Vorwort. Daß im Allgemeinen Luther und sein Werk dankbare Anerkennung finde bei unserer Zeit, mehr, als in mancher Periode der verfloffe:. nen, kann nicht bezweifelt werden. Schon die Erfahrung, daß seine Schriften jeßt fleissiger, als früher, gesucht und benußt und, wo sie auch theilweise dem Publico dargereicht werden, überall freudig aufgenommen werden, beweifet es. Das Unternehmen, eine Auswahl aus seinen sämmtlichen hinterlassenen Schriften zu veranstalten, wird also um so weniger einer Entschuldigung bedürfen, da sie vollständig theils selten zu haben sind, theils als ein zu bändereiches Werk die Zeit und Geduld der * mehrsten Leser ermüden würden *). Besonders aber muß eine zeitgemässe Auswahl aus densel ben deswegen wünschenswerth sein, weil sie, wie jedes menschliche Werk, das Gepräge ihrer Zeit an sich tragen, welches in unsern Tagen nur dem Geschichtskundigen kenntlich und dem Forscher des Alterthums interessant ist. Der innere Gehalt aber steht unter keinem Cours, sondern behält seinen unwandelbaren Werth, und verdient um so mehr von jeder Zeit beachtet zu werden, da er durch seinen filberreinen Klang manche falsche Münzen, die, sich gleich an Gehaltlosigkeit, wenn gleich von dem Geiste *) Der Titel der Ausgabe, woraus diese Auswahl genommen, ist vollständig: ,,D. Martin Luthers sowol in Deutscher ais ,,Lateinischer Sprache verfertigte und aus der ,,legtern in die erstere übersegte Sämmtliche ,,Schriften. Herausgegeben von Joh. Georg ,,Walch. Halle, J. I. Gebauer. 1740." und besteht aus vier und zwanzig starken Bånden in 4to. verschiedener Zeiten verschieden gestempelt, kenntlich macht. Wie aber diese Auswahl geschehen solle; nach welchen Grundsäßen dabei zu verfahren? Darüber darf man nicht hoffen, eine Ansicht zu finden, um so weniger, da man nach drei Jahrhunderten noch nicht eins geworden ist,› welches denn eigentlich das Wesen und der Geist der Reformation und des Protestantismus sei? Denn, indem einige behaupten, derselbe bestehe in einer for währenden Läuterung der geoffenbarten Religion, und berechtige und verpflichte zu einer unaufhörlichen Protestation gegen alles das, was in derselben von der Vernunft nach ihrem jedesmaligen Grade der Cultur nicht ers kannt werden kann, oder mit ihren wandelba= ren Ansichten unvereinbar ist, preisen andere Luther, daß er ihnen die Freiheit errungen, in Sachen des Glaubens und Lebens allein das in der durch ihn uns wiedergegebenen heis ligen Schrift enthaltene Wort Gottes als Norm und Geseß anzuerkennen, und darnach die Aus- Der Herausgeber dieser Auswahl ist es |