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Gehen wir näher auf die Betrachtung des Faust ein, desjenigen Werkes, an welchem Goethe 60 Jahre seines Lebens hindurch gears beitet, das er in der frühesten Jugend begonnen, im spåtesten Alter beendigt hat, das also ganz besonders davon Zeugnis geben muß, daß ihm die Worte:,,Erst sollt ihe leben und nach diesem schreis ben" Lebensgrundsaß gewesen sind; so werden wir zu der Ansicht geführt: Faust sei nicht, wie gewönlich behauptet wird, der Vers treter der Menschheit überhaupt, sondern der Vertreter der protes stantischen Weltanschauung. Zunächst kann dies befremdlich erscheis nen, da wir die katholische Kirche in dieser Dichtung eine bedeutende Rolle spielen sehen; allein nåher eingehend finden wir überall das mittelalterliche oder Römische Kirchenwesen als Stafage, als äußers liches Beiwerk und als Gegensah, wodurch der protestantische Faust und seine Weltanschauung nur in ein um so schärferes Licht geseht wird. Der Unterschied des Protestantismus und des Katholicismus beruht aber wesentlich darauf, daß in diesem der Mensch sich zur Kirche und deren geistigem Gehalte als zu einem Aeußeren verhält und daß er sich von diesem Aeußeren, als von einer fremden Macht, in Abhängigkeit fühlt, während der Protestantismus die kirchliche und religiöse Unabhängigkeit des Christen proklamirt, und vielmehr fordert, der Mensch solle nicht ausschließlich auf die Autorität einer fremden Macht hin sein Glaubensbekenntnis gründen, sondern seine Anschauungen von Gott und göttlichen Dingen hauptsächlich als ein dem Geiste Gegenwärtiges besißen. Damit ist die Subjektivität auf einen Standpunkt der Machtvollkommenheit erhoben, welchen sie nie, außer in der Zeit des Griechischen Lebens, eingenommen hat. Dieser Standpunkt ist der schlechthin höchste, welchen es für die Menschheit gibt, aber er ist auch der gefahrvollste. Auf ihm kann sich jede irgend denkbare geistige Richtung Geltung verschaffen, und der Mensch kann eben so sehr der Identifizirung mit Gott nach= streben, wie andererseits sich dem absolut Bdsen, dem Teufel zus wenden. Aber selbst rücksichtlich der Auffassung Gottes sind auf protestantischem Gebiete zwei ganz verschiedene, ja entgegengeseßte Standpunkte möglich. Gott kann betrachtet werden als der sich zu dem Menschen Herablassende und durch ihn wirkende, und anderers seits, als der, zu welchem der Mensch sich erhebt und durch den er seine Wirksamkeit ausübt. Zunächst scheint es ziemlich übereinstim mend, ob wir sagen: Gott schafft durch uns oder wir schaffen durch

Gott. Halten wir diesen Unterschied aber folgerecht fest und treiben wir ihn auf die Spike, wie es geschehen ist, so ist das schließliche Resultat bei Verfolg jeder dieser beiden Richtungen nicht nur ein anderes, sondern sogar ein entgegengeseßtes. Wenn Gott durch den Menschen wirkt, so ist die Weltregierung bei ihm und der Mensch sein Werkzeug. Schafft der Mensch einseitig durch Gott, ist er der ausschließlich wirkende, wenn auch mit der Beihülfe Gottes, so wird Gott zum Werkzeuge und es tritt eine Vergöttlichung des Menschen ein. Hier liegt die Klippe. In der Philosophie führt diese Richtung zum Pantheismus und im Einzelleben treibt sie in das Gebiet des Phantastischen, des Zauberwesens oder auch zur Verzweiflung. Der Mensch kann sich in einzelnen Momenten durch Gebet und Energie des Geistes zu Gott, gleichsam in Gott erheben, so daß er sich Gott ähnlich fühlt; aber dies Gefühl der Gottåhnlichkeit vers schwindet sehr schnell wieder und der sinnliche Mensch, das irdische Geschöpf, tritt unmittelbar darnach wieder um so lebhafter in seine Rechte, und dieser Gegensatz zwischen jenem flammenden, beseligen; den Gefühle und dieser geistigen Armut und Verlorenheit treibt zu den auffallendsten menschlichen Verirrungen. Goethe sagt von einem solchen Wechsel:

,,In jenem sel'gen Augenblicke
Ich fühlte mich so klein, so groß;
Du stießest grausam mich zurücke,
Ins ungewisse Menschenloos.“

Im Mittelalter, der Zeit absoluten Autoritätsglaubens, wäre die Faustidee undenkbar gewesen, erst mit der Reformation konnte sie entstehn und ist sie entstanden. Faust zeigt sich überall als der nur von seiner Einsicht, von seinem Willen abhängige; er erkennt keine Autoritåt, keine Macht über sich an, und wird, indem Erkennt nis und Wissenschaft ihm keine vollkommne Befriedigung gewähren können, dem Gebiete des Phantastischen, des Zauberwesens zuges trieben. Als nach dem vorhin erwähnten Gespräche Wagner, der Vertreter rein mittelalterlichen Denkens, Faust verlassen hat, spricht dieser das Urtheil über Jenen, indem er zugleich sein eignes Wesen und sein Streben nach Vergöttlichung des Menschen schildert:

,,Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon

Ganz nah gedünft dem Spiegel ew'ger Wahrheit,
Sein selbst genoß, im Himmelsganz und Klarheit,
Und abgestreift den Erdensohn;

Ich, mehr als Cherub, dessen freie Kraft

Schon durch die Adern der Natur zu fließen
Und, schaffend, Götterleben zu genießen

Sich ahnungsvoll vermaß, wie muß ich's büßen!
Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft."

In ähnlicher Weise finden wir den Gegensatz des Katholicismus und Protestantismus bei Gelegenheit des Versuchs einer Uebers seßung des neuen Testaments ausgesprochen. In der von der Römis schen Kirche allein anerkannten Lateinischen Uebersehung der Bibel, der Vulgata, sind die Anfangsworte des Evangelium Johannis: „èv άoxπv v ỏ λóyos" durch die Lateinischen Worte: „,ab initio erat verbum" wiedergegeben. Erasmus von Rotterdam, ein Geg ner Luthers, der zum ersten Male das Neue Testament in der Urs sprache 1516 abdrucken ließ, gab bei seiner hinzugefügten Lateinischen Uebersetzung jenen Worten diese Form: „,ab initio erat sermo" und wurde deshalb von der Kirche lebhaft angegriffen, ja verfolgt, Faust dagegen verhält sich zu dem Bibelworte auf selbständig dens kende Weise. Er überseht:

,,Geschrieben steht: im Anfang war das Wort!"
Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schägen,
Ich muß es anders überseßen,

Wenn ich vom Geißte recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile,

Daß deine Feder sich nicht übereile!

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Ist es der Sinn, der Alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh' ich Nath

Und schreibe getroft: Im Anfang war die That!"

Er geht vom Worte zum Sinn, vom Sinn zur Kraft, von der Kraft zur That über. Betrachten wir die Ausdrücke nåher, so fin: den wir sie sämmtlich als sinnverwandte in nächster Beziehung zu einander. Der Sinn ist das Wesen des Wortes, denn ohne Sinn ist das Wort nur eine leere Schale, was lóyos hier unmöglich sein kann. Der Sinn aber des Wortes enthält wesentlich auch die Kraft, denn was wäre ein sinnvolles Wort, das sich nicht in seiner Wirksamkeit nach außen als kraftvoll bewiese? Die Kraft ist nur

der Ausfluß oder die Thätigkeit des Wortes nach außen. Endlich die That. Noch richtiger wäre das Thun. Die That oder das Thun ist das Resultat der kräftigen Wirksamkeit des Wortes und entspricht vollkommen dem Begriffe des 2óyos, der das Treten Gottes in die Welt der Erscheinung bezeichnen soll. Dieß ist pro testantische Exegese und fordert ein Eingehn in den geistigen In halt der Schrift, welches nur möglich ist mit einem wahrhaftigen Leben in derselben. Wo eine bloße Aufnahme des christlichen Glau bensgehaltes auf Autorität oder Tradition hin gefordert wird, kann eine selbständige Auffassung, kann ein subjektives Begreifen, wie wir es hier vorfinden, nicht bestehn.

An diese Bestimmung der protestantischen Idee in der Faustsage muß man sich anlehnen, wenn man den Vertrag, den Faust mit Mephistopheles schließt, verstehn will. Häufig hat man ge glaubt, daß Goethe, als er seine Dichtung begonnen, Faust habe wollen untergehn lassen, und daß er erst später diesen Plan geåns dert habe. Sehen wir die Worte des Vertrages genau an, so fin den wir das Gegentheil. Mephistopheles sagt:

„Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,

Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;

Wenn wir uns drüben wiederfinden,

So sollst du mir das Gleiche thun.“

Worauf Faust erwiedert:

„Das drüben kann mich wenig kümmern“ u. f. f.

,,Wenn wir uns drüben wiederfinden." Sie finden sich aber nicht wieder, sie können sich nicht wiederfinden, wenn Faust in dem Streben beharrt, das er bisher verfolgt hat. Allerdings schmeichelt sich Mephistopheles, ihn seine Straße sacht zu führen, was aus seis nen Worten deutlich hervorgeht, die er unmittelbar nach Schließung des Vertrages als Urtheil über ihn ausspricht:

„Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft.

Laß nur in Blend- und Zauberwerken

Dich von dem Lügengeist bestärken,
So hab' ich dich schon unbedingt

Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,
Der ungebändigt immer vorwärts dringt,
Und dessen übereiltes Streben

Der Erde Freuden überspringt.

Den schlepp' ich durch das wilde Leben,

Durch flache Unbedeutenheit,

Er soll mir zappeln, ftarren, kleben,

Und seiner Unersättlichkeit

Soll Speis und Trank vor gier'gen Lippen schweben;
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,

Und hätt er sich auch nicht dem Teufel übergeben,

Er müßte doch zu Grunde gehn!"

Er irrt sich aber. Faust ist allerdings auf falschem Wege bes griffen, er hat mit der Wissenschaft gebrochen, weil sie keine absolute Befriedigung gewährt, er will nun durch Alchemie und Zauberkunst erreichen, was ihm die Wissenschaft nicht gewährte, er will Genuß, ohne diesen auf dem Wege des Wissens und der That sich errungen zu haben. Der natürliche und vernünftige Weg ist aber allein die. ser, daß wir durch das Wissen, durch die Erkenntnis zur That forts getrieben werden und im Bewußtsein der edlen That unsern Genuß suchen und finden. Er will Genuß ohne Wissen, ohne That, aber der Genuß, den er sucht, ist selbst nur Prüfung, Bemühung um die Wahrheit, es ist wieder das Streben nach dem Wissen, aber auf anderem Wege, als dem des Studiums, er will das Leben kennen lernen, aber nicht durch Betrachtung, sondern durch das Leben selbst und nicht um des Genusses willen:

„Mein Busen, der von Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen,
Und was der ganzen Menschheit zugetheilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst genießen,
Mit meinem Geist das Höchst und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh' auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
Und, wie sie selbst, am End' auch ich zerscheitern.“

Dieß versteht Mephistopheles nicht. Er seht vielmehr voraus, daß Faust im Sinnenrausch Befriedigung finden werde, und da dieß nicht geschieht, so muß er seine Wette verlieren. Faust findet sich nirgends beglückt, und nachdem das Verhältnis zu Gretchen sich tragisch gelöst hat, geht er zu allgemeinen Versuchen und Unterneh mungen über. Er bekümmert sich um die Staatsbeglückung, er spürt dem Ursprunge der Dinge, den Müttern oder den Ideen nach, er versucht eine Vermählung der Griechischen Schönheitsidee mit den romantischen Kunstbestrebungen, und geht endlich auf ein ganz äußerlich Praktisches über, die Gewinnung eines Streifens des

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