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447 Zeilen, welche 1444 in der Stadt Gubbii gefunden wurden. Sie enthalten in umbrischem und lateinischem Dialekt sowohl Vorschriften als Formeln eines umbrischen Kultus der attidischen Brüderschaft. Sie lehren uns einigermassen eine nicht römische, italische Religionsform kennen.

§ 3. Die Gottheiten der alten Römer.

Varro unterscheidet drei Klassen von Göttern, dii certi, incerti und selecti. Diese Einteilung aber ist nur von dem Standpunkt dieses Schriftstellers aus zu verstehen, aber keineswegs im Wesen der Sache selbst begründet. Sogar die Bedeutung dieser Unterscheidung ist nicht vollkommen durchsichtig. Die dii certi waren die altrömischen Gottheiten, deren Wesen und Wirksamkeit die priesterlichen Urkunden und Formeln deutlich beschrieben. In Gegensatz zu ihnen waren die. dii incerti entweder diejenigen, die nicht ab initio certi et sempiterni, sondern erst durch Vergötterung oder Konsekration zu Gottheiten geworden waren, also konsekrierte Menschen (Castor, Pollux, Hercules) und Personifikationen von Tugenden (so PRELLER); oder sie waren einfach verschollene, auch dem Varro nur noch dem Namen nach bekannte Götter, wie Summanus, Furrina u. a. (so MARQUARDT). Die dii selecti waren die Hauptgötter, denen die grössten Tempel angehörten, und deren Dienst im Vordergrund stand; Varro kennt deren 20. Es ist deutlich, dass diese Unterscheidungen lediglich in äusseren Umständen, nicht in Charakterzügen der göttlichen Wesen selbst wurzelten. Freilich waren die des römischen Sakralrechts ganz andere. Die schon erwähnten in digetes sind die Götter der ursprünglichen, gewöhnlich dem Numa zugeschriebenen Religionsordnung; die in späterer Zeit eingeführten sind die sog. noven sides. Etwa im dritten vorchristlichen Jahrhundert wurde eine neue Götterklasse eingeführt, die der zwölf dii consentes Jupiter, Juno, Neptunus, Minerva, Mars, Venus, Mercurius und Ceres. Es sind dies die zwölf griechischen Hauptgötter, und diese erhielten auf dem Forum ihre Statuen, wie die zwölf Götter auch auf dem athenischen Markte verehrt wurden. Freilich kannten auch die Etrusker einen hohen Rat der Götter, die den Jupiter (Tina) berieten; diese waren zusammen entstanden und sollten zusammen untergehen; sie waren wiederum eine Klasse von höheren verhüllten Göttern einer geheimen Weltordnung (dii involuti) untergeordnet'. Doch sind diese Vorstellungen von denen der römischen consentes wesentlich verschieden, wenn auch auf die äusser

1 Vgl. die spärlichen Notizen bei Seneca, Nat. Quaest. II 41; Festus s. v. manubiae; Arnobius III 40.

liche Gestaltung derselben, ebensogut wie bei den Römern, griechische Vorbilder eingewirkt haben können.

Die Wesen, welche die Römer verehrten, waren mehr numina als persönliche Götter. Es waren Kultusgötter, welche die Geschicke der Menschen bis ins einzelne lenken und den Staat beschützen; dei complures hominum vitam pro sua quisque portione adminiculantes, wie Censorin, de die natali, von den Göttern der Indigitamenten sagt. Weder Plastik noch Mythologie, weder gemütliches Bedürfnis noch vernünftige Reflexion hatte diese Wesen in die geistige Sphäre erhoben. Das Begriffliche tritt bei ihnen überaus stark in den Vordergrund. Auch untereinander bildeten sie weder eine Familie noch ein Gemeinwesen; schwerlich ging man in dieser Richtung weiter, als zur Zusammenstellung gleichartiger männlicher und weiblicher Götter. Und mag man nun auch diese Götterpaare: Saturnus und Ops, Saturnus und Luna, Quirinus und Hora, Vulcanus und Maja, Mars und Nerio, wohl Väter und Mütter genannt haben, so bezeichnete dies sie doch bloss als erzeugende und beschützende Mächte; ihre Verhältnisse zu einander wurden nirgends ausgesponnen. Viele Götter der Indigitamenten hatten gar nichts Individuelles; sogar die einzelnen Funktionen des menschlichen Lebens und Wirkens hatten ihre Götter1. In den Geistergruppen, welche man verehrte, unterschied man keine Individuen. Schon früh widmete man Abstraktionen (wie Juventus, Fortuna) einen eifrigen Kult. Die höchsten Götter, die einen, obgleich immer noch dürftig ausgeprägten, mehr persönlichen Charakter hatten, standen mit der Natur in Zusammenhang oder waren Schirmherren des Staates.

Die Zahl der Gottheiten, welche in den priesterlichen Indigitamenten aufgezählt waren, ist nicht zu bestimmen. Wohl nirgends ist die Vervielfältigung der göttlichen Wesen so ins Unendliche durchgeführt worden, wie bei den Römern; jeder einzelne Zustand, jede Handlung, ja jeder Teil einer Handlung, jede Klasse von Gegenständen hatte besondere Schutzgeister. AMBROSCH hat die Namen in diesen Gebetsformeln als die Bezeichnung derjenigen Eigenschaften oder Funktionen der Götter aufgefasst, welche man in bestimmten Fällen um Hilfe anrufen müsse; und dass es Indigitationen gab, welche im Grunde nur Beinamen von mehr persönlichen Göttern waren, ist nicht zu bezweifeln, so wissen wir, dass z. B. Jupiter von den Saliern als Lucetius, Faunus als Iunuus und Fatuus usw. indigitiert wurde. Wie bei der griechischen und sehr vielen andern Religionen, konnten auch die römischen Götter neue Beziehungen erhalten, die sich in neuen Bei

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Singulis actibus proprios deos praeesse sagt Servius, Aen. II 141.

namen ausdrückten. Juno war die lanzenschwingende Göttin, Quiritis, die Geburtshelferin, Lucina, die „Ratgeberin", Moneta, die Regina, die Sorpes usw. Jupiter z. B. bald, wie gesagt, Lucetius, bald Tonans, bald Victor. Die Persönlichkeiten der meisten italischen Götter waren jedoch zu schwach, um sich in viele Funktionen zu zersplittern. Gewiss kam es vor, dass sich der Beiname von dem Hauptnamen loslöste und selbständig wurde. Summanus wurde ein selbständiger Gott des nächtlichen Himmels neben Jupiter Summanus. Silvanus hat den Faunus, von dem er ursprünglich nur eine besondere Bezeichnung darstellte, sogar im Kult stark zurückgedrängt. Jupiter wird ein Gott der Treue, Dius Fidius. Darauf wird aber die Fides eine selbständige Göttin. Aber die eigentlichen Sondergötter, wie USENER sie genannt hat, und wie sie für die Indigitamenta gewiss besonders charakteristisch waren, wenn sie in dieser auch nicht ausschliesslich vorkamen, sind jedoch etwas anderer Natur. Sie sind Begriffe, wie gewissermassen alle römischen Götter, aber Begriffe, welche nicht mehr umfassen, als der Name ausdrückt. Jede göttliche Wirkung gilt gleichsam als erkannt, sobald man ihren Namen ausspricht, und jede göttliche Wirkung wird so ein Gott für sich. Beim Herannahen der Gallier (390 v. Chr.) meinte man eine Stimme zu hören, welche dieses Ereignis verkündete. Man erkannte hier einen neuen Gott, und das Wesen dieses Gottes war ausgedrückt, indem man ihn Ajus Locutius, den „aussagenden Sprecher“, nannte. Aber die meisten Indigitamentsgötter waren nicht einmal solche, welche man wirklich wahrgenommen zu haben glaubte; sie waren mehr vorausgesetzt, absichtlich erdacht, um bestimmte, vorher festgestellte, systematische Reihen auszufüllen. Von solchen Götterreihen sind uns einige (bei Varro) erhalten, nämlich die, welche der embryonalen Entwicklung vorstanden, die Geburtsgottheiten, die, welche Mutter und Kind beschützten, die der früheren und die der späteren Entwicklung des Kindes, die der Ehe, die, welche bei besonderen Fällen im Leben halfen. Folgende Beispiele zeigen, wie sehr diese Spaltung bis ins kleinste durchgeführt war. Das kleine Kind lehrten Educa und Potina essen und trinken, Cuba beschützte es im Bett, Ossipago stärkte ihm die Knochen, Carna das Fleisch, Statanus lehrte es stehen, Abeona und Adeona gehen, Fabulinus, Farinus und Locutius sprechen. War der Knabe älter geworden, so führte Iterduca ihn in die Schule und Domiduca wieder nach Hause; Mens, Catius, Consus, Sentia machten ihn verständig; Voleta und Stimula gaben ihm den Willen, Praestana, Pollentia, Peragenor, Strenia die Kraft der Ausführung, und so ging es bis ins Unendliche fort. Ausser den angeführten Reihen gab es noch manche andere. Alle Teile des Hauses

hatten ihre eigenen Gottheiten; Forculus beschützte die Haustüren, Limentinus die Schwellen, Cardea die Türangeln. Dass namentlich auch beim Ackerbau viele derartige Wesen verehrt wurden, versteht sich von selbst. Die Akten der Arvalen nennen zwölf Götter, welche je die verschiedenen Momente der Aussaat überwachten und beim Kult im Haine der Dea Dia angerufen wurden. Die Römer trieben vorzüglich Ackerbau, aber auch die Viehzucht und andere Beschäftigungen hatten ihre Beschirmer; der Bubona lag die Sorge ob für die Rinder, dem Pales für die Schafe, die Hirten verehrten Flora und Silvanus, die Gärtner Puta und Pomona, die Kaufleute Mercurius. Wir führen alle diese Namen nur beispielsweise an, nicht in der Absicht, ein annähernd vollständiges Verzeichnis der wichtigsten Götter zu geben. Auch Gottheiten, die einen mehr persönlichen Charakter zu haben scheinen, sind hierher zu zählen, wie Saturnus, der sowohl in der Reihe der Götter der Konzeption als in der der dii agrestes genannt wird. Der Erfolg eines Kultusaktes war in dem Masse von einer fehlerlosen Indigitation abhängig, dass man, nachdem man eine ganze Reihe von Göttern genannt hatte, aus Furcht, irgend einen Namen vergessen zu haben, schliesslich eine allgemeine Formel hinzufügte, wie: quisquis es, oder: sive quo alio nomine fas est appellare, oder: sive deo, sive deae, oder dergleichen.

Die Grenze zwischen den Gottheiten, welche die einzelnen Momente des Lebens überwachten, zwischen den für die Indigitamenta so charakteristischen Begriffsgöttern und jenen ebenfalls von den Römern verehrten allgemeineren Abstraktionen können wir gar nicht scharf bestimmen; sie sind durch ähnliche geistige Prozesse gebildet. Wesen wie Strenia, Mens u. dergl. gehörten zu beiden. Wir müssen aber diesen Charakter der überwiegend begrifflichen Auffassung des Lebens und der Welt, welcher zu der Bildung von Abstraktionen führt, besonders betonen. Dieser Zug gehörte zu den ältesten in der römischen Religion und zeigte sich noch in ihren spätesten Phasen, als man die Clementia oder die Providentia der vergötterten Kaiser als Wesen für sich betrachtete. Einzelne Tugenden, Freiheit, Glück, Frieden usw. waren in der römischen Religion nicht bloss personifiziert, sondern geradezu Götter, denen ein Kultus gewidmet war: es kommen Tempel, Bilder, Altäre vor für Wesen wie Pax, Fides, Victoria, Spes, Libertas, bonus Eventus, Virtus, Concordia, Pudicitia, Pietas. Unter allen diesen Wesen gelangte aber keines zu höheren Ehren als Fortuna1. Sie hatte mehrere Tempel in Rom und der Umgegend und in

'Plutarch, spi cñjs Pwμaiwv Tóns, bietet interessante Gesichtspunkte. Wie

manchen Kulten wurde sie gefeiert. Ihre beiden ältesten Heiligtümer soll Servius Tullius gestiftet haben, das eine auf dem rechten Tiberufer, wo ein fröhliches Fest am 24. Juni vorzüglich das niedere Volk und die Sklaven versammelte, das andere auf dem forum boarium, wo ein verhülltes Bild, an welches sich allerlei Sagen knüpften, die Fortuna vorstellte. Uebrigens wurde sie unter mehreren Namen verehrt, als Fortuna publica (oder populi Romani), Fortuna muliebris, zum Andenken an den durch die römischen Frauen bewirkten Abzug des Coriolan, Fortuna equestris, Fortuna barbata, der die Jünglinge den ersten Bart weihten, usw. Diese Fortunen als Göttinnen des Glücks, des glücklichen Zufalls, sowohl im allgemeinen als auch für besondere Fälle und Klassen, gehören durchaus zu der römischen Anschauung. Eine auch über den Göttern stehende unbeugsame Schicksalsmacht war ihr dagegen fremd, obwohl diese Vorstellung dem Dienst der Fortuna primigenia zu Präneste, welche als die Mutter Jupiters und Junos galt, zu Grunde gelegen zu haben scheint.

Standen also das Leben und die Welt in allen ihren Teilen unter geistigen Einflüssen, so hatten auch Tod und Unterwelt in der Religion ihre Repräsentanten. Wohl waren diese nicht zahlreich, auch haben die Römer die Vorstellung von dem Totenreich nicht selbständig entwickelt, sondern ihre Gedanken meist von den Griechen entlehnt. Ein ursprünglicher, volkstümlicher Unterweltsgott war Orcus, dessen Name bisweilen auch den Unterweltsraum bezeichnete. Dispater aber und Proserpina, der Unterweltskönig und die Unterweltskönigin, waren die griechischen Pluto und Persephone, deren Kult unter diesen Namen 249 v. Chr. eingeführt wurde.

Die übrigen dii inferi waren die Seelen der Gestorbenen, welche, wohl euphemistisch', die Guten (xprotot), Manes, oder auch die Schweigenden, Silentes, hiessen. Der Kult der Seelen und Ahnen als Götter, der dii Manes (D. M. auf vielen Grabinschriften), war in Rom sehr alt, der der Heroen nicht römisch, und, insofern er vorkam, von den Griechen herübergenommen. Mit Pomp wurde die Leiche zum Grabe oder zur Grabstätte geleitet; in der Prozession zogen auch die Ahnen, durch Personen, die ihre Masken und Insignien trugen, repräsentiert, mit. Am zehnten Tage hielt man ein Gastmahl und brachte Opfer (sacrificium novemdiale, feriae denicales), während man den verstorbenen Voreltern (di parentum) gewöhnlich mehrmals im Jahre an ihrem Grabe Gaben weihte. Regelmässig geschah dies an umfangreich die Literatur und wie vielseitig die Beziehungen dieses Kultus waren, kann man sehen aus dem Artikel Fortuna in ROSCHERS Lexikon.

1 Sunt autem noxiae et dicuntur xatà àvtippast, Serv. in Aen. III 63. Chantepie de la Saussaye, Religionsgeschichte. 3. Aufl. II.

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