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Vergleichung (Homers mit Firdusi und unsern herrlichen Nibelungen") abgelehnt, so möchte man sich wundern, wenn wir unmittelbar darauf von einem Falle sprechen, in welchem wir sie zulässig finden. Wir hoffen jedoch, daß man uns diese Ausnahme darum erlauben werde, weil der Gedanke nicht uns, vielmehr einem dritten angehört.

Ein Mann (Hammer?), der des Orients Breite, Höhen und Ties fen durchdrungen, findet daß kein deutscher Schriftsteller sich den dst: lichen Poeten und sonstigen Verfassern mehr als Jean Paul Rich ter genähert habe; dieser Ausspruch schien zu bedeutend, als daß wir ihm nicht gehörige Aufmerksamkeit håtten widmen sollen; auch köns nen wir unsere Bemerkungen darüber um so leichter mittheilen, als wir uns nur auf das oben weitläufig Durchgeführte beziehen dürfen.

Allerdings zeugen, um von der Persönlichkeit anzufangen, die Werke des genannten Freundes von einem verständigen, umschauenden, einsichtigen, unterrichteten, ausgebildeten und dabei wohlwollens den, frommen Sinne. Ein so begabter Geist blickt, nach eigentlichst orientalischer Weise, munter und kühn in seiner Welt umher, erschafft die seltsamsten Bezüge, verknüpft das Unverträgliche, jedoch derges stalt, daß ein geheimer ethischer Faden sich mitschlinge, wodurch das Ganze zu einer gewissen Einheit geleitet wird.

Wenn wir nun vor kurzem die Natur-Elemente, woraus die ålteren und vorzüglichsten Dichter des Orients ihre Werke bildeten, angedeutet und bezeichnet, so werden wir uns deutlich erklären, in: dem wir sagen: daß, wenn jene in einer frischen, einfachen Region gewirkt, dieser Freund hingegen in einer ausgebildeten, überbildeten, verbildeten, vertrakten Welt leben und wirken, und eben daher sich anschicken muß die seltsamsten Elemente zu beherrschen. Um nun den Gegensatz zwischen der Umgebung eines Beduinen und unseres Autors mit wenigem anschaulich zu machen, ziehen wir aus einigen Blåttern die bedeutendsten Ausdrücke:

Barrieren-Tractat, Extrablåtter, Cardinåle, Nebenreceß, Billard, Bierkrüge, Reichsbänke, Sessionsstühle, Prinzipalcommissarius, Enthusiasmus, Zepter Queue, Bruchstücke, Eichhornbauer, Agioteur, Schmuffink, Incognito, Colloquia, kanonischer Billardsack, Gypss abdruck, Avancement, Hüttenjunge, Naturalisations Acte, Pfingstprogramm, Maurerisch, Manual-Pantomime, Amputirt, Supranu merar, Bijouteriebude, Sabbaterweg u. s. f.

Wenn nun diese såmmtlichen Ausdrücke einem gebildeten deutz

schen Leser bekannt sind, oder durch das Conversations-Lexicon be kannt werden können, gerade wie dem Orientalen die Außenwelt durch Handels- und Wallfahrts-Caravanen; so dürfen wir kühnlich einen ähnlichen Geist für berechtigt halten dieselbe Verfahrungs-Art auf einer völlig verschiedenen Unterlage walten zu lassen.

Gestehen wir also unserm so geschäßten als fruchtbaren Schrift: steller zu, daß er, in spåteren Tagen lebend, um in seiner Epoche geistreich zu seyn, auf einen, durch Kunst, Wissenschaft, Technik, Politik, Kriegs und Friedens, Verkehr und Verderb so unendlich verclausulirten, zersplitterten Zustand mannigfaltigst anspielen müsse; so glauben wir ihm die zugesprochene Orientalität genugsam bestätigt zu haben.

Einen Unterschied jedoch, den eines poetischen und prosaischen Verfahrens, heben wir hervor. Dem Poeten, welchem Tact, Parallel-Stellung, Sylbenfall, Reim die größten Hindernisse in den Weg zu legen scheinen, gereicht alles zum entschiedensten Vortheil, wenn er die Räthselknoten glücklich löst, die ihm aufgegeben sind, oder die er sich selbst aufgibt; die kühnste Metapher verzeihen wir wegen eines unerwarteten Reims und freuen uns der Besonnenheit des Dichters, die er, in einer so nothgedrungenen Stellung, behauptet.

Der Prosaist hingegen hat die Ellebogen gänzlich frei und ist für jede Verwegenheit verantwortlich, die er sich erlaubt; alles was den Geschmack verlegen könnte kommt auf seine Rechnung. Da nun aber, wie wir umständlich nachgewiesen, in einer solchen Dichts und Schreibart das Schickliche vom Unschicklichen abzusondern unmöglich ist; so kommt hier alles auf das Individuum an, das ein solches Wagestück unternimmt. Ist es ein Mann, wie Jean Paul, als Talent von Werth, als Mensch von Würde, so befreundet sich der angezogene Leser sogleich; alles ist erlaubt und willkommen. Man fühlt sich in der Nähe des wohldenkenden Mannes behaglich, sein Gefühl theilt sich uns mit. Unsere Einbildungskraft erregt er, schmeichelt unseren Schwächen und festiget unsere Stärken.

Man übt seinen eigenen Wiß, indem man die wunderlich aufgegebenen Räthsel zu lösen sucht, und freut sich in und hinter einer buntverschrånkten Welt, wie hinter einer andern Charade, Unterhaltung, Erregung, Rührung, ja Erbauung zu finden.

Dieß ist ungefähr was wir vorzubringen wußten, um jene Vers gleichung zu rechtfertigen; Uebereinstimmung und Differenz trachte

ten wir so kurz als möglich auszudrücken; ein solcher Text könnte zu einer grånzenlosen Auslegung verführen."

Eine noch stärkere Anerkennung Jean Pauls äußerte Goethe schon am 16. März 1814 in einem Briefe an Knebel, der sie dem Jean Paul mitteilte:*)

„Gar sehr erfreut hat mich hingegen ein Aufsah von Jean Paul, No. 45 und 46 des Morgenblattes, ausgezogen aus einer neuen Ausgabe der Levana. Eine unglaubliche Reife ist daran zu bewundern. Hier erscheinen seine kühnsten Tugenden ohne die min deste Ausartung, große richtige Umsicht, faßlicher Gang des Vor: trags, Reichthum von Gleichnissen und Anspielungen, natürlich fließend, ungesucht, treffend und gehörig, und das alles in dem ges müthlichsten Elemente. Ich wüßte nicht Gutes genug von diesen wenis gen Blättern zu sagen und erwarte die neue Levana mit Verlangen."

In solcher Schilderung haben wir zugleich die volle, herzlich anerkennende Würdigung dises Geistesgenossen, wie er in Goethe's Briefwechsel mit Schiller noch nicht so erkannt ward.

Goethe's freundliche, zugleich ihn selber ehrende Würdigung diser neben ihm aufsteigenden, und noch vor ihm wieder verschwindenden Erscheinung ist um so gewichtiger, als sie ihm sehr fremdartig, ja ganz entgegen war in Betreff 'jenes durchgehenden Todess gedankens, welcher Goethen nichts anhaben konnte, bei seiner rast losen, weder an Alter, noch an Tod denkenden Thätigkeit, worin er Lavatern (1780, 24. Juli) schrieb: „Du hast recht, ich treibe die Sachen, als wenn wir ewig auf Erden leben sollten"; sowie er spåter, durch ein memento mori daran erinnert, ausrief: „denkt ihr, daß auch ein Sarg mir imponire?“, und ein trübseliger Stammbuchspruch aus Jean Paul („der Mensch hat nur zwei Minuten“ 2c.) ihn zu heftiger Gegenrede bewog. Er hätte den alten inhalt= schweren Spruch, welchen der tiefschwermütige Heinrich von Kleist angesichts der paradisischen Gestade des Thuner Sees über seiner Hausthüre als memento mori vor Augen hatte, sich auch wol durch heitere Wendung lebendig angeeignet:

,,Ich bin, ich weiß nicht, wer;
Ich komm', ich weiß nicht, woher;
Ich leb', ich weiß nicht, wie lang';
Ich sterb', ich weiß nicht, wann;

*) Briefwechsel zwischen Goethe und Knebel Bd, II, S. 142.

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Jean Paul seinerseits, bei hoher Verehrung Goethe's, fühlte sich jedoch näher hingezogen zu dessen frühsten vertrautesten Freun den Jacobi und Herder: von welchen Jacobi's Eitelkeit und Empfindlichkeit Goethen spåter nicht mehr zusagte, so daß er im Jugendübermut Jacobi's Woldemar mit den Deckeln an eine Buche des Ettersberges nagelte, die Blätter den Winden preisges bend: was nachmals der bigott gewordene Stollberg ihm vergalt durch Verbrennung des sündlichen Wilhelm Meister, nach Ausschnitt der schönen Seele; sowie ein Vorspil dises Autodafé's schon der burschikose Göttinger Hainbund an Wielands Idris und Zenide vollzogen hatte. - Herder, ståts in Goethe's Nähe, und immer misvergnügt, misgünstig und bitter gegen Goethe's hdhere Geistes. macht, Stellung und Verehrung, sodaß Goethe sich zuleht auch tief verlegt völlig von ihm wandte, -diser allerdings bedeutende Mensch war vor allen Jean Pauls Ideal, der ihn als den Indischen Urweisen in seinen Romanen (Hesperus) verherrlichte.

Wenn Goethe, in seinem großen Bekenntnisse „Wahrheit und Dichtung" seine Werke selber als Bekenntnisse sowie Gelegenheitss gedichte im höchsten Sinne darstellt: so sind Jean Pauls Werke solches in einem noch vil allgemeineren Sinne; wie schon sein dem Verfasser der Coufessions, Jean Jaques, nachgebildeter Dichters name Jean Paul, als Abkürzung von Johann Paul Friedrich Richter, andeutet. Es sind die herzlichsten und geistvollsten, in Selbstironie liebenswürdigsten Bekenntnisse, und durch alle seine Gestalten leuchtet seine mächtige Persönlichkeit hervor.

Und so rufen sie denn auch heute mein Bekenntnis hervor, daß Jean Pauls Bücher schon auf der Schule in meine Hånde kamen (mit der unsichtbaren Loge. Berlin 1793), dann auf der Universitåt und hier fortwårend mit Leidenschaft gelesen wurden (neben dem von Jean Paul [1807 am Thomastage] bevorredeten und herausgegebenen Etymos Mythologen Arnold Kanne), wie sie hinter einander zuerst (mit den Grönländischen Prozessen schon 1782) und meist hier erschienen (Hesperus 1795, Siebenkås 1796, Biographien 1796, Titan 1800 -3); daher ich sie alle in disen ersten, sämmtlich schon seltenen

Ausgaben besize; welche um so schåßbarer sind, als Jean Paul aus wunderlichen Sprachgrillen (Doppelwörter) in spåteren Ausgaben seine Bücher zum Theil unlesbar machte, sodaß sie in den såmmts lichen Werken nach seinem Tode (durch den Fleiß Dr. Müllers) aus den früheren Ausgaben musten hergestellt werden. So gieng die damals noch bei der Jugend nachwirkende Periode des Ossian an mir vorüber; welcher Ossian auch nachmals, mit seinen Nebels gestalten, durch welche die Sterne hindurchscheinen, nicht mehr wirkte und nicht sonderlich in Betracht kam bei meinem frühen Suchen nach einem neuen Heldengedicht neben dem Homerischen, bis mir die Nibelungen (ohne Nebel) einleuchteten. Aber die alte åchte Liebe rostet so wenig als das Gold, und gern bekenne ich, wie ich dem verehrten Haupte schriftlich und mündlich (in Baireuth 1816) bekannt habe, daß er noch immer den Talisman meiner innigsten Liebe, auch über den Tod hinaus, in sich trägt.

Er verdient es gewis. Er ist anerkannt der dritte Geist wie Zeit Genosse zu dem unserm Vaterlande durch alle Stürme unwan delbar leuchtenden Zwillingsgestirn, deren Fest wir heute begehn. Das dankbare Vaterland hat ihm in seiner Heimat ein ehernes Standbild errichtet, wie jenen beiden, deren brüderlich verbundene Gruppe von unserm Meister Rauch, nach dem Beschlusse des aus unsrer Gesellschaft mit Goethe's Jahrhundertfeier hervorgegangenen Goethe: Vereins, nunmehr auch für das Gesammtvaterland ausges führt wird. *)

Ich erinnere aber heute, in der Nähe des Allerheiligens Tages, zugleich noch an den vierten zum glücklichen Kleeblatt, den Thronfolger der drei Abgeschiedenen, an Ludwig I; ich meine unsern heimischen Meister Ludwig Tieck, der in hohen, Goes the's Alter sich nahenden Jahren, wie Schelling und Hum boldt, mit ihnen unter uns in seiner Vaterstadt lebend, noch die große alte Heroen Zeit darstellt; er insonderheit als der Vater der neuromantischen Poesie, und Erwecker der alten poetischen Herrs lichkeit des Vaterlandes. Mdge ihn Gottes Gnade uns allen zu Trost und Freude noch lange erhalten!

*) So lautete damals (1850) der Beschluß des Vereins.

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