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Goethe hat niemals Freigeisterei oder Religionsspott zur Schau getragen und Anstoß gegeben, vielmer hat er solches an dem deshalb bewunderten Voltaire gerugt; und das ergernis, welches man etwa in Weimar an seiner Nichtkirchlichkeit nam, war bei weitem nicht so unchristlich, als der Spott, welchen sein ålterer Jugendfreund, der von ihm nach Weimar gebrachte Superintendent Her; der darüber ausließ. Goethe bekannte und bethätigte sich freudig als evangelischer Protestant, pries Luthern, und haßte das Pfaffens tum und die Hierarchie, sowie die Kopfhängerei und Schwärmerei. Er verkannte dabei nicht die Vorteile und großen Wirkungen der Hierarchie, und war eben so wenig von dem protestantischen Kir chenwesen befriedigt. In dieser leßten Hinsicht sagte er schon zu Falk (vor 1825):,,Ein aufgeklärter, ziemlich roher Mensch vers spottet oft in seiner Seichtigkeit einen Gegenstand, vor dem sich ein Jacobi, ein Kant, die man billig zu den ersten Zierden der Naz tion rechnet, mit Ehrfurcht verneigen würde. Die Resultate der Philosophie, der Politik und der Religion sollen billig dem Volke zu Gute kommen. Das Volk selbst aber soll man weder zu Phis losophen, noch zu Priestern, noch zu Politikern erheben wollen. Es taugt nichts! Gewiß, suchte man, was geliebt, gelebt und ges lehrt werden soll, besser im Protestantismus aus einander zu halten, legte man sich über die Mysterien ein unverbrüchliches, chrerbietiges Stillschweigen auf, ohne die Dogmen mit verdrießlicher Anmaßung nach dieser oder jener Linie verkünftelt, irgend Jemand wider Wilfen aufzundthigen, oder sie wohl gar durch unzeitigen Spott oder vorwißiges Ableugnen bei der Menge zu entehren und in Gefahr zu bringen, so wollte ich selbst der Erste sein, der die Kirche meiner Religionsverwandten mit ehrlichem Herzen bes suchte und sich dem allgemeinen, praktischen Bekennt, niß eines Glaubens, der sich unmittelbar an das Thätige knüpfte, mit vergnüglicher Erbauung unterordnete."

Riemer, in den Mittheilungen über Goethe (I, 121) berichtet in dieser Hinsicht: „Vor allem aber würde höchst bedeutsam sein, jene an Christus gerichtete Apostrophe, in seiner schweren Kranks heit zu Anfang des Jahres 1801, wo er, nach seiner Gattin Zeugs nisse, das sie wiederholt ablegte, wenn das Gespräch auf diese Epoche seines Lebens kam, von Schmerz übermannt in Fieberphantasien, mit wahrhafter Begeisterung, in die beweglichsten, herzergreifendsten

Reden an den Erlöser ausgebrochen sei. Sie bedauerte nur, daß damals Niemand daran denken können, diese aufzuzeichnen; es würde mehr als alles Andere beurkunden, was in seiner Seele für christlich-religiöse Gesinnungen gelegen, und wie sie nur bei solchen Gelegenheiten ohne Heuchelei und Rückhalt sich zu äußern veranlaßt wurden."

Kurz vor seinem Tode, am 11. März 1832, legte Goethe noch ein umfaßenderes Bekenntnis gegen Eckermann ab, womit beider Gespräche beschließen. Nach der Bemerkung, welche Lehren das Bedürfnis der Gemeine, die Priesterschaft und Kirche, als Nachfolgerin Christi, zur Vergebung der Sünden, aus der Bibel hervorzuheben habe, fährt Goethe fort:

„Uebrigens, echt oder unecht, sind bei Dingen der Bibel gar wunderliche Fragen. Was ist echt, als das ganz Vortreffliche, das mit der reinsten Natur und Vernunft in Harmonie steht und noch heute unserer höchsten Entwickelung dient! Und was ist unecht, als das Absurde, Hohle und Dumme, was keine Frucht bringt, wenig stens keine gute! Sollte die Echtheit einer biblischen Schrift durch die Frage entschieden werden: ob uns durchaus Wahres überlies fert worden? so könnte man sogar in einigen Punkten die Echtheit der Evangelien bezweifeln, wovon Marcus und Lucas nicht aus unmittelbarer Ansicht und Erfahrung, sondern erst spåt nach mündlicher Ueberlieferung geschrieben, und das leßte, von dem Jünger Jos hannes, erst im höchsten Alter. Dennoch halte ich die Evangelien alle vier für durchaus echt, denn es ist in ihnen der Abglanz einer Hoheit wirksam, die von der Person Christi ausging, und die so göttlicher Art, wie nur je auf Erden das Göttliche erschienen ist. Fragt man mich, ob es in meiner Natur sei, ihm anbetende Ehrfurcht zu erweisen? so sage ich: Durchaus! - Ich beuge mich vor ihm, als der göttlichen Offenbarung des höchsten Prinzips der Sittlichkeit. Fragt man mich, ob es in meiner Natur sei, die Sonne zu verehren? so sage ich abers mals: Durchaus! denn sie ist gleichfalls eine Offenbarung des Höch sten, und zwar die mächtigste, die uns Erdenkindern wahrzunehmen vergönnt ist. Ich anbete in ihr das Licht und die zeugende Kraft Gottes, wodurch allein wir leben, weben und sind, und alle Pflanzen und Thiere mit uns. Fragt man mich aber, ob ich geneigt sei, mich vor einem dummen Knochen des Apostels Petri oder Pauli

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zu bücken, so sage ich: Verschont mich und bleibt mir mit euren Absurditäten vom Leibe!"

Wir sehen hier in der höchsten Bedeutung die Sonnenverehrung und Lichtlehre unserer Persischen und Germanischen Altvordern, durch welche, nebst ihrem Unsterblichkeitsglauben, die Germanen vor allen zur kräftigen Aneignung und Ausbreitung des Christentums berufen waren, lebendig verbunden mit diesem Christentum, wels chem, besonders im Mittelalter, die Sonne auch das sichtbare Bild desjenigen ist, der sich selber das unsichtbare,,Licht der Welt" nennt.

6. Goethe und die Deutsche Sprache.

Goethe hat alle Saiten seiner Muttersprache gerührt, alle Töne

angeschlagen, alle Register gezogen, vom leisen Gesåusel und Gelispel und tief aufldtenden Laut, bis zum Posaunenschall, Glockenklang und Donnersturm der ebenso umfaßenden Orgel. Sein Ton und Takt ist so manigfaltig, wie seine Werke. Oft wirkt der bloße Klang der Worte schon wie Musik, vor allem im Torso des Faust. Durch die That bestätigte und gab er Gesetze der Sprache und des Verses.

Jugendlich nam er Teil an der damals allgemeinen Verchrung Klopstocks und dessen sieghaftem Kampfe für und durch die vaterländische Sprache. In diesem Sinne ist das folgende Gedicht, welches ich nur in der Berliner Ausgabe seiner Schriften Th. 4 (1779), S. 253 finde. Es fordert die lebendig kräftige Handhabung der Sprache, des Wortes, welches ist die Scheide für das Schwert des Geistes: wie seine Werke bewähren.

Sprache:

Was reich und arm! Was stark und schwach!

Ist reich vergrabner Urne Bauch?

Ist stark das Schwerdt im Arsenal ?

Greif milde drein, und freundlich Glück,

Fließt Gottheit von dir aus!

Faß an zum Siege, Macht, das Schwerdt,
Und über Nachbarn Ruhe!

Bald begann auch durch Klopstocks Jünger, im Göttinger Hainbunde, die Nachbildung antiker Dichtersprache und Verse; und als Goethe dann mit der ersten Italienischen Reise die volls und wollautende Sprache und Reimkunst dieses ihm (wie jedem dort einst glücklichen) unvergeßlichen Wunderlandes der Kunst und Nas tur vernommen und erlebt hatte, wovon seine Dichtungen dort, sowol Umbildungen früherer Werke (Iphigenia, Tasso), als neue (Venedische Epigramme, Rdmische Elegien) und daheim bezeugen: da kam er zu dem für seine Muttersprache, wie für ihn selber so harten Ausspruch, in den Epigrammen, 29:

Vieles hab' ich versucht, gezeichnet, in Kupfer gestochen.

Del gemalt, in Thon hab' ich auch manches gedruckt,

Unbeständig jedoch, und nichts gelernt und geleistet;

Nur ein einzig Talent, bracht ich der Meisterschaft nah: Deutsch zu schreiben. Und so verderb' ich unglücklicher Dichter In dem schlechtesten Stoff leider nun Leben und Kunst.

Dagegen sagt Goethe:Faust, in dem ersten Teil (1808 vollender) der grösten Tragödie:

Wir lernen das Ueberirdische schäßen,

Wir sehnen uns nach Offenbarung,
Die nirgends würd’ger und schöner brennt,
Als in dem neuen Testament.

Mich drängts, den Grundtert aufzuschlagen,

Mit redlichem Gefühl einmal

Das heilige Original

In mein geliebtes Deutsch zu übertragen.

Wie rein und edel Goethe's Sprache in seinen höheren Werken ist, in Iphigenia, Tasso u. a., auch im ernsten Teile des Faust, so mied er doch keinesweges die Fremdwörter in dem leichteren, das ges meine Leben berürenden dramatischen, prosaischen Dichtungen, so wenig als im Gespräche selber, und als in wißenschaftlichen, überhaupt lehrhaften Darstellungen, die meist fremden Kunstausdrücke. Hier kömmt es zunächst auf Verständlichkeit an, wårend dem hd: heren Kunststyl auch die edlere reine Sprache eignet. Es ist ein Vorzug des Deutschen, daß er Beides in so bedeutendem Abstande gebrauchen kann, wie Sanskrit und Prakrit. Goethe traf auch hierin mit Schiller zusammen; und in den Xenien (1797), die abs sichtlich als Gesammteigentum verfaßt und verbunden wurden, stims men beide Dichter, auch nach der Scheidung ihres Anteils durch

die von Schillers Gattin in einem Abdrucke des berüchtigten Musenalmanachs beigefügten Anfangsbuchstaben Sch. u. G.*), überein gegen die Sprachreiniger. Beide richten sich zunächst gegen Campe und dessen,,Beiträge zur weitern Ausbildung der deutschen Sprache, von einer Gesellschaft von Sprachfreunden“ (Braunschweig 1795 ff.), worin seine Zergliederung deutscher Musterstücke" auch Goethe's Iphigenia unters kritische Messer genommen hatte. Daher Schiller scharf entgegnete:

141. Der Sprachforscher.

Anatomiren magst du die Sprache, doch nur ihr Cadaver:
Geist und Leben entschlüpft flüchtig dem groben Scalpell.

Dann nochmals:

151. Die Gesellschaft von Sprachfreunden.

O wie schäß ich euch hoch! Ihr bürstet sorglich die Kleider
Unfrer Autoren, und wem fliegt nicht ein Federchen an.

Die Sprachreinigung, welche Campe dann besonders noch durch das Verdeutschungswörterbuch betrieb, und die soviel Lächerliches hervorbrachte, und im komischen Sinne (z. B. von Jean Paul) benußt ward, fertigte Schiller im litterarischen Zodiakus ab:

87. Eridanus.

An des Eridanus Ufern umgeht mir die furchtbare Waschfrau, Welche die Sprache des Teut säubert mit Lauge und Sand. Und hierin stimmte Goethe, nach seiner mildern ironischen Weise mit ein:

152. Der Purist.

Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern:
Nun, so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht.

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*) Vollständig in K. Hoffmeisters,,Supplemente zu Schillers Werken" (Stutte gart und Tübingen 1840) Bd. 3, Abthl. 1, aus einem von der Schiller'schen Fa milie ihm gegebenen Prachtdrucke des Almanachs, welchen Schiller seiner Gattin schenkte. Aus dem felten gewordenen Almanach ließ schon Steffens, (Reichardts Schwiegersohn) in Breslau die Xenien wieder drucken, als Handschrift für Freunde, o. I. u. O. S. Dann, ein Ungenannter (Danzig 1833. 12.), und E. Boas sowol in den Supplementen zu Schillers Werken (1839) als zu Goethe's Werken (1811), wie beide Dichter auch beabsichtigten. Die ausführliche Geschichte der Xenien aus dem Briefwechsel, und die Anmerkungen zu den einzelnen Xenien in der Danziger Ausgabe haben beide spätere Herausgeber flark benugt.

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