ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

137

Griechische Traditionen von der Gründung Roms1).
Von Werner Schur.

Gelegentlich der Vorarbeiten für meine Dissertation) habe ich auch eine Untersuchung über die griechischen Traditionen von der Gründung Roms geführt. Ihre Ergebnisse, die bei Kriegsausbruch nur noch der letzten Feile bedurften, lege ich hier vor, soweit ich darin Neues zu sagen habe. Es handelt sich dabei um eine genauere Bestimmung der timäischen Äneassage, um die Abwehr verfehlter Vorstellungen von der Gründungssage der Pontificalannalen, um die Entstehung der Sage von der Verbrennung der Schiffe durch die gefangenen Troerinnen und um die Stesichorosfrage. Wieder und wieder wird uns dabei der beherrschende Einfluß der griechischen Literatur auf die Entwicklung der römischen Geschichtsüberlieferung vor Augen treten. Aber gerade das Verhältnis des Timaios zu den ersten Annalisten wird uns zeigen, daß wir die Abhängigkeit der Römer von ihren griechischen Vorbildern nicht überschätzen dürfen. Auch hier hat, wie ich nächstens einmal zu zeigen gedenke, die Selbständigkeit in der Nachahmung, die Leo in seiner leider unvollendet gebliebenen Geschichte der römischen Literatur in so glänzender Weise herausgestellt hat3), von allem Anfang an bestanden. Doch hier haben wir es nur mit den griechischen Fäden des kunstreichen Gewebes zu tun, das die römische Gründungssage schon in den Annalen des Fabius und Cincius bedeutet.

1. Roms Gründung bei Timaios.

Der Verlust der Werke des Timaios von Tauromenion gehört zu den schwersten, die wir für die Kenntnis der alten Geschichte, namentlich des Westens, zu beklagen haben. Er war der erste Grieche, der sich mit römischen Dingen eingehend beschäftigt hat. Aber nur drei bescheidene Bruchstücke seiner Darstellung der römischen Gründungssage, die die Brücke von der griechischen Literatur zur römischen schlägt.

1) Abgeschlossen am 20. April 1920.

2) Die Äneassage in der römischen Literatur, Straßburg 1914.

3) Siehe insbesondere S. 85 ff. über Fabius.

Klio, Beiträge zur alten Geschichte XVII 3/4.

10

haben sich erhalten. Er hat den Penatenkult1) und das Oktoberroẞ2) aus Troja hergeleitet, also die Äneassage in den Mittelpunkt seiner Erzählung gerückt. Und er hat die Gründung Roms gleichzeitig mit der von Karthago angesetzt3). Was wir sonst wissen wollen, muß uns die Kritik seiner notorischen Benutzer lehren.

Unter diesen nimmt der Tragiker Lykophron von Chalkis, der am Hofe des Ptolemaios Philadelphos gelebt hat, die erste Stelle ein. In seinem dunklen Dithyrambos Alexandra legt er der troischen Seherin auch eine Erzählung der Wandersagen des Westens in den Mund und behandelt in diesem Zusammenhang auch die Äneassage mit ihrem Abschluß in Latium. Daß er für diesen ganzen Sagenkreis das eben damals publizierte Sammelwerk des Timaios benutzt hat, hat J. Geffcken1) aus den Parallelquellen endgiltig nachgewiesen. Er hat auch gezeigt, daß Lykophron Sagen verbindet, die bei Timaios keine Beziehung aufeinander haben, insbesondere Lokalmythen in die Wandersagen der einzelnen Helden hineinzieht, die bei Timaios selbständig waren").

Die beiden Römerepisoden, die Äneassage) und der prophetische Hinweis auf den kommenden Rächer von Ilion 7), haben lange für unecht gegolten. Niebuhr hat die These mit seiner ganzen Autorität verfochten 8). Andere halten sie noch heute aufrecht 9). v. Wilamowitz hingegen hat mit richtigem literarischen Takt die Echtheit der Stücke behauptet 10). Den vereinigten Bemühungen von Günther11), Geffcken 12), Holzinger 13) und Corssen 14) ist es gelungen, seine These auf eine feste Grundlage zu stellen.

Die Prophetie vom Rächer Trojas bezieht sich auf den römischen Besieger des Pyrrhos, des sechsten Nachfolgers Alexanders auf dem makedonischen Königsthrone 15). Der troische Römerfeldherr besiegt den

1) FHG I, S. 197, fr. 20 ap. Dion. I, 67, 4.
2) FHG I, S. 231, fr. 151 ap. Pol. XII, 4, 6.

Phil. Unters. 13, 1892, S. 1–4.

3) FHG I, S. 197, fr. 21 ap. Dion. I, 74, 1.
4) Timaios und die Geographie des Westens.
5) S. 4 am Beispiel der Odysseus- und Menelaossage.

6) V. 1226-1280. 7) V. 1435-1450.

8) Über das Zeitalter Lyk. des Dunklen, 1826, Kl. Schr. I, S. 438 ff. Die Bezeichnung Roms als der Herrscherin über Meer und Land scheint ihm erst nach dem Antiochuskriege möglich.

9) S. C. F. Hermann (Rhein. Mus. VI, 1848, S. 610), Welcker (Griech. Trag. III, S. 1257). Nissen (Fleckeis. Jbb. 91, 1866, S. 379 ff.), Skutsch (Pauly-Wissowa, RE VI, Sp. 1174ff. Art. Euphorion 4), Beloch (Gr. Gesch. III, 2, S. 478 ff.) und Sudhans (Rhein. Mus. 63, 1908, S. 481 ff.).

10) De Lyc. Alex. comment. Ind. lect. Gryph. 1883/84.

11) De ea quae inter Timaeum et Lycophronis Alexandram intercedit ratione. Diss. Lips. 1889.

12) A. a. O. 13) Lykophrons Alexandra, 1896, S. 53 ff.
14) Rhein. Mus. 68, 1913, S. 321 ff.

15) So Corssen a. a. O. S. 325.

Makedonenkönig und gewinnt so das Weltenszepter, das Alexander dem Occident errungen hatte, für den troischen Orient zurück1). Auch historisch paßt die Abfassung recht gut in die Jahre 274-272. Rom hat damals insbesondere durch die Unterwerfung der großgriechischen Städte die Seegeltung gewonnen, die ihm Lykophron nachrühmt. Benutzung des Timaios für die Sagen des Westens ist bei einem Autor der siebziger Jahre des dritten Jahrhunderts selbstverständlich. Für die Äneassage hat sie Geffcken eingehend nachgewiesen 2).

Die Rätselmanier des Dichters stellt dem Verständnis unseres Abschnitts große Schwierigkeiten in den Weg. Namentlich ist der Ort des neuen Äneasreiches schwer zu fassen. Hier kann uns nur genaueste geographische Ausdeutung zum Ziele führen.

Ein troischer Fürst wird zwei junge Löwen hinterlassen, ein gozor Sóun yéros3). Es ist Äneas, der Vater des Brüderpaares Rhomos und Rhomylos. Von der Tochter des Äneas und ihrem poetisch so brauchbaren Geschick ist mit keiner Andeutung die Rede, ebensowenig von der Wölfin und den Zwillingen. So stellt sich Timaios hier durchaus in den Kreis der griechischen Überlieferung und verdankt römischer Kunde nur das Zweigründermotiv und den Namen Romulus.

Nach langer Irrfahrt landet Äneas in Etrurien, dessen Grenzbeschreibung Lykophron aus Timaios gibt1). Pisa und Agylla nennt er als Grenzstädte, den Arnus in verdunkelter Weise als nördlichen Grenzfluß. Aber der latinisch-etruskische Grenzfluß Tiber fehlt hier wie in der Grenzbeschreibung von Latium 5). Timaios hat den Namen zweifellos gegeben). So gewinnt es den Anschein, als habe Lykophron aus irgend einem Grunde die Grenze zwischen Latium und Etrurien verwischen wollen.

Hier beginnt bereits merklich die Sagencontamination. Äneas trifft mit einem ráros zusammen, der sein alter Feind ist, die ganze Welt durchreist hat und ihm jetzt seine Freundschaft aufzwingt). Es ist der Odysseus des Hellanikos). Aber der Name und die etruskische Lokalität deuten auf den Nanas-Odysseus von Cortona hin.

Tarchon und Tyrsenos, die Söhne des mysischen Herakliden Telephos, schließen sich dem Bunde an9). Daß diese Stifter des etruskischen Reiches nicht Lyder, sondern Telephiden sind, ist eine Sondertradition

1) Daß auch die Schlußpartie sich dem herodoteischen Grundgedanken des ganzen zweiten Teiles einfügen muß, hat bereits Sudhaus erkannt. 2) S. 39 ff. 3) V. 1235 ff.

[ocr errors]

4) V. 1238-1241. Siehe dazu Holzinger S. 339. 5) Siehe unten S. 140. 6) Wilamowitz (S. 11) und Geffcken (S. 42) hätten das nicht bezweifeln sollen.

7) V. 1242-1245.

8) Geffcken (S. 45) bezweifelt das zu Unrecht. 9) V. 1245-1249.

10*

des Timaios, die wir nur noch bei Dionys wiederfinden 1). Die Verbindung dieser etruskischen Ursprungssage mit der römischen Gründungssage ist ein merkwürdiger Zug des lykophronischen Sagengemenges.

In den drei folgenden Versen, die das bekannte Tischprodigium behandeln2), liegt der große Bruch, der die ganze Geographie des Abschnitts so unklar macht. Die Partikel erda kann nur auf das vorgenannte Etrurien bezogen werden3). Das Ereignis selbst kann aber nur in Latium seinen Schauplatz haben.

Dann wird die geographische Anschauung wieder klarer. Äneas bleibt infolge des Wunders im Lande der Boreigoner, das sich &лÈо Aarivovs Zavviovs Tε ausdehnt 4). Nach der Zahl des Wurfes der schwarzen Sau vom Ida gründet er die dreißig Latinerstädte 5). Das Wunder hat Timaios von dem Hügel von Lavinium erzählt, wo Dionys noch das von Lykophron erwähnte Bild sah). Das Boreigonerland ist also identisch mit dem erweiterten Latium des dritten Jahrhunderts, das Völker latinischer und sabellischer Zunge umfaßt.

Die anschließende Geschichte der laviniatischen Penaten7) hat Wissowa mit großem Scharfsinn für Timaios gewonnen 8). Die Rettungstat des Äneas ist hier zum ersten Male mit dem Penatenkult verbunden. Wenn Lykophron die Heiligtümer in einem Pallastempel ruhen läßt, so läßt sich daraus nur die Erwähnung des Palladiums bei Timaios, nichts weiter folgern9).

Es bleibt noch der rein geographische Schluß der Äneassage 10). v. Wilamowitz und Geffcken sehen hier einen Hinweis auf Äneas als Gründer von Rom, dessen Lage durch bekannte Punkte der Mythengeographie Italiens angedeutet werde11). Holzinger hat die Unmöglichkeit dieser Interpretation dargetan 12). Die neue лáτoa des Äneas ist nicht Rom, sondern Latium, dessen Grenzen nach lykophronischem Sprachgebrauch durch eine Reihe ven Ortsnamen im Accusativ nach dugi gegeben werden. Es ist das Latium des Timaios. Die Grotte des kymäischen Apoll und der Fucinersee bezeichnen genau die in seiner Zeit giltige Süd- und Ostgrenze der Landschaft. Aber der nördlich abschließende Tiber fehlt hier

[merged small][ocr errors][merged small][merged small]

4) V. 1253-1260. Es ist das von Latinern und Sabellern bewohnte Latium des dritten Jahrhunderts. Siehe Holzinger S. 341, gegen Geffcken S. 42f. 5) Die sus alba kennt erst Fabius mit der Beziehung auf Alba.

[blocks in formation]

9) Geffcken (S. 45 f.) zieht hier falsche Schlüsse auf römische Sagen. 10) V. 1270-1280.

11) v.

Wilamowitz a. a. O. S. 11 und Geffcken S. 42. 12) S. 343.

wie in den etruskischen Grenzangaben1). Beide Grenzbeschreibungen fordern aber gebieterisch die Ergänzung durch den Tiber2). Warum Lykophron, der sonst mit Vorliebe auch kleinste Flüsse nennt, diesen bedeutenden Grenzstrom nicht erwähnt, werden wir gleich sehen.

Betrachten wir seine geographischen Angaben im Zusammenhang. Etrurien mit den Grenzorten Pisa und Agylla ist der Schauplatz des Zusammentreffens mit Odysseus und den Telephiden, also spezifisch etruskischen Sagenhelden. Vom Sauprodigium an, das die Niederlassung des Äneas entscheidet, ist es das Boreigonerland, wo er in den timäischen Grenzen von Latium die dreißig Latinerstädte gründet. In den dazwischen eingeschobenen drei Versen wird absichtlich der Eindruck erweckt, als sei in beiden Teilen von demselben Lande die Rede. Das Verschweigen des Tiber dient offenbar demselben Zwecke der Grenzverwischung. Das Ergebnis ist klar. Lykrophon hat zwei römische Gründungssagen, die bei Timaios als Varianten nebeneinander standen, contaminiert und so eine Verwirrnng geschaffen, die wir auflösen müssen.

Auf der einen Seite schimmert die Tradition des Hellanikos durch, der Odysseus und Äneas in Latium kennt. Auf der anderen Seite scheint eine Überlieferung vorzuliegen, die den Äneas mit den Oikisten des etruskischen Stammes, den Telephiden Tarchon und Tyrsenos, zusammenbrachte. Diese Tradition hat uns Plutarch erhalten, wenn er Rom nach Rhome, der Tochter des Telephos und Gattin des Äneas, seinen Namen führen läßt3).

Das ist offensichtlich die bei Lykophron angedeutete etruskische Variante des Timaios. Sie ließ den Äneas in Etrurien die Telephiden antreffen, ihre Schwester ehelichen und die neue Troerstadt an der Südgrenze des etruskischen Reiches nach ihrem Namen nennen. Rom ist für diese Auffassung eine griechisch-etruskische Stadt, wie es dies auch für des Timaios jüngeren Zeitgenossen Kallias ist 4). Wir können nicht ahnen, ob Timaios hier etruskischer Überlieferung folgt, oder welchem westgriechischen Autor er diese interessante Nachricht entnommen hat. Lykophron sah jedenfalls in der Doppelüberlieferung des Timaios eine günstige Gelegenheit zu der bei ihm so beliebten Rätselbildung und hat die Sache durch die Hindeutung auf den Nanas-Odysseus von Cortona noch weiter verdunkelt. In den geographischen Angaben hat er die Spuren dieser seiner Tätigkeit nach Möglichkeit verwischt.

Neben der etruskischen Äneassage, die wir eben aus Lykrophons Rätseln herausgeschält haben, gibt Timaios aber die latinisch gefärbte

[blocks in formation]

3) Plut. Rom. 2: οἱ δὲ Τηλέφου τοῦ Ἡρακλέους (παῖδα Ρώμην) Αινεία γαμη 9ɛioav. Tyrsenos Sohn des Telephos auch bei Dion. I, 28, 1.

=

4) Über ihn siehe Mommsen, Die Remuslegende, Hermes 16, 1881 S. 3ff. Ges. Schr. IV, S. 2 ff.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »