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Unsicherheit des menschlichen Geschicks und der Festigkeit und Unabänderlichkeit der göttlichen Bestimmung. Wohl lehnt der König, trotzig und verblendet, sich eine Zeitlang wider die letztere auf, aber dass sie siegt und siegen muss, ist dem Dichter keinen Augenblick zweifelhaft.

Was im Oedipus Tyrannos noch unvermittelt ist, erscheint versöhnt im Oedipus auf Kolonos. Allerdings ist auch hier die Versöhnung nicht im Innern vollzogen; man hat sogar in Oedipus auf Kolonos einen verwilderten Menschen gesehen, jedenfalls flucht er seinen Feinden mit erbittertem Gemüt. Aber als das Ende des Dulders Oedipus herannaht, bringt ihn der Dichter in den Hain der Eumeniden: dort geleitet ihn die Liebe und Treue seiner Tochter Antigone, und dort ereilt ihn der Tod. Dieser Tod nun ist ein geweihter: Oedipus wird zum schützenden Genius für den Gau, wo die Freundschaft des Theseus ihm die ruhige Stätte zum Sterben bereitet hatte; wie der Fluch um sich griff, so verbreitet sich auch der Segen der Versöhnung2.

Auch Sophokles hat also die ewigen Gesetze nicht zu psychologischen Tatsachen verflüchtigt, sie bewähren sich ihm aber im Innern. des Menschen, reissen den Menschen nicht äusserlich fort, sondern bestimmen sein Gemütsleben. So ist die Blutrache in Elektra auch nicht eine äusserliche Ausgleichung, sondern die innere, sittliche Teilnahme ist dabei in Anschlag gebracht. Selbst in Antigone ist der Konflikt zwischen dem Gehorsam zu den Staatsgesetzen und der Scheu vor den ἄγραπτα κἀσφαλῆ θεῶν νόμιμα nicht abstrakt gefasst; der Dichter hat die Stimmungen und Charaktere der Personen fein gezeichnet: Antigone, pòs è§ àμоo пατрós, unbeugsam sowohl Kreon als ihrer Schwester Ismene gegenüber, aber doch das schmerzliche Gefühl äussernd, dass sie ihr junges Leben einbüssen muss; Kreon, der zu spät erkennt, dass er allzu rücksichtslos die Staatsgesetze handhabte.

So hält Sophokles die Mitte zwischen Aeschylos, der die höheren Prinzipien und göttlichen Mächte ausschliesslich ins Auge fasst, und Euripides, der nur die menschlichen Zustände analysiert. Allerdings ist seine Lösung der Probleme nicht mehr so unbedingt befriedigend wie die des Aeschylos; aber doch predigt er entschieden einen religiösen Glauben, indem bei der Darstellung der göttlichen Regierung und des menschlichen Verhaltens die erstere ihm durchweg als feststehend, aller Ehrfurcht würdig gilt. Alle sittlichen Ordnungen und Bande 1 Man sehe den Chor v. 1186 ff.

· ἀρκεῖν γὰρ οἶμαι κἀντὶ μυρίων μίαν

ψυχὴν τάδ' ἐκτίνουσαν, ἢν εὔνους παρῇ (498 f.).

behandelt er mit religiöser Scheu: vor allem stehen die Pflichten gegen die Toten bei ihm hoch angeschrieben. Sophokles ist in der griechischen Literatur der edelste und zugleich der letzte Repräsentant einer wahrhaft harmonischen Lebensbetrachtung.

Diese drei edlen Geister vertreten die grossartigsten Gedanken und tiefsten Empfindungen, zu denen der griechische Geist fähig war, ohne den Boden des gemeinsamen Volksglaubens zu verlassen. Wir können uns kaum denken, dass dieser Glaube derjenige war, welcher noch in so hohem Grade an den Vorstellungen und Formen der ursprünglichen Naturreligion hing, der Glaube auch der Eutuphro. Doch war dem so. Wir wissen, dass Aeschylos besonders die alten fetischistischen Kultbilder hoch verehrte, und Sophokles war Priester eines hochaltertümlichen Heilgottes Amynos und hat sich, was die epigraphischen Funde der jüngsten Zeit bestätigen, mit voller Seele betätigt bei der Aufnahme in Athen eines so stark fetischistischen Gottes wie der aus Epidauros übergeführte Schlangengott Asklepios; als er nach seinem Tode Heros wurde, erhielt er deshalb den Namen Dexion, „Aufnehmer". Doch war anderseits das ererbte geistige Besitztum dieser Männer ausserordentlich gross, und dies war für sie, wie viel sie ihrem eigenen Genius auch verdankten, von der höchsten Bedeutung. Gleichsam alles, was jemals das Griechentum gedacht, gedichtet und empfunden, hatte in diesen Geistern einen Niederschlag gebildet, und traf in denselben auch manches zusammen, was ganz verschiedenen Ideenkreisen, dem des Dorismus und Orphismus z. B., entsprungen war, so durchdrang doch das eine das andere in einer Weise, dass die grundsätzliche Verschiedenheit nicht zum Bewusstsein gelangte. Tiefe logische Konsequenz in der Weltanschauung ist nicht einmal für das strenge philosophische Denken völlig erreichbar, und diese Männer waren Dichter, welche das Leben von der Seite ergriffen, welche sich gerade darbot.

Sehen wir aber bei allem dem den griechischen Geist noch innerhalb den Schranken althergebrachter Formen und Anschauungen, bald sollten auch diese durchbrochen werden.

§ 16. Der Beginn der Auflösung.

Literatur. Hier kommen mehrere Abschnitte von NÄGELSBACH, Nachhomerische Theologie (1857) in Betracht, der eine Anzahl von Monographien anführt. Ueber Euripides schrieb interessant: K. KUIPER, Wijsbegeerte en godsdienst in het drama van Euripides (1888).

Wir fassen hier mehrere untereinander ziemlich verschiedene Erscheinungen unter einen Gesichtspunkt zusammen. Schon im periklei

schen Zeitalter begann der Gegensatz zwischen Altem und Neuem das Bewusstsein zu beherrschen; wo die alten Normen nicht genügten, suchte man neue zu finden oder zu schaffen.

Unsere bisherige Darstellung macht es deutlich, in welchem Sinn von einer Auflösung des Glaubens die Rede sein kann. Es gab weder ein Lehrsystem noch eine priesterliche Tradition als feste Burg des Glaubens, welche die Aufklärung hätte bestürmen müssen. Aber es waren neue geistige Bedürfnisse erwacht, und jetzt fand man, dass der alte Besitz nicht genügte, um sie zu befriedigen. Dies kam nicht bloss zum Vorschein in isolierten Fällen von Gottlosigkeit, wie Diagoras der Melier wegen der Herrschaft des Unrechts in der Welt die Götter leugnete und sogar die Mysterien schmähte, sondern ein allgemeiner Geist der Negation fing an, sich der öffentlichen Meinung zu bemächtigen.

Die Hauptrepräsentanten dieser Richtung waren die Sophisten. Es ist schwer, ihnen gerecht zu werden: wir kennen sie ausschliesslich durch ihre Gegner; entweder stimmen wir also deren gehässigen Berichten bei und halten die Sophisten für Leute, die ohne allen Wahrheitssinn bloss dem Schein folgten, oder aus Reaktion gegen diese Herabwürdigung rehabilitieren wir sie fast ganz, wie manche neuere nach dem Vorgang HEGELS und GROTES getan haben. Die Sophisten lehrten durchaus nicht alle dasselbe: zwischen Protagoras und Gorgias war kein geringer Unterschied. Dies aber hatten alle gemein, dass sie aus der Bildung einen Beruf machten und für Geld lehrten, was in den Augen vieler eine bedenkliche Neuerung war. Sie waren Meister in der Kunst der Rede und lehrten die Jugend über alles räsonieren, allen Dingen den Massstab des subjektiven Urteils anlegen. Die Philosophie erkannte also in der Sophistik zum erstenmal das Recht der Individualität an. Sie verfiel aber sogleich in den Subjektivismus, indem der Nutzen, das Wohlgefallen des Subjekts als Kriterium galt. Dies musste notwendig zu einer Lockerung aller Bande und zu einer Umkehrung der ganzen Anschauung führen. Die sophistische Erziehung war schuld, dass in öffentlichen wie in privaten Angelegenheiten, bei Staatsverhandlungen und bei den so überaus zahlreichen Prozessen die Gewandtheit der Rede über die Wahrheit und über den sittlichen Ernst ging. Auch dem Götterglauben wurde diese dialektische Methode gefährlich. Schon die Sophistik hat die beiden Hauptformen der Skepsis, die zurückhaltende und die doktrinäre, begründet. Die erstere ist die des Protagoras, der nichts Bestimmtes von den Göttern aussagen zu können meint, weder dass sie seien noch dass sie nicht seien; sowohl die Unsicherheit des Gegen

Chantepie de la Saussaye, Religionsgeschichte. 3. Aufl. II.

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standes als die Kürze des menschlichen Lebens machten diese Kenntnis unmöglich. Dagegen lehrt Gorgias ganz bestimmt, es existiere überhaupt nichts, wenn aber etwas da wäre, so könnte man es nicht erkennen und jedenfalls diese Erkenntnis nicht mitteilen. Wieder anders, aber ebenso negativ lautet der Satz des Kritias, die Götter seien Erfindungen kluger Staatsmänner. Noch wirksamer aber als diese Meinungen über die Götter erweist sich die Unterscheidung zwischen dem Natürlichen und dem Konventionellen, pósts und vópos, welche der Sophist Hippias in die Ethik und überhaupt in die Philosophie einführte. In einer Gesellschaft, die ganz auf dem Herkommen beruhte und das Positive, den vópos àpatos, als die einzige feste Norm für den Staat, das Leben, die Religion anerkannte, gab es keine gefährlichere Lehre als die, welche dieses Herkommen als wirklich und veränderlich hinstellte. Dabei war aber die Hauptfrage, ob die neue Norm, der zuliebe man die alte beseitigte, genügte. Dies war die çoots. Es gelang aber der Sophistik nicht, diese Natur über die individuelle Begierde und Stimmung zu erheben. Spätere Denker, wie Plato und die Stoiker, haben diesem Natürlichen einen festeren, edleren Inhalt zu geben versucht. Es blieb jedoch das Verdienst der Sophisten, das fruchtbare, aber gefährliche Problem des Gegensatzes zwischen Natur und Gesetz, dem Wesentlichen und dem Herkömmlichen, dem Positiven, zuerst angeregt zu haben. Allerdings wirkte diese Erkenntnis zunächst nur auflösend.

Wenn man von dem den Glauben anfechtenden Einfluss der Sophistik redet, so denkt man gewiss nicht in erster Linie an den Vater der Geschichtschreibung, Herodot von Halikarnass (484-406). Er war ein gläubiger Mann, der in der Geschichte die Spuren göttlicher Leitung und Gerechtigkeit erkannte, der eine beträchtliche Anzahl von Orakelsprüchen mitteilte, an deren Wahrheit er festhielt. Dennoch klopfte auch bei ihm die Reflexion leise an: seine Kritik der Mythen mag höchst bescheiden sein, dann und wann legte er ihnen doch den Massstab des Denkbaren und Möglichen an. Den Ursprung der meisten griechischen Götter fand er in Aegypten, Homer und Hesiod nannte er die Urheber der Theogonie. Hierin lag nun wohl nichts, was den Glauben geradezu antastete; aber schon die Tatsache, dass er dem Ursprung der Götter nachforschte, ist bezeichnend. Dazu kommt, dass Herodot einen weiten historischen Blick besass, die Sitten vieler Völker kannte, und dadurch zu der Einsicht der Verschiedenheit der menschlichen Gesetze kam1. Sehr stark tritt bei Herodot die

1 III 38.

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Lehre vom Neid der Götter in den Vordergrund. An verschiedenen Stellen lehrt er mit direkter Anwendung auf besondere Fälle: to Ostov πᾶν φθονερόν τε καὶ ταραχώδες '. Dass Vorstellungen dieser Art dem griechischen Geiste vor Herodot ganz fremd waren, lässt sich kaum behaupten, doch mag die prägnante, verallgemeinernde Form, in der sie bei ihm auftreten, vielleicht schon als ein Anzeichen einer in ihrem Glauben schon einigermassen erschütterten Zeit gelten.

Thukydides, obgleich nur wenige Jahre jünger als Herodot, er lebte 472-396, gehört einer andern Zeit an und ist von einem lebendigen Glauben viel weiter entfernt. Er stellte die menschlichen Geschicke rein auf sich selbst und spürte deren Ursachen und Zusammenhang nach, ohne göttliche Einflüsse dabei in Anschlag zu bringen. Sogar die Orakel (xpouoi) waren in seinen Augen oft trügerisch und nur zufällig trafen ihre Sprüche ein 2. Dennoch wollte er, dass man den göttlichen Dingen Achtung erweise; er rügte es, dass man sich an íspá und öota vergriff, er schilderte mit Abscheu, wie infolge der Pest zu Athen alle sittlichen Bande rissen und man selbst das Recht der Toten missachtete; er bedauerte die zerrütteten Verhältnisse des Bürgerkrieges, da man selbst den Eid nicht mehr in Ehren hielt3.

Der eigentliche Repräsentant der Zeit, die unter sophistischem Einfluss die Probleme des Lebens tief fühlte, aber nicht zu lösen vermochte, war Euripides (480-406). Es ist nicht leicht, diesem Dichter gerecht zu werden: unwillkürlich vergleicht man ihn mit seinen beiden Vorgängern, denen er entschieden nachsteht, auch entschlägt man sich nicht ganz des Eindrucks der Schmähungen, mit welchen Aristophanes ihn überhäuft hat. Ein billiges Urteil muss aber immerhin in Euripides einen grossen Dichter erkennen, dessen Stücke den geistigen Strömungen seiner Zeit einen poetischen Ausdruck verliehen. Euripides war ein vielseitig gebildeter Mann, mit der Literatur seines Volkes vertraut, Schüler des Anaxagoras, Freund des Sokrates, sowohl von der Mystik als von der Sophistik beeinflusst. Er hat aber keine philosophische Weltanschauung vorgetragen: ihn beschäftigten die Probleme des Lebens, die Rätsel der menschlichen Geschicke, die er indes vergeblich zu lösen versuchte. Die Theodicee, wie Aeschylos und Sophokles sie lieferten, war dem Euripides abhanden gekommen, sein Glaube war gescheitert, oder besser, er suchte vergeblich, sich eine befriedigende Anschauung zu erobern. Bei diesem Suchen bildete aber doch noch Glaube den Hintergrund. Man halte Euripides nicht für einen gemei1 u. a. I 32; III 40; VII 10, 46, 56.

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