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nen Aufklärer oder vulgären Rationalisten, er hatte „, denjenigen Unglauben, welcher der verzweifelnde Glaube ist“ (MOMMSEN). Die Tragödien des Euripides sind voll von Vorwürfen und Klagen gegen die Götter; diese Götter spielen darin häufig eine schändliche Rolle. Aphrodite verdirbt unbarmherzig den frommen Jüngling Hippolyt, den Artemis nicht retten kann; Hera verstrickt Herakles in Wahnsinn, so dass er die eigenen Kinder mordet; Apollo verlässt feige die Kreüsa und ihr Kind Ion; nur aus Rachsucht duldet Apollo, dass bei seinem eigenen Altar zu Delphi Neoptolemos, der dort in frommer Gesinnung Schutz suchte, erschlagen wird (in Andromache). Das Auffallende in diesen und ähnlichen Beispielen ist nicht, dass den Göttern Unwürdiges aufgebürdet wird, was schon Homer tat, auch nicht, dass man daran Anstoss nahm, was gang und gäbe war, sondern dass der Dichter seine Angriffe so leidenschaftlich führte. Dieses Pathos findet seine Erklärung also durchaus nicht in der Kraft der gegnerischen Ansicht, sondern nur in dem lebendigen Bedürfnis eines neuen Glaubens. Euripides fordert, dass es eine göttliche Vorsehung gebe, die die menschlichen Geschicke lenke, und eine göttliche Gerechtigkeit, die sie erkläre: in der Welt sieht er aber vielmehr das Gegenteil. Darum richtet er seine scharfen Pfeile gegen die Götter, die selbst Schändliches verüben, die wie schlechte Menschen unbarmherzig und rachedürstend ihre Gegner verderben, die es geschehen lassen, dass Unschuldige leiden, und dass das Unglück sich über einzelnen Häuptern anhäufe. Statt vieler Zitate stehe hier nur die Invektive aus einem Fragment des Bellerophon: in der Welt herrscht allein Gewalt und nützt die Frömmigkeit nichts, der alte Glaube an Götter ist zur Torheit geworden: φησίν τις εἶναι δήτ' ἐν οὐρανῷ θεούς;

οὐκ εἰσίν, οὐκ εἴσ'.

Euripides greift also nicht bloss die unwürdigen Vorstellungen von den Göttern an, er wird an ihrem Weltregiment überhaupt irre. An der Kraft seiner Negation messen wir die Tiefe seiner geistigen Bedürfnisse. Allerdings vermochte er den Grund zu einem neuen Aufbau nicht zu legen. Sogar an der Mantik zweifelte er bisweilen; er schalt die Träume trügerisch und meinte, die besten Wahrsager wären die, welche am scharfsinnigsten die Zukunft erraten könnten.

Es ist bloss ein Schein, dass Euripides statt der alten neue Götter eingeführt hätte, wie Aristophanes ihm vorwarf'. Namentlich wäre der Aether des Euripides Gottheit gewesen; und auch Neuere haben sich bemüht, diesen Aether im Zusammenhang mit dem vous des Ana

1 Ranae, 880.

xagoras zu einem philosophischen Gottesbegriff aufzuputzen. Auch in Begriffen, wie Chronos, Nomos, Moiren, Ananke, Dike, findet man Anhaltspunkte zu einer positiveren religiösen Ansicht. Freilich hat Euripides sich dieser Begriffe, die er der Philosophie oder dem Volksglauben entlehnte, bedient, aber es ist gewiss, dass er darin ebensowenig, wie in den herrschenden Vorstellungen von den persönlichen Göttern, eine befriedigende Lösung der Probleme, eine wirkliche Theodicee gefunden hat. Des letzte Wort von Euripides' Theologie stimmt wohl zu dem, was Protagoras nach der Ueberlieferung im eigenen Hause des Dichters über die Götter lehrte, dass wir von den Göttern nichts Sicheres wissen und nichts Wahres sagen können. Daher bei Euripides das wiederholte dots ó deós, das Nebeneinanderstellen verschiedener Bezeichnungen: Ζεύς, εἴτ ̓ ἀνάγκη φύσεως, εἴτε νοῦς βροτῶν', die häufig vorkommenden Seufzer, dass das Göttliche sich unsern Blicken entziehe.

Dieser Unsicherheit der göttlichen Dinge entspricht es, dass auch für die menschlichen der feste Massstab fehlt. Euripides vermag nicht, im menschlichen Unglück die göttliche Gerechtigkeit und göttliche Rettung aus demselben darzustellen; es bleibt der Mensch mit seinem Jammer auf sich selbst gestellt, daher der pathetische Charakter seiner Tragödie. Auch hat er zuerst unter den Tragikern sophistisch den Massstab des Sittlichen in die Meinung verlegt und die Macht der Leidenschaft fast als ein Recht dargestellt. Dennoch hat er die Leidenschaft nicht unbedingt verherrlicht: in Phaedra, Medea u. a. sind ihre verheerenden Folgen ergreifend geschildert, und die Unwahrheit, die verderblichen Wirkungen der „Sophistik der Leidenschaft" (NÄGELSBACH) hat niemand tiefer gefühlt. Der Dichter wollte durchaus nicht das Schlechte gut heissen. Seneca erzählt, dass bei einer masslosen Verherrlichung des Goldes in Bellerophon das Volk sich entrüstet gegen den Dichter und den Schauspieler erhoben, Euripides aber darauf geantwortet habe, man solle abwarten, wie er den Lobredner des Goldes enden lasse. Diese Anekdote warnt uns davor, den Euripides für allerlei unsittliche Maximen, die er seinen Personen in den Mund legt, verantwortlich zu machen, wie dies Aristophanes und viele nach ihm tun. Höchstens darf man es für die Zeit wie für den Dichter bezeichnend finden, dass er auch auf diese Weise mit dem Feuer spielt.

Das Positive liegt bei Euripides besonders in der Anerkennung der mystischen Religion. Der Orphismus hat sehr wahrscheinlich mehr

1 Troades, 887.

2 τί δ' αἰσχρόν, ἢν μὴ τοῖσι χρωμένοις δοκῇ (fragm.).

oder weniger auf seinen Geist eingewirkt. In mehreren Stücken hat er die Weihen mit Ehrfurcht genannt oder dichterisch gefeiert: so in den uns erhaltenen Fragmenten der Kreter, wo der Zeuspriester die Weihen der Göttermutter Kybele beschreibt, in einem Chor der Helena, nach manchen auch im Hippolytos. Stark hat ihn der Todesgedanke beschäftigt. Die Aeusserung in einem Fragment: tis d' oidev ei ζὴν τοῦθ ̓ ὁ κέκληται θανεῖν, τὸ ζῆν δὲ θνήσκειν ἐστί; mit welcher Aristophanes seinen wohlfeilen Spott treibt, kommt nicht nur gelegentlich vor, sondern drückt wohl die tiefsten Gedanken des Dichters aus. Allein auch im Orphismus hat er keine befriedigende Lösung, keinen stärkenden Glauben gefunden. Das letzte Wort seiner Muse war das der Resignation, in der ergreifenden Tragödie der Bakchen. In Pentheus schildert der Dichter die Beschränktheit des Rationalismus und dem gegenüber die alles niederwerfende Macht des Gottes. Man hat in dieser Tragödie eine Palinodie gesehen, in welcher der Dichter seine früheren Ansichten zurückgenommen hätte; allein wir bemerkten bereits, dass er nie ein gemeiner Rationalist gewesen ist. Nirgends aber wird die Unzulänglichkeit der menschlichen Vernunft schärfer und unbarmherziger gegeisselt als hier. Der Glanz der Poesie, den der Dichter über die Schilderung des Treibens der Mänaden auf dem Kithäron ausgebreitet hat, darf uns über seine wahre Meinung nicht täuschen. Der Gott, dessen Macht er hier darstellt, Dionysos, weiss zu siegen, aber nicht zu heilen; sein Triumph bringt Elend und Verderben nicht bloss über seinen Feind Pentheus, sondern auch über seine Diener und die Werkzeuge seiner Macht, Agaue und Kadmos. Man muss sich vor der göttlichen Macht beugen; sie bewundern und lieben. kann man nicht. Das letzte Wort des Euripides ist trauriger und verzweifelter als die scheinbar verzweifelten Fragen und Klagen seiner Skepsis.

In Aristophanes (444-388) fand der alte Glaube einen Verteidiger, der eifrig gegen alle Neuerer, Kleon, Sokrates, Euripides, Krieg führte. Allerdings war der athenische Komödiendichter für die Religion ein sehr eigentümlicher Anwalt. Die schonungslose Art, wie er die Götter auf die Bühne brachte, überbot bei weitem alles, was man an Euripides aussetzen konnte. Nicht bloss ausländische Gottheiten, wie den Triballergott, der nicht ordentlich griechisch redet (in den Vögeln), macht er lächerlich; die griechischen Götter kommen noch schlimmer weg. Wir erinnern an Hermes (in Eirene), an Dionysos, der als ganz liederlicher Bursche auftritt, wobei dennoch seine Gottheit betont wird (in den Fröschen), an sämtliche Götter, die infolge des Baues der Vogelstadt ihrer Opfer verlustig gehen und aus Hunger be

reit sind, für einen Leckerbissen das Weltregiment abzutreten (in den Vögeln). Trotz alledem war Aristophanes ein Lobredner alter Zucht und Sitte. Er war sich bewusst, sie nicht zurückbringen zu können, es war aber seine ernsthafte Ueberzeugung, dass die neuere demagogische Entwicklung der Gesellschaft, dass die Sophistik und der Atheismus, die er in seinen Gegnern bekämpfte, zum Untergang des Staates führten. Bei aller Tollheit seiner Spässe herrschte bei ihm eine ernste, ja düstere Gesinnung. Der Unglaube seiner Zeit hatte ihn selbst angefressen. Die Tugend und Kraft des älteren Geschlechts lobte er mit Ueberzeugung, zwischen den Zeilen lesen wir aber, dass er sie doch etwas altmodisch fand. Die Schwäche seines eigenen Glaubens kommt nirgends deutlicher zum Vorschein als in den Wolken. Indem er Sokrates des Atheismus beschuldigt, weiss er selbst keinen besseren Grund, den Glauben an die Götter beizubehalten, als die Erwägung, dass die Gesellschaft ihrer bedürfe. Der Dichter erschrickt beim Gedanken an die Folgen, welche die Leugnung der Götter nach sich führt und will den Glauben darum festhalten. So fand dieser Anwalt der Religion nur die letzte Ausflucht der Ratlosigkeit.

§ 17. Religion und Philosophie.

Literatur. Ueber Plato vgl. die mustergültige Uebersetzung mit Einleitungen u. s. w. von B. JOWETT, The dialogues of Plato (3. ed., 5. vol., 1892); G. Grote, Plato and other companions of Sokrates (3. ed., 3 vol., 1875); und E. PFLEIDERER, Sokrates und Plato (1896); über Aristoteles ebenfalls GROTE und eine klare, sehr übersichtliche Darstellung von A. GRANT, Aristotle (1888); für die Stoa das betreffende Hauptstück in M. HEINZE, Die Lehre vom Logos in der griechischen Philosophie (1872); über die Epikureer: W. WALLACE, Epicureanism (1880).

Von Sokrates ist eine Bewegung ausgegangen, die noch heute dauert, und deren Tragweite der Geschichtschreiber der geistigen Entwicklung der Menschheit kaum überschätzen kann. Die Zeitgenossen haben ihre Bedeutung verkannt, indem sie Sokrates für einen Sophisten hielten, einen Neuerer, der der Entsittlichung und Auflösung der Zustände in die Hände arbeite, und ihn schliesslich zum Tode verurteilten, weil er die Götter des Staates nicht ehre, xavà dayóna einführe und die Jugend verderbe. Der Richterspruch, den man jedenfalls im Zusammenhang mit den politischen Strömungen der Zeit der demokratischen Restauration beurteilen muss, scheint uns höchst ungerecht: Sokrates hatte als Bürger und Soldat seine Pflichten gegen den Staat gewissenhaft erfüllt, und seine Lehren waren ihrem Wesen nach doch nicht subversiv. Eigentlich berührten sie die Religion nicht unmittelbar. Sokrates scheint weder gegen die Gottesideen seiner Landsleute polemisiert noch den Kultus angetastet zu haben. Mit einer Erklärung

der Welt wollte er sich nicht befassen: er lenkte die Aufmerksamkeit auf das Innere des Menschen und bekämpfte auf diesem Gebiet Unkenntnis und Wahn. So begründete er die ethische praktische Philosophie, indem er von der Einheit von sopia und ow‡posóvŋ ausging1. Er erkannte aber auch in seinem eigenen Inneren ein über die bewusste Einsicht hinausgehendes unmittelbares Element; er nannte dies sein Sayuóvov. Wie er hiermit in Zusammenhang mit uraltem Volksglauben stand, wurde schon bemerkt. Das Daimonion galt ihm als eine göttliche Stimme. Es verhielt sich dasselbe durchweg abmahnend, nicht antreibend, und bezog sich vorwiegend auf den zu erwartenden Erfolg der Handlung. Wenn man dapóvtov durch Gewissen übersetzt, vergisst man, dass es sich bei Sokrates nicht auf den ganzen inneren Zustand, sondern nur auf die einzelnen Handlungen bezog; anderseits ist es aber eine Abschwächung, es bloss als praktischen Takt zu erklären, denn Sokrates vernahm darin entschieden die Stimme der Gottheit.

Von Sokrates gingen mehrere Schulen aus: die von Megara und Elis, die kynische und kyrenaische. Ihre Bedeutung wird aber in den Schatten gestellt durch Plato (428-347), der die ethischen Probleme vom Zusammenhang zwischen Einsicht, Tugend und Glück weiter führte, indem er sich dabei freilich oft von Sokrates entfernte, namentlich dadurch, dass er dessen Hauptsatz von der Lehrbarkeit der Tugend später preisgab. Wir können hier nicht daran denken, auch nur eine flüchtige Uebersicht des so vielerlei umfassenden Systems Platos zu geben. Die Fragen nach der Einheit dieses Systems, der Entwicklung von Platos Denken, der Aechtheit und Reihenfolge seiner Dialoge bleiben noch offen. In Plato liegen bis jetzt noch unversöhnte Gegensätze, die verschiedensten Strömungen des Denkens und Empfindens nebeneinander vor. Sokrates hatte ihn mächtig angeregt; aber auch die Spekulation der Vorsokratiker, eines Pythagoras, eines Heraklit, der Eleaten, finden wir bei ihm wieder. Niemand hat wie Plato eine so scharfe, vernichtende Kritik mit einer so kühnen Spekulation verbunden. Von ihm sind sowohl die skeptischen Neoakademiker als die mystischen Neoplatoniker ausgegangen. In seinen Schriften finden. sowohl der Dualismus als der Pantheismus ihre Texte.

Zu den landläufigen religiösen Vorstellungen hat Plato vornehmlich in den Büchern II, III und X der Republik Stellung genommen. Homer wollte er wegen der unwürdigen Erzählungen über die Götter

1 Xenoph., Memor. III 9, 4.

2 Ueber das dauóvtov Xenoph., Memor. IV 3, 12; 8, 5 u. 6; I 4, 15. Plato, Apol. 31 D.

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