, setzt sich in dessen Bewegungen fort und läßt es in ununterbrochenem Flusse in uns ein glückliches Ziel erreichen; das Tempo unsers eigenen Zustandes, der Rhythmus unsers Fühlens wird unmittelbar geregelt und harmonisirt, ein melodischer Stimmungsverlauf erzeugt sich in uns, wir werden selbst zur Schönheit innerlich wiedergeboren, die Seele wird nicht durch Bilder der Welt und nicht durch Gedanken mittelbar in ihrem Sein berührt, ihre Selbstinnigkeit wird unmittelbar angeregt und befriedigt. Die Töne wirken unmittelbar und zuerst auf die Sinne, die Worte auf den Verstand; Nervenerregung, sinnliches Wohlgefallen beginnt dort, die Freude an dem Wohllaut, an der Harmonie als solcher herrscht, und von da erhebt sich die Musik zur Rührung der Seele, ins Geistige, während die Poesie dieses an- und ausspricht und im Worte scharf die Begriffe bezeichnet, indeß die Musik beim Ausdruck allgemeiner Stimmungen stehen bleibt; den besondern Inhalt vermag nur die Sprache auszudrücken.

So leisten bildende Kunst und Musik Unsagbares, und haben ihr Gebiet neben der Sprache, mittels welcher die Poesie wieder etwas kann was jene nicht vermögen; das Aussprechen des Gedankenlebens, die Darstellung wie das Innere sich im Zusammenhang mit der Welt zur Seelenschönheit entfaltet, die Schilderung der That wie sie dem Willen entspringt, ist ihre eigenthümliche Aufgabe und Größe. Der Dichter läßt uns seinen Gestalten ins Herz sehen, ihre Geisteskämpfe miterleben, und der ideale Gehalt des Daseins wird auf diese Weise offenbar in dem Ringen eines Prometheus, Hiob und Faust, in den Betrachtungen Hamlet's und Nathan's, in den Reden Posa's und Wallenstein's. Goethe hat das Wesen des Dichters bezeichnet, wenn er von Shakespeare

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